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Entwicklung der Medien-Präferenzen mit dem Älterwerden

Im Dokument Gibt es eine »Net Generation«? (Seite 112-116)

Ein ganz wichtiger weiterer Blickwinkel auf die Generationenfrage und die Präferenzen der Jugend nutzt die Beobachtung, dass sich die Nutzungsmotive und Einstellungen mit dem Älterwerden verändern59:

»The typical Grade 4 student, if given an hour or two to use the Net, prefers to play online games, but gaming is soon superseded by talking to friends. By Grade 6, girls prefer instant messaging over any other online activity; by Grade 8, boys’ interest in gaming is matched by their interest in instant messaging. From Grade 9 on, instant messaging is the preferred online activity for both girls (80-83 percent) and boys (54-61 percent), and about 80 percent of kids instant message and listen to music on a daily basis.« (Media Awareness Network 2005, S. 6/7)

Interessen verändern sich mit dem Älterwerden (s. Cap Gemini 2007; s. Abb. 15). Die Trends der Veränderung entsprechen durchaus den auch sonst beobachtbaren Änderun-gen, die im Leben der Jugendlichen stattfinden. Die Kommunikation mit den Peers löst das Spielen ab. Den Altersverlauf der Medienbindung hat die KIM-Studie des Medien-pädagogischen Forschungsverbund Südwest (mpfs: KIM 2006, S. 18) durch die Vermis-sensfrage ermittelt, die ich im vorigen Kapitel vorgestellt hatte. Die KIM-Studie (2006) hat die Ergebnisse zur Vermissensfrage im Altersverlauf analysiert und in vier Alters-gruppen von sechs bis dreizehn Jahren untergliedert: stets bleibt das Fernsehen dasjeni-ge Medium, auf das man am wenigsten verzichten möchte. Der Anteil derjenidasjeni-gen, die nicht auf den Fernseher verzichten wollen, nimmt mit dem Alter zu. Das Internet war noch zu schwach vertreten. In der JIM-Studie 2007 des Medienpädagogischen For-schungsverbunds Südwest, die Daten an 12 bis 19jährigen erhebt, erhielten bereits Computer und Internet den Vorrang vor Fernsehen und mp3-Player.

Die ARD und ZDF-Studie (2007) bestätigt zwar den Vormarsch des Internets, stellt aber nach wie vor fest, dass das Ergebnis der Vermissensfrage das Fernsehen ist:

»Aufgewachsen mit dem Internet zählen die heute 14- bis 29-Jährigen noch am ehes-ten zu jenen Medienkonsumenehes-ten, die das Internet als ›Allround-Medium‹ für sich erschlossen haben. Im Gegensatz zu den Generationen vor ihnen, für die der funkti-onal-kommunikative Aspekt des Internets im Vordergrund steht, nutzen sie die Mög-lichkeiten des Netzes in seiner ganzen Breite, auch und vor allem die unterhaltenden Webangebote. Umso bemerkenswerter ist, dass das Fernsehen sich selbst für die

›Generation@‹ als das Medium erweist, auf das sie mehrheitlich am wenigsten ver-zichten möchten.« (van Eimeren & Ridder 2005, S. 493f.)

59 siehe aber die Anmerkungen auf Seite 88/89, die zur Vorsicht gegenüber vorschneller Verallgemeinerung von Al-tersverläufen mahnen. Bei einem Vergleich von Daten aus der KIM-Studie mit denen aus der JIM-Studie scheint es mir u.U. legitim zu sein zu unterstellen, dass Unterschiede zwischen Teenagern und Twens als Veränderungen zu deuten, die der Altersentwicklung geschuldet sind.

Während die über 50jährigen das Internet überwiegend zur Information (85%) nutzen und nur zu 6% zur Unterhaltung, spielt für die 14-19jährigen die Unterhaltung mit 47% die größere Rolle (Information 32%; beides 21%) (ARD/ ZDF 2007, S. 368).

Auch bei der Nutzung der Internet-Dienste stellt man interessante Unterschiede fest:

Email und Suchmaschinen nutzen alle Altersgruppen gleichermaßen. Aber ab da unter-scheidet es sich: Auf Seiten der Jüngeren finden wir Schwerpunkte bei den Kategorien Download von Dateien, Gesprächsforen, Newsgroups, Chats und Onlinecommunities, während die kommerziellen Aktivitäten bei den Älteren stärker vertreten sind (S. 370).

Die kanadische Studie des Media Awareness Network (Student Survey 2005, S. 17) hat Schülern von der vierten bis zur elften Klasse die Frage gestellt, was man mit dem Computer anfangen würde, wenn man gerade mal ein bis zwei Stunden zu überbrü-cken hätte. Die Antworten machen deutlich, wo die Interessen liegen, ganz eindeutig bei Kommunikation und Musik:

Abb. 19: Rangfolge der Computer-Aktivitäten nach Alter (links Mädchen, rechts Jungen), (nach Media Awareness Network, Student Survey 2005)

Das Diagramm macht noch eines deutlich: Selbst wenn bei den Viertklässlern die Spiele noch hoch in der Gunst stehen, im Verlauf der Entwicklung von der vierten zur elften Klasse nimmt das Interesse am Spielen stark ab, bei den Mädchen (linkes Diagramm) stärker als bei den Jungen (rechtes Diagramm), und Kommunikation und Musik treten in den Vordergrund. Ich denke, dass man bei so kurzen Zeitspannen die Querschnittdaten noch vergleichen und als Trend deuten darf (s.a. Treumann, Meister, Sander u.a. 2007, S. 116). Es ist ein Indiz dafür, dass eine ganz normale Sozialisationsentwicklung eintritt.

Eine Variation der Frage suchte zu erkunden, was an einem normalen Schultag mit dem Computer angestellt wird (S. 19). Es ergibt sich dieselbe Rangfolge, lediglich die schuli-schen Hausarbeiten rücken bei den Schülern bis zur 11. Klasse nach oben an die

zwei-te (Mädchen) oder an die vierzwei-te Szwei-telle (Jungen). Diese Erkenntnis führt die Autoren zu der Schlussfolgerung: »Online Space is Social Space – How Young People Use the Net to Stay Connected to Friends and Explore Social Roles«.

Auch die Studie des Deutschen Jugendinstituts, die drei Altersgruppen differenziert, kommt zu der Erkenntnis: »Mit zunehmendem Alter geht das Interesse an diesen Tech-niken leicht zurück, was durchaus auch auf zunehmende Kontakterfahrungen und da-mit Sättigungserscheinungen zurückgeführt werden kann.« (Tully 2004, S. 174; s.a.

Schorb, Keilhauer u.a. 2008, Anhang S. 12). Für die Autoren stellt sich die Frage, ob dieser Rückgang als Lebenszykluseffekt oder als Kohorteneffekt zu interpretieren sei. Sie nehmen an, »dass beide Effekte kombiniert auftreten, dass also einerseits Computer-spiele tatsächlich mit steigendem Alter unwichtiger werden (Lebenszykluseffekt), ande-rerseits aber auch spätere Jahrgänge mit einer generell höheren Affinität zu Computer-spielen ausgestattet sind (Kohorteneffekt), da sie selbstverständlicher mit dem Computer als Alltagsmedium aufgewachsen sind.« Nun kommt aber dieselbe Degradation in meh-reren Studien bei unterschiedlichen Jahrgängen vor, so dass man annehmen darf, es ist ein mit dem Älterwerden wiederkehrender Effekt, der zu einer Eingrenzung des Spek-trums von Aktivitäten und zur Fokussierung auf wenige wichtiger werdende Tätigkeiten führt, so »dass mit fortschreitender Aneignung der vielfältigen Tätigkeitsoptionen des Internet-PC, die inhaltlich-konvergenten Angebote der Einzelmedien für die Jugendli-chen an Bedeutung verlieren.« (ebd., S. 53)

Neuere Daten (Busemann & Gscheidle 2009) zeigen deutliche Differenzen bei der Nutzung von Wikipedia, Videoportalen, Social Communities und Fotocommunities zwischen den 14-29jährigen und der Gesamtheit der Internet-Nutzer (S. 364), wobei auch bei der Altersgruppe bestimmte Web 2.0-Methoden noch nicht angekommen sind wie z.B. berufliche Netzwerke u. Communitys, Weblogs, Lesezeichensammlungen und virtuelle Spielewelten (S. 361).

Interessant und lehrreich ist in diesem Zusammenhang eine spezieller Vergleich der Da-ten von 1998 und 2008 (Klingler 2009) aus der Studienreihe »Jugendliche, Information und (Multi-)Media«, der bisher zehnjährigen JIM-Studie des medienpädagogischen For-schungsverbunds Südwest, durch den deutlich wird, was sich in diesem Jahrzehnt bei den Medien allgemein verändert hat. Während bei den 12-19jährigen in den Tätigkei-ten ›am Computer ohne Internet‹ nur wenig geändert hat (›CDs brennen‹ ist stark zu-rückgegangen, ›Lernprogramme nutzen‹ auch, dafür ist ›Lernen für die Schule‹ gestie-gen), erscheinen bei den Internetaktivitäten einige Tätigkeiten, die vor zehn Jahren noch nicht vorkamen (z.B. ›Informationen für die Ausbildung suchen‹, ICQ oder MSN nut-zen), und es kommen etliche vor, die 1998 noch geringe Prozentzahlen aufwiesen (z.B.

Emails schreiben, Musik hören, Filme anschauen). Klingler unterscheidet dabei teilwei-se teilwei-sehr granular nach Jahrgängen (1985/85 und 1989/90) und Zeitpunkten (1998, 2002, 2004 und 2008), wodurch sich zu den verschiedenen Zeitpunkten mehrere Altersgrup-pen ergeben (12/13jährige und 18/19jährige). Diese Studie ist die einzige mir bekannte Untersuchung, in der dieselbe Stichprobe als zwei Altersgruppen betrachtet werden kann. Hier kann die Hypothese, dass sich Mediennutzung und Mediennutzungsmotive mit dem Alter ändern, an zwei Substichproben studiert werden. Aus diesem Grunde

will ich der Darstellung einiger Erkenntnisse von Klingler gern etwas mehr Raum geben.60

Abb. 20: Mediennutzung von drei Stichproben im Abstand von 10 Jahren (Klingler 2009, S. 630)

Dass die Computernutzung mit dem Älterwerden gestiegen ist, muss im Rahmen dieses Aufsatzes nicht groß belegt werden. Während die beiden früheren Altersgruppen vom 12. bis zum 19. Lebensjahr noch große Steigerungsraten hatten, weisen 2008 die 12-13jährigen bereits so hohe Prozentpunkte auf, das nur noch geringe Steigerungen mög-lich sind. Mich interessiert an dieser Stelle aber eher die Frage, welche Altersentwick-lung die anderen Medien nehmen:

• »Bei den beiden Gruppen, die sich mit Hilfe der JIM-Studie bis zum 18. bzw. 19.

Lebensjahr verfolgen lassen, geht die Fernsehnutzung dann jeweils mit zuneh-mendem Alter zurück« (allerdings ist seither die DVD hinzugekommen);

• Es »hat der Hörfunk bei den Jugendlichen in dieser Altersgruppe im 10-Jahres-Vergleich an Alltäglichkeit erkennbar verloren.« Hier sollte man allerdings beden-ken, dass Musikhören früher über das Radio erfolgte, jetzt aber von mp3 über-nommen wird, das 1998 noch nicht abgefragt wurde, da die ersten Player erst 1998 erschienen;

• »1998 nutzten 38 Prozent der 12- bis 13-Jährigen täglich, fast täglich oder mehr-mals in der Woche eine Tageszeitung (in der Printversion). 2002 lag der Wert bei dieser Altersgruppe mit 39 Prozent noch auf demselben Niveau. Erst danach brach die Zeitungsnutzung deutlich ein: 2008 geben nur noch 22 Prozent der 12- bis 13-Jährigen an, eine Tageszeitung zumindest mehrmals in der Woche zu nutzen.«

Aber die Nutzung einer Zeitung mit zunehmendem Alter gilt für die 12- bis 13-Jährigen des Jahres 1998 und für die 12- bis 13-13-Jährigen von 2002.« Nähme man die Daten für die 20-29jährigen hinzu, ließe sich m.E. belegen, dass sogar das

60 einige neuere Analysen zu der ARD/ZDF Online-Studie (z.B. Feierabend & Kutteroff 2008) weisen zwar auch Daten für mehrere Altersstufen und mehrere Zeitpunkte aus, aber – sofern ich richtig unterrichtet bin – nicht für die-selben Stichproben. Mit der Gegenüberstellung der Nutzungsmotive von 14-19jährigen und über 60jährigen bei van Eimeren & Frees (2009, S. 339) kann ich allerdings nichts anfangen.

Zeitunglesen mit dem Alter wieder zunimmt (Rückschluss aus anderen Studien, z.B. Hasebrink & Rohde 2009, S. 90, Tabelle 4.7).

• Das Lesen von Büchern ist den 12-13jährigen gleich geblieben, aber »Mit dem Älterwerden der Kohorten geht die Buchnutzung dann jeweils zurück, und zwar relativ gleichmäßig, was auf einen Alterseffekt und weniger auf veränderte media-le Rahmenbedingungen hinweist. Insgesamt kann sich das Buch in der Medien-konkurrenz also behaupten.«

Diese altersmäßige Differenzierung hat Klingler nicht für alle Items durchgeführt, z.B.

für Spiele und Video. Aber die im Folgenden zitierten Studien bieten dafür Anhaltspunk-te: Während im Alter zwischen 20 und 30 Suchmaschinen, Nachrichten und Zeitungen eine größere Rolle spielen, nimmt die Nutzung von Video-Communities sowie Spielen und Spieleplattformen ab.

Im Dokument Gibt es eine »Net Generation«? (Seite 112-116)