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Abgrenzung eines Verwaltungsakts von einem Scheinver- Scheinver-waltungsakt sowie Beschränkung der Prüfungs- und

II. Begründetheit der Anfechtungsklage Die Anfechtungsklage ist begründet, da der

3. Materielle Rechtmäßigkeit des Be- Be-scheids

Zu prüfen ist hier insbesondere die Zustän-digkeit des Zweckverbandes für den Erlass des Bescheids. Mit Blick auf die landes-spezifischen Regelungen des thüringischen Rechts zur Zuständigkeit, wird hier von weiteren Ausführungen abgesehen (vgl. zur Herleitung der Zuständigkeit des Zweck-verbands ausführlich die Vorinstanz:

ThürOVG, Urt. v. 14.12.2009, 4 KO 482/09). Daneben kann im Rahmen der Prüfung der Einhaltung der Formvorschrif-ten noch § 37 V VwVfG Erwähnung finden.

3. Materielle Rechtmäßigkeit des Be-scheids

a) Verstoß des Beklagten gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft

Der Bescheid ist materiell rechtswidrig, da er zwar formal dem Beklagten als zustän-dige Behörde zuzurechnen, jedoch entgegen dem äußeren Anschein dennoch inhaltlich nicht von ihm erlassen worden ist. Die den Bescheid kennzeichnende Maßnahme hat nicht der hierzu ermächtig-te Hoheitsträger, also der Beklagermächtig-te, getroffen, sondern die privatrechtliche Ge-schäftsbesorgungsgesellschaft, die S-GmbH.

Grundsätzlich handeln Träger der öffentli-chen Verwaltung durch ihre eigenen Organwalter oder Amtswalter. Zuständig-keitsnormen bestimmen nicht nur formell, über welche Behörden einem

Verwaltungs-träger eine bestimmte Handlung zugerechnet werden soll. In den Zustän-digkeitsnormen wird auch ausgedrückt, dass der Kompetenzinhaber selbst die ihm eingeräumten Kompetenzen ausüben soll, weil er dem Gesetzgeber nach seiner orga-nisatorischen Stellung im Staatsgefüge, seiner Betrauung mit anderen Aufgaben, seiner personellen und sächlichen Ausstat-tung als geeignet erscheint, die zugewiesene Aufgabe wahrzunehmen.

Behörden sind damit im Rahmen ihrer Or-ganisationshoheit grundsätzlich zur Erfüllung ihrer Aufgaben in Selbstorgan-schaft verpflichtet und nicht befugt, externen Stellen die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten zu erteilen (vgl. zu Vorgesagtem: ThürOVG, Urt. v.

14.12.2009, 4 KO 486/09 m.w.N.). Der Beklagte verfügt über keinerlei eigenes Personal und hat sich stattdessen zur Er-füllung seiner hoheitlichen Aufgaben der S-GmbH bedient. Dieser

Geschäftsbesor-ger hatte, wie es der

Geschäftsbesorgungsvertrag regelte, nahe-zu lückenlos alle Aufgabenbereiche des Beklagten übernommen und bearbeitete sie eigenständig, insbesondere: Erstellung der wasser- und abwassertechnischen Zielpla-nung; Instandhaltung, Herstellung und Erneuerung der Verbandsanlagen;

Erstel-lung der Gebühren- und

Beitragskalkulationen; Erstellung der Sat-zungen und Satzungsänderungen;

Vorbereitung und Durchführung der Ver-bandssitzungen; Aufstellung der Wirtschaftspläne und Haushaltssatzungen, Bilanzführung, Buchhaltung; Veröffentli-chung von Satzungen; Durchführung von Bürgerinformationsveranstaltungen; Erfas-sung von gebühren- und beitragsrelevanten Daten, Prüfung der Anschließbarkeit der

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betreffenden Grundstücke, Prüfung der Eigentumsverhältnisse und Veranlagung;

Ausfertigung und Versendung der Gebüh-ren- und Beitragsbescheide; Einziehung der Forderungen; Vollstreckung. Das eige-ne Handeln des Zweckverbandes beschränkte sich somit auf wenige Aktio-nen der notwendigen Verbandsorgane.

Damit hat der Beklagte gegen den Grund-satz der Selbstorganschaft verstoßen.

Mit den Worten des Bundesverwaltungsge-richts:

„Aus der Organisationshoheit folgt kein Recht, Verwaltungstätigkeiten ohne gesetz-liche Ermächtigung auf Private zu übertragen. Der Grundsatz der Eigenver-antwortlichkeit verpflichtet den Beklagten seine Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen, also mit eige-nem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen. Die-ser Grundsatz steht einem so weitgehenden Verständnis der Organisationsfreiheit wie vorliegend entgegen.“

b) Keine Delegation auf einen anderen Hoheitsträger

Allerdings kann sich ein Hoheitsträger unter bestimmten Voraussetzungen auch externer Hilfe bedienen und Dritte mit der Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben betrauen. Geschieht dies in der Weise, dass die Aufgabe vollständig einem anderen Hoheitsträger übertragen wird, der sie selbständig wahrnimmt und nach außen im eigenen Namen auftritt (Delegation), muss dies durch Gesetz oder auf Grund einer gesetzlichen Grundlage erfolgen (vgl. Thü-rOVG, Urt. v. 14.12.2009, 4 KO 486/09 m.w.N.). Zum Einen fehlt es hier an einer gesetzlichen Grundlage, zum Anderen

wurde mit der Übertragung auf die S-GmbH keine Delegation an einen anderen Hoheitsträger vorgenommen.

c) Keine Beleihung der S-GmbH

Auch liegt keine Beleihung der S-GmbH vor. Wird die hoheitliche Aufgabe zur selbständigen Wahrnehmung auf einen Privaten übertragen, ist für diesen Belei-hungsakt in gleicher Weise eine gesetzliche Grundlage erforderlich (vgl.

BVerwG, Urt. v. 23.05.1995, 1 C 32.92).

Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Zu-dem hat hier der Geschäftsbesorger auch nicht als Beliehener gehandelt, denn er ist im Außenverhältnis nicht als selbständig handelnder Hoheitsträger in Erscheinung getreten.

d) Kein Mandat der S-GmbH

Das Tätigwerden der S-GmbH für den Zweckverband ist demnach einem Mandat vergleichbar. Ein solches Mandat liegt nach herkömmlichem Verständnis dann vor, wenn die Kompetenz des zuständigen Hoheitsträgers von einer anderen Stelle namens und im Auftrag des beauftragen-den Verwaltungsträgers ausgeübt wird.

Jedoch bedarf es auch für ein generelles Mandat, das - wie hier - einer ständigen Aufgabenübertragung gleichkommt, einer gesetzlichen Grundlage, weil die zugewie-sene Aufgabe in Abweichung von der gesetzlich festgelegten Zuständigkeitsrege-lung erledigt wird (vgl. BVerwG, Urt. v.

12.06.1979, 2 C

10/78). Daran fehlt es hier.

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e) S-GmbH ist nicht Verwaltungshelfer des Beklagten

Der Beklagte kann sich nicht darauf beru-fen, dass der Geschäftsbesorger lediglich als Verwaltungshelfer oder verlängerter Arm des Beklagten tätig geworden sei.

Eine Verwaltungshilfe läge nur dann vor, wenn es sich um einzelne vorbereitende oder unterstützende Hilfstätigkeiten han-delte. In Betracht kommen etwa technische Maßnahmen, die der Aufgabenträger selbst nicht durchführen kann (Messungen, An-fertigen von Luftbildern), oder Arbeitsprozesse, die mechanisch oder au-tomatisiert ablaufen (beispielsweise der Druck und die Versendung von Schriftstü-cken). Die Grenze der Verwaltungs- oder Erfüllungshilfe ist dagegen überschritten, wenn der Helfer eigenständig die vollstän-dige Einzelveranlagung übernimmt, d. h.

Daten ermittelt, Satzungsnormen anwen-det, rechtliche Tatbestände prüft und Bescheide - wenn auch in fremdem Namen - erlässt. Von einer Hilfstätigkeit kann erst recht keine Rede sein, wenn darüber hinaus - wie im vorliegenden Fall - praktisch die gesamte öffentliche Aufgabe von einem privaten Dritten erfüllt wird (vgl. Thü-rOVG, Urt. v. 14.12.2009, 4 KO 486/09).

f) Keine Zurechnung an den Beklagten über die Abgabenachricht

An diesem Ergebnis ändert nichts, dass das Schreiben des Beklagten mit der Nachricht über die Abgabe an die Widerspruchsbe-hörde vom Zweckverbandsvorsitzenden maschinenschriftlich unterzeichnet wurde.

Die Nachricht enthält zwar einleitend die Wendung, die Sach- und Rechtslage sei nochmals geprüft worden. Diese Nachprü-fung erging jedoch lediglich im Rahmen

der Abhilfeprüfung. Ausdrücklich geregelt ist in § 72 VwGO nur die Abhilfeentschei-dung. Mit ihr ändert die Ausgangsbehörde den angefochtenen Verwaltungsakt ganz oder teilweise ab und gestaltet damit das Verwaltungsrechtsverhältnis. Der Abhilfe-bescheid ist selbst Verwaltungsakt. Hält die Ausgangsbehörde den Widerspruch dagegen für nicht zulässig oder nicht be-gründet, so ist sie zur Vorlage des Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde verpflichtet. Die in § 72 VwGO nicht vor-geschriebene Abgabenachricht ist eine unselbständige Verfahrenshandlung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens und stellt keine Regelung im Sinne des Verwal-tungsaktsbegriffes dar.

Dazu das Bundesverwaltungsgericht:

„Dafür, ob ein Verwaltungsakt vorliegt, ist ausschlaggebend, ob die Behörde nach dem objektiven Sinngehalt ihrer Entschei-dung, d.h. wie sie der Empfänger bei objektiver Würdigung aller Umstände ver-stehen konnte, Rechte des Betroffenen im Sinne des Verwaltungsaktsbegriffs „re-gelt“, d.h. begründet, ändert, aufhebt oder verbindlich feststellt oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte verbindlich ablehnt. Die Abgabenachricht enthält kei-ne solche verbindliche Ablehnung. Sie erschöpft sich vielmehr in der Mitteilung der Ausgangsbehörde, auch unter Berück-sichtigung des Widerspruchsvorbringens an ihrer Beurteilung der Recht- und Zweckmäßigkeit des Ausgangsbescheids festzuhalten und den Widerspruch deshalb der Widerspruchsbehörde zur abschlie-ßenden Entscheidung weiterleiten zu wollen.“

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g) Keine Zurechnung an den Beklagten über den Widerspruchsbescheid

Der Erlass des Widerspruchsbescheids führt zu keiner anderen Beurteilung der Rechtswidrigkeit des angegriffenen Ge-bührenbescheids. § 79 I Nr. 1 VwGO bestimmt, dass Gegenstand der Anfech-tungsklage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Das Ausgangsverfahren bildet mit dem Widerspruchsverfahren eine Einheit und wird erst mit einem etwaigen Wider-spruchsbescheid abgeschlossen. Der Widerspruchsbescheid kann daher grund-sätzlich gestaltbildend auf den Ausgangsbescheid einwirken, indem er den Regelungsgehalt modifiziert, die Begrün-dung ändert oder ursprünglich enthaltene Fehler behebt. Dies gilt auch dann, wenn der Widerspruchsbescheid den Ausgangs-bescheid nicht inhaltlich ändert, sondern nur bekräftigt (vgl. BVerwG, Beschl. v.

30.04.1996, 6 B 77/95). Eine Gestaltände-rung im Sinne des § 79 I Nr. 1 VwGO liegt auch dann vor, wenn ursprünglich kein Verwaltungsakt existierte und der Wider-spruchsbescheid aus einer (schlichten) Willenserklärung einen Verwaltungsakt macht.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht so-dann folgenden Vergleich:

„Wenn selbst eine Willenserklärung ohne Verwaltungsaktsqualität durch einen Wi-derspruchsbescheid in einen Verwaltungsakt umgestaltet werden kann, muss es erst recht möglich sein, einen bloß formal der Behörde zurechenbaren Ver-waltungsakt durch Nachholen einer materiellen, behördlich verantworteten Regelung zu gestalten.“

Trotzdem ist im Widerspruchsbescheid nicht erstmalig ein rechtmäßiger Verwal-tungsakt zu erblicken. Bei der Erhebung von Wasser- und Abwassergebühren

han-delt es sich um eine

Selbstverwaltungsangelegenheit, bei der die Widerspruchsbehörde nach dem ein-schlägigen Landesrecht auf die bloße Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt ist.

Diese Beschränkung steht in Einklang mit Bundesrecht, da § 68 I 2, 1. HS VwGO dem Landesgesetzgeber nicht nur den gänzlichen Ausschluss des Widerspruchs-verfahrens, sondern auch eine Beschränkung der Prüfungs- und Entschei-dungskompetenz der Widerspruchsbehörde ermöglicht.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zu folgenden Schluss:

„Die Widerspruchsbehörde hätte mithin mit einer Umgestaltung des Ausgangsver-waltungsakts erstmals eine materiell behördlich verantwortete Entscheidung getroffen, wozu sie durch Landesrecht nicht zuständig gewesen wäre.“

h) Keine Umdeutung des angegriffenen Bescheids

Eine Umdeutung des Bescheids (vgl. § 47 VwVfG) scheitert hier daran, dass es bei dem angegriffenen Bescheid nicht darum geht, die mit ihm beabsichtigte Rechtsfolge zu ersetzen. Fehlerhaft ist nicht der Ent-scheidungssatz. Der Fehler liegt vielmehr darin, dass der Bescheid materiell nicht von der zuständigen Behörde erlassen wurde. Dieser Fehler ist einer Umdeutung nicht zugänglich.

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Zwischenergebnis

Die vorliegende Art der Aufgabenerledi-gung, mit der sich der beklagte Zweckverband seiner Handlungsfähigkeit so weit entkleidete, dass ein bloßer Ho-heitstorso verblieb, ist bei hoheitlichem Tätigwerden mit der Rechtslage nicht ver-einbar. Der Bescheid ist daher materiell rechtswidrig.

III. Ergebnis

Die gegen den Wasser- und Abwasserge-bührenbescheid gerichtete Klage ist zulässig und begründet. Das Bundesver-waltungsgericht hat daher die Revision des Beklagten kostenpflichtig zurückgewiesen.

Hinweis:

Die Originalentscheidung des Bundesver-waltungsgerichts ist aus der Sicht des Gerichts als Revisionsgericht abgefasst.

Für Ausbildungszwecke wurden hier die relevanten Gesichtspunkte der Entschei-dung - unter Erweiterung einiger Aspekte über welche die Vorinstanz ausführlich geurteilt hat - in das klassische Aufbau-schema für die Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung einer Klage einge-arbeitet.

(RD Jochen Heinz)

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Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden