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Akzessorietätslockerung / Tatbe- Tatbe-standsverschiebung nach § 28 II StGB

„Pech beim Spiel…“

Tatkomplex 2: „Was man nicht selbst erledigt…“

B. Strafbarkeit des T

2. Akzessorietätslockerung / Tatbe- Tatbe-standsverschiebung nach § 28 II StGB

legung, für welche Tat der Anstifter konkret haftbar gemacht wird, für „gänzlich überflüssig“.

49 BGHSt 37, 214 (219); Prittwitz, GA 1983, 110 (128); Puppe, GA 1984, 101 (121); vgl. dies., NStZ 1991, 124 (126); vgl. auch Altenhain, Die Strafbarkeit des Teilnehmers beim Exzess (1994), S. 103, der eine Beschränkung „auf Fäl-le, in denen der Täter das raum-zeitlich individu-alisierte oder das sinnlich wahrgenommene Ob-jekt verfehlt“ vornimmt.

50 Prittwitz, GA 1983, 110 (128); vgl. dazu auch Stratenwerth, Festschrift für Baumann (1992), S.

57 (58).

51 Gropp, AT, 3. Aufl. (2005), § 13 Rdnrn. 89, 91;

ders., Festschrift für Lenckner (1998), S. 55 (64 f.); ebenfalls das „Zufalls-Argument“ aufgrei-fend Geppert, JURA 1992, 163 (168, 165 f.).

52 Gropp, AT 3. Aufl. (2005), § 13 Rdnr. 91; ders., Festschrift für Lenckner (1998), S. 55 (65, 68).

Lösung nicht hinnehmbare Strafbarkeitslü-cken entstünden, wenn die Haupttat ein Vergehen ist53. Gegen eine Strafbarkeit des Anstifters wegen Anstiftung zur (nur) ver-suchten Tat spreche, dass die Ausführung am falschen Objekt kein Versuch der Aus-führung am richtigen Objekt sei54. Mangels Versuchs am beabsichtigten Objekt fehle es an einer Haupttat55.

Danach ist diese Ansicht abzulehnen und von der Unbeachtlichkeit des error in per-sona As auch für T auszugehen.

bb) T hatte Vorsatz bezüglich seiner An-stifterhandlung.

2. Akzessorietätslockerung / Tatbe-standsverschiebung nach § 28 II StGB Es kann zu einer Tatbestandsverschiebung zur Anstiftung zum Mord kommen.

a) Hierfür muss T ein Mordmerkmal des

§ 211 II StGB verwirklicht haben.

aa) T kann aus sonstigen niedrigen Beweg-gründen (Gruppe 1) gehandelt haben.

Niedrige Beweggründe sind solche Tatan-triebe, die als besonders verwerflich er-scheinen, also Motive, welche nach allge-meiner sittlicher Wertanschauung auf tiefs-ter Stufe stehen, durch hemmungslose, triebhafte Eigensucht bestimmt und des-halb besonders verachtenswert sind56.

53 Gössel, StrR, 8. Aufl. (2001), S. 99.

54 Gössel, StrR, 8. Aufl. (2001), S. 99 f.; Je-scheck/Weigend, AT 5. Aufl. (1996), § 64 II 4;

Roxin, Festschrift für Spendel (1992), S. 289 (301); vgl. Küpper, JR 1992, 294 (295); Rose-nau/Zimmermann, JuS 2009, 541 (546).

55 Haft/Eisele, Gedenkschrift für Keller (2003), S.

81 (85).

56 Schroeder, in: Maurach/ders./Maiwald, BT, Teilbd. 1, 9. Aufl., § 2 Rdnr. 37; Schneider, in:

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I.R.e. Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Tä-ters maßgeblichen Faktoren muss beurteilt werden, ob die Beweggründe der Tat nied-rig und verachtenswert sind57. Maßgeblich ist v.a. das Missverhältnis zwischen Tatan-lass und Tötung58 („Situationsunangemes-senheit“59).

Anlass für die Tat war, dass T die Schuld für seine Niederlage bei O sah, ohne dafür nachvollziehbare Gründe zu haben. Den

„Konkurrenten“ zu töten, ist situationsun-angemessen. Motive wie Neid, Rache, Wut und Hass können ein niedriger Tatantrieb sein. Solchen Gefühlsregungen kann je-dermann je nach Anlass mehr oder weniger erliegen; sie tragen nicht ohne Weiteres den Stempel der Verwerflichkeit60. Als niedrige Beweggründe werden diese Moti-ve angesehen, wenn die konkreten Lebens-umstände des Täters keinen begreiflichen Anlass zur Tat bieten61. Dafür ist nichts ersichtlich. Niedrige Beweggründe sind zu bejahen.

bb) Mithin sind eine Mehrzahl von Moti-ven (sog. Motivbündel) gegeben. Dann käme es auf den Beweggrund an, der der Tat ihr Gepräge gibt. Dieses „bewusst-seinsdominante“ Motiv müsse als niedrig

MünchKomm/StGB, Bd. 3 (2003), § 211 Rdnr.

69.

57 St. Rspr., vgl. BGH, NStZ-RR 2007, 111 (111);

NStZ 2002, 84 (84) je m.w.N.

58 Schneider, in: MünchKomm/StGB, Bd. 3 (2003),

§ 211 Rdnr. 71 m.w.N.

59 Neumann, in: NK/StGB, Bd. 2, 3. Aufl. (2010), § 211 Rdnr. 30.

60 Schneider, in: MünchKomm/StGB, Bd. 3 (2003),

§ 211 Rdnr. 71.

61 Vgl. Kindhäuser, LPK, 4. Aufl., § 211 Rdnr. 14;

Schneider, in: MünchKomm/StGB, Bd. 3 (2003),

§ 211 Rdnr. 71.

zu bewerten sein62. Anderer Meinung nach genüge es, wenn einer der leitenden Be-weggründe als niedrig zu qualifizieren sei63. Sind -wie vorliegend, s.o.- sämtliche in Frage kommende Gründe als niedrig zu bezeichnen, ist unerheblich, welcher den Täter im genannten Sinne dominierte64. cc) T hat das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe verwirklicht.

b) Fraglich ist, ob dieses nach § 28 II StGB zu einer Tatbestandsverschiebung von der Anstiftung zum Totschlag zu einer Anstif-tung zum Mord führt.

Im Grundsatz gilt, dass ein Beteiligter nach Maßgabe der §§ 25 - 27 StGB für das ihm zurechenbare Unrecht anderer Beteiligter einstehen muss. Danach bezieht sich die Anstiftung auf das Unrecht der Tat, zu der angestiftet wurde. Die Strafe für den Teil-nehmer richtet sich nach der für den Haupttäter geltenden Strafdrohung (Akzes-sorietätsprinzip). Dieses Prinzip wird be-züglich der besonderen persönlichen Merkmale durch die Regelung des § 28 StGB durchbrochen65. Diese Merkmale werden in § 14 Abs. 1 a.E. StGB als „be-sondere persönliche Eigenschaften, Ver-hältnisse oder Umstände“ umschrieben.

aa) Das Mordmerkmal der sonstigen nied-rigen Beweggründe ist als täterbezogenes

62 Neumann, in: NK/StGB, Bd. 2, 3. Aufl. (2010), § 211 Rdnr. 31; vgl. auch BGH, NStZ-RR 2007,

111 (111).

63 Eser, in: Schönke/Schröder, 28. Aufl. (2010), § 211 Rdnr. 18 m.w.N.

64 Eser, in: Schönke/Schröder, 28. Aufl. (2010), § 211 Rdnr. 18 m.w.N.

65 Vertiefend Fischer/Gutzeit, JA 1998, 41 (41 f.).

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besonderes persönliches Merkmal i.S.v.

§ 28 StGB zu qualifizieren66.

bb) Weiterhin muss dieses als besonderes persönliches Merkmal zu verstehende Mordmerkmal die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen i.S.v. § 28 II StGB. Die Anwendbarkeit des § 28 II StGB hängt davon ab, wie das Verhältnis von Mord und Totschlag zueinander verstanden wird67.

(1) Der BGH sieht in st. Rspr. in § 211 StGB und § 212 StGB zwei selbständige Tatbestände, die voneinander unabhängig sind und in einem Exklusivitätsverhältnis stehen68. Das hat zur Folge, dass „die Be-weggründe des § 211 StGB […] nicht „die Strafe schärfen“, sondern die Strafbarkeit des Täters als Mörder erst begründen“69. Mordmerkmale werden sozusagen wie Tatbestandsmerkmale behandelt. Nur wenn beim Haupttäter eines vorliegt, kommt als Haupttat § 211 StGB in Betracht70. Der

66 H.M., vgl. Rengier, BT 2, 12. Aufl. (2011), § 5 Rdnr. 3; Fischer/Gutzeit, JA 1998, 41 (43), und kein spezielles Schuldmerkmal i.S.v. § 29 StGB (so aber Wessels/Beulke, AT, 41. Aufl. (2011), Rdnrn. 559, 422). Denn § 29 StGB erfasst nur die Schuldausschließungs-, Entschuldigungs- und Schuldminderungsgründe des allgemeinen Teils des Strafrechts (Krey/Heinrich, BT 1, 14.

Aufl. (2008),

Rdnr. 23 m.w.N.). Ferner begründen alle Mord-merkmale gegenüber dem Totschlag erhöhtes Unrecht und nicht bloße erhöhte Schuld.

67 Dazu Kühl/Hinderer, JuS 2010, 697 (698, 701 f.); Gössel, ZIS 2008, 153 ff.; Geppert, JURA 2008, 34 (37 f.); Vietze, JURA 2003, 394

70 Hat nur der Teilnehmer ein Mordmerkmal ver-wirklicht, ist er wegen Teilnahme am Totschlag zu bestrafen. Das Mordmerkmal wird bei der

Teilnehmer ist akzessorisch nach der Haupttat zu bestrafen71. Danach kommt es zu keiner Tatbestandsverschiebung, T ist (obwohl er ein Mordmerkmal verwirklich-te) nach §§ 212 I, 26 StGB zu bestrafen.

(2) Die („soweit ersichtlich ausnahmslos gesamte“72) Lit. sieht dieses Verhältnis als eines von Grundtatbestand (§ 212 StGB) und Qualifikation (§ 211 StGB)73. Danach haben Mordmerkmale nicht strafbegrün-denden, sondern strafschärfenden Charak-ter, was zum Eingreifen von § 28 II StGB führt74. Es kommt zu einer Tatbestandsver-schiebung und T ist nach §§ 211 I, 26, 28 II StGB zu bestrafen.

(3) Stellungnahme

Die Rspr. führt aus: „Daß die vorsätzliche Tötung auch ein Merkmal des § 211 StGB ist, spricht nicht gegen die Selbständigkeit beider Bestimmungen. Auch § 242 StGB ist in § 249 StGB enthalten. Dennoch hat bisher niemand den Raub als „Typisierung von Schulderhöhungsgründen“ gegenüber dem Diebstahl angesehen“75. Die Systema-tik des Gesetzes spreche für dieses Ver-ständnis, da Mord vor Totschlag geregelt wird und dies einem Verhältnis von Grundtatbestand und Qualifikation wider-spreche. Ferner ergebe sich aus dem Wort-laut des § 212 I StGB, dass ein Mörder gerade kein Totschläger sei.

Strafzumessung berücksichtigt. Zu Vorstehen-dem BGHSt 50, 1 (6).

71 BGHSt 50, 1 (5).

72 So BGH, NJW 2006, 1008 (1012 a.E.) m.w.N.;

ähnlich Puppe, JZ 2005, 902 (902 f.).

73 Vgl. nur Eisele, BT I (2008), Rdnrn. 30, 61 je m.w.N.

74 Vgl. nur Jäger, JZ 2005, 477 (479 f.).

75 So BGHSt 1, 368 (370).

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Demgegenüber begründet die Lit. ihre Meinung u.a. damit, das angenommene Verhältnis ergebe sich aus dem inhaltli-chen Verhältnis, nach dem der Tatbestand des § 211 StGB nur durch eine Steigerung des Unrechts des Totschlags gekennzeich-net ist76. Gegen die Meinung der Rspr.

lässt sich insb. einwenden, dass § 211 StGB und § 212 StGB dem Schutz dessel-ben Rechtsguts (menschliches Ledessel-ben) die-nen, dieselbe „Beeinträchtigung“ (Tod) erfassen und beide Normen Tötungsvorsatz voraussetzen. Dies ist aber nicht vereinbar mit der Prämisse, es handele sich um art-verschiedene, selbständige Delikte77.

(4) § 212 StGB ist der Grundtatbestand,

§ 211 StGB die Qualifikation. Mordmerk-male haben mithin strafschärfenden Charakter, was zum Eingreifen von § 28 II StGB und einer Tatbestandsverschiebung im genannten Sinne führt78.

Anm: Wer (wie hier) bei subjektiven (tä-terbezogenen) Mordmerkmalen79 auf § 28 II StGB abstellt, behandelt die Akzessorie-tätsfrage (mit den dazugehörigen Streitfra-gen) als Annex zum Tatbestand80.

76 Vgl. Neumann, in: NK, Bd. 2, 3. Aufl. (2010), Vor § 211 Rdnr. 141.

77 Krey/Heinrich, BT 1, 14. Aufl. (2008), Rdnr. 27, Fn. 61 m.w.N.

78 Selbst der 5. Strafsenat des BGH hat in jüngerer Zeit in einem obiter dictum Zweifel an der Rspr.

angemerkt und das von der Lit. dagegen Einge-wendete als „gewichtige Argumente“ bezeichnet sowie „Probleme der bisherigen Rechtspre-chung“ eingestanden, BGH NJW 2006, 1008 (1013); Bespr. Küper, JZ 2006, 608 ff. und 1157 ff.; zur bröckelnden „Front der Rechtsprechung“

auch Geppert, JURA 2008, 34 (40) m.w.N.

79 Zur Einordnung der Mordmerkmale der 1.und 3.

Gruppe als täterbezogene vgl. BGHSt 50, 1 (5);

Vietze, JURA 2003, 394 (394) m.w.N.

80 Ebenso Vietze, JURA 2003, 394 (398); abwei-chend Fischer/Gutzeit, JA 1998, 41 (47).

lich geht es hier um die Frage einer Tatbe-standsverschiebung. Gleichwohl ist es auch möglich, getrennt die Strafbarkeit gem. §§ 212 I, 26 StGB und dann gem.

§§ 211, 28 II, 26 StGB zu prüfen und dort die aufgeworfenen Probleme zu diskutie-ren81.

3. Rechtswidrigkeit und Schuld