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Marchen als Konstituente der Flabe teatra/z(

Konstitution einer neuen dramatischen Gattung

2.4 Marchen als Konstituente der Flabe teatra/z(

h fällt auf, daß Goai für seine Werke haufig auf Vorganglges zUrUck-greift, VO[;lugswelse auf Formen und Gattungen, die in der literarischen Debatre der Zell umstritten sind oder überwiegend mit Geringschätzung behandelt werden. ~o auch bei den Flabe teatrali, für die er im Gegen-satz zu den polemIschen Texten nicht als elitär gehende Formen v. a. des Cinquecento wählt, sondern volkstümlich populäre, das Ma.rchen und die Commedia dell',ute, die im 18. Jahrhundert zwar auch unter dem Verdikt der Kritiker und Theoretiker stehen, sich aber dennoch des Interesses eines breiten Publikums erfreuen.

achdem im 16. und 17. Jahrhunderr in Italien mit Giovan Francesco StraparolJs Le placevoh nottl (VenedIg 1550 und 1553)'5 und Giambattista Basilcs [.0 cunto de h cuntl (posthum. eapelI634/36) zwei fur die Ge schichte des Marchens entscheidende SJmmlungen erschienen waren, auf die noch Pompeo SJrnellts Posilecheata ( eapell684) folgte, domil1lerren I:nde des 17. und Anfang des 18. J al1rhunderts französische Marchenedi-tionen. Zunächst veröffentlichten CharIes Perrault und Mme d' Aulnoy Marchenbucher, in denen sowohl Volksmärchen als auch eigene Erfin-dungen vereint WJren, um 1700 entstand dann ell1e Flut sogenannter Feen-märchen aus der Feder meist adliger Aurorinnen. Einen uberwältigenden I, rfolg erzielte Les mille et une nulls en /ranrolS (Paris, 17°4-1717), eine SJmmlung orienr,llischer r-...1archen, erstmals \on ]ean Antoine Galland aus dem Arabischen übersetzt. Animiert durch die starke Resonanz, brachten Fran<;ois Pctis de la Croix 17 [0-12 Les mille et un Jours. Contes persans, traduits en franrais86 und '\venig später Thomas-Simon Gueullette Les mille et un quart-d'heure. Contes tartares (1712.1715) heraus. Als Krö-nung dieser Märchenleidenschafr kann das 1785 89 erschienene 4 I -ban-dige C~bznet de fee:; gelten.

85 Vgl ( alvinos HinweIS ~d d,e nalicmsche .Vorre'terrolle-,m Zusammenhang mit dem

\Iarchen und imhesondere auf Vened'g:.1 gr.lOd,I,bri di habe itaI.ani, 5' sa, so no natllO ami,ipo sugli alm. G,a.t meta del secolo XVI, a VencZla, nellc Pzaccvolz Xottz di Strapa rola, l.t nowlla ,cde il (1mpo .lila sua piu anllana e rustICa sorella, la haba di merasigI.e c d'incantcslmll con un ntorno lfimn1agln.1Zlonc tra gotica e onentale alla C:lrpacClO,

C un'lncnn.ltura d,alett.lle allo stampo della prosa boc,acccsca. [ ... 1 F ne Senecepto, d, nuo\'o .1 \'rneziJ, nla std\'O!td (on ~ufficicnzJ. e ostentazione di conccdcrsl a un gaKo, I'asllo", " ,uperciI.oso C.trlo Gon.i fa "Ietre alle habe le tavole deI palcoscen,co, tra le rnaschere deli Ane-. 1II: halo .1"'100, Sul/a fiaba, 1\lilano, \londadori 1996, S. 3'

86 Zur Roll<' des hautig .tl, \litJutor angegebenen l.csage s. l'aul Sebags ausfuhrlid e [ n tührung Zu rran~'ois Petls de la CrOlx, I e, rml'. el un I"un, contes persans, I Jg. Paul Seh.ll;, [>,lnS, Chmtian Bouq;ois l.diteur 19So, S. ~-31, h,er S 16-17

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Im Kontext dieser Märchenmode, die kaum in das Jahrhundert der Aufklärung zu passen scheint und doch so viel uber die Divergenz zwi-schen proklamierten Zielen und tatsächlicher Situation verrät, steht Goz-zis Wahl des Märchens als eine der Grundkonstituenten seiner Fzabe

tea-tratl. So kann er sich zum einen der Aufmerksamkeit seiner gebildeteren Zeitgenossen fur ein umstrittenes Genre sicher sein, zum anderen kann er weitgehend die allgemeine Bekanntheit der Texte voraussetzen, was wie-derum die Neugier auf ihre szenische Bearbeitung erhöht. Im Wettbewerb um die Gunst des venezianischen Theaterpublikums dürften solche Über-legungen nicht unwesentlich gewesen sein. Betrachtet man allerdings die Auswahl der Märchentexte, die Gozzi für seine Theaterstücke trifft, wird deutlich, daß er gerade nicht der franzosischen Mode der Feenmärchen folgt, sondern die italienischen und orientalischen Sammlungen bevor-zugt. Das an den höfisch-ständischen Rahmen gebundene Feenmärchen, in dem es »um die Applikation märchenhafter Elemente (oder Funktionen im Sinne von Wladimir Propp) auf die - spiegelbildlich zur Realität ver-standene - höfische Gesellschaft«87 geht, ist nicht nur zu sehr soziologisch und national geprägt, sondern auch zu literarisch im Sinne einer Artifizia-lität, die sich im ironischen oder parodistischen Spiel mit dem Märchen-haften äußert. Geeigneter als Matrix fur das neue Genre erweisen sich die unspezifischeren italienischen Märchen sowie die exotisch-orientalischen.

Sie beziehen sich nicht auf eine konkrete Realität, die es auf dem Umweg über das Marchen zu enthüllen gilt, sondern machen »die märchenhaften Mechanismen im Leben schlechthin«88 sichtbar. Ihre »Ernsthaftigkeit«, die absieht von allem Spielerischen, Selbstironischen und im Gegensatz zum Verweischarakter der Feenmärchen die Autonomie der Märchen-welt garantiert, verleiht ihnen eine Allgemeinheit, die sie nicht nur uni-verseller macht, sondern auch in bestimmter Weise funktionalisierbar. In dieser zeit- und ortlosen Allgemeinheit, wenn auch manchmal eingefärbt mit vagen exotischen Tönen, sind sie in Gozzis neuer Gattung auch mit anderen Elementen leichter kombinierbar.

87 Friedrich Wolfzettel, -Der verzerrte Spiegel der höfischen Welt: Überlegungen zum hi-storischen Standort des französischen Feenmarchens am Ende des 17. Jahrhunderts und im frühen 18. Jahrhundert .. , in: SebaStlan ;\!eumeister (Hg.), Fruhaufklarung, Munchen, fink 1994, S. 241-286, hier S. 245.

88 Ebd.

Dramatisierung des Miirchens

\X'enn nun das "!archen zum Theaterstuck oder genauer zu einer maßgeb-lichen Komponente der habe teatrali wird, so bleiben zweifellos wesent-liche ~1erkmale der narrativen Gattung erhalten, doch bringt die Trans-formation in elOe dramatische Form zwangsläufig auch Veränderungen des Ausgangsmaterials mit sich. Nicht zuletzt fällt die in allen yon Gozzi herangezogenen ~larchensammlungen (Basde, Sarnelli, Galland, Petis de La roix und Gueullette) vorhandene Rahmenerzählung weg, die die einzelnen Geschichten 10 einen größeren narrativen Kontext stellt und untereinander verbindet; erhalten bleibt dagegen in einigen Fallen der Titel der Erzahlungen.89

Inhaltliche und strukturelle Kongruenzen zu ischen narrativer und dramatischer Form

Wie zuletzt Bolger Korthals ausfuhrlieh dargestellt hat, sind das Drama - als dramatischer Text, nicht als Theaterauffuhrung - und die Erzäh-lung in theoretischer Hinsicht »keIOe weit auseinanderliegenden Pole in einer Gattungstrias Lyrik-Epik-Dramatik, sondern zwei eng verwandte ,Proto-Gattungen< der literarischen Geschehensdarstellung«, die beide auf den Geschehenselementen Akteure, chauplätze, Ereignisse basie-ren.90 Da dem Drama im allgemeinen Cln narrativer '\;'ukleus zugrun-dcliegt,91 ist die Dramatisierung \ on Erzählungen einer der häufigsten Gattungswechsel in der traditionellen Trias Lyrik-Epik-Dramatik, unter den auch GOZZIS Stucke fallen, läßt man die Besonderheit der '\lasken eimtweilen außer acht. Diesem »normalen« Ganungswechsel von der Er7.ahlung zum Drama geht 10 Le5 mIlle cl un JOurs interessanterwelse einer in umgekehrter Richtung voraus, wie im Vor\1.:ort zu lesen ist, das Goni zweifellos bekannt war. Dort stellt Franc;ois Petis de la CrOlx sein

89 D.uauf weist (,ozzi Im Vorwort zu Jl corv" Iun: .ho voluta canservare U solo 11[010, e alcune clrcostanze rOle delle mede",T'c .• (Co!. I, 119,. Bei den habe teatra/z, die auf onentalls~hen "\archen basieren, wahl! (,OZZl statt der langen, wemg aussagekraflIgen Lberschntten (s. H swire J ... Pnnce fadIallah etC ) sprechende Titel, die denen der lld

hemschen Sammlungen ahm'In, wIe 7 B Jl Te cervo, La donna 1t'T1>l'nte.

9(" Hol ger Konhals, Z:;';lSchen Drama und Erzahlung. Em BeL .', C,,· Theonc

gesch,'-hensdarsullender llt~rat/(r, Berll'l, Fnch Schmidt Verla~ 2001. S. : 2

" D,es ", deutlich s.chtbar z. B. an der Arbeitsweise GOZl", oer "1" .ler ossatura (s.o., eme narrative GrundIJge fur d,e folgende dramallSche Au\arbcllung :egl. Auch die ar-gomcnll, die den scenan der Commcdie dell'arte bei flaminio Scala vorangehen, smd die narrative Grundlage der szentschen D.nstel ung.

Werk als Übersetzung eines Buches mit dem Titel Hazar Yek Rouz aus der Feder des mit ihm befreundeten Derwischs Modes vor und berichtet über die Vorlage folgendes: »Modes [sic] etant encore fort jeune, s'avisa de traduire en Persan des Comedies Indiennes qui ont ete traduites en toutes les Langues Orientales. [ ... ] Mais le Traducteur Persan pour donner

a

son Ouvrage un air original, mit ces Comedies en Contes, qu 'il appella He-zaryek-Rouz, c'est-a-dire Mille & unJour.«92 Am Beginn der komplexen Texttradierung hätten demnach also dramatische Texte gestanden, die vom Derwisch Modes in persische Prosa übertragen und von Petis de la Croix ins Französische übersetzt wurden, so daß Gozzis Fzabe teatrali tatsäch-lich einer Wiederherstellung der ursprüngtatsäch-lichen Form gleichkämen. Wenn sich inzwischen auch erwiesen hat, daß Petis de la Croix' Darstellung er-funden ist,9J wirft dies ein Licht auf den unkompliZIerten Umgang mit Texten und Textgattungen, wobei das Märchen, wie sich zeigen wird, für einen Wechsel ins Dramatische besonders geeignet ist. 94

Folgt man dem in der Märchenforschung gängigen, von Antti Aarne geschaffenen und von Stith Thompson bearbeiteten Typensystem, er-gibt sich, daß Gozzi für seine Stücke hauptsächlich zu den Zauber- und Wundermärchen innerhalb der »eigentlichen Märchen«95 greift, die unter-schiedliche wunderbare Faktoren aufweisen wie verzauberte Ehepartner, übernatürliche Gegner, Aufgaben, Helfer, Gegenstände etc. In Il corvo, La Zobeide und Il re de' genj wird das Geschehen durch Zauberer bzw.

Gestalten mit magischen Kräften bestimmt, in Il mostro turchzno durch ein Ungeheuer, in Il re cervo durch eine Zauberbüste und einen Zauber-spruch, in La donna serpente durch einen übernatürlichen Ehepartner, Cherestani, Tochter eines Sterblichen und einer Fee. Turandot und 1 pz-tocchi Jortunatz, ),ignude affatto di meraviglie, e di trasformazioni« (Zan.

XIV, 33), wären dagegen zu den novellenartigen Märchen zu zählen, die nach Max Lüthi »ohne weiteres als Novelle oder romanartige Geschichte bezeichnet werden [könnten}<, jedoch durch »ihr Handlungsfeld, ihr Per-sonal (Könige, Prinzessinnen), ihre wirklichkeitsferne Stilisierung« als Märchen erscheinen. Analog zum Märchen sind auch die Fiabe teatralz mit Begriffen wie Zauber, Wunder, Übernatürliches verbunden.96

Die-92 I es mdle el un Jour [sIe]. Comes persans, traduits en fran<;ais par M. Petis de La Cr01x, Bd. I, Pans, \'ve Rieceur 1710, unpaglnierr.

9} Diesen Beweis tritt P. Sebag im Vorwort zu seIner Ausgabe von I es mIlle el un JOurs, op.eit., 5.12-16, an.

9< In -La donna serpenle co me flaba., op. eIL, S. 13, spricht E. Sanguineti vom Marchen als

einer .struttura miniteatrale., die mit G0771S Flabe tealraiI -uno spazio e una strutrura predestinate« gewinne.

95 S. M. Luthi, Marchen, op. eir., 5.16-19.

9' Vgl. ebd., S. 2-3.

ser C.harakter des bewufh \Virklichkeitsfernen, Fiktiven wird yon Gozzi hinsichtlich der }.1archenkonstituente in allen Flabe teatralz beibehalten - daß es an anderer Stelle wiederum eben so bewußt durchbrochen wird, zeigt oie Analyse oer Commedia deli 'arte-Komponenten. Uber das allge-mellle Charakteristikum der Wirklichkeitsferne hinaus übernimmt Gozzi in oen Fiabe teatr,tlz Im wesentltchen den I Iandlungsverlauf des Marchens hzw. oer t-.hrchen, oie jeweils als BasIs fungieren, das konlgliche Personal, magische Objekte noer Personen, Verwanol ungen, Zauberspruche, Pro-phezeiungen, fest gepragte Schlusse,97 formelhafte Verse, die Dreizahl der Repetition von Formeln uno I-Iandlungssituationen. Typisch märchenhaft hinsichtlich oer I I.1I1dlung Ist beispielsweise die Ausgangslage in Il corvo,

"Iimwdot uno I.a donna serpente, oie jeweils durch einen Mangel gekenn-zeichnet ist, wobei oie Situationen weitgehend der Beschreibung Vladimir Propps entsprechen: ·1 a prise de conscience du manque peut se produire de la fa~on suiyante: I'objet du manque peut se faIre connaltre malgre IUl, cn se montrant un instant, en laissant derricre lui une trace eclatante, ou en appar.lissant au heros sous l'aspect d'une certaine Image.«98 ]ennaro geht in 11 corvo für seinen Bruder Millo auf die Suche nach einer Frau, die so weiß wie oer :'\1armor, so schwarz wie der Rabe und so rot wie seIn Blut ist, Jas dieser auf dem marmornen Stein vergossen hat, Calaf sieht zufäl-Itg Turanoots Portrait, entbrennt In l.iebe zu ihr und sucht sie trotz aller Warnungen und Cherestani erscheint Farruscad in I a donna serpente als

"',;eiGe Hirschkuh, der er nachjagt, bis er die schöne Prinzessin findet.

Ein weiteres marchentypisches Charakteristikum kommt in den Flabe tcatralz zum Tragen: oie Begegnung mit dem Wunderbaren, mit dem Zau . ber geschieht ohne Erschütterung und Überraschung. Als ]ennaro in Il corvo (I, 6) zwei Tauben sprechen hört, zögert er nur einen Moment und verfolgt dann mit Interesse, was sie reden:

jen. COOle! Do"c son io? qual portcnro E questo? Duc ColoOlbc, ehe favellano?

Che fayellan di Olc? S'3.scolri, c raccia.

Die Erscheinung orandos auf einem Mceresungetüm in der folgenden Szene \vird in ]ennaros Replik nicht einmal mehr thematisiert. Eben so fraglos nehmen oie übrigen I'iguren ]ennaros Verwandlung in eine

Mar-97 [.'amore delle Ire me/tlTan,e endet m,t solch einer Formel, die auch II corvo und II TC Urt·o abschließt ·:\;on lascuva dl rerminare la favola col consueto finale, ehe 5a a me·

moria ogm r.1~azzo; d, nOZl.e. d, rape in composta. d, sorLi pelari, e gatti scortlcan ee.-(Col. I, 11 )).

98 \ ladinur p"'pp. \forphl)/ogze du conte. Paris, Seuill970, S. 93.

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morstatue sowie seme Ruckverwandlung und die Auferweckung Armil-las am Ende des Stücks hin. Im Hinblick auf die Reaktion der Figuren auf das Übernatürliche ergeben sich allerdings Unterschiede zwischen den Märchen- und den Maskenfiguren, auf die später ausführlich einge-gangen wird. Festzuhalten bleibt, daß die aus dem Märchenprätext in die Fiabe teatralz übernommenen und vom eigentlichen Märchengeschehen betroffenen Figuren keinerlei Erstaunen zeigen angesichts dessen, was sie an Wunderbarem »erleben«.

Gerade dieses selbstverständliche Miteinander von Wirklichkeitsna-hem und Wirklichkeitsfernem ist es, das das Märchenhafte vom Phan-tastischen unterscheidet. Für Tzvetan TodorO'. wird das Phantastische genau im Moment der Unschlüssigkeit, des Zögerns sowohl der Figuren eines Textes als auch seiner Leser angesichts eines Geschehnisses faßbar.

Die Ambiguität des Status eines Ereignisses, die Frage, ob es der Reali-tät oder dem Traum, der Wahrheit oder einer Illusion zuzurechnen ist, macht das Phantastische aus.99 Im Märchen dagegen ruft das Überna-türliche keine besondere Reaktion hervor, weder bei den Figuren noch beim Leser. Demnach ist das Wunderbare des Märchens nicht durch eine bestimmte Haltung gegenüber den erzählten Ereignissen charakterisiert, sondern durch die atur der Ereignisse selbst. Diese gehorchen so ganz anderen Gesetzen als denen der normalen \Velt, daß ein Zogern über ihre Zugehörigkeit zu ·>Realität« und »Wahrheit« gar nicht erst aufkommt. Sie werden im Märchen, hat man sich einmal auf diese andere Welt

eingelas-9'1 In IntroductlOn a la Iztterature Janta;tzque, Pans, Seml 1970, S. 3--38, definiert Tzve-tan Todorov dreI Bedingungen für das PhantastISche: »D'abord, iI faut que le texte oblige le lecteur

a

considerer le monde des personnages comme un monde de person-nes vivantes et

a

hcsiter entre une explication naturelle et une explIcation surnaturelle des evenements evoques. Ensuite, cette hesitation peut etre ressentie egalement par un personnage; ainsi le röle de lecleur eSI pour ainsi dire confie a un personnage el dans le meme temps I'hesitation Se trouve representee, elle devient un des themes de I'ceuvre;

[ ... ). Enfin il importe que le lecteur adopte une certaine attitude .. I'cgard du texte: il refusera aussi bien I'interpretation allegonque que I'interpretation >poctlque< .•

Dieser DefinItionsversuch stieß immer wieder auf Kritik, da das Phantastische so zum einen auf den Moment des Zogerns reduziert erscheint, zum anderen zu sehr von einer psychischen Reaktion abhängig gemacht wird; vgl. z.B. Jean-Luc Steinmetz, La litte-rature Jantamque, Paris, PUF 1990. Rosalba Campra schlagt m .. 11 fantastlco: una iso-topia della trasgresslOne«, In: Strumenll crzllez 45> 2, 1981, S. 199-231> eine Definition des Phantastischen vor, dIe vom Begriff der Grenze ausgeht: .Appare qumdl come pre-Iimmare al fantastico, in questo sen so, la nozione di frontiera, di lImite non valIcabile per I'essere umano. Una volta stabilita I'esistenza di due statuti dl realra, I'attuazione del fantastico consiste nella trasgressione di questo limite, per cui il fantastico si confi-gura come aZlQne, (5. 204). Diese Betonung der Grenztiberschreitung unterstreicht den Unterschied zum Märchen, m dem gerade nicht zwei getrennte Bereiche erscheinen, sondern eine HomogenItat von Realitätsnäherem und -fernerem dargestellt wird.

sen, von den FIguren wie vom Leser als normal, natürlich und keineswegs beunruhigend angenommen. loo

Dies unhed1l1gte Einlassen auf die Marchenwelt ist es auch, das GOZ7J Immer wieder von seinen Zuschauern fordert. Es setzt eine kindliche Un-voreingenommenheIt und ai\ität voraus, die Goni bei der Auffuhrung von l.'amore delle (re me!arance demonstrati, uberrascht an sich selbst entdeckt: "L'Uditorio era contentissimo di quella mirabil nOVIta puerile, ed io confesso, ehe rideva di me medesimo, sentendo l'animo a forza umiliaro a godere di quelle immag1l1i fanclullesche, che mi rimettevano nel tempo della mia infanzia.« (Co!. I, 100). Eine derartige momentane Überwältigung durch die "gran forza, che ha 'I mirabile sull'umanira«

(Col. I, 97) zeigt, daß das Märchenhaft-Wunderbare die Zuhörer und Zuschauer noch immer in seinen Bann zu ziehen vermag. IOI Die Frage nach der Wahrsche1l1hchkeIt der Ereignisse spielt dabei nicht die geringste Rolle, sie ist durch dIe Wahl der Gattung Märchen selbst obsolet, denn

»das Wunderbare ist 111 dieser Form nicht wunderbar, sondern selbstver-standlich«.lol

Daß die Transposition so charakteristischer Aspekte einer

narrati-\'en Gattung auf die Bühne glucken konnte, liegt in strukturellen und formalen bgenschaften des Marchens, die eine dramatische Gestaltung wesentlich hegünstigen. Dazu zählen seine geringe erzählerische Aus-dehnung, seine HandlungsberontheIt, sein klarer Bau und die Ausglie-derung in mehrere Episoden. IO) Im Vordergrund der Marchenerzahlung steht das I'ortschreIten der I Iandlung beziehungsweise des Geschehens, wogegen ausführlichere BeschreIbungen und Schilderungen von Land-schaften, Gegenständen, hguren selten sind. Ins Licht wIrd hauptsach-lieh das geruckt, was den Helden oder die Heldin direkt betrifft. Damit sind für e1l1e märchentextnahe Bühnenfassung wichtige Kriterien erfüllt.

IOJ Jacgues I inne spricht In Analohle zum "pacte autoblOgraphigue« Lejeuncs vom Pakt, den Leser und Autor beim '.lüchen schließen. Dieser Pakt besteht In der Suspendie-rung der h.l!'e nach der \\'ahrscheinlichkelt des marchenhalten Geschehens und dem /eltweih~en Einlassen auf die Marchenwelt mit ihrcn eIgenen Gesetzen ... Somme toule, la gr.tnde opposiuon entre conte de fees et conte fantastigue vient du falt gue, dans le premIer, le({eur et auteur s'unissem par un pacte, alors gue, dans le second, l'auteur doit imposer son f.tntasuque au lecteur .• (ra "tteraturc fanta'lIque. Essai sur l'oq;.lIlisauon mrnaturclle, Bruxelles, Editions de l'Universitc de Bruxelles 1980, S. 2t J.

1\;' Zu Goals Versländllls der Einbildun~skraft als anthropologische Grundkonstante,

dIe zwar ,uruckgedrangt, aber mcht verdrängt werden kann, siehe \'.a. Kap. 3.4 Unter pragmatischem Blickwinkel WIrd GOIIIS Position durch das Publikumsinteresse be·

stali~t, das sich unmIttelbar in den Aufführungs/ahlen nlcderschlägt, die bci den Flabe t<'atrü" /wlschen -: und J 9 he~cn.

102 A. Jolles, 01'. CI!., $.243.

Iv) Vgl. \1. l.udll, ,\fürchen, 01'. CJ[., S. 3 und 25 -32.

In der dramatischen Umsetzung wird das Beschreibende üblicherweise vermieden, der Akzent liegt auf der Handlung, die sich sowohl im Dialog als auch in der szenischen Aktion manifestiert, und die Konzentration auf wenige Figuren wie auch die Klarheit des Handlungsablaufs kommen dem Theater eben so entgegen, wobei insbesondere eine episodische Struktur bereits eine sinnvolle Einteilung in Akte und Szenen nahelegen kann. So lassen sich etwa der Zweier- oder Dreierrhythmus, in dem sich zahlreiche Marchenhandlungen entfalten, unschwer in eine dramatische Gliederung umsetzen, womit die traditionelle Formelhaftigkeit des Ablaufs im Mär-chen ihr Pendant hnde im schematisierten Dramenaufbau. Unter dieser Perspektive könnte hinsichtlich der Handlung das »allgemeinste Schema, das dem europäischen Volksmärchen zugrunde liegt«,lo4 nämlich Schwie-rigkeiten und ihre Bewältigung auch für die Komödie gelten. Wenn dieses Schema auch den achteil hat, sehr allgemein und daher wenig aussage-kräftig zu sein, bleibt doch festzuhalten, daß eine problematische Aus-gangslage und ihre positive Bewältigung, die zu einem glücklichen Ende führt, für das Märchen wie für die Komödie charakteristisch sind.

Schließlich korrespondiert auch die Darstellungsweise von Personen und Dingen im Märchen mit derjenigen in einer spezifischen Art von

Schließlich korrespondiert auch die Darstellungsweise von Personen und Dingen im Märchen mit derjenigen in einer spezifischen Art von