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Goldoni und Chiari als Duellanten

Ein Spektakel besonderer Art wird in den Oktaven ,.A' lettori« evoziert:

»Dove fan loro imprese i ciurmatori, / Vedestu mai, Lettore, in sulla piazza, / Due Fantaccini far gli schermitori, / In mezzo a innumerabil turba pazza?« (Co!. VIII, 26). "La piazza«, die venezianische Piazza San Marco, ist Schauplatz eines grotesken Duells zwischen zwei Kontrahen-ten, die sich auf der einen Seite durch Unwissenheit, eine gewisse Ge-schicklichkeit, einen guten Instinkt und den Vorsatz auszeichnen, sich nie geschlagen zu geben, auf der anderen ebenfalls durch Unwissenheit, aber auch durch Betrügereien. Statt mit dem Degen zu fechten, schlagen sie, die Augen weit aufgerissen, mit Knüppeln aufeinander ein und brüllen sich an, ,.Cosil'ajuta a comparir feroce / Poco saper, temeritade, e voce.« Der eine mit Namen Originale und der andere, Saccheggio genannt, scharen täglich eine beträchtliche Zahl von Anhängern um sich, und das Stadt-gespräch dreht sich nur noch darum, welcher der beiden der bessere ist.

Bald teilt der Zwist nicht nur die Stadt in zwei Parteien, sondern selbst innerhalb der Familien tobt der Streit, ,.Nelle case i fratelli contendevano, / Le mogli co' mari ti facean peggio, / In ogni loco acerba

e

la tenzone, / Tutto

e

scompiglio, tutto

e

dissensione.« (Co!. VIII, 27). Ganze vier Ok-taven lang wird diese erbitterte Auseinandersetzung zwischen den Partei-gängern von Originale und Saccheggio zum Thema gemacht und die Un-möglichkeit aufgezeigt, sich einer Parteinahme zu entziehen. Nicht nur Originale und Saccheggio selbst sind die Objekte des Spotts, sondern auch ihre Anhänger, die nicht vernünftig argumentieren, sondern sich fanatisch auf eine Seite schlagen. Doch hat dies für die bei den Progatonisten ganz erfreuliche Folgen: ,.Cosi tenendo il popolo in puntiglio, / Traean que' due ciurmanti un buon guadagno«, was sie allerdings bedauerlicherweise zur Überheblichkeit verführt hat: ,.andavano intuonando: / 10 son Gradasso;

io sono il Conte Orlando« (Co!. VIII, 28).18

Diese theatralisch-burleske Schilderung des unaufhörlichen Duells zwischen Originale und Saccheggio und der Fanatisierung ihrer Anhänger richtete sich, für die Zeitgenossen unverkennbar, gegen die beiden derzei-tigen Konkurrenten und Protagonisten der venezianischen Theaterszene, Carlo Goldoni und Pietro Chiari. Seit Jahren standen sie im Rampenlicht der Öffentlichkeit und bemühten sich um die Gunst des Publikums. 1749, ein Jahr nachdem Chiari seine Arbeit als Bühnenautor der Truppe

Giu-18 Zur zunehmenden Relevanz des Publikums hinsichtlich des literarischen und theatrali-schen Lebens in Venedig vgl. Cesare de Michelis, ,.La scopena del pubblicoc, in: ders., Letterati e lettori nel Settecento TJenezwno, Firenze, Olschki 1979, S. 7-35.

seppe Imers am Theater San Samuele aufgenommen hatte und Goldoni fur Girolamo Medebachs Truppe an Sant'Angelo schrieb, war anläßlich der Auffuhrung von Chiaris La scuola delle vedove, einer Parodie von GoldoOls Vedova scaltra, eine offene Kontroverse ausgebrochen, 9 die in der Saison 1753/54 einen neuen Höhepunkt erreicht und bIs zum Er-scheinen der Tart,ma kaum an Vehemenz eingebußt hatte. Erwies sich ein neues Stuck auf der eInen Buhne als Erfolg, vergingen oft nur wenige

\X'ochen, bis die Konkurrenz mit einer ähnlichen Produktion aufwar-tete und das Publikum damit abzuziehen versuchte. Daß dabei allgemein Chiari als der Imitator und Plagiator galt, macht der ame »Saccheggio«

deutlich. Unter solchen, maßgeblich von ökonomIschen Überlegungen bestimmten Bedingungen \"uchs der Druck auf die Autoren, möglichst rasch wirkungsvolle Stücke zu produzieren. Darauf spielt La tartana, ohne konkrete Namen zu nennen, mehrfach an. So in der bereits zitierten Strophe aus ·,Degh scrittori« oder in den Prophezeiungen für den Monat februar, »Delle commedie«:

-E' piove forre, e I'oche hanno gran sete«, COSI il Profeta nostro ha saino un giorno.

Per la gran pioggia, so ehe prenderete Quel mar di Commedie, ehe vanno attorno.

Per I' oche, la gran folia intenderetc,

Che ognor ne \"uol di nuove, ond'io ritorno AI Burchiel mlO, ehe in un verso ci splana:

»CcrvclIJn d'ochc, e gran teschi d'alfana.«

(Co!. VIII, 36)

Im sei ben Gedicht wird noch einmal darauf hingewiesen, daß dieses Meer

\'on Komodlen nur »fredda mercanzia« ist und hauptsächlich »per il da-nalo« entsteht. Das letzte Monatsgedicht fordert die Autoren gar auf, bei sich abzeichnendem Publikumsschwund im Theater doch einfach den Verkaufsgegenstand zu wechseln: »\'enderan storia, 0 vero Strologia, I D'alrra matera di\erran mercanti« (Co!. VIII, 70). Der Autor als Kauf-mann, der mit seiner \\are moghchst großen Profit erzielen will, kann der Herstellung der Produkte selbstverständlich nur mehr begrenzte Auf-merksamkeit und Zelt widmen, ·)Dicon: La Commedia dey'esser piena, / E \"ada il fano poi come si sia;<. (Co!. VIII, 37). Als Folge der merkan-tilistischen Einstellung entstehen heterogene Machwerke, die schnell aus

, Auf Cillans Komodlc rcaglerte GoldoOl mit der Verötfemlichung des Pr%go ap%ge-tlco al/" commed", mt/to/ata La vedova scaltra contro /e cTltlehe conlenule nel/a com-med", mtlw/ata La 5cuola delle ~'ed()~·e. '\1-'ie Goldoni in seinen "temOIren benchtet,

"urde umgehend elO Auffllhrungsverbot fur Chiaris Stuck erteilt (Goldoni, I, 263).

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alten Stücken zusammengeflickt und durch ganz unnatürliche, übertrie-bene - aber wirkungsvolle - Verhaltensweisen der Figuren charakterisiert sind. »Il costume 0 dev'esser un bordello, / 0 in tutto una virtli, che non si trova« (ebd.). In dieser auf den Erfolg und damit aufs Geld ausgerich-teten, moralische Maßstabe unterordnenden Haltung20 unterscheiden sich die Schriftsteller allerdings in nichts von anderen Berufsgruppen, die La tartana ebenfalls satirisch prasentiert: den Geistlichen, die predigen, was gefallt, um eine volle Kirche zu haben, oder den Advokaten, die vertreten, was ihre Klientel wünscht.

Daß diese Art von Theater zudem das Etikett »riforma« trägt,21 setzt dem Ganzen die Spitze auf: »Cio, che natura non ha mai sognato, / Ca-ratteracci, genti affascinate, Omelie, paragon da buon mercato, ! Sen-tenze vecchie in versi rigonfiate! A dritto, a torto, ed argomenti in torma / Oggi han dato a' Teatri la riforma« (ebd.). Das Theater dieser selbst-ernannten »riformatori« und »novi Molier« hat allerdings, folgt man der Dezember-Prophezeiung mit dem Titel »Sopra il ritorno dei Sac-chi, Truffaldino«, seinen Zenit bereits tiberschritten. Von der Rückkehr Amonio Sacchis, einem der berühmtesten Truffaldino-Darsteller der Zeit, der mit seiner Truppe von Venedig aus eine mehrjährige Tournee in Portugal unternommen hatte, erhoffte man sich neue Impulse, um die Langeweile zu vertreiben, die sich inzwischen bei den Zuschauern ange-sichts der Goldoni- und Chiari-Snicke breitgemacht hat: »Gia pe' Teatri la gente sbaviglia, Sonneferando ne' palchetti cova, / Fiacca, e dimessa

e

quella meraviglia, Che udiasi un di per la riforma nu ova« (Co!. VIII, 68). Der zeitweilige Erfolg der »opre, dette regolate e pure« sei nur der Beeinflussung des Publikums durch die Kenner und Gelehrten zu

ver-20 In der Widmung .All'erudno raccoghrore dell'opere sue« des zwenen Bandes semer nalienischen und lateimschen Gedichte und Prosa werke gIbt Chlan selbst diese E1O-stellung unumwunden zu: .Ie occaSIOm di verseggiare ml nascono tuno giorno tra piedi senza cercarle. [ ... ) 10 sono il primo a conoscere il poco loro valore, e a confessarle forse men degne di tante altre compagne loro, a cui son esse \'lClne; [ .. ) Chi compra, 0 vende, come SI suol dlre, all'ingrosso, non pUD far sce!ta deI meglio«; Pietro Chiari, PoesIe e prose ztalzane e fatme, Bd. 2, Venezia, Pasinelli 1761, S. 13-14

Der entscheidende Aspekt 10 GOZZIS Polemik ist die Verbindung von Geld, Massen-produktion und nachlassender moralischer Integrität bei glelchzenigem Anspruch, eine .moralische« Komödie zu schaffen. Die Reduzierung des Angriffs auf eine .typisch ad-lige<> Kritik gegenüber dem kaufmännischen Interesse eines Bürgerlichen und dem Berul des Schriftstellers greift zu kurz; vgl. Kapitel 3, Anm. 56 im Exkurs zur venezianischen Theaterszene.

21 Goldom wie Chiari beanspruchen für sich, die Reform der italiemschen Komödie ein-geleitet zu haben; siehe z. B. Goldonis Vorwort zur Beninelli-Edition von 1750 sowie die Vorworte zu einzelnen Komödien und Chiaris .Osservaziom cmiche- zu Il poeta

comlCO.

danken, denn schließlich wolle niemand als der Dumme dastehen, wenn diese die Vorzüge des Neuen lobten. un aber soll endlich das gelang-weilte Gahnen wieder eInem befreiten lachen Platz machen, sollen Späße und Phantasie dIe Buhne beleben,» on siam per sostener tue comme-die, / ehe non \ ogliamo controversia, 0 intrico; / Ci bastan tue facezie, e fantasie, / E t'accettiam per maggior nostro amico.« (Co!. VIII, 69)' Daß diese letzte »Profezia del Burchiello« für den Monat Dezember eine der wenigen wIrklichen Vorhersagen lI1 der Tartana ist, in der nicht nur ein Burchiello-Text fur die Deutung der Gegenwart herangezogen wird, sondern tatsächlich die Zukunft Ins Spiel kommt, verleiht ihr besondere Relevanz. Damit eröffnet sich eine Perspektive, die von Anfang an fur Gozzis eigene Theaterstücke von Belang sein wird: die Einbeziehung der Tradltlon der Commedia dell'arte.

Wenn das letzte sonetto caudato »Allibraio venditüre della Tartana«

empfiehlt, La tartana einfach als ein Werk Chiaris oder Goldonis aus-zugeben und zu behaupten, sie sei in verH martellzanz geschrieben, da-mit sie nicht zum ladenhuter werde, sondern vielmehr »un [sie] stürmo d'eruditi veneziani« angerannt käme, »Che scuotendo le mani / Diran:

Grand'uom! gran verso! gran sentenza!« (Co!. VIII, 70), unterstreicht dies noch einmal, daß weniger die Autoren selbst als vielmehr ihre An-hängerschaft Zielscheibe des Spotts ist. Sich blind und oberflächlich einem Trend anzuschließen, ist das Bedenkliche, sei es im Bereich der Literatur, der Mode oder der Moral.

Die enge Verbindung von satinseher Gesellschaftskritik und Literatur-kritik in l.a tartana kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen, daß sich die beiden Stüßrichtungen trotz mancher Gemeinsamkeiten durch unter-schiedliche Qualitäten auszeichnen. So liegen beiden grundsätzliche As-pekte wie eIne um sich greifende Oberflächlichkeit oder der zunehmende Einfluß des Geldes in moralisch sensiblen Bereichen zugrunde, und beide sind spezifisch im Sinne einer Ausrichtung auf den venezianischen Kon-text. n Während Jedoch die Texte allgemeinerer Gesellschaftskritik wie

»Della Fiera, detta la Sensa«, »Dell'andare a Padova«, »Dell'andare la sera al fresco«, »Dell'uccellare, e delle cacce«, »Delle Sagre« und selbst die Be-rufsgruppensatiren gegen Schriftsteller, Geistliche und Advokaten in einer

II DICS wird bereits In dcr Notiz .Lo stampatore all'inimico lenore« deutlich, In dcr In-tcressemen für einen Tageskalcnder an dIe Verkäufcr auf der Rialtobrucke verwlcsen werden, abcr auch durch Jahlreiche Hlnweisc auf veneziamsche Bräuche und Festc sowic den Schauplatz des Originale 'iacchegglo-Kampfcs, -la pi.7Za., d. h. den Markus-platl, dIe ClnZlgc veneZIanIsche ',plalZa' (andere Plätze werdcn mit »campo. bezcich-nct).

langen Tradition stehen23 und keine konkreten Namen aufweisen, sind die Widmung an die Leser, in der das Originale-Saccheggio- Duell dargestellt wird, und vor allem die Jahreszeiten-Capitoli, in denen der Name Arrighi Landinis mehrfach auftaucht, in ihrer Personenbezogenheit zielgerichte-ter. Dennoch handelt es sich, vor allem in bezug auf Goldoni und Chiari, nicht um eine persönliche Satire, verstanden als direkter Angriff auf die Privatperson, sondern um eine Attacke auf die maßgeblichen Repräsen-tanten des venezianischen Theaterbetriebs. Trotzdem konnte es kaum aus-bleiben, daß eine weitere Voraussage schnell Wirklichkeit werden sollte,

Sovvengavi ehe questa

e

la Tartana;

Deh non s'arrostI per eosa triviale Quella vostra selenza sovrumana.

Darannovi di scritti uno spedale da farne eomroversia, e apologla, 11 eelebre Dottor tale, 0 eotale,

L'insigne Abbate, 0 il mal, ehe Dio vi dia.

(Co!. VIII, 33-34)

In den folgenden Jahren entstand tatsächlich eine Flut von Texten, in denen sich der »celebre Dottor« Goldoni, der »insigne Abbatc« Chiari und Gozzi gegenseitig angriffen, verteidigten, rechtfertigten. Der direkte Schlagabtausch dauerte an, bis Goldoni und Chiari 1762 Venedig den Rücken kehrten.

2.2 Theater-Streit-Kultur

Diese Kontroverse zwischen Gozzi, Goldoni und Chiari, In die am Rande auch andere Autoren wie zum Beispiel Saverio Bettinelli Involviert wa-ren, steht, wie bereits angedeutet, keineswegs isoliert. Vielmehr erscheint sie als Fortsetzung einer in Venedig seit Jahren währenden Diskussion, die sich um das Theater, genauer um die Komödie drehte und deren Prot-agonisten, wie folgende Skizze zeigt, Carlo Goldoni, Pietro Chiari und Francesco Griselini waren. icht nur auf der Bühne, sondern auch in Vorworten, VersepisteIn und Gedichten nahmen die Autoren und ihre jeweiligen Anhänger meist in polemisch-ironischer Weise Stellung zu ak-tuellen Stücken, zu deren Handlung, Personen und Sprache.14 Erst vor

2} Als Vorbilder gelten GOZZI Ariost und Botleau, von dem er 12 SatIren tihersetzt und mit Anmerkungen versehen hat. Im Settecento stehen Namen wIe lI-1artello, Marcello, Becelli u. a. für die fortdauernde TraditIon der SatIre.

2' Bemerkenswert ist, daß die von Goldoni angestrebte Nobilmemng der Komödie of-fenSichtlich keinerlei AUSWIrkung auf die rhetorische Form der poetologischen

Ausein-dIesem I lintergrund treten einerseits eine gewisse Selbstverständlichkeit von Gozzis Eingreifen und andererseits die Besonderheiten seiner Partei-nahme zutage.

Daß sich die Diskussion vor allem in Venedig und an den Komödien entzündete, ist symptomatisch. Zum einen spielte das Theater eine ent-scheidende Rolle im sozialen und kulturellen Leben Venedigs, der Thea-terstadt par excellence, so daß das Interesse einer breiten Öffentlichkeit gegeben war.25 Zum anderen konnte man es sich erlauben, uber die Auf-führungen oder die Texte der Komödien ohne den traditionell gelehrten Ballast der Tragödiendebatten zu urteilen und sich auf das immer relevan-ter werdende Krirelevan-terium des »buon gusto« zu berufen, das zum Gemein-platz wurde und zur Rechtfertigung der eigenen Meinung diente.

Goldom-

Chlan-

Querelen

Der Beginn der offenen, von Gozzi in La tartana gebrandmarkten Aus-einanderseuung zwischen Goldoni und Chiari läßt sich auf das] ahr 1749 datieren. Seit einiger Zeit war die Konkurrenz zwischen den Sprechbüh-nen in Venedig aus okonomischen Gründen härter geworden und der Wettstreit um die Publikumsgunst intensiver. Chiari, seit 1747 in Vene-dig und an den Teatri Grimani als Bllhnenautor engagiert, präsentierte Im Oktober 1749 am Theater San Samuele eine Komodie mit dem Titel l.a scuola delle vedove, die ganz offensichtlich eine Parodie von Goldonis l.a vedova scaltra war, deren Premiere Ende 1748 am Theater Sant' Angelo stattgefunden hatte.26 Dieser Provokation begegnete Goldoni mit der

Ver-andersetzung hatte. ~"'ahrcnd Geschichte und Poetik der Tragodie dem genus subl,me entsprechend in gelehrten Traktaten abgehandelt wurden, fand die DiskUSSIOn um die Komodie hauptsachlieh in Para und Gebrauchstexten stan.

2S Vgl. Kap. ), Exkurs: Die venezianische Theaterszene.

26 Chi"ris erstc Jahre in Venedig sind nur sparlich belegt, so daß nicht nur das genaue Da-tum seiner Ankunft In Venedig unsicher Ist, sondern auch die ersten an San Samucle aufgdllhrten Stucke L'av'venturzere alla moda und La scuola delle vedove unauffindbar SInd; ,gI. C Albern, .Introdu71Onc .. zu ders. (Hg.), P,etro Chiarz e zl teatm europeo dei Settecento, \'eron.1, ~eri Po na 1986, S I I 36, hier 5 14-t6. Tatsächlich enthält keIne der mehrbindigen Ausgaben von ChlarIS Komodlen eines der beiden Stücke, noch Ile·

gen sie In venelianischen BibliOtheken als Einzelausgaben vor. Demgegenllber SInd Im Aumellungskatalog I teatrz pubblzCl d, Venezza (secoli XVII-XVIII), Hg. Ludo,ico Zorll u . .1., Vene/1l 1971, unter den Nummern 2 15 und 2 I 6 sowohl L'avventuriere alla moda als auch La scuola delle udove verzeichnet; unklar bleibt, um welche Art von Do-kument es sich handelt (Handzettel, Besetzungs/enel, Titelblatt einer Druckausgabe);

dic unter 2 15 an!;egebene Ausgabe 'on Chiaris Komödien enthält L'avventurzere alla moda nicht.

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öffentlichung des Prologo apologetico alla commedza mtztolata La ve-dova scaltra contro le critiche contenute nella commedza intztolata La scuola delle vedove, einem Dialog zwischen Prudenzio, »riformatore de' teatri«, und Polisseno, »poeta«,27 in dem der Autor der Scuola delle ve-dove nicht nur des Plagiats angeklagt wird, sondern Pohsseno Punkt für Punkt die augenscheinlich in Chiaris Stück enthaltenen VorwUrfe hin-sichtlich der Wahrscheinlichkeit, der Nachahmung und literarischer Re-geln widerlegt. Prudenzio bleibt das letzte Wort im Gespräch: »Il Signor Polisseno

e

partito, ed io pure me ne andero. Veramente, s'egli si scalda un poco,

10

compatisco. Ha egli il merito d'aver introdotto il buon gusto delle Commedie, ed ora

10

vorrebbono gettar a terra. Ma non sara., non sara; a Venezia gli vogliono bene; a Venezia si fa Giustizia. Critiche? Foco di paglia, foco di paglia.«28 Diese Einschätzung oder Hoffnung Goldonis entsprach jedoch nicht der Realität, denn zum einen wurden zunächst weitere Aufführungen der beiden Komodien durch die venezianische Re-gierung untersagt und zugleich die Vorlage neuer Stucke vor dem Magi-strato della Bestemmia dekretiert,29 zum anderen sollte sich das venezia-nische Theaterpublikum in '>goldonisti« und »chiaristi« spalten und die Konkurrenz stimulieren. So könnte die Konfrontation mit Chiari auch als Anregung für Goldonis intensive Reflexion über sein Reformvorhaben und die dafür so entscheidenden Texte aus dem Jahr I750, die metathea-tralische Komödie Il teatro comico sowie das ausführliche Vorwort zur Erstausgabe seiner Komödien bei Bettinelli, gedient haben. Das Vorwort zur I 75 I aufgeführten Prosakomödie L'mcognzta macht allerdings deut-lich, daß Goldoni im Hinblick auf den Publikumserfolg zu weitgehenden Konzessionen bereit war. L'mcognzta, so schreibt Goldoni, sei eine »com-media romanzesca«, die er aufgrund des großen Publikumserfolgs ähnli-cher Stücke von Chiari verfaßt habe, obwohl er diese Art von Komödien an sich nicht gutheißen könne. Dieses Bekenntnis belegt, daß es nicht nur

Bereits vor der Affäre um La scuola delle vedove könnte cm 5chmahgedlcht GoldonIS oder eines seiner Anhanger anläflhch der Aufführung von Chlans L'avventunere alla moda im Oktober 1749 als Auslöser der Polemik geWirkt haben. Siehe Goldoni, XIII, 945, Sonetco dei Go/dom al/'abate Chlan und Ortolanis Kommentar. Die [""ähnung dieses Gedichtes wird allerdings in der Goldoni-Forschung ~()fgsam vermieden, wohl um Chiari den ersten Stoß Im Duell zuschreiben zu konnen.

2' Polisseno Fegejo ist Goldanis arkadischer ame, PrudenzlO Ist der .capocomlco« von Sam' Angelo, Girolamo Medebach.

]I. Goldoni, II, 414.

29 Während Goldonl In seinen MemOiren nur vom Auffuhrungsveruot für Chiaris Stück spricht, stimmt die Sekundärliteratur darin überein, daß dIeses belde KomödIen betraf;

z. B. J tealn pubbllCl dl VeneZ/a, op. cit., S. 119, oder Roberto Tessafl, Teatro e spettacolo rIel Settecento, 2. Aufl., Roma, Laterza 1997 , S·-3

Chiari war, der Goldoni imitierte, sondern auch Goldoni auf Chi arische Manier das Publikum an sich IU ziehen versuchte.30