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GOZZIS Polemik gegen Bettznelli

! sudan d'!menea Ist e1l1e eher lau ausgefallene Reaktion auf La tavala rotonda, doch erschopft sich das Gedicht nicht in den neuerlichen Angrif-fen auf Goldol1ls ",:ie Chiaris poetische Produkte, sondern nimmt auch eine Debatte uber die Mode der Gedichtsammlungen zu festlichen An-lässen, der raccalte, auf, 111 die Gozzi bereits ein Jahr zuvor mit Parere 0

Si'l lettcra 5critta da un 'amzco dellnulz, ad un 'amlCO di Venezia sopra zl pocrnetto intitolato Le Raccolte, con la risposta dell'amico dl Venezia

68 Pietro Cluan. La maschcr.1ta deglz dez, VeneZla, Coleti 1759, Canto pnmo, XLVI-Xl \'111 CllIan fordert den Autor der Sudan d'lmenea auf, Ihn doch nIcht mit allen anderen in emen Topf 7:U werfen. -Perehe tanno amendue pe?;?;10 ehe male, / Quando un corsar I.l!tro c()[saro as>ale., und betont, .lall er nicht -la Burchiellesca sua sferza sonora· furchte. denn die kanne er auch nachmachen, .\1a nol fo, perche le~?;e e di creal1za / DI parlar, c vestIr sempre all'u,anza .•

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all'amico del Friuh eingegriffen hatte. Die Autoren dieses 1758 anonym erschienenen Werkes sind laut Gozzi Marco Forcellini, Natale delle Laste und er selbst, der gebeten wurde, der ernsthaften Kritik des Parere eine scherzhaftere Antwort hinzuzufugen.69 Beide Texte, Parere 0 sia lettera ...

wie I sudon d'Imeneo, richten sich gegen Saverio Bettinellis Kurzepos Le raccolte, das bereits in zwei Editionen von I75 I und 1752 vorlag und 1758 in Venedig in einer dritten Auflage gedruckt wurde. Zudem machte Bettinelli Anfang dieses Jahres mit den Lettere vlrgzlzane \ on sich reden, so daß eine Stellungnahme doppelt motiviert war.70 Sowohl Le raccolte als auch die Lettere virgiliane sind Pamphlete, in denen Bettinelli gegen die Mode der raccolte, gegen die platte Imitation und das leichtfertige Verseschmieden angeht. In Le raccolte folgen auf das Vorwort, in dem bereits sämtliche Proömialtopoi ironisiert werden, vier Gesänge in Ok-taven, die vom Versuch Cacoetes, der neuen Gottin der Verseschmiede, erzählen, mit Hilfe ihrer dichtenden Heerscharen Apolls Parnaß zu er-obern. Obwohl sie zuletzt ihre raccolte als Waffen einsetzen, ist ihnen kein endgültiger Erfolg beschieden. Bettinelli scheut sich nicht, Dichter der Vergangenheit wie auch Zeitgenossen beim Namen zu nennen und mit ihnen ins Gericht zu gehen. Wie im Parere sogleich festgestellt wird, handelt es sich bei Bettinellis Raccolte um eine schlechte Imitation Ariosts und Boileaus.'l Analog zum zweiten der Leuere vzrgilzane, in denen am

69 Vgl. Carlo Gozzi, Memorze mut/h della vlla dl Carlo GOZZI serltte da IUI medeslmo e pubbhcate per umzha, Hg. Giuseppe Prezzolim, 2 Bde., Ban, Laterza 1910, Bd. I, S. 200 (im folgenden abgekürzt als Mem. mit Band- und Seiten angabe dieser Ausgabe I. In der

»Cronologia« seiner Fzabe-Ausgabe (Carlo Gozzi, Fzabe teatrah, Hg. Paolo BOSISIO, Roma, Bulzom 1984) charakterisiert P. Boslsio das Parere unzutreffend als »operetta sanrica ancora rivolta contro il Chiari eiiGoldom, composta sullo SpuntO fornito da]

poemetto Le Raccohe di Saveno Bettinelli. (S. 95). Der Text wendet sich eindeutig gegen Bemnelh.

'0 Zu den verschiedenen Editionen der Raccohe wie der Lettere vlTgzlzane SIehe V. E. AI-fieris Nachwort zu Saverio Bettinelli, Lettere vlTgzliane e mgleS! e ahrz serztl! erztzcz, Hg.

Vmorio Enzo Alfieri, Bari, Laterza '930, S. 299-304·

Zur Mode der raccohe siehe u. a. Francesco Colagrosso, Un 'usanza letterarza m gran voga nel Settecento, Firenze, Le Monmer 19°8; 'X'. Theodor Elwert, »Venedigs litera-rische Bedeutung. Ein bibliographischer Versuch., in: Archzv fur Kulturgeschichte 36, 3, 1954, S. 261-3°0, hier S. 299-300, Pi no Fasano, L'utde e zl bello. Le tranSiZlOnl delle forme letterarze alle sogile dell'era borghese, 2. Aufl., Napoli, Liguori 1996, S. 3 [ff. Die Sammelbände, deren Beiträge von den Auftraggebern bezahlt wurden, waren unter an-derem auch ein Forum für die Vorstellung junger Dichter. Die Kritik an den raccolte scheint im [8. Jh. genau so tiblich zu sem wie dIe Veröffentlichung der Festschriften selbst. Bereits 1723 beklagt Scipione Maffei in .Istoria dei teatro e dlfesa di esso. ihre weite Verbreitung. Fast paradox erscheint es, daß Bettinellis Raccohe selbst als Hoch-zeltsgeschenk an Andrea Cornaro entstanden.

71 Weitere Modelle sehen F. Colagrosso (op. cit., S. 80) 10 Popes The Dunaad und Elvio Guagnini 10 Swifts Battle of the Books (»Sul Bettinelli Inglese., 10: Ilaria Crotti;

Ric-Tite! von Dantes Dlvzna Commedla Kntik geübt wird, klagen auch die Autoren des Parere über die Unangemessenheit von Le raccolte, denn es gehe weniger um raccolte als um schlechte Dichter. In pedantischer Weise wird so Gesang fur Gesang untersucht, Kritik und Lob wechseln einander ab, und BettinellIs Verurteilung von Dantes Sprache wird (aus heutiger Sicht zu Recht) mangelndem historischen Sprachverständnis zugeschrie-ben. Dieser akademischen Textkritik folgt die von Ironie und Polemik sprühende Antwort des veneZIanischen Freundes, der sich zunachst wie-derum über den TItel mokiert und statt Parere sopra Li poemetto zntlto-lato I e Raccoltc ·,hche contro aJl'urlo deno, Le raccolre« vorschlägt. Er vermutet, daß der Autor der Raccolte bel der Schlacht auf dem Parnaß selbst von den Buchern getroffen \vurde und »col cerveJlo, che gJi tra-ballava nel cranio« (27) geschrieben habe. Absichtlich zitiert er Verse, die Bettinelli selbst als ZItat der von Französismen durchsetzten poeti-schen Sprache verstanden wissen wollte, prasentiert sie ironisch als »versi roscanlsslml« (30) und bedauert allgemem die mangelnde Beherrschung der roskanischen Sprache. Deshalb verordnet er seinem Discipulus, der

\erbotenenveise die ase in die Raccolte gesteckt hat, sofort wieder eine Dosis Dante, eino da Plstoia, Guittone und Guido Cavalcanti, ),e tutta la schiera delle antlche fonti soavisslme, che ci allattarono. Cosl la intendo, coslla voglio, e dovra per un gran tempo stare con la Crusca nelle mani, e nel men,o a quegl'intarlati« (35), denn eine perfekte Imitation dieser Dichter würde ihm, auch wenn seine Gedanken irrelevant wären, mit Si-cherheit die Achtung der Gelehrten verschaffen.

Dieser ironische Schluß, der das negativ besetzte Schlagwort »cru-scante« der Lächerlichkeit preisgibt, scheint weniger auf Le raccolte als vielmehr auf die Lettcrc virgilianc zu zielen, in denen Vergil aus dem Elysium der Arkadia in Rom uber die Untugenden der zeitgenössischen Dichter berichtet und mcht nur die Imitierenden und Plagiatoren kriti-siert, sondern auch die imitierten Autori täten, allen voran Dante.72 Die

Clarda Rlcorda II"g, ',SavC"1O Bettzne/ll. Un gesulla a/la scuola dei mondo, Roma, Bul-wni 1995, S 149 163, hier S 163), die Jedoch beide IhrerscltS BC7üge zu Boileaus Lutrin autwclsen

'2 .A Dantc null'altro maneo ehe buon gusto, e dlsecrOlmento nell'arte. Ma grande ebbc I'anlma, e I'chbe suhhme, I'ingegno ,lcuto, e fccondo, la fantaSIa Vivace, e pmoresca, onde gli (adono dalla penna dc' verSI C de' tratrl mirabili .• (BettlnclJ., Lettere virgzliane, Hg.

Pictrll TommaslOI .\lattiucci, Citt,1 di Castcllo, Lapi 1913, S, 141. Zu Ariost z. B, schreibt Bettinclli:

.1:

AnostO pun far dc' porti cd rZIandio piu rcgolatl dllui. Egli

c

gran poeta se alcuOl canti si tronchino dcll'Orlando furioso ch'cgli stesso condanna, e rutte Ic stanze ehe non contengono funr ehc turpl buHnncne, miracoli di Paladini, incanti dl Maghl, 0 sonc imagiOl (sic],ndegne d'uomo bennato,. (cbd S,j7-58 bn weiterer Text Goz· zis nimmt expliZIt Bezug auf Betllnelhs Lettere 'J)lygzlzane ,Stanze per la veStiZlOnc

pauschale Mißachtung und Abwertung der Tradition und einzelner in Gozzis Augen herausragender Dichter der Vergangenheit scheint der Auslöser für die gegen Bettinelli gerichteten Texte zu sein, deren Vehe-menz jedoch insofern erstaunlich ist, als in anderen Bereichen weitge-hende Übereinstimmungen zwischen beiden Autoren bestehen. Nicht nur die Zeitkritik, die die Mode, die Redeweisen, den französischen Einfluß oder die literarische Massenproduktion betrifft, sondern auch der pole-mische Duktus verbinden ihre Texte. Eine tiefer gehende inhaltliche Aus-einandersetzung mit Bettinellis Lettere virgillane kommt allerdings nicht von Carlo Gozzi, sondern von seinem Bruder Gasparo.73

GoLdoni-Satire im Kurzepos

Unterdessen zirkulierten in Venedig weiterhin Sonette und andere Ge-dichte, die die Polemik zwischen Gozzi, Goldoni und Chiari schürten.l4 Aus der Feder dreier Autoren der Accademia Granellesca entstand ein Text mit dem Titel Le spose riacqulstate,15 der ein um das Jahr 900

an-dell'illustriss. signora Vittona Lavezan nel Monastero dei Corpus Domini. (Co!. VIII, 276-284). Dort greift er die Geistlichen an, die sich in literarische Angelegenheiten mi-schen (sowohl Ch,ari als auch Bettinelli gehören zu diesen), und präziSiert: "E special-mente stolti sono I Fratl, / Che abbandonando la Chiesa, e i Concilj / Van negli ElisJ a parlar co' Virgilj .•

Im Canto dltlramb,Co de' partzglanz del Sacchl Truffaldmo (Co!. VIII, 164-179) par-odiert GOZZI Bettinellis Schlacht um den Parnaß 'Tlit den Bemühungen, eines Bergs Polenta Herr zu werden. Unvermittelt bricht er die Beschreibung ab und schließt: .Ma dove scorro! ad emular col metro / sulla polenta i struggitor di Dante?.

73 Gasparo Gozzis Dlfesa dl Dante erschien kurz nach Bettinellis Lettere virgzllane; siehe dazu V. E. Alfiens Kommentar in S. Bettinelli, Lettere VlTgzllane e mglesl, op. Clt., S.

300-312 .

74 Dazu Gozzi in Discorso, Co!. VIII, 246-247: .1 ferri si riscaldarono, e le occaSlOm di Nozze, di Monacazioni, di glornate solenm, le Poesie, ehe SI costumano, furono campo d'un combattimento poetico, ehe tenne la Citta in movimento. I Sonetti manoscritti andavano in copia girando .• Allein zu vier Gelegenheitsgedichten Goldoms, Poemetto de' ntl, VlSlta delle sette chiese und La settlmana santa, Capuolo per .'>1onaca, in denen jeweils mehr oder weniger direkt auf die Kontroverse mit GOZZI angespielt Wird, gibt es unmittelbare, durch Titel- oder Wortzitate markierte Reaktionen Gozzis; s. u. a. Okta-ven zum feierlichen Gelübde von Foscanna Zeno, Co!. VIII, 228-233. Darüber hinaus waren mit Sicherheit zahllose hand geschriebene Texte in Umlauf, die heute verloren sind, so daß die tatsächliche Verbreitung und geselischaftlJche Relevanz der Auseinan-dersetzung wohl eher unterschiHzt werden.

75 Zur Entstehungsgeschichte von Le spose riacqu15tate s. Gozzi, D15corso, Co!. VIII, 8-9·

Das Versepos umfaßt sechs Gesänge, von denen die ersten beiden von Carlo GOZZI, die mittleren von Daniele Farsetti und die letzten beiden von Sebastiano Crotta stammen.

Gozzi veröffentlichte seine beiden Gesänge erstmals im 8. Band der Colombani-Aus-gabe unter dem Titel Jl ratto delle fannulle castellane. Eine Edition des gesamten Epos

gesiedeltes, legendares venezianisches Ereignis aufgreift: den Raub der Bräute und der Mitgift durch Piraten während eines großen kollektiven Ilochzeitsfestes vor San Pletro di Castello. Das burleske Epos, das in einer dezidiert veneZlJ.nlschen Umgebung spielt, ist wie La tartana ge-prägt von einer beißenden Satire auf zeitgenössische Untugenden und Migstande. Erneut wird Vergangenes in die Gegenwart projiziert und mit literarischen wie volkstümlichen Traditionen gespielt.'6 Was als reli-giöse Zeremonie gedacht war, wird zum großen Heiratsmarkt, auf dem die Braute ""Ie Vieh angepnesen und auch noch die haßlichsten an den Mann gebracht \verden. Das ahen der feindlichen Uskoken bleibt un-bemerkt, weil die Luft von der, hittellaja Balecca<· rauch geschwängert ist, so daß die Uskoken die jungen Venezianerinnen zusammenraffen und fliehen können, Die Venezianer, aus den Tavernen kommend, nehmen die Verfolgung auf, obwohl einer meint, die Uskoken seien vom Himmel geschickt, um die Venezianer von ihren untreuen, haßlichen, herzlosen, eingebildeten \Veibern zu erlösen, Mit dem zweiten Gesang setzt die Satire auf Goldoni (PuleJo Fegejo) ein, die sowohl auf die Werke als auch auf den Autor zielt. Zuna.chst hält eine der geraubten Venezianerinnen eine heroische Rede nach dem Vorbild der Tragikomödien GoldoDls, um die Tranen ihrer leidensgenossmnen zu stillen, und nimmt dann stoisch alle Folter- und Morddrohungen der Uskoken hin, da sie durch ihre häufigen Theaterbesuche abgehärtet ist. Inmitten des Durcheinanders erhebt sich

»un'uomo grosso, e plccolino, / Ch'i: tra gli Uscocchi mago, ed indovino«

(Col. VIII, I 18) - physiognomisch unverkennbar Goldoni. eben vielen anderen Berufen war er auch Poeta, »Avea studiato la atura, e il mondo,

auf der Grundlagc zwcler f>,lanuskripte nahm D. Pietro Belllo, Vizeblbhothekar der f>,larCiana, r 819 vor: l.e spose nacqulState. Poema giocoso di Carlo Gozzi, Damele I'ar-SClll c 5ebastLlno Crolla con gll :Ir!'omcnti dl G:lsparo GOZZI, accademlci GranelIeschi, Yenella, AlvlSopoli 1819. Zur Datierung gibt es zwei HinwClSe im Text; nämlich die Rirckkehr des Truffaldlno Sacch, nach Venedig (Co!. V\lI, 120) sowie Goldonis Rom-reise (Canto 1\', 153 I, so dag die Entstehung wohl auf das Jahr 1759 fällt und mcht auf 1761, wie Fablo Sold Im In Gasparo G07Z1, Lettere, Parma, Ugo Guando 1999, S. 1024-25, vermutet. (jOZZIS Carlll unterscheiden Sich In den beiden Ausgaben Im wesentlichen nur bezirglich der I',~urennamen.

Fine enge Verbindung dieses Textes ergibt sich zu Goldoms .Poemello« La viszta delle seUe ,hlese anlälllich der Einkleidung von Teresa f>,IIiesi, mit deren Bruder, ;\brco MI-lesi, Goldoni befreundet war Dieser \larco erscheint Im 2. Gesang des RatIO delle farl-nulle rastelIarIe unter dem Namen »['uria« (In Le spase nacqulState unter seinem eige-nen Namen »;\Iareo«) als treuer Freund des I'egejo: -era un'Uscocco di lui spaSlmalO«

(Co!.YIII,121).

76 Zur Bedeutung der uberlagerung von re1lgl("en und pollllSchen Feierlichkeiten und Ihrer Inszenrerung gerade ,1m BeISpiel dieses legendären Erelgnrsses,. Giorgio Padoan,

»Vene/ia: ~Iondo e Teatro-, 111· ~laniIo BrusatllJ 'Hg.), \'erlezla e 10 SP,'ZIO scemco, \'e-nena, Fdizioni »La Blenn.1le dl Venella« 1980,S, J7··42, hier S. 37-38.

/ Degli altri libri poco ne sapeva;« (Col. VIII, I 19).77 Weil sein Stern durch die Rückkehr des Truffaldino Sacchi im Sinken ist, verkauft er seine Seele dem Teufel, um Zauberer zu werden. Unter zahllosen Anspielungen auf Goldonis Komodlen, auf seine Geldgier, auf die GranelIeschi und La tartana wird von Pulejos Rettungsaktion fur die Uskoken erzählt, die die venezianischen Verfolger ins Verderben sturzen soll. Behindert wird Pulejo dabei durch den Oberteufel Malacoda, der versucht, ihm Angst einzujagen, indem er zunächst in Gestalt eines konkurrierenden Thea-terautors (d. i. Chiari) erscheint, dann Verse aus La tartana zitiert und zuletzt als Truffaldino Sacchi auftritt. Dies treibt den Dicken schließlich in die Flucht und macht ihn so rasend, daß er unter seinen Fluchen fast erstickt. Mit der epischen Einkleidung der Satire, die stellenweise drama-tische Qualitäten annimmt, stellt Gozzi der Scrzttura contestattva, die philologische Muster der Textinterpretation imitiert und parodiert, ein geistreiches Versepos an die SeIte, das bereIts in manchem auf L'amore delle tre melarance vorausweJSt. Während Farsetti im dritten und vierten Gesang, eingebettet in den Fortgang der Handlung, dIe Satire auf Goldoni und sein venezianisches Theaterreform-Projekt weiterführt, versiegt sie in den letzten beiden Canti, die nur noch vom SIeg der Venezianer und einem furstlichen Festessen auf der Laguneninsel Sant'Erasmo, dem »Ge-musegarten Venedigs«, berichten.

1.4 Das komische Theater vor dem Richterstuhl

Ein weiterer entscheidender Text Gozzis in der Polemik mit GoldonI ist Il teatro comtco all'Osteria del Pellegrino, tra le mant deglt Accademici Granelleschi, 78 der jedoch wie dIe Scrzttura contestatlva umeroffentlicht blieb. Während sich die Scrzttura contestattva speziell gegen Goldonis

77 D,csc Vcrse beziehen sich auf Goldonis VorwOrt zur BcttlnclI.-Ausgabe von '750, In dem cr als Grundlage für sem Thcatcrschaffen nicht vorgangige Texte, sondern die -gran libri, Afondo e Teatro. (Goldon!, I, 772) und die Beobachtung der Natur angibt; vgl.

Kap. 3.2.

78 Auch "bcr die Datierung dieses Textes bestehen Zweifel. \Vilhrend P. Boslsio m der Chronologie seiner Fzabe-Ausgabc 1758 angibt, schlagt A. Beniscelli in -La dtlogla di Bettina nelle pagine critiche di Ca r10 Goui., in: Carlo Goldon!, La buona moghe, Ge-nova, Edizioni dei Teatro di Genova 1987, S. 48-68, hier S. 65-66, unter Hinweis auf em Im Manuskript bcfindliches Motto dic Jahre 1760/61 vor. DIese Hypothese kann durch zwei zusatzliche Indizien im Text bestatigt werden: erstens wird auf ein Lobgedicht Voltaires auf Goldonl angespielt, das Im Juli 1760 hciße DIskUSSIOnen In La gazzetta veneta ausgelost hatte und von GOZ71 immer Wieder in der Polemik angeführt wird.

Zwcltens wird Goldonis Impresario delle Smzme erwähnt, der im Dezember 1759 Pre-miere hatte. DIes spricht für eme Entstehung des Textes Im Jahr 1760.

Capllolo und im allgemeinen gegen dessen Anspruch richtet, ein gefrag-ter Dichter (»buon poeta, e buon scrittore toscano,,; Zan. XV, 82) und der I:rneuerer des italienischen Theaters ("il gran regolatore, il bravo le-gislatore, 10 incomparabile scrittor di commedie··; Zan. XV, 93) zu sein, zielt !l teatro comico all'Osteria dei Pellegnno sehr \Jel konkreter auf Goldo!lls Komodien-Produktion und seine angeblichen :\euerungen. In diesem Zusammenhang tauchen jedoch auch wieder Elemente der ZeJt-und Smenkritik aus La tartana auf, so daß die Intensivierung der PolemIk gegen den Komödienautor Goldoni mit einer erneuten Ruekbindung an generelle gesellschaftliche Enrwicklungen einhergeht.

Dle »Accademia GranelIesca«

Bereits in La tartana und der Scrittura contestatwa machen die Vorworte nebenbei deutlich, daß die Position des Autors (bzw. des fiktiven Autors und des fiktiven I Ierausgebers) nicht dIe eInes Einzelnen ist, sondern re-präsentativ fur eine ganze Gruppe,79 und die Texte Parere

°

sia lettera wie auch I.c spose nacquistate sind wie er.vahnt GemeinschaftsproduktIonen.

;\1it !l tcatro comlCO all'Ostena dei Pcllegnno, tra le mam deglz Accade-mici Granellcschi steht nun der 1 ame dieses Kollektivs im Titel: »Acca-demici GranelIeschi'" Die Aecademia Granellesca war eine der zahllosen Institutionen dieser Art, die zwar seit dem 16. Jahrhundert existierten, doch gerade In der ersten Halfte des 18. Jahrhunderts im Rahmen der

\Vissensverbreitung und -vulgarisierung einen neuen Aufschv.;ung nah-men.so Die AkademlCn jeglicher Ausrichtung, literarisch, philosophisch, musikalisch, historisch, okonomisch, mathematisch, physikalisch, religios etc., bildeten nicht nur Zentren des geistigen Lebens Italiens, sondern ga-ben auch wichtige Impulse für den aufkommenden Journalismus. In der

~achfolge der ArCtldia, die 1690 in Rom gegrundet wurde, entstanden auch in Venedig literarische Akademien wie etwa die Accademia deglz

l'I [n belden Texten WIrd die ACLJ.demla Granellesea jeweIls in eInem \'orwon erwähnt;

La tartana, .Ddlo 'i\.rmore Jenl Tartana<, Onave, Co! V[II. 21; SCrHlura contesla~

t/Va, .L'cdltore a'lenon da~..I oech, aperu<:.E meno Jevo aombrare. ora eh 10 scorgo l'Intiera AccaJemia Je' Granelleseh •• la quall' In sulla malena di ehe SI trana

e

una briga

tella brava, e [,era, US<..Ha all'aperto Jalla mla parte, armata d'alcuni Soneni, e versi d urJ tempera .lffmo invtnciblle dall.l poca prospe!lt3 Je! I-egC)o.< (Zan. XV, 73).

8_ VI;1. G. :\'.uah, 11 SetlCccnto, Bd. I, op. ,n., S. l5, Brendan Doole)'. -Le 3ccademle«, m:

Girolamo Arna!J.; Man'lQ Pastore 5toceh. (H~g", \'(0= della cultura vcnela, 5/1, II

)CllCCenLO, \ .cenza, :\'en Pozza 19 5. 5." 90; Z\l.chele Battagia, Delle 4ccademle ve·

neZ14ne, Vene71a, P,COItl I 26, der allem m VeneJII:~ vom 15, Jh. b,s zum r.rscheinungs-datum Jes Buches ~ber 140 Akademien Z.lh.l!

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AmmoS!, die dank Apostolo Zenos Anstrengungen r698 zur Colonia Ar-cadlca erklärt wurde, die Soezeta Albnzzlana, die Planomaez oder eben die GranelleschL Ziel war die Pflege der italiemschen Dichtung, vor allem Dantes, Petrarcas und des Cinquecento, in Form von Editionen und in der eigenen Nachahmung sowie die Beobachtung des zeitgenössischen literarischen Marktes samt Berichterstattung in den Journalen. 81 Die Ac-cademza Granellesca allerdings scheint sich in manchem von diesen se-riösen Bemühungen zu unterscheiden. Zum ersten lassen der Name und das Emblem, eine Waldohreule mit einem Paar Hoden in den Krallen, Zweifel an der Ernsthaftigkeit aufkommen. Zum zweiten deuten auch die Erzählungen über die Gründung der Akademie darauf hin, daß sie als Parodie auf die Feierlichkeit der altehrwurdigen Institutionen und die neuerliche Gründungswelle entstand. ~2 So scheint sich ein Kreis jüngerer, aus besseren Familien stammender Venezianer einen Spaß daraus gemacht zu haben, einen auf der Kanzel erbärmliche Gedichte rezitierenden Prie-ster namens Giuseppe Sacchellari einzuladen, doch einmal zum Treffen der »brigata di giovani dabbene« zu kommen und weitere Kostproben zu geben. Trotz des schallenden GeLichters der Jungen nahm Sacchellari bereitwillig das Angebot an, Fürst der Accademia Granellesca werden und den Ehrentitel eines Arcigranellone tragen zu dürfen. Am 21. Juni

8 S. dazu Glannantonio Moschinl, Della ietteratura venezzana dei secoio X \'ll I fino a' nostn glOrm, VeneZla, Palese 1806, S. 285-290, und M Bauagla, Delle Accademlc vene-Zlane, op. cit., S. 68-85. Venedig ist Im 18. Jh noch eine der wichtigsten Verlagsstadte

8 S. dazu Glannantonio Moschinl, Della ietteratura venezzana dei secoio X \'ll I fino a' nostn glOrm, VeneZla, Palese 1806, S. 285-290, und M Bauagla, Delle Accademlc vene-Zlane, op. cit., S. 68-85. Venedig ist Im 18. Jh noch eine der wichtigsten Verlagsstadte