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Mahnung. Als Verbindung zwischen der sakralen Sphäre und der Lebens weit der Hörer in der Predigt aller Konfessionen ist “die enge Verbindung zwischen der der Hörer in der Predigt aller Konfessionen ist “die enge Verbindung zwischen der

j formativ logisch-

INFORMIEREN, BEGRÜNDEN,

2.2. Die Predigt in der Russisch-orthodoxen Kirche

2.4.5. Mahnung. Als Verbindung zwischen der sakralen Sphäre und der Lebens weit der Hörer in der Predigt aller Konfessionen ist “die enge Verbindung zwischen der der Hörer in der Predigt aller Konfessionen ist “die enge Verbindung zwischen der

Vergewisserung über den Glauben und der Erörterung der Konsequenzen des Glaubens in der christlichen Lebenspraxis” (Wintzer 1990: 105) konstitutiv. Gerade in der Predigt erweist sich der religiöse Diskurs als Ausprägung des präskriptiv- inzitiven Typs im Sinne von Morris 1973 (s.o. II. 1.4.). Die persuasive Einwirkung auf den Hörer hinsichtlich des religiösen Verhaltensideals ist in der russischen Homiletik z.B. von Triodin (1915: 155) als eines der Abgrenzungskriterien von anderen relgiösen Sprachformen gesehen worden: “Raznica meždu molitvoj i pe- niem - s odnoj storony, i propoved' s drugoj zaključaetsja v tom, čto kak v molitve, tak i v penii sub "ekt vsecelo ustremljaetsja svoim duchom k Bogu i Ezo Vole; v

propovedi že on glavnym obrazom obraščaet svoe vnimanie na Ijudej, prizyvaja ich volju v sootvetstvujuščej dejatel 'nosti. " Weil Gesänge, Gebet, Liturgie in der Orthodoxie, wie erwähnt, wesentliche Bestandteile der Verkündigung sind und die Kommunikationsziele der Verheißung und des Lobpreises, aber auch der Informa- tion in ihnen schon verwirklicht werden, ist die Mahnung oft der Predigt vorbehal- ten, so daß als “cel ’ propovednika - pokorenie voli čeloveka, peremena ego charaktera” (Tńodin 1915: 27) erscheint. Der 1922 emigrierte Professor der Mos- kauer Geistlichen Akademie V.P. Vinogradov (1962: 63) schreibt: “P ropoved’ est ’ živoe, ličnoe vozveščenie Slova Božija, dannogo v Božestvennom otkrovenii, i otra- šennogo v učenii i žizni Cerkvi Christovoj s cel 'ju vozdejstvija na volju čeloveka i pobuždenija ego k žizni po slovu Božiju.” Und das vom Moskauer Patriarchat herausgegebene Handbuch Nastol'naja Kniga Svjaščennoslužitelja (1986: 7) nennt als die beiden Hauptaufgaben der Predigt: “ 1) raskrytie i ujasnenie v soznanii verujuščich bogootkrovennych istin christianskoj very; 2) pobuždenie ich soobra- zovat' svoju žizn ' s christianskim učeniem.'" Evaluierungen und Affekte können in diesem Zusammenhang als wesentliche persuasive Mittel gewertet werden. Der Kiever Homilet Triodin (1915: 29, 72) empfahl zur moralischen Einwirkung auf die Hörer: tlvozbuždenie v nich želaemych i vlekuščich obrazov, ravno kak i užasnych i ottalkivajuščich ot seb ja ... dobro Javljaemoe konkretno p ered slušateljami, dolž- no uvlekat’ ich, a zio usaíat' ich. ... Ves'ma bol'šoe značenie prinadležit ...

kontrastam iii protivopostavlenijam. "

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2. Predigt 123

Die Predigt kann der Gefahr erliegen, zur M oralpredigt zu werden. Dann handelt es sich um nichts anderes als das umgangsprachlich negativ besetzte PRE- DIGEN, dessen Ablehnung in einem Satz zum Ausdruck kommt, welchen russische Eltern schon mal von ihren Kindern zu hören bekommen können: “Ne čitaj mne babtistskuju propoved'[” MORAL PREDIGEN ist eine Verfallserscheinung, Merkmal der Predigt im Sinne christlicher Verkündigung jedoch die mal mehr, mal weniger deutliche Einbettung der Mahnung in die Verheißung des religiösen Heils- zustandes, wovon u.a. auch der homiletisch-theoretische Diskurs zeugt. So schreibt beispielsweise Jur’evskij (1903: 177): “Princip, ležaščij v osnove pastyrskoj propovedi i zaključajuščijsja v glavnoj idee i sredotočnom punkte vsego učenija Christa i Ego apostolov - v idee carstva Božiia. sostojaščago, s odnoj storony, v nravstvennom vozvyšenii i vozroždenii čeloveka na zemie, a s drugoj - v večnoj, blažennoj žizni na nebe - ä o t princip opredeljaet soboj i vse soderžanie cerkovno- bogoslužebnoj propovedi pravoslavnago svjaščennika.” Beispiele dieser Verbin- dung von Mahnung und Verheißung sind z.B. in der Vorhersage einer jenseitigen Umkehrung von Werten (vgl. (9)) oder auch in der Gegenüberstellung von Erlösungsbedürftigkeit und Erlösungszusage (vgl. (10)) zu sehen.

(9) ... mnimoe zemnoe toržestvo smenitsja večnoj skorb’ju, a vremennoe uničiženie i stradanija zamenjatsja večnoj radost’ju i slavoj о Gospo- de ... (Nikołaj 1957: 201)

(10) Nas sgibaet takže i bremja našich grechov. Kto iz nas ne znaet kak trudno, počti nevozmožno izbavit’sja ot ėtogo bremeni. No vot est’

Radostnaja Vest’: posilaetsja nam SpasiteP, Kotoryj beret na Sebja naši grechi i pomogaet nam v bor’be so zlom. (Men’ 1991: 27)

In der Verbindung von Mahnung und Verheißung kann religiöse Eifahrung zum Ausdruck kommen, die fur den Gläubigen im religiösen Forum möglich ist und sich in diesem Forum als ‘religiöses Produkt’ manifestiert hat (vgl. II.2.1.); vgl. (11).

(11) Množestvo primerov blagočestija, primerov ispolnenija zakona Božija my vidim v svjatom chrame. I esli my s blagogoveniem budem otno- sit’sja k syjatomu chramu,... to každyj chram javitsja dlja nas vratami Carstvija Nebesnogo. (Pimen 1985: 75)

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Die implizite oder explizite Mahnung kann sich unmittelbar an die Zuhörer wenden, oft ist sie jedoch - die Normativität einer allgemeinen Handlungsmaxime beanspru- chend ־ an die ‘Welt’ gerichtet. In der Regel setzt sie auf die Veränderung der Rezipienten, die dann durch sie auch in der Welt wirksam werden soll; vgl. (12).

(12) Esli my budem sejateljami mira i ljubvi, kotorych tak nedostaet segod- nja sovremennomu čeloveku, legče budet žit’ i nam, i okružajuščim nas ljudjam! (Aleksij II. 1991: 55)

Beispielhaft zeigt sich dieses Bestreben, über die Veränderung der Einzelnen die Welt zu verändern auch in der von homiletischer Seite getroffenen Abgrenzung weltlicher und geistlicher Publizistik: “pervoj udovletvorjaetsja vnešnym ulučše- niem obščestva..., vtoroj - že zabotitsja b o l'še vsego o vnutrennem, serdečnom ispravlenii každogo iz členov obščestvennago orgamzma” (V.G. 1900: 14f.). Der Predigt konnte in dieser Richtung ein regelrecht ‘volkserzieherischer’ Anspruch bei- gemessen werden: “Glavnaja zadača christianskoj propovedi sóstóit v tom, čtoby duch very i cerkvi sdelat ' duchom i charakterom na roda” (Jur’evskij 1903: 47).

2.4.6. Überzeugungsmittel: Das Verhältnis von Sprecher und Hörern und der Um- stand, die religiöse Botschaft nicht beweisen zu können, haben zur Konsequenz, daß der Erfolg der Predigt (in stärkerem Maße als dies bei anderen Gattungen öffentlicher Rede der Fall ist) in Abhängigkeit von der Persönlichkeit des Predigers gesehen wird. Unter den Überzeugungsmitteln ist das Ethos demnach besonders wichtig. Daß ein Redner, der im Verdacht steht, von seiner Sache selbst nicht überzeugt zu sein, kaum überzeugend wirken kann, gilt für den Prediger in be- sonderem Maße. Die Religiosität der Prediger wurde dann auch im Rahmen der Reformbestrebungen der homiletischen Ausbildung im 19. Jahrhundert von einer Reihe Autoren als das eigentliche Problem des unbefriedigenden Predigtniveaus be- zeichnet (vgl. Kuße 1994: ХХѴПІ). Gleichwichtig ist das praktische Leben des Pre- digers. “Um aber gehorsamen Herzens angehört zu werden, hat das praktische Leben des Redners größeres Gewicht als jegliche Erhabenheit des Ausdrucks”, schrieb Augustinus (De doctrina Christiana 4, 27.59). Die Predigt wirkt auf die Mehrheit der Zuhörer unglaubwürdig, wenn das Verhalten des Predigers Wider- Sprüche zu seiner Predigt aufweist (was m.E. ein weiterer Beleg fur den präskriptiv-inzitiven Charakter der Textsorte ist). In der Homiletik findet sich daher immer auch der Begriff Zeuge zur Beschreibung der Predigerrolle. Sein Verhalten soll die

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Wahrheit der Botschaft, wenn nicht beweisen, so doch erweisen: “ Blagovestnik Christov dolžen poučat ’ ne slovom toi 'ko, no vmeste i žizn ’ju svoeju, on prežde sam dolžen ispolnit ' učenie Christa, on dolžen byt ’ svidetelem ä o g o učenija ...

Pervyj vopros gom iletiki... - ėto vopros o tom, kakov dolžen byt'propovednik”

(Tareev 1903: 22).

Die lebenspraktische Bedeutung der Predigt und die verbreitete, bei vielen Predigern topisch, fast stereotyp verfestigte Meinung, daß der Glaube dem Gefühl, dem Herzen näher ist als der verstandesmäßigen Einsicht, macht das Pathos für die Predigt als Überzeugungsmittel wichtiger als den Logos; vgl. (13).

(13) Večnaja žizn5 - ėto poznanie Boga. No poznanie ne cholodnoe, rassu- dočnoe, odnim umom (da takoe poznanie o Boge nevozmožno), а poznanie neposredstvennoe, črez vnutrennee obščenie s Bogom, kogda čelovek oščuščaet, pereživaet v svoej duše prisutstvie Boga, kogda Bog vchodit v serdce čeloveka i poseljaetsja tam i rukovodit vsecelo žizn’ju čeloveka ... (Čukov 1986: 147f.)

Russische Homileten geben im allgemeinen dem Moment des movere Vorrang vor dem der argumentatio. Pevnickij (1908: 62f.) schreibt beispielsweise: “Kabinetskoe razsuždenie, posvjaščennoe ujasneniju togo ili drugogo bogoslovskago voprosa, esli ni k komu ne adresovano, ne možet byt ’propovediju ... Propoved' nepremenno ... napravljaetsja k serdcam slušatelej ...” Da die religiöse Botschaft nicht theo- retisch, sondern auf das Leben der Gläubigen bezogen sei, wird die persuasive Leistung der Predigt weniger in argumentativer Schlüssigkeit als in der Gefühls- erregung gesucht: “Religioznaja iština naučaet nas ne s to l'ko inym ponjatiem, skol'ko inym žiznennym otnošeniem ...” und “živyja otnošenija vospityvaetsja, a ne argumentirujutsja”, stellte Triodin (1915: 18f.) fest.