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Konjuktionale Koordination in Predigten und politischen Reden

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Academic year: 2022

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(1)

Specimina Philologiae Slavicae ∙ Supplementband 61

(eBook - Digi20-Retro)

Verlag Otto Sagner München ∙ Berlin ∙ Washington D.C.

Digitalisiert im Rahmen der Kooperation mit dem DFG-Projekt „Digi20“

der Bayerischen Staatsbibliothek, München. OCR-Bearbeitung und Erstellung des eBooks durch den Verlag Otto Sagner:

http://verlag.kubon-sagner.de

© bei Verlag Otto Sagner. Eine Verwertung oder Weitergabe der Texte und Abbildungen, insbesondere durch Vervielfältigung, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verlages unzulässig.

«Verlag Otto Sagner» ist ein Imprint der Kubon & Sagner GmbH.

Holger Kusse

Konjuktionale Koordination in Predigten

und politischen Reden

Dargestellt an Belegen aus dem Russischen

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SPECIMINA PHILOLOGIAE SLAVICAE

Begründet von

Olexa Horbatsch und Gerd Freidhof Herausgegeben von

Gerd Freidhof, Peter Kosta, Holger Kuße und Franz Schindler

Supplementband 61

Holger Kuße

Konj unktionale Koordination in Predigten und politischen Reden

Dargestellt an Belegen aus dem Russischen

VERLAG OTTO SAGNER MÜNCHEN

(3)

Verlag Otto Sagner, München 1998.

Abteilung der Firma Kubon und Sagner, München.

Druck: Görich & Weiershäuser, Marburg/Lahn.

ISBN 3-87690-689-X ISSN 0170-1320

Bayerische Staatsbibliothek

München

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Z U M G E L E I T

Die hier zur Publikation anstehende Dissertation von Holger Kuße stellt eine herausragende wissenschaftliche Leistung dar, die alle vier Gutachter in hohem Maße gewürdigt und mit der bestmöglichen Bewertung bedacht haben. Diese Ein- Schätzung gilt sowohl im Hinblick auf die Qualität als auch die Quantität der Arbeit.

Die Originalität der Dissertation ist in erster Linie darin zu sehen, daß Verf.

das Problem konjunktionaler Bedeutung “spektralisiert” hat, d.h. daß er, ausgehend von einer allgemein-systemischen Bedeutung oder Funktion, sowohl Verwen- dungsweisen (also spezifische, ableitbare Textbedeutungen) als auch argumentative Funktionen (also Textbedeutungen höheren Grades) nachgewiesen und analysiert hat.

Die Einbindung seiner Beschreibung, die sich aus unterschiedlichen Párádig- men der neueren Sprachwissenschaft ableiten läßt, auch in wissenschaftsgeschicht- liehe Traditionen, maßgebend der Rhetorik, läßt das Urteil zu, daß der Anspruch, den Verf. an sich selbst gestellt hat, eigentlich derjenige einer Habilitations-Schrift ist - und diesem Anspruch ist er auch gerecht geworden.

Die besondere Bedeutung der Arbeit haben nicht nur die drei fachwissen- schaftlichen Gutachter aus der Slavistik festgestellt; auch das Zusatzgutachten aus der Theologie hat dem Slavisten und Theologen Holger Kuße bescheinigt, daß er theologisch sauber gearbeitet hat.

Gerd Freidhof Frankfurt am Main, im März 1998

(7)

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VORWORT

Die Frage, bis zu welcher sprachlichen Strukturierungsebene spezifische Eigenschaf- ten komplexer sprachlicher Einheiten nachweisbar sind, hat mich zur Untersuchung des Gebrauchs koordinierender Konjunktionen in verschiedenen Textsorten bewegt.

Die Wahl des Textsortenvergleichs fiel auf Predigten und politische Reden in Ruß- land, zwei Textsorten, denen genügend gemeinsam ist, um sie vergleichen zu können - beide gehören dem oratorischen Genre an -, die zugleich aber in den unterschiedli- chen Kommunikationssituationen, in denen sie realisiert werden, wie auch aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu zwei, manchmal sich überlappenden, grundsätzlich jedoch einander fremden Diskursen, genügend trennt, um signifikante sprachliche Unter- schiede zwischen ihnen erwarten zu dürfen. Ob und wie angenommen werden kann, daß es die Diskurse sind, im Verhältnis zu denen von einer Relativität nicht nur der Formen des Redens, sondern auch des Meinens und Verstehens zu sprechen ist, diese Frage ergab sich dann im Nachdenken über die Diskursbegriffe Religion und Politik.

Die Suche nach einer Methode, welche es erlaubt, intuitiv identifizierbare “Rhetori- ken” in unterschiedlichen sprachlichen Objekten wie Predigten und politischen Reden in einem sprachlichen “Detail” wie den konjunktionalen Verknüpfungen zu beschrei- ben, führte schließlich zur Erweiterung des syntaktischen und semantischen Vor- gehens um Verfahren aus der theoretischen Rhetorik und innerhalb ihrer wiederum aus der Argumentationstheorie.

Was auf diesem Wege entstanden ist, wurde im Wintersemester 1996/97 vom Fachbereich Ost- und Außereuropäische Sprach- und Kulturwissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität zu Frankfurt am Main als Dissertation ange- nommen.

Das Manuskript hatte ich bereits im Dezember 1995 im wesentlichen abge- schlossen. Die Veröffentlichung erfolgt nun mit einigen kleineren Veränderungen und Literaturzusätzen aus dem Jahr 1996. Daß inzwischen - besonders zur politischen Rede - wieder Neues erschienen ist, ist mir bekannt. Um das Erscheinen dieses Buches jedoch nicht länger zu verzögern, mußte auf einen Literatumachtrag verzichtet werden.

Zu danken habe ich vielfach: Dem d a a d verdanke ich ein Forschungsstipen- dium an der Russischen Akademie der Wissenschaften, mit dem ich 1991-1992 nicht nur mit der Linguistik an den Instituten für Russische Sprache und für Sprachwis- senschaft in Moskau und Sankt Petersburg bekannt werden, sondern auch zahlreiche, durchaus bewegende Erfahrungen im Leben der Russisch-Orthodoxen Kirche machen

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durfte. A. Troickij von der Moskauer Synodalbibliothek danke ich für die Hilfe in der Bibliotheksarbeit und manchen nützlichen Literaturhinweis. Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an der Akademie ebenso wie an der Moskauer und Sankt Petersburger Universität habe ich fur ihre bibliographischen Hinweise, ihre kritischen Anmerkungen und vielen Anregungen im Anfangsstadium der Arbeit zu danken.

Nennen möchte ich insbesondere Prof. V.A. Belošapkova (t), Prof. E.M. Vereščagin, Prof. N.D. Arutjunova, Prof. A.V. Bondarko sowie meine wissenschaftliche Be- treuerin am Institut für Russische Sprache in Moskau, Prof. G.A. Zolotova. Zu dan- ken habe ich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Slavischen Seminar der Universität Frankfurt für die anregenden Gespräche, Ideen und auch Korrekturen, von denen manches in die Untersuchung eingeflossen ist. Anja Grimm danke ich für die Durchsicht des ersten Manuskripts. Mein Dank gehört den Gutachtern Prof. D. Stoodt (Evangelische Theologie), Prof. I. van Leeuwen-Tumovcovâ und Prof. G. Langer für ihre große Kooperation und ganz besonders meinem Doktorvater Prof. G. Freidhof für seine intensive Förderung und seine flexible Begleitung der Arbeit einschließlich ihrer eindringlichen Lektüre und Begutachtung.

Abschließend möchte ich meiner Familie und der Familie meiner Frau für ihre vielfältige Unterstützung danken und nicht zuletzt Susanne Ebert, daß sie mich während des Projektes “Dissertation” nicht verlassen, sondern im Gegenteil geheiratet hat. Ohne sie als stets kritischem “Auditorium” wäre manche Frage weit schwieriger zu lösen gewesen. Auch ist ihr neben mehrmaliger Durchsicht des Manuskripts für die umfangreiche Arbeit am Register zu danken.

VIII Vo r w o r t

Holger Kuße Frankfurt am Main, im Februar 1998

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IN H A L T

I. EINLEITUNG... ....1

1. Das Thema...1

2. Rhetorik... ....3

2.1. Zum Begriff... ....4

2.2. Die Neuen Rhetoriken... ....5

2.2.1. Stilistik... ....5

2.2.2. Argumentationstheorie... ....6

2.3. Die Alte Rhetorik als Modell... ....8

2.3.1. Das Trivium... ....11

2.3.2. Rhetorik und Linguistik... ....13

2.3.2.1. Textlinguistik... ....15

2.3.2.2. Pragmatik...15

2.4. Rhetorik als Verknüpfungs-und Ordnungstheorie... ....17

2 .5. Theorie und Praxis: Historische Rhetoriken...20

3. Zu den Begriffen Bedeutung, Verwendung und Funktion... 21

4. Zum Aufbau der Arbeit... 26

5. Zum Textcorpus... ... 27

II. DISKURSE... ... 37

1. Diskurstheorie...37

1.1. Zum Begriff... ...37

1.2. Diskurs und Metadiskurs...38

1.3. Diskurs und Geschichte... ...41

1.4. Diskurs und Sprache (Morris 1973)... ...45 IX

(11)

53 53 56 59 60 63 66

68 68 69 71 73 74 78 80 81 83

85 85 86 86

88

92 95 99

101

103 103 103

In h a l t

Der religiöse Diskurs...

Religion und Religiosität...

Religion und Sprache...

Interner Metadiskurs...

Externer Metadiskurs...

Dalferth 1981...

Konsequenzen für die Textsorte Predigt...

Der politische Diskurs...

Politik und Alltag...

Politik und Sprache...

Politikbegriffe...

Der Bereich des politischen Diskurses...

Sprach- und Ideologiekritik...

Manipulation...

Sprache und Wirklichkeit...

Ixmgue de bois...

Konsequenzen für die Textsorte Politische Rede

TEXTSORTEN...

Theorie der Textsorten...

Rhetorik...

Kommunikationssituationen...

Kommunikationsziele...

Kommunikationsstruktur...

Textlinguistik und Funktionalstilistik...

Kommunikationsform...

Zusammenfassung...

Predigt...

Die Predigt und die genera orationis...

Die genera orationis in der Predigt...

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2.1.2. Die Eigenständigkeit der oratoria sacra... 105

2.2. Die Predigt in der Russisch-Orthodoxen Kirche... 107

2.3. Kommunikationssituation... 108

2.3.1. Forum... 108

2.3.1.1. Schriftbindung... 109

2.3.1.2. Liturgie... 109

2.3.2. Redner und Auditorium... 112

2.4. Kommunikationsziele... 115

2.4.1. Persuasion... 115

2.4.2. Verheißung... 117

2.4.3. Lobpreis... 118

2 .4 .4. Information, Interpretation, Aktualisierung... 119

2.4.5. Mahnung... 122

2.4.6. Überzeugungsmittel... 124

2.5. Zur Kommunikationsstruktur... 125

3. Politische Rede... 127

3.1. Politische Rede in Rußland und der Sowjetunion... 127

3.2. Kommunikationssituation... 129

3.3. Kommunikationsziele... 132

3.4. Zur Kommunikationsstruktur... 137

4. Zusammenfassung... 140

IV. KONJUNKTIONEN... 145

1. Synsemantische Bedeutung... 146

1.1. Verbindung und Beziehung... 147

1.2. Semantiken... 151

2. Abgrenzung der Wortart... 156

3. Bedeutung und Verwendung... 159

In h a l t X I

(13)

162 164 164 167 170 172 173 173 175 175 177 178 179 180 180 180 181 182 185 187 189 190 190 191 194 201 212 212 218 223 231

In h a l t

Bedeutung der Konjunktion und der Konstruktion...

Bedingungen sinnvoller Verknüpfungen...

Gleichrangigkeit...

Semantische Bedingungen...

Kontextuelle Bedingungen...

Pragmatische Bedingungen...

Verbindungen...

Syntaktische Dichotomien...

Zur Entstehung der Dichotomien...

Rhetorik...

Grammatik...

Einfacher und zusammengesetzter Satz...

Koordination und Subordination...

Koordination und Subordination in der Schulgrammatik Koordination...

Subordination...

Relativierung der Dichotomie...

Abgrenzungskriterien...

Skalierung...

Abgrenzung...

Die Bedeutungen der Konjunktionen...

Zum System der Konjunktionsbedeutungen...

Kopulative, adversative und disjunktive Verknüpfung...

Gradation, Explikation, Progredienz...

Die Konjunktion I...

Die Konjunktion No...

Die Konjunktion A...

A...

N e..A /A N e...

Die Konjunktion Ili...

Zusammenfassung...

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8. Verwendungsweisen der Konjunktionen I, Nо, A und Ili 233

8.1. Die Konjunktion I •233

8.1.1. Binäre Verknüpfungen 233

8.1.2. Aufzählungen 241

8.1.3. Temporale Beziehungen 246

8.1.4. Modale Beziehungen 247

8.1.5. Kausal-folgemde Beziehungen 248

8.1.6. ‘Indem’-Beziehungen 252

8.1.7. Progredienz 252

8.2. Die Konjunktion N0 255

8.2.1. Unterbrechung oder Abbruch 255

8.2.2. Einschränkung 256

8.2.2.1. Konsequenzeinschränkung 257

8.2.2.2. Relevanzeinschränkung 260

8.2.3. Verneinung 262

8.2.3.1. Konsequenzvemeinung 262

8.2.3.2. Relevanzvemeinung 263

8.2.4. Kompensation 265

8.2.5. Progredienz 266

8.2.6. Evaluationskontraste 269

8.2.6.1. Evaluationsvergleich 271

82.6.2. Vorteil/Nachteil-Opposition 271

8.3. Die Konjunktion А 273

8.3.1. Semantische Opposition 273

8.3.2. Vergleichende Gegenüberstellung 275

8.3.3. Zeitliche Reihenfolge 277

8.3.4. Rangfolge 277

8.3.5. Nichtübereinstimmung 278

8.3.6. Progredienz 280

8.3.7. KORREKTUR: Ne.. A/A Ne 284

8.3.7.1. Evaluativ-negatives Korrigens 287

8.3.7.2. Evaluativ-positives Korrigens 288

8.4. Die Konjunktion /// 288

8.4.1. WAHLm1n... 288 8.4.2. WAHL״״״ 289

In h a l t X I I I

(15)

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8.4.3. WAHL!,... ...291

8.4.4. Unbestimmtheit... ...292

8.4.5. WAHLr...292

8.4.6. Ili...Ili... ...294

9. Bedeutung und Verwendungsweisen weiterer koordinierender Konjunktionen... ...295

9.1. Die Konjunktion D a...295

9 2. Die Konjunktion Kak...Tak I/Так D a... ...297

9.3. Die Konjunktion Ne...No/No Ne... ...299

9.4. Die Konjunktion Ne Toi 'ko...No (I)/Ne Toi 'ko..A 1...300

9.4.1. Gradation... ...302

9.4.1.1. Evaluativ-negative Gradation... ...302

9.4.1.2. Evaluativ-positive Gradation... ...302

9.4.2. Expansion... ...303

9.5. Die Konjunktion To Est '/T.E...305

9.5.1. Variation... ...305

9.5.2. Expansion... ...306

9.5.2.1. Begriffsexplikation...306

9.5.22. Sachverhaltsexplikation... .. 307

9.6. Die Konjunktion A To... 308

9.7. Die Konjunktion Libo/Libo...Libo... ...309

10. Zusammenfassung... 309

V. ARGUMENTATIONEN... .. 319

1. Statuslehre... .. 323

2. Formen argumentativen Schließens... ..324

2.1. Rhetorische Syllogistik... ..324

2.1.1. Syllogismus...324

2.1.1.1. Das Enthymem... ..325

2.1.1.2. Das Paradeigma... 327

2.2. Argumentationstheorie... 328

X I V In h a l t

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2.2.1. Schlußschemata...328

2.2.1.1. Toulmin 1975... ...328

2.2.1.2. Völzing 1979... ....331

2.2.1.3. Öhlschläger 1979... 333

2.2.1.4. Schlußregel-Schema... ...335

2.2.2. Argument und Konklusion...337

2.2.3. Argumentation... ....339

2.2.3.1. Typen des Schließens: Erklärung, Begründung, Rechtfertigung... ...341

2.2.3.2. Argumentation und Kausalität...344

2.2.3.3. Ursachen und Gründe... ...346

2.2.4. Die Schlußregel...348

2.2.4.1. Präsuppositionen als Wahrheitsbedingungen...350

2.2.4 2. Präsuppositionen als Sinnvoraussetzungen... ...351

2.2.4.3. Präsuppositionen in der Argumentation...355

2.2.4.4. Konversationelle Implikaturen und Mitverständnisse...356

2.2.4.5. Implizite Schlußregeln... ...358

2.2.5. Zusammenfassung...359

2.2.5.1. Definitionen...359

2.2.5.2. Konklusive Sprechhandlungen...360

3. Topik... 361

3.1. Besondere Topoi... 362

3.2. Allgemeine Topoi... 367

3.3. Schlußregeln und Topoi... 368

3.4. Typologie der Topoi... .. 369

3.4.1. Gegensätze... .. 376

3.4.2. Allgemeine Topoi...378

3.4.2.1. Strukturbezogene Topoi... ..378

3.4.2.2. Urteilsbezogene Topoi...400

4. Argumentative Funktionen der Konjunktionen... ..402

4.1. Die Konjunktion N0...402

4.1.1. Direkte und indirekte Zurückweisung... ..402

4.1.2. Implizite Schlußregeln in aòer-Konstruktionen...406

In h a l t X V

(17)

In h a l t

XVI

4.1.3. Bewertungskontraste...407

4.1.4. Rechtfertigungen... ...409

4.1.5. Gegensätze...410

4.1.6. Allgemeine Topoi...411

4 .1.6.1. Strukturbezogene Topoi...411

4.1.6.2. Urteilsbezogene Topoi...431

4.1.7. Konversationsmaximen...433

4.2. Die Konjunktion A... ...434

4.2.1. Zurückweisungen... ...436

4.2.2. Einwand... ...437

4.2.2.1. Ne..A/A Afe-Konstruktionen...439

4.2.3. Gegensätze...442

4.2.4. Allgemeine Topoi...444

4.2.4.1. Strukturbezogene Topoi...444

4.2.4 2. Urteilsbezogene Topoi...449

4.3. Die Konjunktion Ili... ...450

5. Zusammenfassung... .. 455

LITERATURVERZEICHNIS... 467

1. Textcorpus... 467

1.1...Predigten... 467

1.2. Politische Reden... .. 468

1.3. Andere Quellen... ..470

2. Literatur... ..471

ABBILDUNGSVERZEICHNIS...504

REGISTER... ..505

1. Namen (in Auswahl)...505

2. Sachen... ..510

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I. EINLEITUNG

1

1. Das Thema

Sind Textsorten mikrostrukturell zu unterscheiden?

Im Vergleich zweier Textsorten soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit Verwendungsweisen und argumentative Funktionen von Konjunktionen mit der Diskurs- und Textsortenspezifik von Texten in Zusammenhang stehen. In welcher Weise Diskurs- und Textsortenspezifik auch im mikrostrukturellen Bereich der Sprache eine Rolle spielen, soll am Beispiel koordinativer Konjunktionalkonstruk- tionen - als einem wesentlichen Mittel der Text- und Sinnstrukturierung - gezeigt werden.

Das Frageinteresse fuhrt zwei Themen zusammen: Konjunktionen und Re- den. Beide Themen sind komplex. So lassen sich öffentliche Reden u.a. im Hinblick auf ihre syntaktischen Strukturen, ihre Lexik sowie die in ihnen vollzogenen Sprechhandlungen untersuchen und als Kommunikationshandlungen nach Kommu- nikationssituationen und -zielen differenzieren. Sie können textsortenspezifisch von Gattungen wie z.B. Brief, Formular oder Interview u.s.w. (im Rahmen der instru- mentellen Kommunikation), aber auch Roman, Drama u.s.w. (im Rahmen der ästhetischen Kommunikation) abgegrenzt und schließlich als Funktionsleistungen in Abhängigkeit von Institutionen betrachtet werden, um ihre sprachlichen Formen als institutionell bedingte zu beschreiben: Sprache der Kirche, Sprache der Ver- waltung, Sprache der Justiz u.s.w. Darüber hinaus kann neben der funktionalstilisti- sehen Beschreibung versucht werden, das individualstilistische Profil von Reden bestimmter Oratoren festzustellen. Andererseits sind öffentliche Reden Kommuni- kationshandlungen im Rahmen von Diskursen (religiöser Diskurs, politischer Dis- kurs u s w.), so daß sich Berührungspunkte zu Wissenschaften wie Politologie, Theologie u.s.w. ergeben.

Das Thema Konjunktionen fuhrt in der Frage nach der Bedeutung von Synse- mantika im allgemeinen und Konjunktionen im besonderen u.a. zur Logik. Nicht zufällig operieren sowohl Grammatik als auch Logik mit den Begriffen Disjunktion, Konjunktion und Negation. Die Semantik entscheidet über das Wortartkriterium, i.b. unter dem Aspekt der Abgrenzung von Konjunktion und Partikel, trägt aber auch zur Klärung der pragmatischen Konnexion von Sprechakten und zur Klärung

(19)

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der text- und dialogorganisierenden Verknüpfungsleistungen von Konjunktionen bei.

Des weiteren ist die syntaktische Unterscheidung von Koordination und Subor- dination in der Frage, ob und inwieweit sie auf Konjunktionsbedeutungen zurückzu- führen ist, mit dem Problem synsemantischer Bedeutung verbunden.

Die unterschiedlichen Aspekte, unter denen sowohl Reden als auch Konjunk- tionen je für sich untersucht werden können, sind hiermit natürlich nur erst ange- deutet. Wichtig ist mir aber in beiden Fällen weniger ihre Vielfalt selbst als ihre jeweilige Verflechtung zu Themenkomplexen. Die jeweiligen Verbindungen und Wechselwirkungen der Einzelaspekte zu klären, ist deshalb entscheidend für das Verständnis sowohl der makrostrukturellen Ebene der Textsorte als auch der mikrostrukturellen Ebene der Konjunktion.

Da nun die Relation von Textsorte und Konjunktionsgebrauch untersucht werden soll, müssen nicht nur die Explikationsspektren innerhalb der Themenbe- reiche Konjunktion einerseits und Textsorte andererseits koordiniert werden, son- dem v.a. die Themenbereiche untereinander. Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt deshalb in der Entwicklung von Methoden, mit denen der Zusammenhang von Diskurs, Textsorte und Mikrostruktur aufzuzeigen ist. Der Weg läuft von der größeren Einheit zur kleineren. Wird danach gefragt, ob und wie Konjunktionen textsortenabhängig eingesetzt werden, so geht es nicht nur darum, Möglichkeiten des Konjunktionsgebrauches am Beispiel eines aus dem politischen und religiösen Bereich zusammengestellten Textcorpus zu demonstrieren, sondern darum zu überprüfen, inwieweit die Textsortenspezifik in den mikrostrukturellen Bereich der Sprache reicht. Eine bloße Quantifizierung bestimmter Verknüpfungsformen oder auch pragmatischer Funktionen in den Textsorten könnte im Hinblick auf dieses Ziel nicht befriedigen, denn die Spezifik der Textsorten erschöpft sich nicht in inhalts- unabhängigen Merkmalen wie öffentlich, mündlich, monologisch, publizistischer Funktionalstil u.s.w. Textsorten sind als Teile und Realisationsformen von Diskursen (politischer und religiöser Diskurs) inhaltlich zu beschreiben, und die spezifischen Verwendungsweisen und argumentativen Funktionen von Konjunktio- nen in den Textsorten sind nicht zuletzt auf diese Inhalte zurückzuführen. Denn Konjunktionen sind Mittel, die über den Aufbau v.a. von Satzbedeutungen Inhalte von Diskursen hervorbringen.

Der Weg von der größeren Einheit zur kleineren ist vom Frageinteresse vor- gegeben, er ist aber auch gar nicht anders möglich, insofern das Ganze immer mehr ist als die Summe seiner Teile. Deshalb ist es, ausgehend vom Sinn eines komplexen Sprachzeichens, möglich, über seine Bedeutung(en) die Analyse von Sinn und

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Bedeutung der Einheiten, die es aufbauen, durchzuführen, wohingegen aus der Kenntnis der Bedeutungen der kleineren Einheiten die Bedeutung oder der Sinn einer komplexen Einheit Text oder gar Diskurs nicht erschlossen werden kann (vgl.

Auburger 1993: 173). Auch aus diesem Grund könnte eine rein grammatische und/oder pragmatische Beschreibung der Konjunktionen mit anschließender em-

• •

pirischer Überprüfung ihrer Derivationen in den Textsorten nicht befriedigen. Die Methode der Untersuchung muß vielmehr dahin fuhren, die Darstellung komplexer sprachlicher Ganzheiten mit der Darstellung mikrostruktureller Einheiten zu ver- knüpfen, d.h. Textsorten in der oben angedeuteten Dynamik ihrer interdependenten Einzelaspekte zu beschreiben und einen Zusammenhang zum Gebrauch ihrer mikrostrukturellen Einheiten (Konjunktionen) aufzuweisen, um deren Verwen- dungsweisen und Funktionen wiederum teleologisch im Hinblick auf ihren Gebrauch in Textsorten begreifbar zu machen. Dem wenigstens ansatzweise zu genügen, er- möglicht eine Vorgehensweise am ‘Leitfaden’ der Rhetorik, einer Theorie, die nicht nur explizit auf öffentliche Rede bezogen war und ist, sondern v.a. in ihrer Weiter- entwicklung in Stilistik und Argumentationstheorie das linguistische Interesse an den ‘kleinen Wörtern’ und das Interesse an der Textsortenspezifik öffentlicher Reden zusammenzuführen und zur Analyse zu verbinden vermag.

2. Rhetorik

Die antike Rhetorik betrachtete öffentliche Reden unter dem Aspekt der Kommuni- kationssituation (in der Politik, vor Gericht oder bei festlichen Angelegenheiten), der Kommunikationsziele (der moralischen, emotionalen oder rationalen Persuasion) sowie der Kommunikationsstrukturen (der Gedankenfindung, Gliederung und sprachlichen Gestaltung) und entwickelte sich später zu einer allgemeinen Text- theorie (oder genauer: Prosatheorie), in der Textsortenspezifik und sprachliche Mittel der Textproduktion gleichermaßen thematisiert wurden. (In der russischen Rhetorik führte das zu Unterscheidung von allgemeiner (obščaja) und spezieller {častnaja) Rhetorik (vgl. Roždestvenskij 1989: 6).) Diese pragmatische und text- bezogene Theoriebildung kongruiert heute mit dem Textbegriff im sprachwissen- schaftlichen pragmatic tum, in dem Text “nicht allein als lineare Anordnung sprach- licher Zeichen verstanden (wird), sondern als intentionale, soziale Handlung” (Eggs 1984: 2). Kommunikation bedeutet die Interaktion von Sprech- und Rezeptionsakten (vgl. Gülich, Raibie 1977: 26). Rhetorische Theorie problematisiert das Verhältnis

2. Rhetorik 3

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von Sprecher und Hörer und damit den Handlungscharakter der Sprache. Sie ist von ähnlichem Interesse geleitet wie die Pragmatik (vgl. Bezmenova, Gerasimov 1984:

9). Der Bezug zur Kommunikationssituation schließlich macht die Integration dis-

^Mrstheoretischer Fragen möglich, die grundsätzlich vor der eigentlichen rheto- rischen Analyse zu klären sind (s.u. 1.3.; s. II.). Andererseits fiel (und hierin deutet sich der Bezug der Ebene des Diskurses zur sprachlichen Mikrostruktur an) die Syntax des Satzes von der Antike bis zu Lomonosov (1711-1765) und darüber hinaus nicht in den Aufgabenbereich der Grammatik, sondern der ‘Kommunika- tionswissenschaft’ Rhetorik (vgl. V.V.Vinogradov 1958: 92; ders. 1978: 38; vgl.

Rudolph 1989: 50f.).

2.1. Zum Begriff

Mindestens drei Grundbedeutungen von Rhetorik sind mit Kopperschmidt (1973:

13) festzustellen: Neben “Redetheorie bzw. Redelehre” wird Rhetorik häufig im Sinne von “allgemeiner Redekunst” und auch im “Sinne von individueller Rede- fähigkeif ’ gebraucht, kann also sowohl für das Rhetorische wie für Eloquenz stehen

(vgl. auch Lachmann 1982: XXXIX & XLVII).

In der ersten Bedeutung wurde Rhetorik seit der Wiederentdeckung i.b. der antiken Redetheorie in den sechziger Jahren zum Namen einer im englisch-, deutsch- und französischsprachigen Raum expandierenden Forschung (vgl. Göttert 1991: 9), deren nicht nur den mündlichen und schriftlichen, sondern (v.a. in semio- tischer Ausrichtung; vgl. Kopperschmidt 1990: 29) auch bildnerischen und musikali- sehen Ausdruck einschließende Themenvielfalt Steinmann (1982: 96) zu dem Urteil veranlaßte: “Rhetoric is a notoriously amorphous or plastic discipline, perhaps the best answer to the question ‘what is rhetoric ?’ is ‘what isn,t it ?’”

Ebenso ‘unendlich’ wie die Reihe der Gegenstände, die ‘rhetorisch’ genannter Betrach- tung unterzogen werden, ist die der Wissenschaftszweige, die die Rhetorik fur sich beanspruchen Zum einen ist sie - bis auf Ausnahmen als eigenes Fach aus Universitäten und Schulen ver- schwunden (vgl. van Dijk 1980: 7; vgl. Ueding, Steinbrink 1986: 186, vgl. Hölzl 1987: 7) - eine

“aufgeteilte Wissenschaft” (Hölzl 1987: 19), deren Interessen und Ansprüche von den verschiedensten geisteswissenschaftlichen Disziplinen und Richtungen ‘verwaltet’ wurden und werden Zum anderen wird sie heute wieder, attraktiv “für alle sprachbezogenen bzw -interessier- ten Disziplinen” (Kopperschmidt 1990: 16), in rezeptiver, hermeneutischer Ausrichtung in den Philologien, in der Theologie, den Rechts- und Geschichtswissenschaften sowie der Litera- turwissenschaft reaktiviert, spielt als praktische Rhetorik eine Rolle in Publizistik, Politologie, Pädagogik u s w., um wiederum als rhetorische Theorie sowohl Basis als auch Ableitung von Handlungstheorie, Kommunikationstheorie, Argumentationstheorie u.s.w. zu sein Des weiteren

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sind als eigene ‘Gattung’ noch die nicht-wissenschaftlichen Gebrauchsrhetoriken (Rederatgeber) zu nennen.

Die weite ‘Streuung’ von Rhetorikdefinitionen bzw. Rhetorikverständnissen (eine gute Übersicht gibt Fey 1979: 39f.) hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß, wie Richter (1990: 145) bem erkt, die Wiederbelebung der Rhetorik in den sechziger Jahren nicht immanent erfolgte, sondern “von anderen Disziplinen unter divergierenden Interessenlagen vorgenommen” wurde Die Wiederbelebung ‘von außen’ erklärt sich durch die oben erwähnte vorherige wissenschaftliche

‘Aufteilung’ der Rhetorik: Und wie durch ein Prisma spektral zerlegtes Licht auch als Spektrum reflektiert wird, spiegeln sich Prozesse dieser Aufteilung heute in der Mehrdeutigkeit des Rhetorikbegriffs

2.2. Die Neuen Rhetoriken

Teilbereiche der Rhetorik wie die inventio-Lehre von der Findung und Entwicklung des Gedankens und die elocutio, die Lehre vom sprachlichen Ausdruck des Gedan- kens (vgl. Ш.1.1.З.), werden in Disziplinen wie der Stilistik und der Argumenta- tionstheorie fortgeführt, ja, die Wiederentdeckung der Rhetorik vollzog sich zu einem großen Teil als Reformulierung dieser Teilbereiche.

2.2.1. Stilistik: Die Wiederbelebung der Rhetorik als Stilistik ist v.a. mit der rhéto- rique generale der Groupe ii um Dubois verbunden, die, ausgehend vom Struktura- lismus Jakobsons (vgl. Kopperschmidt 1990: 25; vgl. Vickers 1988: 450), Rhetorik als Abweichungsgrammatik verstand, d.h. als “die Gesamtheit von Abweichungen, die der Selbstkorrektur fähig sind, d.h. die den normalen Redundanzgrad der Sprache dadurch modifizieren, daß sie sich über vorhandene Regeln hinwegsetzen oder neue erfinden” (Dubois u.a. 1974: 73). Im Vorwort zur deutschen Ausgabe schreibt Schütz (1974: 9): “Was erneuert wurde, ist nicht die Rhetorik, sondern die Figurentheorie als Bestandteil, was die klassische Rhetorik elocutio nannte...” Diese Beschränkung auf die Formen forderte nicht zu Unrecht die Kritik heraus, “daß es sich nicht um eine allgemeine, sondern um eine eingeschränkte Rhetorik (rhétorique restreinte)” (Ijsseling 1988: 12) handele.

Die Identifizierung von Rhetorik und Stilistik ist aber nicht willkürlich, denn die im rhetorischen System zur Theorie der sprachlichen Ausgestaltung (elocutio;

s. III. 1.1.3.) gehörige Stilistik blieb nach ihrer Autonomisierung am meisten von allen Forschungsrichtungen, die die Rhetorik beerbten, rhetorischen Traditionen ver- haftet. Van Dijk (1980: 112) betrachtet sie “in vielerlei Hinsicht... als Fortsetzung der klassischen ‘Rhetorik’”, mit der sie teilweise Zusammenfalle - teilweise, denn im Unterschied zur Stilistik setzt sich die Rhetorik “nicht nur mit spezifischen

2. Rhetorik 5

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Strukturen im Bereich von Sätzen und Satzfolgen auseinander, sondern auch mit der globalen Textstruktur” (ebd.). Nicht nur die Entgegensetzung von Rhetorik und Stil (dazu Enkvist 1973; ders. 1985) muß daher zurückgewiesen werden, sondern auch die Verkürzung der Rhetorik auf Stilistik (vgl. van Dijk 1980: 113), eine Verkür- zung, zu der freilich bereits antike Autoren neigten (vgl. Corbett 1982: 18). Wenn Heinemann, Viehweger (1991: 21) neben der Beschränkung der Rhetorik in der Stilistik andererseits durch “das ‘Stilistische’ eine grundlegende Ausweitung des Untersuchungsbereiches” sehen, da Stil “schlechthin als Komponente jeder kommunikativen Tätigkeit” gelten könne und sich somit die Analyse nicht mehr auf gesprochene Parteireden beschränken müsse, sondern offen fur Texte “aus unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen des gesellschaftlichen Lebens” werde, entsteht der Eindruck einer Erweiterung der Rhetorik durch die Stilistik, i.b. die Funktionalstilistik. Tatsächlich ist hier aber, wie Plett (1979: 3) feststellt, die Dynamik der Rhetorik selbst beobachtet, die “sich über Jahrtausende hinweg nicht nur als dauerhaft, sondern auch als flexibel genug erwiesen (hat), auf immer neue Texte anwendbar zu sein.”

Da die rhetorische Stilistik nicht die singulären Textproduktionen von Indi- dividuen (den Individualstil bestimmter Autoren) thematisiert, sondern sich auf allgemeine, wiederholbare Kommunikationssituationen bezieht, kann heute die Integration der Funktionalstilistik, wie sie in der Sowjetunion entwickelt wurde, aber auch von Texttypologien aus der westlichen Textlinguistik (vgl. Schneider 1993: 68ff ), einen wichtigen Beitrag zur rhetorischen Theoriebildung zum Zwecke der Analyse öffentlicher Rede leisten (s.u. III. 1.2.).

2.2.2. Argumentationstheorie: Ein entscheidender Auslöser des neuen Rhetorikin- teresses war Perelman, Olbrecht-Tytecas Traité de l'argumentation (1958), mit dem Argumentation als ureigenstes Gebiet der Rhetorik wiederentdeckt (vgl. Hölzl 1987: 22), wenn nicht mit ihr gleichgesetzt wurde. “Die neue Rhetorik ist eine Theorie der Argumentation”, schrieb Perelman (1991: 328), womit sie allerdings wieder auf einen ihrer Teilbereiche, in diesem Fall einen Teil der inventio (‘Gedan- kenfindung’; s. IH.1.1.3., V.1.-2.), reduziert wird (vgl. Kopperschmidt 1981: 54).

Besonders in der argumentationstheoretischen Ausrichtung verbindet die Rhe- torik heute Wissenschaftstheorie (Toulmin) und Philosophie (Habermas, Kopper- schmidt). Argumentationstheorien gehen aber auch in linguistische Fragestellungen ein: z.B. Öhlschläger 1979, Eggs 1984, Kienpointner 1983, ders. 1992a sowie die Zusammenfuhrung von Sprechakt- und Argumentationstheorie durch J.Klein 1987,

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ders. 1989. Sie scheinen den Zusammenhang zur Logik (s.u. 1.2.3.1.) wieder herstellen zu können, denn Argumentation “ist weder Logik noch Rhetorik, sondern beides zusammen” (Eggs 1992: 12).

Zur Argumentationstheorie gehört ferner jene rhetorisch-philosophische Theorie und Kritik, die allein schon aufgrund ihres Wirkungsgrades hier nicht uner- wähnt bleiben darf. Die von Habermas u.a. betriebene Argumentationstheorie versteht sich als Verbindung von Philosophie und Rhetorik bzw. als eine die Rheto- rik integrierende Philosophie (vgl. Hölzl 1987: 33f.) - in Opposition zu jenem, geistesgeschichtlich v.a. mit dem Namen Descartes verbundenen analytischen Rationalitätsideal, das “zugunsten einer rigiden Dichotomie zwischen ‘epistemai5 und bloßen ‘doxai’, zwischen Wissen im emphatischen Wortsinn und bloßen Mei- nungen” (Kopperschmidt 1991a: 7), nicht mehr zwischen ‘guten doxai’ und

‘schlechten doxai’ zu unterscheiden vermag (ebd.).

Auch hier ist die Verbindung zur Linguistik gesucht worden. Zu denken ist an Köpper- schmidts Versuch einer “Grammatik des vernünftigen Redend' (Kopperschmidt 1973: 9), die “aus den persuasiven Kommunikationsakten analog zur Linguistik das zugrundeliegende Regelsystem zu erschließen (hätte), d.h., die sogenannte Persuasive langue bzw die sie beherrschende Persua- sive Kompetenz, die ein Erzeugen persuasiver Kommunikationsakte überhaupt erst zu erklären vermag” (ebd : 24). Die Allgemeine Rhetorik soll die alle persuasiven Texte regierenden, invarian- len persuasiven Universalien erschließen (vgl ebd.: 16) Zurecht hat Siegert (1977: 267) im An- schluß an Spillner 1974 allerdings darauf hingewiesen, daß eine persuasive langue ein Wider- spruch in sich wäre: “Wohl können /?aro/e-Äußerungen überzeugend sein (nicht an sich, aber gewissen Partnern gegenüber), nicht aber eine Sprache i S. v. langue " Tatsächlich entwickelt Kopperschmidt dann auch keine “persuasive Systemlinguistik”, sondern orientiert sich an der Sprechakttheorie und schlägt einen an Searle angelehnten und zugleich den Griceschen Ge- sprächsmaximen (s.u. V.2.2.4.4.) ähnelnden Kriterienkatalog vernünftigen Argumentierens vor:

Fähigkeit zur gleichberechtigten Kommunikation. Ernsthaftes Interesse an argumentativ erzielter Verständigung (Konsens). Respektierung der Entscheidung des Kommunikationspartners.

Fähigkeit des Kommunikationspartners zur Auseinandersetzung mit vorgebrachten Argumenten.

Bereitschaft, sich überzeugen zu lassen. Verpflichtung, gemäß der Überzeugung zu handeln Strittigkeit der Sachverhalte, die einen Dissens zwischen den Kommunikationspartnern zuläßt (vgl Kopperschmidt 1973: 84-98)

In der kritischen Argumentationstheorie, die sich v.a. auf die Rhetorik des Aristoteles beruft (und in der Reformulierung und Weiterfuhrung deren projektive Kraft beweist), ist weniger ein deskriptiv-linguistisches Interesse leitend als viel- mehr der aufklärerisch-emanzipatorische Anspruch, selbst “Moment des von ihr be- schriebenen Argumentationszusammenhangs” (Eggs 1984: 9) von Rede und Gesell-

2. Rhetorik 7

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schafi zu werden (vgl. bes. Kopperschmidt 1989). “Theoretische Rhetorik geht wie die Hermeneutik allein schon wegen der Sprachlichkeit rhetorischer Kommunika- tionsakte in Ideologiekritik über” (Geißner 1991: 205). Sie ist damit Gegenpol und Gegengewicht zur ‘technologischen Rhetorik’ von Rederatgebem, den instrumentel- len Anleitungen zur “Manipulation durch Sprache” (Lay 1990). Doch auch gegen diese, in der Rhetorikdiskussion vielleicht einflußreichsten und bedeutendsten Konzepte kann der Vorwurf erhoben werden, sie “seien auf ihre Weise ähnlich reduktionistisch wie praktische Handbücher, die ohne kritische Theoriereflexion Ratschläge zur Gesprächsführung erteilen” (Spillner 1977: 96; zur Kritik von phi- lologischer Seite vgl. Dockhom 1977).

2.3. Die Alte Rhetorik als Modell

Die negative Kehrseite ihrer Verbreitung in den Wissenschaften sowie die Vielfalt der Gegenstände, die unter dem Stichwort ‘Rhetorik’ behandelt werden, ist jener

“ausgefranst-konturlose Rhetorikbegriff ’ (vgl. Kopperschmidt 1990: 10; ähnlich Fey 1979: 13; Richter 1990: 143), angesichts dessen gegen eine rhetorisch orientierte Theorieentwicklung -soll sie nicht allein forschungsgeschichtlich, sondern wie hier systematisch motiviert sein - folgende Einwände vorgebracht werden könnten: 1. Es ist zu befurchten, daß gerade die historische Tiefe des Rhetorikbegriffes (indem sie kommunikative Universalität suggeriert), die historische Dimension öffentlicher Reden verschleiert und deshalb nicht ermöglicht, die Spezifik konkreter Texte (Predigten eines bestimmten Predigers, politische Reden in einem bestimmten Zeitraum u.s.w.) adäquat zu beschreiben - oder gar methodenbedingte Mißverstand- nisse produziert. (Sind die Reden in der griechischen Polis etwa vergleichbar mit Reden im Obersten Sowjet?!). 2. Die Mannigfaltigkeit der Gegenstände, zu deren Beschreibung ‘Rhetorik’ bemüht wird, machen den Begriff verdächtig, eine wohlklingende wissenschaftliche ‘Hülse’ zu sein, also weniger theoriebildend zu wirken, als vielmehr Theoriedefizite zu vertuschen. 3. Daß sich unterschiedlichste, durchaus divergierende Wissenschaftszweige der ‘Rhetorik’ annehmen bzw. sich ihrer bedienen, kann ihre Aussagekraft im Rahmen einer Disziplin vermindern und zu unkontrolliertem Eklektizismus fuhren.

Die genannten möglichen Einwände müssen als Warnungen berücksichtigt werden. Doch an ihnen und den sie evozierenden Schwierigkeiten des Begriffs und seiner Geschichte wird zugleich der Wert deutlich, der einer Rhetorik zu nennenden Theorie oder einem solchen Theoriekomplex zukommen kann: Da sie in den unter-

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schiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen schon enthalten und eine Reihe von Disziplinen aus ihr hervorgegangen sind, erlaubt sie nun, Zusammenhänge zwischen verschiedensten Aspekten möglicher Forschungsobjekte aus dem Bereich der menschlichen Kommunikation einerseits und unterschiedlichen Forschungsrich- tungen, -interessen und -ergebnissen andererseits aufzuzeigen oder herzustellen.

“Um es mit einem Wort zu sagen”, schreibt Ueding (1991: 2): “Rhetorik versteht sich seit ihren Anfängen als ein die Fachgrenzen des Wissens überschreitendes Be- ziehen, als Vermitteln der Erkenntnisse aus den Wissenschaften mit den Kategorien des allgemeinen gesellschaftlichen Bewußtseins.” Sie gehört “einer vermittelnden Sphäre an, sie liegt zwischen den Disziplinen als ein eigener Wissensbereich, der auf sie ebenso angewiesen ist wie sie auf ihn” (ebd.: 4).

Zur Vermittlung kann und sollte die antike und klassische Rhetoriktradition m.E. auch heute Ausgangspunkt sein; erstens auch, um dem wissenschaftsgeschich- tlichen Zusammenhang Rechnung zu tragen, und zweitens auch, weil zahlreiche Einzelergebnisse der ‘alten Rhetorik’ heute noch aktuell und gültig sind.

Daß die Welt “unglaublich voll von alter Rhetorik” ist, stellte Barthes (1988: 15) fest, als er Mitte der sechziger Jahre nach jener Textstruktur suchte, gegen die sich die “neue Semiotik des Schreibens” (vgl ebd ) absetzt. Und fünfzehn Jahre später konstatierte Blumenberg ( 1981 132f ) die unbemerkte rhetorische Durchformung des Zivilisationsalltages: “In einer hochgradig ar- tifiziellen Umweltwirklichkeit ist von Rhetorik so wenig wahrzunehmen, weil sie schon allgegen- wärtig ist.”

Mit der - freilich nicht unumstrittenen - These von der Ubiquität bzw. Universalität der Rhetorik (Dockhorn 1966: 162; vgl. Kopperschmidt 1990:10) konnte letztlich alle menschliche Kommunikation ‘rhetorisch’ genannt und Gegenstand rhetorischer Forschung werden So sah man in der wissenschaftstheoretischen Diskussion schließlich auch die Naturwissenschaften weniger ‘exakt’ als vielmehr nach einer ihr eigenen Rhetorik verfahren, d.h. nach dem von Kopperschmidt (1991a: 18) wie folgt formulierten Vorbehalt zu Ergebnissen kommen: An “die Möglichkeit, über Wahrheit schlechthin noch anders reden zu können als im Sinne eines auf W iderruf geltenden Konsenses über die Berechtigung eines überzeugungskräftig gestützten Geltungsanspruches, an diese Möglichkeit glauben zwischenzeitlich weder die Philosophie noch eine wissenschaftsgeschichtlich aufgeklärte Wissenschaftstheorie.” Ich kann an dieser Stelle natürlich nicht zu den weitläufigen Diskussionen um den von Kuhn in der Struktur der wissenschaftlichen Revolutionen 1967 geprägten Begriff des wissenschaftlichen Paradigmen- Wechsels und der aus ihm folgenden Rhetorizität auch der Naturwissenschaften argumentativ abgesichert Stellung nehmen (zum Problem vgl. Toulmin 1983: i.b. 119ff ). Entscheidend für die Frage nach Définition, Aufgabe und Einschätzung der Rhetorik ist allein die Tatsache, daß der Begriff geprägt werden konnte, denn das “Paradigma ist nichts anderes als ein consensus, der sich zwar nicht ausschließlich, aber auch über die Rhetorik der Akademien und Lehrbücher zu

2. Rhetorik 9

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stabilisieren vermochte” (Blumenberg 1981: 112). Ob Naturwissenschaften tatsächlich rhetorisch verfahren, muß damit nicht gesagt sein: “Jedenfalls könnte Kuhn recht haben, und dies ist beunruhigend genug” (Stegmüller 1987: 296 f.). Es genügt der Konjunktiv der Möglichkeit, und über die ‘Leiter* der Metareflexion dringt Rhetorik in die ‘Festung’ der sogenannten exakten Wissenschaften. Für den Wirkungsgrad der rhetorischen Dimension folgt daraus, daß es zwar sicher nicht sinnvoll ist, von einer Universalität der Rhetorik zu sprechen, wenn damit gemeint sein soü Jeglicher Sprech־(und Denk־)akt könne durch den (in seiner Ausweitung nun kaum noch zu bestimmenden) Rhetorikbegriff abgedeckt werden, die Bezeichnung gleichwohl aber seine Be- rechtigung hat, wenn universal darauf verweist, daß kein Diskurs als in jeder Hinsicht *rhetorik- frei’ postuliert werden kann.

Zumindest in der Politik ist die Präsenz des Rhetorischen, das Blumenberg in obigem Zitat als Antithese zu dem (allerdings imaginären) Natürlichen im Blick hatte, als Femwirkung der alten Rhetorik immer wieder erkannt und bewußt gemacht worden. Nicht zufällig begegnen in der Kultur- und v.a. in der politischen Geschichte wiederholt explizite und implizite Orientierungen (seien sie nun anlehnend oder abgrenzend) an der rhetorischen Tradition (vornehmlich an die in ihr bereitgestellten instrumentellen persuasiven Muster): 1924 schrieb Kasanski (1970: 124) in einem Essay über die Sprache Lenins, daß “das antike System der Rhetorik richtig war, richtiger und umfassender, als man sich das bislang eingestand Der Vergleich von revolutionärer Sprache und Antike geschieht tatsächlich nicht zufällig ” Sluzalek (1987: 19ff ) konnte Verfahren antiker Rhetorik (v.a. Ciceros und Quintilians) in faschistischer Rede nachweisen ln diesem Zusammen- hang ist es für Sluzalek nicht entscheidend, “ob Hitler, Goebbels oder einer der anderen Redner die klassischen antiken Rhetoriklehrer gekannt hat” (ebd: 24). Von Bedeutung für das Phänomen der Wirkung ist ihm zufolge vielmehr die Tatsache, daß “sie zu ähnlichen, anwendungserprobten Ergebnissen gelangt” sind (ebd.). Das gilt nun nicht nur für faschistische Demagogie. Für die politische Rede in der Bundesrepublik bemerkte Zimmermann (1975: 18): “Der heutige Redner kennt nur noch selten die Regeln der antiken Rhetorik. ... Doch es ist offensichtlich, daß viele Redner, mögen sie nun die antiken Schemata kennen oder nicht, sie anwenden ” Dieckmann 1975 bediente sich der Grundzüge antiker Rhetorik (in ihrer Darstellung bei Lausberg) als auch heute möglichem Beschreibungsinstrumentarium politischer Reden: “Die typischen Phasen und Mittel der Parteirede, die die Rhetorik im einzelnen beschreibt... finden sich auch in der modernen Über- zeugungsrede” (Dieckmann 1975: 98). Dieckmann sieht in der Abfolge ־ hörerorientierte Kon- taktaufhahme des Redners am Anfang der Rede, sachorientierte unterrichtende narratio und beweisende argumentatio im zweiten Teil und zusammenfassender und Konsequenzen ziehender Schluß ־ eine in der Antike wie heute typische Gliederung von Reden (vgl ebd : 98 f.) Van Dijk (1980: 13) schließlich, der die Rhetorik als einen Vorläufer seiner Textwissenschaft betrachtet (s.u.), ist der Ansicht, daß “unsere persuasiven Texte noch immer rhetorische Operationen anwenden, die schon vor 2000 Jahren in der Volksversammlung oder vor Gericht von einem Redner verwendet wurden ” An späterer Stelle fuhrt er aus: “Eine moderne Rhetorik zu entwer- fen, dürfte sinnlos sein, sofern man nicht die Zielsetzungen, Klassifikationen und Prinzipien der klassischen Rhetorik berücksichtigt, die bereits ein überraschendes Niveau von ‘sophistication’

besaß” (ebd.: 114).

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2. Rhetorik 11

Am wichtigsten jedoch ist die Funktion der ‘alten Rhetorik’ als systemati- sches Vorbild für eine oder die ‘neue Rhetorik’, ihr möglicher Vorbild- und, wenn man will, Modellcharakter (vgl. Breuer 1990: 98 f.) zur Verbindung linguistischer Disziplinen untereinander und mit angrenzenden Wissenschaften.

2.3.1. Das Trivium׳. Die Position der Rhetorik im Trivium (der Bildungsgrundlage im antik-mittelalterlichen System der ‘sieben freien Künste’) zwischen Grammatik und Logik bzw. Dialektik kann Ausgangspunkt zur Reflexion des Verhältnisses von Systemlinguistik, Pragmatik und Logik sein und die Bedingungen von Verbindung und/oder Abgrenzung linguistischer und philosophischer Sprachbetrachtung auf- zeigen. Im Verhältnis zur Grammatik lassen sich in der Rhetorik Kriterien der Abgrenzung wie der Verbindung systemischer und pragmatischer Sprachbetrach- tung finden. Rhetorik und Grammatik sind unterschieden, aber Grammatik erscheint in der Rhetorik als Satzsyntax (s.o.) und in der stilistischen Forderung von

‘Sprachrichtigkeit’ (hellenikos, latinitas) (vgl. Aristoteles Rhet. 1351).

Wenn Platon zwischen (sophistischer) Rhetorik und (philosophischer) Dialektik einen un- überwindbaren Gegensatz sah, dagegen Aristoteles Rhetorik einen “Nebenbetrieb der Dialektik”

(Rhet 1356a) nannte und bereits in der frühen Topik (101a) die rhetorische Schlußlehre als “fur dreierlei Dinge nützlich” bezeichnete: “für die Übung, fur den Gedankenaustausch und für die philosophischen Wissenschaften”, so sind hier Positionen vorgezeichnet, die im Paradigmen- wechsel des pragmatic turn in unserem Jahrhundert erneute Aktualität gewannen und z В in der Diskussion um Korrespondenz- und Konsenstheorien der Wahrheit bzw Wahrheitsfindung Ar- gumente liefern (vgl. Habermas 1973, zur Diskussion der Theorien vgl. Puntel 1993, i b 142ff.).

Daß die Rhetorik in ihrer Geschichte vorhandene Potentiale nicht ausschöpfte und Versäumnisse aufzuweisen hat, die im 18. Jahrhundert zum Untergang ihrer klassizistischen Variante führte, steht außer Frage. Diese Versäumnisse betreffen v.a. ihr von Stegmüller (1987: 38) moniertes nach-antikes Verhältnis - oder besser

‘Nichtverhältnis’ - zur Logik: “Die Rhetorik hätte die Aufgabe gehabt, die Kluft zwischen diesen beiden Gebieten (Grammatik und Logik) zu überbrücken. Sie hätte vor allem zu zeigen gehabt, nach welchen Regeln natürliche Sätze so in normierte Sätze umgeformt werden können, daß diese normierten Sätze sich in einer formalen Sprache nachzeichnen und einer präzisen logischen Analyse unterwerfen lassen.

Diese Aufgabe hat die Rhetorik niemals auch nur andeutungsweise bewältigt. Sie brillierte vielmehr durch Untätigkeit bzw. dadurch, daß sich ihre Vertreter ganz anderen Dingen zuwendeten. Das hatte auf das Verhältnis der beiden Disziplinen

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