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6.1.1 Studiendesign

Diese Studie wurde mit einer nur geringen Tierzahl durchgeführt. Es ging vorrangig darum im Rahmen einer Orientierungsstudie nachzuweisen, ob überhaupt nennenswerte Zusammenhänge zwischen HRV- und prozessierten EEG-Parametern zu MAC-definierten Narkosestadien bei Katzen bestehen oder nicht. Trotz der kleinen Probandenzahl konnten entsprechende Zusammenhänge und ihre Limitationen dargestellt werden.

Die Reihenfolge, in welcher die verschiedenen Anästhesieprotokolle durchgeführt wurden, wurde komplett randomisiert und mit einer ausreichenden wash-out-Periode (CREDIE et al. 2010) von 8 Tagen getrennt gehalten, was einen Einfluss der jeweilige Anästhetika auf die folgenden Experimente unwahrscheinlich macht (CARPENTER et al. 1986; KAPILA et al. 1995; MICHELSEN et al. 1996; HOKE et al.

1997; PYPENDOP et al. 2008). Die Reihenfolge der MAC-Stufen hingegen, in der die Katzen während eines Versuchstages untersucht wurden, war nur teilweise randomisiert; 1,0 MAC wurde immer zuerst bestimmt und gemessen, danach per Zufallsprinzip entweder 0,75 MAC oder 1,5 MAC. Der Grund hierfür ist in diesem Fall eine gewünschte Begrenzung der Anästhesiedauer. Am Ende der MAC-Bestimmung war die Narkosetiefe situationsbedingt bereits auf 1,0 MAC eingestellt. Der Beginn der Messungen mit einem anderen MAC, und, daraus folgend, später eine erneute Einstellung von 1,0 MAC, hätte zusammen mit der entsprechenden Equilibrierung zu einer weiteren Verlängerung der bereits mehrstündigen Narkose geführt.

Ein gleicher Abstand der drei MAC-Stufen wäre zwar wünschenswert gewesen, allerdings kaum umsetzbar. Die erste MAC-Stufe war als Ausgangspunkt immer 1.0, von hier aus sollten gleiche Abstände in beide Richtungen gewählt werden. Es

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wurden in Pilotversuchen niedrigere Isoflurankonzentrationen von 0.5 MAC getestet – dies führte aber zu Spontanbewegungen und teilweise Aufstehversuchen der Katzen auch ohne Stimulation; hierbei waren deshalb keine aussagenkräftigen Messungen möglich. Daher wurde 0,75 MAC als „flache“ Anästhesie festgelegt. Im Umkehrschluss wäre eine obere Begrenzung auf 1,25 MAC möglich gewesen, um den gleichen Abstand zu 1,0 MAC zu wahren; hier hätte allerdings, auch hinsichtlich anderer limitierender Faktoren (z.B. die geringe Tierzahl, s.o.), das Risiko bestanden, dass die erwarteten Veränderungen der Messgrößen nur gering ausgeprägt gewesen wären, was wiederum anschließend die grundsätzliche Aussagekraft der Studie in Frage gestellt bzw. beeinträchtigt hätte. Die letztlich gewählten Abstände sind aus gleichen Gründen bereits bei Hunden genutzt worden und lassen damit eine Vergleichbarkeit der vorliegenden Arbeit mit diesen Hundestudien zu (KULKA et al.

2012; VOIGT et al. 2013).

Die initiale Equilibrationsphase betrug etwa 60 Minuten; diese Zeit wurde genutzt, um die Instrumentierung (siehe Kapitel 3) durchzuführen. Im weiteren Verlauf wurden sowohl bei der MAC-Bestimmung als auch beim Wechsel zu einer neuen zu untersuchenden MAC-Stufe jeweils Equilibrierungsphasen von 20 Minuten eingehalten.

Mit Hinblick auf die Gruppen IR und ID muss hier insbesondere die initiale Equilibrierungsphase hinterfragt werden. Einerseits diente sie der Equilibrierung von Isofluran. Üblicherweise wurden laut Literatur bisher Perioden von 10 Minuten (ZBINDEN et al. 1994), 15 Minuten (EGER et al. 1965; CAMPAGNOL et al. 2007;

KULKA et al. 2012; VOIGT et al. 2013) verwendet, teils auch 20 Minuten (VALVERDE et al. 2003). Bei Katzen liegen die bisher verwendeten Zeiten ebenfalls bei 15 bzw. 20 Minuten (MARCH u. MUIR III 2003a; ESCOBAR et al. 2012a). Eine Gesamtdauer in der vorliegenden Studie von 1 Stunde ist somit hierfür als ausreichend anzusehen. Zu bedenken ist aber auch, dass in den Gruppen IR und ID eine steady state Konzentration des jeweiligen Injektionsmedikamentes erreicht sein sollte. Bei Gruppe ID ist aufgrund der langen Halbwertszeit von Dexmedetomidin von

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durchschnittlich 198 Minuten bei Katzen (ESCOBAR et al. 2012b) fraglich, ob jeweils eine stabile Konzentration zu Beginn der Messungen vorlag. Die Messung von Plasmakonzentrationen der verwendeten Anästhestika war nicht Teil der vorliegenden Studie. Dennoch galt auch trotz dieser Einschränkung, die Narkose nicht übermäßig zu verlängern, was in diesem Fall aber eine zusätzliche Anästhesiezeit von mindestens ca. 2 Stunden bedeutet hätte.

6.1.2 MAC-Bestimmung

Wie in der Literaturübersicht beschrieben, stellt die Methodik der Minimalen Alveolären Konzentration den Goldstandard zur Beschreibung der Wirkungspotenz eines volatilen Anästhetikums dar (EGER et al. 1965) und ermöglicht es, reproduzierbare und objektive Messungen in festgelegten Narkosestadien durchzuführen (QUASHA et al. 1980), weshalb dieses Konzept sowohl in vorangegangenen Versuchen (KULKA et al. 2012; VOIGT et al. 2013) als auch in der vorliegenden Studie angewendet wurde.

Das MAC-Konzept beinhaltet eine supramaximale Stimulation. Diese kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden. In der Humanmedizin ist die Hautinzision eine gängige Methode (QUASHA et al. 1980), aber auch andere Methoden wie die Druckapplikation auf den M. trapezius oder tetanische elektrische Stimulation wurden untersucht (ZBINDEN et al. 1994). In der Veterinärmedizin gibt es weitere Optionen wie die tail clamping Methode bei Hunden, Katzen und Kaninchen (VALVERDE et al.

2003; BROSNAN et al. 2009). Da die elektrische Stimulation (VALVERDE et al.

2003) eine kaum invasive Technik mit hoher Genauigkeit und Reproduzierbarkeit darstellt und im Gegensatz zu Druckapplikationen und Quetschmethoden ein geringeres Verletzungsrisiko ausweist, wurde diese Methode auch in der vorliegenden Studie verwendet. Zudem wären aufgrund der Tatsache, dass alle Katzen in dieser Studie mehrfachen Experimenten unterzogen wurden, Inzisionen mit wiederkehrenden Verletzungen an der gleichen Körperregion nötig gewesen. Ein

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Wechsel der Stimulationsstelle hätte die Ergebnisse unvergleichbar gemacht. Die verwendete elektrische Stimulation stellt einen kurzen, nicht anhaltenden Reiz dar, der nicht zu bleibenden Schäden im stimulierten Gewebe führen sollte (LE BARS et al. 2001). Zur Prävention einer nicht auszuschließenden inflammatorischen Reaktion der Stimulationsstelle wurde nach Abschluss eines Experiments einmalig Meloxicam (0,1 mg/kg s.c.) verabreicht. Adspektorisch und bei einer anschließenden klinischen Untersuchung der Katzen wurden keine pathologischen Veränderungen der Stimulationsstellen oder Hyperästhesien festgestellt.

Die MAC stellt eine Methode dar, vergleichbare Stadien der Immobilität in Narkose zu produzieren. Es sollte grundsätzlich bedacht werden, dass dies unter Einfluss verschiedener Medikamente mit unterschiedlicher sedativer, muskelrelaxierender und hypnotischer Komponente möglicherweise nur bedingt zu vergleichbaren Anästhesietiefen führt.

6.1.3 Elektroenzephalographie

Klassisch wurden EEG-Messungen mit mehreren über das Hirnfeld des Schädels verteilten Elektroden durchgeführt (VAN LEEUWEN u. KAMP 1969). Dies kann detailliertere räumlichere Informationen liefern als die Messung mit nur 2 Elektroden wie z.B. bei dem in dieser Studie verwendeten Narcotrend® Monitor, dennoch sind die Unterschiede in Bezug auf die Gesamtkortexableitung marginal (ANTOGNINI u.

CARSTENS 1999).

Die üblicherweise verwendeten Frequenzbänder zur Beschreibung des EEGs (δ = 0,5 bis 3,5 Hz, θ = 3,5 bis 7,5 Hz, α = 7,5 bis 12,5 Hz, und β = > 12,5 Hz) entstammen historisch der Forschung am wachen Patienten. Studien mit anästhesierten Patienten beschrieben üblicherweise dieselben Frequenzbänder und stellen deren Verschiebung in der Narkose heraus. Zwar werden diese Parameter auch zur weiterführenden Analyse vom Narcotrend® Monitor bereitgestellt, das Hauptmerkmal dieses Monitors ist allerdings der von ihm ausgegebene Index (NI).

Dieser wird durch einen unbekannten Algorithmus bestimmt, welcher eben nicht oder

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nicht nur auf den klassischen o.g. Frequenzbändern und deren Verteilungen beruht, sondern laut Hersteller spezielle EEG-Muster erkennen soll, die bei Schlafzuständen auftreten (SCHULTZ et al. 2003; KREUER u. WILHELM 2006). Ob diese mit den Mustern von Tieren vergleichbar sind, bleibt unklar. Dennoch ließen sich bei Hunden und Pferden bereits limitierte Korrelationen mit der Anästhesietiefe darstellen (TÜNSMEYER u. KRAMER 2008; KULKA et al. 2012; TÜNSMEYER et al. 2016).

Auch Artefakte können die Interpretation des EEGs verkomplizieren (TONNER u.

BEIN 2006); insbesondere bei einem prozessierten EEG sollte dies berücksichtigt werden, da die Rohdaten in Echtzeit kaum überprüfbar sind. Der Narcotrend® Monitor beinhaltet Elemente zur Artefaktreduktion in seinem Algorithmus. Einerseits geschieht dies durch die Verwendung kurzer 2-Sekunden-Epochen (LEVY 1984), andererseits durch einen EMG-Filter (PANOUSIS et al. 2007) sowie eine „burst-supression-detection“-Funktion, welche den ansonsten auf die Interpretation negativen Einfluss von burst suppression pattern (BRUHN et al. 2000) ausgleichen soll (SCHULTZ et al. 2003; KREUER u. WILHELM 2006).

Ein Einfluss der o.g. Artefakte kann insbesondere bei der Verwendung des Narcotrends® in der vorliegenden Studie bei Katzen nicht ausgeschlossen werden;

auch bleibt unklar, in welchem Maß die verwendeten humanen Schlaf-EEG-Muster überhaupt mit denen von Katzen kompatibel sind. Die vorliegende Studie stellt die Erstbeschreibung des Einsatzes des Narcotrend® Monitors bei Katzen vor.

6.1.4 Herzfrequenzvariabilität

Die Herzfrequenzvariabilität hat sich inzwischen als Möglichkeit der Evaluation der ANS-Aktivität etabliert (AKSELROD 1988; BOOTSMA et al. 1994; BOOTSMA et al.

2003; ACHARYA et al. 2006; BURGHARDT u. THEILEN 2008; BILLMAN 2013).

Auch die Veränderungen von HRV-Parametern in Narkose wurden bereits bei Hunden untersucht (VOIGT et al. 2013). Ohne Konsens, insbesondere im Hinblick auf Tiere, sind noch diverse innere und äußere Einflussfaktoren auf die HRV-Messung, wie z.B. circadiane Rhythmik, Atmung, Körperhaltung-/position und Alter.

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Diskutiert wurden diese Faktoren u.a. bei Hunden (AKSELROD et al. 1981; PAGANI et al. 1986; BROWN et al. 1989; MATSUNAGA et al. 2001). Durch maximale Standardisierung der Versuche in der vorliegenden Studie (stets gleiche Tageszeit der Messungen, gleichbleibende Körperposition, stabile Körpertemperatur, künstliche Beatmung) sollten diese Einflussfaktoren weitgehend exkludiert sein.

Die genaue Definition der für die HRV-Analyse gewählten Frequenzbänder (LF, HF) hat großen Einfluss auf die Ergebnisse. Für verschiedene Spezies wurden jeweils eigene, sich ähnelnde Bänder diskutiert. Beim Menschen liegt der LF-Bereich bei 0,04-0,15 Hz, HF bei 0,15-0,4 Hz (TASK FORCE ON HRV 1996). Bei Pferden wird die LF in einer Studie mit 0,01-0,15 angegeben, die HF mit 0,15-0,5 Hz (RIETMANN et al. 2004). Bei Hunden schwanken die Angaben zwischen den Studien; die LF wird zumeist zwischen 0,04 und 0,1 (0,15) angegeben, die HF zwischen 0,1 (0,15) und 0,4 (bis 1,0) (MATSUNAGA et al. 2001; MOTTE et al. 2005; MANZO et al. 2009). Für Katzen existiert aktuell keine Übereinstimmung bezüglich der Wahl der Frequenzbänder, jedoch wurden in dieser Studie die LF und HF für die Frequenzbereichsanalyse angelehnt an die bei Katzen vorliegenden Studien (DI RIENZO et al. 1991; ABBOTT 2005; REY et al. 2008). Hierbei wurde insbesondere die Obergrenze der HF bei 0,833 Hz festgelegt, um den vor allem bei niedrigem MAC auftretenden teils höheren Atemfrequenzen bei einsetzender Spontanatmung Rechnung zu tragen (insgesamt entspricht das gewählte HF-Band von 0,15-0,833 Hz einer Atemfrequenz von 10-50 Zügen pro Minute). Aufgrund der teils großen Überschneidung der absoluten Zahlenwerte der LF- und HF-Ergebnisse zwischen den Gruppen und MAC-Stufen bietet sich die LF/HF-Ratio vermutlich eher als Interpretationsbasis für die Anästhesietiefe an.

Zur Analyse der Parameter des HRV-Frequenzbereichs stehen sowohl die Fast Fourier Transformation als auch das Autoregressionsmodell zur Verfügung (MONTANO et al. 2009). Für kurze Zeitabschnitte, wie sie in der vorliegenden Studie analysiert wurden, bietet sich aufgrund besserer spektraler Auflösung eher die AR an (TASK FORCE ON HRV 1996; BOARDMAN et al. 2002). Die model order von 16

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wurde nach ausführlicher Analyse der vorliegenden Rohdaten und der Effekte verschiedener model order auf diese Daten bestimmt, um zu hohe Spektralspitzen oder eine generalisierte Dämpfung des Spektrums zu vermeiden (BOARDMAN et al.

2002).

Da es bei chirurgischen Eingriffen nicht selten zu Situationen kommt, die spontane Handlungsentscheidungen benötigen, ist es von Vorteil, wenn auch die Informationen, welche für das Anästhesiemonitoring benötigt werden, schnell und auf neuestem Stand zur Verfügung stehen. Sofern die HRV als mögliches Instrument zur Anästhesieüberwachung eingesetzt werden soll, ist es daher sinnvoll, wenn nur kurze Messzeiträume analysiert werden müssen (HUANG et al. 2008; TARVAINEN et al. 2012). Im Kontrast dazu empfiehlt die Task Force of the European Society of Cardiology and the North American Society of Pacing and Electrophysiology (TASK FORCE ON HRV 1996) längere Intervalle inklusive eines Minimums von 1 Minute für die HF- Analyse und eines Minimums von zwei Minuten für die LF-Analyse. Generell werden 5-Minuten-Intervalle für die meisten Untersuchungen als ausreichend angesehen. Neuere Studien hingegen zeigten keine Nachteile bei der Nutzung kürzerer Epochen (<1 Minute) bei der Evaluation einiger time domain Parameter wie SDNN (SHAFFER et al. 2016; CASTALDO 2019). Die in der vorliegenden Arbeit untersuchten einminütigen Epochen wurden aus den genannten Gründen gewählt.

Zudem unterschieden sich die 1-, 2- und 3-Minuten-Epochen der Prästimulationsphasen nicht, und nach Stimulation zeigten die längeren Epochen eher wieder eine Näherung an die Prästimulationswerte. Dies war sowohl in der HRV-Studie als auch in der EEG-Studie zu beobachten. Zu bedenken bleibt der Einfluss der Atemfrequenz auf HRV-Messungen, was insbesondere bei Ultrakurzzeit-Messungen eine Fehlerquelle darstellen kann (CONNY 1995).

6.1.5 Score

Ein definierter einheitlicher Score für die Bestimmung der Anästhesietiefe anhand klinischer Parameter besteht bei keiner Spezies, vor allem aufgrund der

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unterschiedlichen Einflüsse verschiedener Sedativa, Anästhetika und Analgetika (DAUNDERER u. SCHWENDER 2001; BURGHARDT u. THEILEN 2008; SCHMIDT et al. 2008). Das Guedel-Schema (GUEDEL 1937) ist entsprechend nicht mehr sicher anwendbar, wenngleich seine modifizierten Formen nach wie vor bedeutsam sind. In der Humanmedizin wird z.B. der PRST-Score verwendet (EVANS 1987). In der vorliegenden Studie wurden Parameter des modifizierten Guedel-Schemas und anderer Scores (HUBBELL u. MUIR 2009; TÜNSMEYER et al. 2016) kombiniert und in 5 Anästhesiestufen eingeteilt. Es bleibt fraglich, ob diese Einteilung im klinischen Alltag ausreichend ist, da sie, ebenso wie HRV und EEG-Parameter wie der NI, nur ein zusammengefasstes Gesamtbild des Anästhesiezustandes ist und nicht die verschiedenen Aspekte der Anästhesie separat widerspiegelt (DAUNDERER u.

SCHWENDER 2001; LEHMANN et al. 2001; BURGHARDT u. THEILEN 2008).