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Die Herzfrequenzvariabilität (HRV) beschreibt die Varianz des Abstands der R-Zacken in der EKG-Messung und wird durch die physiologische Regulation der Herzfrequenz und des Kreislaufsystems durch das Autonome Nervensystem (SAUL 1990; BERNTSON et al. 1997) sowie äußere Faktoren (AKSELROD et al. 1981;

PAGANI et al. 1986; BROWN et al. 1989; MATSUNAGA et al. 2001), beeinflusst.

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Somit kann über die HRV-Erfassung auch auf die ANS-Aktivität rückgeschlossen werden (AKSELROD 1988; BOOTSMA et al. 1994; BOOTSMA et al. 2003;

ACHARYA et al. 2006; BURGHARDT u. THEILEN 2008; BILLMAN 2013). Dies wurde bereits im 18. Jahrhundert erkannt (HALES 1733), allerdings wurde die HRV-Analyse erst wesentlich später durch die Anwendung der Spektralanalyse weiterentwickelt (AKSELROD et al. 1981; AKSELROD 1988). Dadurch können sowohl zeit- als auch frequenzbasierte Parameter der HRV definiert und analysiert werden.

Zeitbereichsbasierte Parameter wie die Standardabweichung der Herzfrequenz (STD HR) bieten Informationen über die Variabilität der Herzfrequenz insgesamt, wohingegen die frequenzbereichsbasierten Parameter wie HF (Hochfrequenz, high frequency), LF (Niedrigfrequenz, low frequency) und VLF (sehr niedrige Frequenz, very low frequency) die Verhältnisse verschiedener Frequenzbereiche zueinander zeigen (TASK FORCE ON HRV 1996). Die Frequenzbänder werden in Hz angegeben und werden je nach Spezies leicht angepasst. Sowohl für Menschen (TASK FORCE ON HRV 1996) als auch für Hunde (MATSUNAGA et al. 2001;

MOTTE et al. 2005; MANZO et al. 2009) gibt es relativ einheitlich genutzte Bänder, bei Katzen besteht aufgrund nur weniger entsprechender Studien noch kein Konsens zu den zu verwendenden Frequenzbändern (DI RIENZO et al. 1991; ABBOTT 2005;

REY et al. 2008).

Parasympathikus und Sympathikus sind üblicherweise beide – in unterschiedlichem Ausmaß - aktiv und werden situationsabhängig vom Körper ausbalanciert (PATON et al. 2005). Es wird eine Verbindung von Änderungen im HF-Bereich mit der respiratorischen Sinusarrythmie und damit zum Parasympathikus beschrieben. Im Gegensatz dazu hängen Veränderungen im LF-Bereich vermutlich mit dem Sympathikus zusammen, es wird jedoch diskutiert, ob eine Überlappung zum parasympathischen System existiert (PAGANI et al. 1986; KAWASE et al. 2002;

SEELY u. MACKLEM 2004; MOTTE et al. 2005). Daraus ergibt sich die Bedeutung des LF/HF-Verhältnisses für die Interpretation der sympathovagalen Balance

Literaturübersicht

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(MALLIANI et al. 1994). Da das ANS von unterschiedlichsten Faktoren wie Stress oder Angst, Schmerzen, Schlaf (MONTANO et al. 2009) und Allgemeinanästhesie (LUGINBÜHL et al. 2007) beeinflusst wird, ist über die HRV als Indikator der sympathovagalen Balance (BOOTSMA et al. 1994; BOOTSMA et al. 2003;

ACHARYA et al. 2006) auch ein Rückschluss auf den Anästhesiezustand denkbar.

Vorteile für die Anästhesieüberwachung bei einer HRV-Echtzeitanalyse würden sich aus der Tatsache ergeben, dass über die HRV-Analyse Daten über das ANS generiert werden, die in der bloßen EKG-Ansicht und –Interpretation nicht erkennbar sind (KATO et al. 1992; NORMAN et al. 2005; HUANG et al. 2008).

Die bisherige Studienlage zur HRV bezieht sich überwiegend auf die Humanmedizin und behandelt u.a. Themen wie beispielsweise die Reduktion der HRV nach Herzinfarkt (BIGGER et al. 1988), Sportler Fitness-Monitoring (BRICOUT et al.

2010), Herzerkrankungen und dem „Sudden Death Risiko“ (GALINIER et al. 2000;

MOTTE et al. 2005), Intoxikationen (SÜFKE et al. 2009) und Stress (RUEDIGER et al. 2004). Teilweise wird die Sinnhaftigkeit der HRV-Analyse für den klinischen Alltag kritisch diskutiert (HUIKURI et al. 1999; BOOTSMA et al. 2003). In der Veterinärmedizin wurde bei Sportpferden ein relativer Anstieg der HF-Komponente bei intensivem Training nachgewiesen (COTTIN et al. 2005). Es wurden Unterschiede in der HRV zwischen Katzen festgestellt, die sich in heimischer Umgebung oder in einer Tierklinik aufhielten (ABBOTT 2005); hierbei wurde aufgrund der unterschiedlichen LF/HF-Verhältnisse auf einen höheren Sympathikus-Tonus bei Katzen in der Klinik geschlossen. Ebenfalls bei Katzen wurde der Einfluss von Hypoxie untersucht (REY et al. 2008) und die Korrelation von LF und Sympathikus bei Katzen wurde bewiesen (MONTANO et al. 1992). Zusammenhänge von HRV-Änderungen mit Schmerzzuständen konnten bei Pferden, Hunden und Mäusen dargestellt werden (RIETMANN et al. 2004; ARRAS et al. 2007; VOIGT et al. 2013). Bei Hunden konnte die circadiane Rhythmik in der HRV dargestellt werden (MATSUNAGA et al. 2001).

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Eine HRV-Analyse kann mit Datensätzen unterschiedlicher zeitlicher Länge durchgeführt werden. Für viele Fragestellungen eignen sich längere Epochen von bis zu 24 Stunden (TASK FORCE ON HRV 1996; ABBOTT 2005), inzwischen wurden aber auch kürzere Epochen untersucht (HUANG et al. 2008; TARVAINEN et al.

2012; SHAFFER et al. 2016; CASTALDO 2019), ebenso mögliche Einflüsse wie die Atmung (CONNY 1995). Die mathematische Analyse erfolgt entweder durch die Fast-Fourier-Transformation oder Autoregression, wobei sich für kürzere Epochen eher die Autoregression eignet (BOARDMAN et al. 2002; MONTANO et al. 2009).

Einige Studien mit verschiedenen Spezies existieren auch zum Thema HRV und Anästhesiemonitoring. Hierbei wurden teils vielversprechende Zusammenhänge der HRV (bzw. einem eigens geschaffenen zeitbereichsbasierten Parameter namens

„similarity index“) mit der Anästhesietiefe (HUANG et al. 2008) als auch mit dem Einfluss von chirurgischen Schmerzreizen (JEANNE et al. 2009) gefunden. Der Einfluss von inhalativen Anästhetika sowie Opioiden und α2-Agonisten auf die HRV während der Anästhesie wurden in Human- und Veterinärmedizin untersucht (KATO et al. 1992; GALLETLY et al. 1994; H.-H. HUANG et al. 1997; PICHOT et al. 2001;

KAWASE et al. 2002; PÖYHÖNEN et al. 2004; LEDOWSKI et al. 2005; LUGINBÜHL et al. 2007; TARVAINEN et al. 2012; VOIGT et al. 2013), wobei eine generelle Suppression der HRV mit zunehmender Menge des inhalativen Anästhetikums festgestellt wurde, sowie eine Zunahme des parasympathischen Tonus. Isofluran führt bei steigender Konzentration nach einer initialen Erhöhung zu einer Erniedrigung der Herzfrequenz (SKOVSTED u. SAPTHAVICHAIKUL 1977;

GALLETLY et al. 1994). Untersuchungen der HRV bei gesunden Katzen in Narkose liegen bisher nicht vor.

Real-time monitoring der HRV als Hilfsmittel der Narkoseüberwachung ist ein mögliches Ziel der Forschung. Erste diesbezügliche Entwicklungen sind bereits kommerziell erhältlich. Der PTA (Parasympathetic Tone Activity) Monitor soll mittels eines simplen Scores die Narkosetiefe anzeigen. Dies wurde bereits an Hunden getestet (MANSOUR et al. 2017).

Literaturübersicht

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