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Beide vorliegende Manuskripte stellen einen Ansatz dar, mit einer jeweils eigenen Methodik das gleiche Ziel – Evaluierung von Objektivierungsmöglichkeiten zur Erfassung der Narkosetiefe bei Katzen – zu erreichen.

6.2.1 MAC

Die in dieser Arbeit erhobenen MAC-Werte in Gruppe I (im Mittel 1,83 vol%) entsprachen etwa dem Durchschnitt vorangegangener MAC-Studien bei Katzen unter Isoflurananästhesie (STEFFEY u. HOWLAND JR. 1977; MARCH u. MUIR III 2003a; FERREIRA et al. 2009; ESCOBAR et al. 2012a; SHAUGHNESSY u.

HOFMEISTER 2014), was die adäquate Durchführung und Interpretation der MAC-Bestimmung dieser Studie unterstreicht.

Die Addition von Remifentanil führte nur zu einer geringen mittleren MAC-Reduktion von 9,8% (Maximum 23,8%, Minimum -13,3% [d.h. Erhöhung]). Der

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sparende Effekt von Remifentanil und seine Auswirkungen scheint bei Katzen insgesamt geringerer ausgeprägt zu sein als z.B. bei Ratten (CRIADO u. GÓMEZ DE SEGURA 2003) oder Hunden (ALLWEILER et al. 2007). Teilweise war keinerlei isofluransparender Effekt darstellbar (BROSNAN et al. 2009), in anderen Studien findet sich überwiegend eine Reduktion zwischen 15,6% und 30% (FERREIRA et al.

2009; STEAGULL et al. 2015). Eine Begründung dafür stellt die zentral stimulierende Wirkung von Opioiden dar, welche insbesondere bei Katzen eine Rolle spielt (GAUMANN et al. 1988; BORTOLAMI u. LOVE 2015) und statt zunehmender Sedation eher euphorische bis dysphorische Zustände hervorrufen kann. Damit ist auch die in dieser Studie teilweise aufgetretene MAC-Erhöhung erklärbar. Die für unsere Studie gewählte Remifentanil-Dosis von 18 μg/kg/h als DTI ist anwendungsbasiert und entspricht der klinischen Realität. Einerseits wird 42 µg/kg/h als die mediane analgetisch effektive Dosis bei Katzen beschrieben (BROSNAN et al. 2009), andererseits gibt es klinische und experimentelle Untersuchungen, die Dosen von 13,8 μg/kg/h und 18 μg/kg/h als ausreichend bei Ovariohysterektomie bzw. bei supramaximaler Stimulation feststellten (DO A. CORREA et al. 2007).

Die Eliminationshalbwertszeit von Remifentanil ist kurz und liegt aufgrund des größeren Verteilungsvolumens bei Katzen bei 15,7 Minuten (PYPENDOP et al.

2008). Eine Kumulation ist aufgrund der schnellen extrahepatischen Metabolisierung unwahrscheinlich. Dexmedetomidin hat eine längere Halbwertszeit von durchschnittlich 198 Minuten bei Katzen (ESCOBAR et al. 2012b). Wie in Kapitel 6.1.1. erwähnt, muss dies als mögliche Fehlerquelle bei der MAC-Bestimmung zu Beginn der jeweiligen Experimente in Gruppe ID bedacht werden, da die Equilibrierungs- und Instrumentierungsphase nur 60 Minuten betrug.

Die in der vorliegenden Studie beschriebene MAC-Reduktion von 55,2% durch die Addition einer Dexmedetomidin-Dauertropfinfusion entspricht grundsätzlich den Ergebnissen bei anderen Spezies (PASCOE et al. 2006; CAMPAGNOL et al. 2007;

VOIGT et al. 2013). Bei Katzen sind, je nach DTI-Dosis, Maximalwerte von bis zu 80% Reduktion des Isofluranverbrauchs beschrieben (ESCOBAR et al. 2012a).

Übergreifende Diskussion

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6.2.2 Einfluss der Anästhesieprotokolle auf HRV und EEG insgesamt

Wie bereits in den Manuskripten beschrieben und diskutiert (siehe insb. Kapitel 4.6 und 5.6), haben die gewählten Anästhestika deutliche Einflüsse auf die gemessenen EEG- und HRV-Parameter – in beiden Studien unterschieden sich die Messwerte sowohl zwischen den Gruppen als auch zwischen den MAC-Stufen, teils tendenziell, teils signifikant.

Ein kumulativer Effekt ist aufgrund der jeweiligen Pharmakokinetik der verwendeten Medikamente nicht auszuschließen. Remifentanil wird schnell extrahepatisch metabolisiert (EGAN 1995; MICHELSEN et al. 1996; HOKE et al. 1997), was auch bei Katzen bestätigt wurde (PYPENDOP et al. 2008). Dies kann insbesondere bei Katzen aufgrund ihres teils eingeschränkten Metabolismus von körperfremden Stoffen von Vorteil sein (WILCKE 1984) und macht Remifentanil zu einer guten Wahl für länger andauernde Narkosen wie in der vorliegenden Studie. Für Dexmedetomidin ist bei Hunden keine Kumulation nachgewiesen (PASCOE et al.

2006), bei Katzen ist dies aufgrund der genannten langen Halbwertszeit nicht ausgeschlossen.

Der absolute Einfluss des Isoflurans auf die HRV- und EEG-Parameter kann mit den vorliegenden Studien nicht abschließend beurteilt werden. Zwar ist die Korrelation der endexspiratorischen Isofluran-Konzentration (MAC) sowohl mit HRV-Parametern (insb. STD HR) als auch mit EEG-Parametern (insb. NI) und dem klinischen Score gegeben und teils signifikant. Dennoch waren Messungen im Wachzustand nicht Teil der Versuche, daher können keine Aussagen zu HRV- und EEG-Unterschieden zwischen Wach- und Narkosezuständen getroffen werden. Isofluran war in allen 3 Gruppen bei allen MAC-Stufen vorhanden. HRV-Änderungen unter Isofluran-Anästhesie wurden beim Menschen beschrieben (KATO et al. 1992; GALLETLY et al. 1994), aber es wurde nur wenig über andere Spezies publiziert. Daten von Beaglen (VOIGT et al. 2013) zeigen einen dosisabhängigen Effekt von Isofluran auf

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HRV-Parameter, inklusive niedriger HF- und hoher LF-Werte bei steigender Konzentration sowie konstant hoher Herzraten. Diese Ergebnisse entsprechen durchaus denen der vorliegenden HRV-Studie und sind wahrscheinlich einem erhöhten Sympathikustonus geschuldet, welcher als Reflex auf den Isofluran-induzierten niedrigen Gefäßwiderstand auftreten kann (EGER 1984; SEAGARD et al.

1984). Größere Isoflurankonzentrationen (1.5 MAC) in der vorliegenden Studie führten hingegen zu niedrigeren Herzraten, was durch die Sympathikusreduktion bei höheren Isoflurankonzentrationen erklärt werden kann (SKOVSTED u.

SAPTHAVICHAIKUL 1977; SEAGARD et al. 1984). Ebenso kann es, wie bei Menschen und Hunden gezeigt (SCHELLER et al. 1990; LOSCAR u. CONZEN 2004), bei steigender Isofluranmenge initial zu einer Aktivierung/Desynchronisation des EEGs kommen, im weiteren Verlauf dann zu einer zunehmenden generalisierten Depression der kortikalen Aktivität. Die in der vorliegenden Studie ausbleibenden signifikanten Effekte von Schmerzstimulation auf den NI (außer in Gruppe I bei 1,0 MAC) können durch einen Isofluran-induzierten Block der nozizeptiven Transmission zwischen Rückenmark und Gehirn erklärt werden (ANGEL 1993; ANTOGNINI et al.

2000). Bei niedrigeren MAC-Stufen greift dies Erklärung nicht. Wahrscheinlicher ist hier, dass aufgrund der bereits hohen NI-Werte keine signifikante Erhöhung mehr möglich war.

Die Einflüsse von Remifentanil und Dexmedetomidin auf die HRV- und EEG-Parameter waren, auch über die MAC-Änderungen hinaus, erkennbar. Eine enge Korrelation mit dem MAC gab es bei STD HR und NI, wobei die beste Korrelation immer in der Gruppe zu finden war, die nur Isofluran erhielt. Die Zugabe von Remifentanil führte zu einer Abnahme des Zusammenhangs, die schlechteste Korrelation lag in Gruppe ID vor. Als Grund lassen sich die sedativen, analgetischen und muskelrelaxierenden Eigenschaften des Dexmedetomidins nennen, was zu einem deutlichen MAC-sparenden Effekt und somit bei einigen Katzen zu nur geringen Unterschieden in der Isoflurankonzentration zwischen 0,75 MAC und 1,5 MAC führte. Aufgrund der ausgeprägten MAC-Reduktion von über 55% wurden in dieser Studie in Gruppe ID nur geringe Isofluranmengen benutzt. In der Folge waren

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keine signifikanten Unterschiede zwischen den Stufen messbar. Die NI-Werte waren in Gruppe ID bei schlechter Korrelation mit MAC und deutlichem MAC-sparendem Effekt am höchsten, gleichzeitig wurde die Anti-nozizeption über HRV-Parameter in dieser Gruppe gut abgebildet. Daraus ergibt sich der Rückschluss auf eine insgesamt deutliche Einschränkung der Nutzung von Narcotrend® und HRV als Werkzeuge der Anästhesietiefen-Überwachung, sobald Dexmedetomidin Teil der Anästhesie ist.

Ebenso wie Dexmedetomidin beeinflusst Remifentanil sowohl die klinischen Anästhesietiefe-Parameter als auch HRV- und EEG-Parameter. Die geringere Korrelation mit den MAC Stufen ist wahrscheinlich wiederum dem leichten MAC-sparenden Effekt des Remifentanils bei der Katze geschuldet. Eine Bradykardie und herabgesetzte kardiovaskuläre Parameter insgesamt sind in vorangegangenen Studien (DO A. CORREA et al. 2007) als auch hier darstellbar gewesen. Ob die insgesamt nur schwache Unterscheidbarkeit der Ergebnisse von Gruppe I und IR in der HRV-Studie aber am indirekt zentral erregenden Opioid-Effekt (GAUMANN et al.

1988; FERREIRA et al. 2009) bei der Katze liegt oder Remifentanil bei Katzen keine oder nur geringe Auswirkungen direkt auf das ANS aufweist, kann nicht abschließend geklärt werden. Effekte von Remifentanil auf das EEG hingegen sind in Form von Anhebung der Präsenz der mittleren Frequenzbänder und Suppression der Aktivität in höheren Frequenzbändern beim Menschen beschrieben worden (KORTELAINEN et al. 2009). Die Korrelation von NI und MAC in den Gruppen I und IR war vergleichbar, was durch die Tatsache zu erklären ist, dass der NI das Hypnosestadium abbildet (SCHMIDT et al. 2002), welches bei einer durchschnittlich ähnlichen benötigten Isofluranmenge vermutlich vergleichbar war.

Die beste Korrelation mit den MAC-Stufen fand sich bei den vorliegenden Studien beim Klinischen Score, was ihn gegenüber einer singulären HRV- und der EEG-Analyse als überlegenes Mittel zur Bestimmung der Narkosetiefe erklärt. Es muss hierbei natürlich bedacht werden, dass ein solcher Score bereits eine Kombination verschiedener Einzelparameter ist, deren Summe letztlich die numerische

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Einschätzung bedingt. Aus der Vielzahl der Einzelparameter ergibt sich eine höhere Wahrscheinlichkeit der korrekten Abbildung des aktuellen Zustands des Patienten.

Wie bereits erwähnt, stellen EEG-Parameter und der NI den Status der Hypnose des Patienten dar. Da Immobilisierung und Reflexe im subkortikalen Teil des ZNS verarbeitet werden (RAMPIL u. LASTER 1992), ist es wahrscheinlich, dass unser Score kleinere Unterschiede auch bei weniger tiefen Anästhesiestadien detektieren konnte.

Zu bedenken ist auch, dass die Korrelations-Koeffizienten der HRV-Studie (STD-HR:

r=-0,76) und der EEG-Studie (NI: r=-0,68, Score: r=-0,89) zwar moderat gute bis gute Korrelationen in Gruppe I darstellen, die Ergebnisse der linearen Regression jedoch einen wahrscheinlich nicht-linearen Zusammenhang anzeigen. Dies ist bei einer klinischen Situation und möglichen Echtzeit-Interpretation der Narkosetiefe zu beachten.