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Mögliche Mechanismen der endothelialen Schädigung im Rahmen der

Im Rahmen dieser Studie konnten bei Patienten in der Frühphase der allogenen HSCT signifikant höhere CEC-Konzentrationen nachgewiesen werden als bei ge-sunden Probanden. Das lässt vermuten, dass es im Rahmen der HSCT zu massiven Alterationen an der Endothelschicht der Patienten kam.

Jedoch waren wie unter 3.2.2 beschrieben bereits vor Beginn der Konditionierung zur HSCT die Konzentrationen zirkulierender Endothelzellen im Blut der Patienten signi-fikant höher als bei gesunden Probanden. Möglicherweise liegt der Grund hierfür in der der Transplantation vorangehenden Behandlung der Patienten. Alle Patienten dieser Studie wurden vor der konditionierenden Therapie zum Zweck der Re-missionsinduktion bzw. Konsolidierung mit Chemotherapeutika und zum Teil zusätz-lich mit Bestrahlung einzelner Körperregionen behandelt, die bereits Veränderungen am Endothel hervorgerufen haben könnten. Ähnliche Beobachtungen haben auch Richard et al. gemacht, die bereits vor der Konditionierungstherapie erhöhte Werte der endothelialen Proteine vWF und TM beschrieben und dies ebenfalls auf eine vo-rangegangene, potentiell endothelschädigende Therapie sowie auf im Vorfeld der HSCT aufgetretene Infektionen zurückführten [51].

Auch die Möglichkeit, dass der Krankheitsprozess selbst Einfluss auf die Konzentra-tion der zirkulierenden Endothelzellen hat, kann nicht ausgeschlossen werden. Im Falle der an dieser Studie teilnehmenden Patienten konnten keine signifikanten Un-terschiede zwischen den CEC-Konzentrationen bei Patienten mit verschiedenen Er-krankungen nachgewiesen werden. Jedoch gibt es Berichte über erhöhte Endothel-zellkonzentrationen bei Patienten mit malignen nicht-hämatologischen Erkrankungen [84, 85].

Der genaue Mechanismus, der im Laufe einer allogenen HSCT zur Schädigung des Endothels und letztlich zur Lösung einzelner Zellen aus dem Zellverband führt, wird ebenso wie der Auslöser dieser Ereignisse kontrovers diskutiert und ist bis heute nicht eindeutig zu benennen. Als wahrscheinliche Noxen gelten die im Rahmen der vorbereitenden Konditionierungstherapie durchgeführte Chemo- bzw. Radiochemo-therapie, die medikamentöse GvHD-Prophylaxe mit Calcineurin-Inhibitoren vom Typ des CsA sowie die GvHD selbst. Um die Einflussfaktoren und somit die möglichen Ursachen der Endothelschädigung einzugrenzen und damit in gewisser Weise über-schaubar zu halten, wurde die Bestimmung der CEC-Konzentration bei Patienten im

Diskussion

Verlauf einer HSCT bewusst nur in der Frühphase dieses Therapieverfahrens durch-geführt.

In Kulturen aus Endothelzellen der Aorta konnte die Induktion des programmierten Zelltodes durch ionisierende Strahlung bereits nachgewiesen werden [86]. Diese Be-obachtung deckt sich mit den Ergebnissen einer Studie von Holler et al. aus dem Jahre 1997, die die Induktion der Endothelzellapoptose durch Ganzkörperbestrah-lung im Vorfeld einer HSCT beschreibt [87]. Die morphologischen Veränderungen an den Zellen der bestrahlten Kultur waren bereits nach wenigen Stunden sichtbar. Die Zellen zeigten typische Merkmale des programmierten Zelltodes und lösten sich schließlich aus der Zellschicht [86]. Auch im Mausmodell konnte durch Behandlung mit klinisch relevanten Bestrahlungsdosen ein programmierter Zelltod im Gefäßen-dothel ausgelöst werden [88]. Dabei traten sechs bis acht Stunden nach Bestrahlung für die Apoptose typische Zellkernveränderung und DNA-Strangbrüche in den betrof-fenen Zellen auf. Des Weiteren konnte die Endothelzellapoptose als Grundlage für die Entwicklung einer Pneumonie [88] und einer Störung der Epithelregeneration im Gastrointestinaltrakt [89] nach Bestrahlung identifiziert werden. Offensichtlich gibt es jedoch auch körpereigene Schutzmechanismen, die die Zellen vor der Apoptose nach einer Bestrahlung bewahren. Sowohl in der Zellkultur als auch im Mausmodell konnte durch die Injektion des Chemokins bFGF (basic fibroblast growth factor) direkt vor und nach der Bestrahlung der Eintritt der Zellen in den programmierten Zelltod verhindert werden [88-90]. Ob und inwieweit diese Beobachtung jedoch einmal zu klinisch relevanten Konsequenzen z.B. in der Strahlentherapie führen wird, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt unklar.

Wie beschrieben fiel bei den Patienten dieser Studie, die im Rahmen der Konditionie-rung bestrahlt wurden (TBI/CY), ein Anstieg der CEC-Konzentration unmittelbar nach erfolgter Konditionierung auf. Geht man davon aus, dass die eben genannten durch Bestrahlung ausgelösten Vorgänge an Endothelzellen auch bei den mit TBI/CY kon-ditionierten Patienten unserer Studie stattgefunden haben, könnte dies den frühen Anstieg der CEC erklären, der ausschließlich in der Gruppe der Patienten auftrat, die nach einem konventionellen Therapieprotokoll behandelt wurden, das eine Ganzkör-perbestrahlung beinhaltete, nicht aber bei Patienten, die eine reine konventionelle oder reduzierte Chemotherapie erhielten.

Die Schädigung der Endothelzellen durch Chemotherapeutika basiert möglicherwei-se auf anderen Mechanismen und wird erst nach einer gewismöglicherwei-sen Latenzphamöglicherwei-se

sicht-bar, was den bei den Patienten der BU/CY- bzw. RIC-Gruppe im Vergleich zu be-strahlten Patienten verzögerten Anstieg der CEC-Konzentration erklären könnte. Im Mausmodell konnte durch die Behandlung der Versuchstiere mit TBI eine akute GvHD ausgelöst werden. Bei Behandlung mit Chemotherapie ohne Bestrahlung trat erst nach ca. drei Monaten eine chronische GvHD auf [91].

Bei allen Patienten unserer Studie konnten an Tag +14, also zwei Wochen nach der Transplantation, gegenüber dem Ausgangswert deutlich erhöhte Konzentrationen zirkulierender Endothelzellen im Blut nachgewiesen werden.

Bei Patienten, die eine Konditionierungstherapie reduzierter Intensität erhielten, fan-den sich deutlich weniger CEC im Blut als bei Patienten, die nach einem konventio-nellen Konditionierungsprotokoll behandelt wurden. Das Ausmaß der endothelialen Schädigung scheint also offensichtlich zumindest teilweise durch die Höhe der Dosis der Konditionierungstherapie bestimmt zu werden. Die Ergebnisse dieser Studie zur CEC-Konzentration decken sich mit der Beobachtung von Ferrara et al., die nach RIC einen geringeren Zytokinanstieg feststellten als nach konventioneller Konditio-nierungstherapie [7, 24].

Keine signifikant erhöhten CEC-Konzentrationen konnten dagegen im Blut von Pati-enten festgestellt werden, die zusätzlich zur Standardkonditionierung mit einer Ra-dioimmuntherapie behandelt wurden, verglichen mit den Patienten, die eine solche Therapie nicht erhielten. Dies ist möglicherweise ein Hinweis darauf, dass sich die Wirkung der radioaktiv-markierten Antikörper tatsächlich nur auf das Knochenmark und die sich darin befindlichen Zellen beschränkt. Das Ziel, das mit der Radioimmun-therapie verfolgt wird, nämlich eine möglichst gezielte Konditionierung durchzufüh-ren, deren Intensität im Knochenmark und damit in unmittelbarer Umgebung der ma-lignen Zellen sehr hoch ist, den restlichen Körper aber möglichst wenig belastet, scheint also erreicht zu werden. Zumindest gibt es keinen Anhalt dafür, dass die To-xizität und damit der Schaden am Endothel durch eine zusätzliche Radioimmunthe-rapie deutlich ansteigt.

In der Studie von Holler et al. konnte auch gezeigt werden, dass sowohl die Radio-als auch die Chemotherapie zusätzlich zur Apoptose eine Entzündungsreaktion an endothelialen Zellen in Gang setzt [87]. Vor allem durch die ionisierende Strahlung wird in Endothelzellen die vermehrte Expression bestimmter Oberflächenmoleküle wie ICAM-I angeregt. Über diese Moleküle werden die Zellen von zytotoxischen T-Zellen erkannt, angegriffen und letztlich zerstört. Auch Zytokine wie TNF- spielen

Diskussion

eine wichtige Rolle in der Entstehung der Entzündungsreaktion am Endothel. Die Höhe des Anstiegs der Konzentration von TNF- korreliert eng mit dem Auftreten von Komplikationen nach der Transplantation und der Entwicklung einer GvHD. Je mehr TNF -im Blut der Patienten gemessen werden konnte, desto wahrscheinlicher war das Auftreten der Lebervenenverschlusskrankheit, des Kapillarlecksyndroms und der GvHD.

Allerdings wird vermutet, dass neben der zur Konditionierung eingesetzten Radio-chemotherapie auch die medikamentöse GvHD-Prophylaxe als Verursacher eines Endothelschadens und somit paradoxerweise als Auslöser der GvHD eine Rolle spielen könnte. Vor allem das heute sehr häufig eingesetzte Ciclosporin A (CsA, Sandimmun®), ein Immunsuppressivum vom Typ der Calcineurin-Inhibitoren, scheint eine Endothel-schädigende Potenz zu besitzen. Bei Patienten nach Nierentransplan-tation, die mit CsA behandelt wurden, konnten signifikant höhere Konzentrationen zirkulierender Endothelzellen nachgewiesen werden als bei nierentransplantierten Patienten, die keine Calcineurin-Inhibitoren zur Immunsuppression erhielten [64, 92].

In vitro inhibiert CsA die Replikation endothelialer Zellen und führt zu morphologi-schen Veränderungen in diesen Zellen [93]. Darüber hinaus hemmt die Substanz Enzyme der Atmungskette [94] und erhöht die Permeabilität von Gefäßen [95]. Be-reits mehrfach konnte nach autologer Knochenmark- oder Stammzelltransplantation durch die Gabe von CsA eine GvHD ausgelöst werden [96]. Die eigentlich nach auto-loger Transplantation nicht erforderliche Verabreichung von CsA erfolgte ausschließ-lich mit dem Ziel, eine Graft-versus-host-Erkrankung zu induzieren, um den damit einhergehenden Graft-versus-leukemia- bzw. Graft-versus-tumor-Effekt therapeu-tisch nutzen zu können.

Bei den Patienten unserer Studie ließen sich Einflüsse der GvHD-Prophylaxe auf die Höhe der CEC-Konzentration nur schlecht nachvollziehen, da bis auf fünf Patienten, die ein T-Zell-depletiertes Transplantat erhielten, alle Patienten mit CsA (zum Teil in Kombination mit anderen Immunsuppressiva) behandelt wurden. Da die CsA-Therapie am Tag vor der Transplantation begonnen wurde, lässt sich ein Einfluss der Ciclosporin-Therapie auf den Anstieg der Konzentration zirkulierender Endothelzellen zum Tag +14 nicht ausschließen.

Letztendlich kommt auch dieGraft-versus-host-Erkrankung als schädigender Einfluss am Endothel in Frage. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand läuft die Entwicklung der GvHD in mehreren Phasen ab [24, 97]: In der afferenten Phase werden zunächst

durch die Konditionierungstherapie Gefäßendothelien und epitheliale Strukturen v.a.

im Darm, der Leber und der Haut geschädigt. Dies führt zu einer Aktivierung von ge-websständigen Zellen des Empfängerimmunsystems, die daraufhin inflammatorische Zytokine wie Interleukin-1 und Tumornekrosefaktor alpha produzieren. Durch diese Zytokine werden wiederum T-Lymphozyten aus dem Transplantat - also Zellen, die ursprünglich vom Spender stammen - aktiviert und zur Teilung angeregt. In der effe-renten Phase der GvHD-Entwicklung greifen diese Zellen die bereits durch die Kon-ditionierungstherapie geschädigten epithelialen und endothelialen Strukturen an und zerstören sie. In einem dritten Schritt wird die Produktion von inflammatorischen Zy-tokinen durch mononukleäre phagozytäre Zellen durch bakterielles Lipopolysacharid (LPS), das durch die in der afferenten Phase geschädigten Epithelien ins Gewebe eindringen kann, zusätzlich getriggert und das Zielorgan geschädigt (vgl. Abbildung 4.1). Zytokine (IL-2, IFN-γ)+ Aktivierung Zytokine (IL-2, IFN-γ)+ Aktivierung

Abb. 4.1: Pathomechanismen der GvHD

Der Endothel- (und Epithel-) schaden ist also sowohl Grundlage für die Entstehung der GvHD als auch Ergebnis der T-Zell-Aktivität im Rahmen dieser Erkrankung.

Ähnlich wie bei der vaskulären Abstoßungsreaktion nach der Transplantation solider Organe [98] sind nach HSCT die endothelialen Zellen des Empfängers wichtige Ziele

Diskussion

für die vom Spender stammenden immunkompetenten Zellen, da sie die direkte Grenze zwischen Empfängergewebe und den im Blut zirkulierenden Spenderzellen bilden (vgl. 4.3).

Bei Patienten mit chronischer GvHD konnten Biedermann et al. in Hautbiopsien eine Schädigung des vaskulären Endothels durch T-Lymphozyten und eine damit einher-gehende Abnahme der Kapillardichte belegen [99]. Entsprechend den typischen Ver-änderungen bei der vaskulären Abstoßung solider Organe kommt es auch im Rah-men der cGvHD in Gefäßen zu subintimalen Leukozyteninfiltrationen [70]. Ähnliches konnte auch bei der akuten GvHD beobachtet werden [100]. Das von der aGvHD am häufigsten betroffene Organ ist die Haut. Ein typischer histopathologischer Befund dabei ist ein perivaskuläres Infiltrat aus mononukleären Zellen im Bereich der papillä-ren Kapillapapillä-ren. Dieses Infiltrat besteht aus zunächst im Blut zirkuliepapillä-renden Lympho-zyten des Stammzellspenders. Bei der Extravasation dieser Zellen und somit bei der Entstehung der Lymphozytenansammlung spielt das Endothel der Kapillaren durch die Expression von Adhäsionsmolekülen eine entscheidende Rolle [101]. Diese Ad-häsionsmoleküle werden jedoch von einem bereits geschädigten Endothel in erheb-lich höherer Dichte exprimiert als von intakten Endothelzellen [35].

Betrachtete man bei Patienten unserer Studie, die im späteren Verlauf eine akute oder chronische GvHD entwickelten, die gemessenen Konzentrationen zirkulierender Endothelzellen und verglich sie retrospektiv mit den Ergebnissen der quantitativen CEC-Bestimmung bei Patienten, die keine GvHD-Symptome zeigten, so ließen sich zwischen diesen beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede feststellen. Auch eine Tendenz zu höheren Werten bei Patienten mit GvHD war nicht erkennbar. Aller-dings muss hier bedacht werden, dass die Bestimmung der CEC-Konzentrationen lediglich kurz vor und während der ersten drei Wochen nach Transplantation erfolgte, nicht also zu dem Zeitpunkt, als Symptome der GvHD auftraten. Für weiter führende Studien wären daher auch Messungen zu späteren Zeitpunkten im Verlauf der HSCT wichtig.