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Paul Achatius Pfizer

4.4 Die Texte der Frauenbewegung .1 Louise Dittmars Texte

4.4.2 Louise Ottos Artikel

4.4.2.1 Die diskursprägende Organologiemetaphorik

4.4.2.1.1 Die kraftgesteuerte Entwicklung der politischen und sozialen Gebilde

Otto sieht die Geschichte explizit als „ein lebendiges organisches Ganze[s], an dem Glied mit Glied in ewiger Nothwendigkeit verbunden ist [...]“1018. Dabei zeichnet sich in ihren Augen deutlich ab, dass sich dieser Organismus momentan in einer Übergangsphase befinde: „[...] rasches Leben durchzuckt die Gegenwart, alle Kräfte sind in Bewegung, und die Bewegungen sind im Kampf mit einander; neue Elemente haben sich erhoben, drängen hier weiter nach vor, dort wieder rückwärts; - feststehen kann nichts - wie ein elektrischer Schlag in unendliche Gliederungen setzt der erwachte Zeitgeist seine Zuckungen, seine Bestrebungen fort; [...].“1019 Die entscheidende Kraft die dabei zur Verwirklichung dränge, sei der Geist der Freiheit1020.

4.4.2.1.2 Der organische Aufbau der politischen und sozialen Gebilde Nicht nur die Geschichte ist für Otto ein großer Organismus, in dem alles zur Freiheit drängt. Auch der Staat wird von ihr explizit als Körper metaphorisiert1021, dessen Aufbau sich aufgrund des sich durchsetzenden Freiheitstriebes nun durch die Verbindung „lebendiger“ Glieder auszeichne, anders als die früheren „eisernen“

Staatsformen, deren Bestandteile „tote Maschinen“ gewesen seien1022. Durch diese Gegenüberstellung betont sie die Freiheit und Eigenständigkeit der im Ganzen zusammengeschlossenen Teile. Den diskurstypischen Aspekt der trotz dieser Freiheit starken wechselseitigen Verbundenheit der Glieder hebt sie ebenfalls hervor: „Alles, Alles was nach Freiheit strebt, muß einander heben und tragen – denn die Freiheit ist nur Eine! eine Sonne, die mit ihrem heiligen belebenden Hauch alle Glieder und Poren des Staatskörpers durchdringen muß und die ihm noch gar nicht aufgegangen!“1023

1018Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 187, S. 812.

1019Otto Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 26, S. 103; auch: Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 71, S. 285f.: „[...] wie unsere Zeit vorzugsweise eine Zeit des Überganges sei – daher überall und in allen Verhältnissen diese Unbehaglichkeit, diese Unzufriedenheit, dieses ernstlose Streben nach allen Seiten hin, mit dem man so nirgend recht heimisch werden kann!“.

1020Otto, Theilnahme, S. 188: „Denn aufgewacht ist überall der Geist, und der Geist ist’s, der uns frei macht! – Es ist ein Leben und Streben in unserer Zeit, wie es nie vorher gewesen.“

1021Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 187, S. 811.

1022Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 187, S. 811.

1023Otto, Theilnahme, S. 202.

4.4.2.1.3 Das Geschlecht und die politischen und sozialen Gebilde

Aufgrund der organischen Einheit und wechselseitigen Verbundenheit der Glieder im Staatskörper erscheint Otto auch die Teilhabe der Frauen an der allgemeinen freiheitlichen Entwicklung des Staatskörpers unabdingbar1024. Auf das Gegenbild der „Staatsmaschine“ früherer Zeiten anspielend, führt sie aus: „Wer die Politik ein fremdes Element für die Frauen nennt, der muß sie auf die niedrigste Stufe im Staate stellen, der muß in einer Zeit, wo Alles zum heiligen Bewußtsein des Staatenlebens erwacht – ein ganzes Geschlecht zum stumpfen Sklavenjoch verdammen, damit es bewußtlos mechanisch seine Geschäfte verrichte und in jener Dumpfheit verharre, welcher sogar der sich entringt, der vom Morgen bis zum Abend im Schweiß seines Angesichtes das Feld des fremden Herrn bestellt [...].“1025

Tatsächlich würden die Frauen laut Otto auch schon von dem allgemeinen Trieb zur Freiheit und Anteilnahme an öffentlichen Angelegenheiten erfasst1026. Dies zeige sich bereits empirisch. Als Beleg dafür führt Otto z.B. an:

„Wie unser Verfassungsleben weiter sich ausbildete, wie die Theilnahme des Volks an den

Kammerverhandlungen eine immer ausgebreitetere, allgemeinere ward, so ist sie es auch bei den Frauen geworden, und namentlich während des letzten sächsischen Landtags hat es wohl unter den gebildeten sächsischen Frauen nur Wenige gegeben, welche, wenn es ihnen an Zeit oder Ausdauer gebrach, die

Landtagsmittheilungen selbst zu lesen, ihnen nicht wenigstens in den Auszügen, welche die Zeitschriften gaben, gefolgt wären.“1027

Um die unabdingbare Naturnotwendigkeit zu untermauern, diese von der Geschichte gewollte und

herbeigeführte Entwicklung der Anteilnahme der Frau an politischen Angelegenheiten gutheißen und fördern zu müssen, argumentiert Otto zusätzlich mit einer anthropologischen Triebanalyse: Ihrer Ansicht nach habe die Frau nämlich eine besondere Anlage dazu, zu lieben: „Die L i e b e ist das Höchste und Edelste in jeder

Menschennatur, aber der weiblichen Natur ist sie das Unentbehrlichste. Das Weib ist vorzugsweise dazu berufen.

[...] Aber wohl verstanden: diese Liebe sei nicht Schwäche, sondern Kraft, kein träumender bewußtloser Trieb, sondern ein lebendiger selbstbewußter Wille.“1028 Diese besondere Liebeskraft der Frau müsse ihrer Ansicht nach auch auf den Staat bzw. die öffentlichen Angelegenheiten Anwendung finden: „Es kann und wird Niemand

1024Otto, Theilnahme, S. 202: „Euch aber, deutsche Brüder, deren Herzen am Wärmsten glühen für unser Volk, die Ihr es erkannt habt, daß die Freiheit ein einziges Gut ist, das nicht in den einen Zustand eindringen kann und in dem anderen mangeln, Euch rufe ich bittend zu: kämpft auch für die Rechte der deutschen Frau, und wie Ihr keinen Unmündigen mehr unter Euch dulden möget, so helft auch den Frauen geistig mündig zu werden. Und ihr, deutsche Schwestern, die Ihr aufgewacht seid zu dem hellen Tag der Gegenwart, in dem unser ganzes Volk für seine heiligsten Rechte kämpft, vergesset es nie, daß auch an Euch ein Vaterland heilige Forderungen hat, und so rufet die Schwerstern wach, die noch träumen und erzieht Euere Mädchen zu würdigen Gefährtinnen eines freien Volkes.“

1025Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 172, S. 752.

1026Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr.26, S. 103: „Und wer möchte, wer könnte theilnahmlos zusehen, wer vermöchte unberührt zu bleiben von solchem Treiben? [...] Vielleicht die Frauen? – Darf man so antworten? – Nein! man darf es nicht. - Ein neuer Geist macht sich auch unter dem weiblichen Geschlecht geltend [...]“; ähnlich Otto, Theilnahme, S. 188: „Es ist ein Leben und Streben in unserer Zeit, wie es nie vorher gewesen. [...] Dies neue Leben hat auch die Frauen mit in seine bewegten Kreise gezogen.“

1027Otto, Theilnahme S. 189f., mit Überblick über die verschiedenen Formen der Frauenaktivitäten S. 188ff.

1028Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 172, S. 752.

einfallen, einem Weibe das Recht streitig zu machen, das Vaterland zu lieben. Wo aber die Liebe recht groß ist, da fragt sie nicht: habe ich das R e c h t, an den geliebten Gegenstand zu denken? habe ich die P f l i c h t, mich mit ihm zu beschäftigen? Nein! Sie fragt nicht – sie m u ß des Geliebten denken, m u ß sich wenigstens im Geist und Gemüth mit ihm beschäftigen, k a n n n i ch t gleichgültig bei seinen Schicksalen bleiben.“1029

Vor dem Hintergrund dieser besonderen Liebesbegabung der Frau erscheint für Otto die mangelnde Anteilnahme der Frauen an öffentlichen Angelegenheiten sogar als vollständig unnatürlich: „[...] ich wollte sagen: es ist unsittlich, wenn die Theilnahme der Frauen am Staatsleben unterbleibt – es ist unsittlich, weil es widernatürlich ist.“1030

Otto sieht die Förderung der Teilnahme der Frauen an politischen Fragen jedoch auch aus dem Blickwinkel des Staatsinteresses für unverzichtbar an. Denn nur durch diese seien die Frauen in der Lage, ihre Kinder zu Staatsbürgern zu formen1031. Diese Macht hätten sie, da „einer Mutter mehr als jedem anderen Menschen Gelegenheit gegeben [sei], den ersten Samen des Guten und Großen in das zarte Kinderherz zu streuen [...] und allen Trieben des kindlichen Herzen eine Richtung auf die reinsten und heiligsten Bestrebungen zu geben.“1032 Sie sei in der Lage, „das Gefühl der Vaterlandsliebe mit patriotischen Liedern und Erzählungen zu wecken und recht tief hineinzusenken in das Kinderherz.“1033 Diese große Macht über die Kinder könne und dürfe dem Staat nicht gleichgültig sein1034: „Ja, ich sage nicht zu viel: macht, daß die deutschen Frauen von Theilnahme für die Interessen des Staates erfüllt werden, und ein großer Schritt in unserer staatlichen Entwickelung ist nach vorwärts gethan.“1035

Otto bedauert sehr, dass es keine Kulturgeschichte gebe, in der das sich wandelnde Verhältnis der Frau zur Gesellschaft erforscht worden sei, um von diesem gesicherten Boden aus auf die weitere Entwicklung dieses Verhältnisses in der Zukunft schließen zu können. Damit bekennt sich Otto eindeutig zu der historischen Herangehensweise der Kräfteanalyse: „Und wie nun alles Geschichte ist und hat: jede Nation, jede Erfindung, jede Gesellschaft, so hat auch die Stellung der Frauen zur Gesellschaft ihre Geschichte, gleich der Gesellschaft selbst, und muß sich, wie diese und mit dieser, auf historischem Wege weiter entwickeln, verändern und vollenden. Aber der Entwickelungsgang der Gesellschaft ist gleichsam der eines Ganzen, und geht hier und als solcher schneller als derjenige im Verhältniß der Frauen zu ihr, denn dieser ist nur der Theil dieses Ganzen. – Es wäre wohl schön, wenn einmal Jemand es übernehmen wollte, ein geschichtliches Werk über die Stellung der Frauen zur Gesellschaft zu schreiben, wie diese von den frühesten Zeiten an bis auf die Jetztzeit gewesen und geworden. Der Mangel eines solchen Werkes wird immer fühlbarer, je mehr es zum Bedürfniß der Zeit geworden ist, auf historischem Grund und Boden Lehren für die Gegenwart, Aussichten für die Zukunft zu suchen, je mehr

1029Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 142, S. 633.

1030Otto, Theilnahme, S. 186.

1031Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 71, S. 286.

1032Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 71, S. 286; auch Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 174, S. 706.

1033Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 71, S. 286.

1034Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 71, S. 286.

1035Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 71, S. 287.

die Frauen anfangen zu fühlen, daß auch sie mitzählen dürfen unter der Einwohnerschaft ihres Vaterlandes, daß sie nicht nur Gattinnen und Mütter bei ihrem Volke, sondern die Hälfte dieses Volkes selbst sind.“1036

4.4.2.2 Politische Forderungen

Um die Frauen zur Anteilnahme an den Staatsangelegenheiten zu motivieren, was – ihrer Ansicht nach - bisher noch nicht im gewünschten Ausmaß gelungen sei1037, sowie die Frauen überhaupt zu dieser Anteilnahme zu befähigen, müssten laut Otto verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Zunächst müsse der Schulunterricht für die Mädchen so gestaltet werden, dass sie „Geschichte als lebendiges organisches Ganzes“ vermittelt bekämen1038. Sie sollten die lebendige Entwicklung und Veränderung der Staaten begreifen und mit der Zeitgeschichte vertraut gemacht werden1039. Des Weiteren sei unabdingbar, „d a ß n i c h t a l l e r

U n t e r r i c h t m i t d e r C o n f i r m a t i o n a b g e s c h l o s s e n“1040 werden dürfe, da der Naturtrieb der Frau zur Liebe wie jede Naturanlage kultiviert werden müsse1041. Er brauche den „Boden“ des Wissens1042. Ohne diese Bildung sei „die Gefühlsinnigkeit stumpfer Instinkt, das Herz ein ewiges Kind und die Liebe eine

Schwachheit“1043. Außerdem würde „ohne eine sichere Basis gründlicher Kenntnisse – wie man sie eben in der Schule allein sich nicht erringen kann – [...] eine Frau bei politischen Gesprächen leicht in die Gefahr kommen, sich lächerlich zu machen, oder beim Lesen politischer Berichte über Manches im Unklaren zu bleiben, was zum genauen Verständniß der Sache durchaus notwendig ist – Grund genug, die Frauen von der Politik

zurückzuschrecken.“1044 Otto ist es dabei wichtig, die Mädchen aller Volksklassen in den Genuss von Bildung kommen zu lassen. „Es wird dann eine Zeit nothwendig kommen, wo der Proletarier gegen den Bourgeois auftritt, wie dieser jetzt gegen den Baron. Damit eben diese Zeit nicht komme, gilt es, den Pöbel aufzuheben [...]“1045. Den Mädchen der niederen Stände solle jedoch keine höhere Bildung, sondern nur ein „innere[r]

feste[r] moralische[r] Halt“ und die für einen späteren Beruf notwendigen Kenntnisse durch den Unterricht vermittelt werden1046. „Die dritte Forderung aber, wenn das Interesse der Frauen am Staatsleben eine Wahrheit werden soll, ist: d a ß d i e F r a u e n s i c h ü b e r h a u p t f r e i e r d u r c h’s L e b e n b e w e g e n l e r n e n u n d b e w e g e n d ü r f e n. Dies eben kann zunächst nur durch i n d i v i d u e l l e Bildung befördert werden [...].“1047 In diesem Zusammenhang fordert sie die Möglichkeit für Frauen, ihren

Lebensunterhalt selbst verdienen zu können1048. Dies sei nicht zuletzt auch deshalb unabdingbar, weil die Frauen

1036Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 174, S. 705.

1037Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 187, S. 811.

1038Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 187, S. 812.

1039Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 187, S. 812.

1040Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 188, S. 815.

1041Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 26, S. 104.

1042Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 172, S. 751.

1043Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 172, S. 752.

1044Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 188, S. 815.

1045Otto, Theilnahme, S. 199.

1046Otto, Theilnahme, S. 199f.

1047Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 188, S. 815.

1048Otto, Theilnahme, S. 200: „Schon bei den untersten Ständen steht der Verdienst der Frauen, die entweder für Tagelohn oder bei einer Herrschaft dienen, im auffallenden Mißverhältniß zu dem der Männer – doch dies möchte noch sein! aber in

sich dann nicht zu einer Ehe ohne Liebe verkaufen müssten. „Wie schmachvoll für eine deutsche Jungfrau – aber noch mehr für Deutschland selbst, das zu seinen Töchtern sagt: Seht zu, daß Ihr Euch bald einem Mann verkauft, der Euch anständig ernähren kann und dem Ihr dafür sein Hauswesen führt – was Euer Herz dazu sagt, ist einerlei. Ihr dürft es, um Eure ‚weibliche Bestimmung zu erfüllen, nicht zu genau nehmen mit Euren weiblichen Gefühlen.’“1049 „Hätten die Mädchen Gelegenheit, sich Kenntnisse zu erwerben und eine selbstständige Stellung im Leben einzunehmen, so wäre das nicht so. Hätten sie die Fähigkeit, die weibliche Erziehung [...] als

Lehrerinnen zu leiten, in kaufmännischen Geschäften, von denen viele gerade besser für Frauen- als für Männerhände sich eignen, zu wirken, so könnte es doch vielleicht sein, daß die Ehe in Deutschland wieder zu ihrem natürlichen Rechte käme und nicht wie jetzt in tausend Fällen nur zu einer ‚Versorgungsanstalt’ des weiblichen Geschlechts herabgewürdigt würde.“1050

Als wesentliche Unterstützung zur Entwicklung des Interesses von Frauen an politischen Dingen nennt Otto zudem die generelle Ausweitung des öffentlichen Lebens: „Gebt unserem Staate ein größeres öffentliches Leben, Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens, allen Städten Öffentlichkeit der Stadtverordnetensitzungen, Öffentlichkeit allen Vereinen und Versammlungen, welche dem Wohl einer vaterländischen Anstalt gewidmet sind, und Ihr sollt sehen, wie bald und schnell und allgemein die Frauen ihre Theilnahmlosigkeit an der Politik aufgeben werden [...].“1051

Trotz dieser eindeutigen Parteinahme für die Rechte der Frauen lehnte Otto es explizit ab, als ‚Emanzipierte’ zu gelten. Ihr ist sehr wichtig zu betonen, dass sie mit ihren Vorschlägen keine „Einimpfung fremder, männlicher Bestrebungen“1052 propagiere oder gar zu radikalen Maßnahmen aufrufe1053. Wohl um nicht in den

Zusammenhang mit Forderungen nach mehr sexueller Freizügigkeit gebracht zu werden, grenzt sich Otto auch vehement von Louise Aston ab. „Ich bemitleide sie wegen ihrer Richtung, weil diese eben eine Folge all’ der ungerechten Beschränkungen ist, welche die gegenwärtigen Verhältnisse den deutschen Frauen noch auferlegen, aber ich erkenne in einer solchen Frau, wie die Aston, die größte Feindin eines Strebens, welches sich eine Hebung der deutschen Frauen zur Aufgabe gemacht hat.“1054 Otto zu Folge gebe es für die Frau „keinen schönern Beruf [...], als die Gattin eines geliebten Mannes zu sein, seine Sorgen zu theilen und wo sie kann, von den höheren Ständen ist dem weiblichen Geschlecht fast jede Gelegenheit benommen, sich selbstständig durch’s Leben zu helfen.“

1049Otto, Theilnahme, S. 200.

1050Otto, Theilnahme, S. 201.

1051Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 26, S. 104.

1052Z.B. Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 142, S. 634.

1053Otto, Sächsische Vaterlandsblätter Nr. 26, S. 103f.: „Ja, Dank Euch, ihr Dichter! Ihr habt die Völker aus dem Schlaf singen wollen und die Frauen sind wirklich von Euern Liedern erwacht, und Ihr, Ihr Fürsten, beruhigt Euch! die Frauen bleiben friedlich, wenn sie auch wachen, und Euch droht keine Rebellion! – Halb liegt es an jener Verzärtelung, nach welcher die weiblichen Gemüther von Kind auf nur für das Weiche, Sanfte, Schmeichelnde gebildet werden, halb in der eigentlichen Natur des Weibes, welche meist dem warmen Ausbruch des Gefühls vor den kalten Schlüssen des Verstandes, dem Schönen vor dem Starken den Vorzug giebt, daß die Poesie den Weg zum weiblichen Herzen immer offen findet, während er sich oft der Sprache kalter, gemessener Auseinandersetzung verschließt, und so drang die Politik auf dem heiligen, belebenden Flügelschlag der Freiheitlerche der Poesie in das weibliche Herz [...].“

1054Otto, Theilnahme, S. 193.

ihm zu nehmen [...].“1055 Es unterliege keinem Zweifel, „daß es nichts Heiligeres auf Erden giebt, als den Beruf einer Mutter – daß nie und nirgend ein Weib so Schönes und Großes wirken, nie und nirgends ihre innerste weibliche Natur so segenbringend entwickeln kann, als in diesen Verhältnissen [...].“1056 Ottos Vision in Hinblick auf die Stellung der Frau in der Gesellschaft sieht daher folgendermaßen aus: „Es wird eine Zeit kommen, da wird das Weib mit dem Gatten auch Eins sein in der Liebe zum Vaterland, wie sie in Allem mit ihm Eins sein soll - und wo eine Jungfrau außer dem segensreichen Wirkungskreis der Gatten- und Mutterliebe steht, da wird sie nicht mehr über ein verfehltes Leben zu klagen brauchen, da wird das Vaterland ihr Geliebter sein, da wird sie ihm ein Leben widmen, das auch bei beschränktem weiblichen Wirken nicht ohne Glück, nicht ohne Segen sein wird!“1057