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Lokale Politik zur Umsetzung der A GENDA 21

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kömmlichen kommunalen Umwelt-, Wirtschafts-, Entwicklungs- und Sozialpolitik einige Unterschiede ausmachen, wodurch die Aufstellung einer LA21 zu einer anspruchsvollen politischen Aufgabe wird. Der wichtigste Unterschied betrifft die Integration der bislang häufig konkurrierenden Themenbereiche zu einem querschnittsorientierten Handlungspro-gramm unter dem Leitbild einer nachhaltigen Ent-wicklung. Neben den unterschiedlichen Themen sind auch alle örtlichen Akteure und Gruppen mit ihren Interessen, Anliegen und ihrem Sachverstand in den LA21-Prozeß einzubeziehen, sowohl bei der Zielfin-dung als auch bei der Durchführung von Maßnah-men. In diesem Zusammenhang geht das von der AGENDA21 vertretene Konzept von Kommunikation und Partizipation weit über die herkömmlichen Mo-delle der Bürgerbeteiligung an kommunalen Pla-nungen hinaus: Die Bürger sollen nicht nur infor-miert und angehört werden, sondern an politischen Entscheidungen selbst aktiv teilnehmen. Dies erfor-dert die Etablierung geeigneter Formen der Konsul-tation und Konsensfindung. Nicht zuletzt impliziert das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung aber auch neue, langfristige Zeithorizonte für die kommunale Planung, die der Orientierung an Wahlperioden oder an kurzfristigen ökonomischen Rentabilitätsüberle-gungen entgegenläuft.

3.2.1

Beteiligung der Kommunen am LA21-Prozeß Bei den kommunalen Prozessen zur Aufstellung einer LA21 handelt es sich um langfristige Aktivitä-ten, die vielerorts erst langsam anlaufen und mit un-terschiedlichen Problemen zu kämpfen haben. Auch deshalb konnten die Terminvorgaben der AGENDA 21, wonach die Mehrzahl der Kommunen bereits bis 1996 einen Konsens hinsichtlich einer eigenen LA21 erzielt haben sollte, nicht eingehalten werden.

Über Kriterien für eine LA21 besteht, nicht zu-letzt wegen ihres lokalen Charakters, bislang keine Einigkeit. Trotz entsprechender Anstrengungen ver-schiedener Institutionen (u. a. ICLEI, 1996; Kuby, 1996, für den Rat der Gemeinden und Regionen Eu-ropas; Rösler, 1996, für den Deutschen Städtetag) er-weist es sich daher als schwierig, eine eindeutige Zwi-schenbilanz zum Stand der Umsetzung von Kapitel 28 der AGENDA 21 zu ziehen. Einer Untersuchung des Weltsekretariats des Internationalen Rates für kommunale Umweltinitiativen (ICLEI) zufolge, ar-beiteten 1996 weltweit ca. 1.800 Städte und Gemein-den in 64 Ländern an einer LA21 (ICLEI, 1997; zum Vergleich: die AGENDA21 hatten ca. 170 Länder un-terzeichnet). In Europa sind LA21-Initiativen in grö-ßerer Zahl vor allem in Großbritannien, den

Nieder-landen und in den skandinavischen Ländern zu fin-den. So sind etwa in Schweden infolge der Unterstüt-zung durch das Umweltministerium nahezu sämtli-che Kommunen mit der Aufstellung einer LA21 be-faßt.

Viele der Kommunen, in denen an einer LA21 ge-arbeitet wird, gehören internationalen Netzwerken an. So hat ICLEI nach der Rio-Konferenz die welt-weite Förderung der LA21 ins Zentrum seiner Akti-vitäten gestellt. Unter maßgeblicher Mitwirkung des Rates entstand 1994 die Europäische Kampagne zu-kunftsbeständiger Städte und Gemeinden, in der sich bislang rund 290 europäische Kommunen durch Un-terzeichnung der Charta von Aalborg zusammenge-schlossen und verpflichtet haben, einen LA21-Pro-zeß anzustoßen. Auch das internationale Nord-Süd-Netzwerk von Kommunalverwaltungen und NRO, Towns & Development (T & D), das auf der Grund-lage der Charta von Berlin u. a. zu rund 2.000 Part-nerschaften zwischen Kommunen auf allen Erdteilen geführt hat, engagiert sich im Rahmen der LA21.

3.2.2

Aktivitäten zur LA21 im internationalen Vergleich

Die Aktivitäten von Städten und Gemeinden zur Entwicklung und Aufstellung einer LA21 können in den einzelnen Ländern auf unterschiedliche gesell-schaftlich-politische Voraussetzungen zurückgreifen, wie eine kommunale Umweltbürokratie oder eine

„Partizipationskultur“. Zudem sind die politischen, rechtlichen, ökonomischen und sozialen Rahmenbe-dingungen für LA21-Prozesse in den jeweiligen Län-dern ganz unterschiedlich ausgeprägt. Eine länder-übergreifende, vergleichende Bewertung erscheint vor diesem Hintergrund wenig sinnvoll. Allerdings wird gerade im internationalen Vergleich von LA21-Aktivitäten die enorme Spannbreite der Strukturen, Methoden und Strategien deutlich.

Als Mittel der politischen Selbstverpflichtung wird in nahezu allen aktiven Kommunen im Zusam-menhang mit der LA21 ein politischer Beschluß für notwendig erachtet. Die entsprechenden Selbstver-pflichtungen reichen dabei (mit steigender Verbind-lichkeit und Motivationskraft) von der Unterzei-chung der Charta von Aalborg über die Aufstellung einer LA21 und die Bereitstellung entsprechender Mittel bis hin zur Erarbeitung eines kommunalen Entwicklungskonzepts mit Leitzielen und Maßnah-menkatalog.

Von der überwiegenden Anzahl der Städte wird die Aufgabe LA21 der Umweltverwaltung als verant-wortlichem Verwaltungsbereich zugeordnet. Damit existiert zwar ein – häufig gut motivierter –

An-sprechpartner innerhalb der Kommunalverwaltung, das eigentliche Ziel des LA21-Prozesses, die Integra-tion von Themen und Fachbereichen zur Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes, wird jedoch verfehlt. Auffäl-lig ist in diesem Zusammenhang zudem, daß überall dort, wo die Koordination nicht innerhalb der Ver-waltung liegt, der Prozeß sehr zielgerichtet und straff durchgeführt wird.

Eine frühzeitige Einbeziehung möglichst vieler lo-kaler Interessen ist innerhalb der vorhandenen Strukturen kaum möglich. In allen aktiven Kommu-nen werden daher früher oder später zusätzliche Strukturen für die Integration von Bürgerinteressen aufgebaut. Dazu gehören allgemein zugängliche, oft regelmäßig stattfindende Bürgerforen, fest einge-richtete Foren aus örtlichen Interessenvertretern zur Diskussion von Leitbildern und Zielen sowie kleine-re Arbeitsgruppen und Fachfokleine-ren zur Erarbeitung spezifischerer Handlungsvorschläge.

Vor allem zu Beginn von LA21-Prozessen be-schränken sich viele Kommunen auf klassische Diskussionsveranstaltungen und allgemeine Öffent-lichkeitsarbeit als Methoden der Konsensfindung. In denjenigen Städten, in denen der Prozeß schon wei-ter fortgeschritten ist, wird hingegen fast ausnahms-los mit neueren, aufwendigeren Methoden wie Pla-nungszellen und Zukunftswerkstätten oder zumin-dest mit professioneller Moderation gearbeitet.

Was die Themenintegration als maßgebliche Inno-vation der AGENDA21 angeht, so ist insbesondere in den Industrieländern nach wie vor eine fast einseiti-ge Ausrichtung auf die Umweltqualität zu beobach-ten. Dort, wo mit Hilfe des LA21-Prozesses ein vor-handenes Strukturproblem gelöst werden soll, wer-den ökonomische und soziale Fragen mit größerer Selbstverständlichkeit mitbehandelt. Dennoch exi-stieren mittlerweile in zahlreichen Städten Themen-gruppen oder Fachforen zu nicht-umweltspezifischen Themen, die eine zunehmende Themenintegration erwarten lassen.

Zur Übertragung der Rio-Ziele auf die kommu-nale Ebene lassen sich vor allem zwei Strategien be-obachten. Im ersten Fall steht die Erarbeitung von Entwicklungszielen und diesen zugeordneten Indi-katoren an erster Stelle, um daraus dann sukzessive Maßnahmen ableiten bzw. diese bewerten zu kön-nen. Die zweite Strategie setzt sofort auf Projekte und Einzelmaßnahmen, der aufwendige Prozeß der konsensualen Zielfindung unterbleibt. Zwar mag dieser Weg schneller sichtbare Erfolge liefern und daher motivierender wirken, leicht entsteht dabei je-doch die Illusion, eine nachhaltige Entwicklung lasse sich mit einem entsprechenden Maßnahmenbündel relativ kurzfristig erreichen, ohne daß weiterreichen-de und kontinuierliche Veränweiterreichen-derungen von Verhal-tens- und Entscheidungsmustern erforderlich wären.

3.2.3

Deutsche LA21-Initiativen

Von den über 16.000 Städten und Gemeinden in Deutschland arbeiteten nach Recherchen des ICLEI-Europasekretariats Ende 1996 erst etwa 60–70 an der Aufstellung einer LA21. Damit läge Deutschland im internationalen Vergleich lediglich im Mittelfeld. Andere Quellen gehen von bis zu 200 Kommunen aus (Kuby, 1996; Rösler, 1996) bzw. kon-statieren für das zweite Halbjahr 1996 ein „Grün-dungsfieber“ (de Haan et al., 1996).

Als Akteure im LA21-Prozeß treten hierzulande neben den kommunalen Umweltverwaltungen, von denen in den meisten Fällen die Initiative ausgeht, vor allem NRO aus den Bereichen Umwelt und Nord-Süd-Beziehungen, Volkshochschulen sowie kirchliche Gruppierungen auf. Als schwierig erweist sich dagegen häufig die Einbeziehung der lokalen Wirtschaft. Aber auch die Mobilisierung der Bürger, soweit sie nicht Mitglieder der genannten Gruppen sind, ist in vielen Kommunen ein Problem.

Vor allem im Umweltbereich sind viele deutsche Kommunen in hohem Maße aktiv. Dort kann an be-stehende Strukturen und z. T. bereits traditionelle Politiken angeknüpft werden. Eine Anhörung der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ zur LA21 ergab, daß die in deutschen LA21-Kommunen beschlossenen bzw. bereits umge-setzten Maßnahmen insbesondere in den Bereichen Stadt- und Verkehrsentwicklung, Energie, Natur-schutz und Öffentlichkeitsarbeit angesiedelt sind (Enquete-Kommission, 1996). Demgegenüber wer-den die sozial- bzw. entwicklungspolitischen und ökonomischen Dimensionen einer nachhaltigen Ent-wicklung vernachlässigt. Zudem bestehen Defizite bezüglich anderer wesentlicher Elemente einer LA21, wie z. B. bei langfristigen Zielsetzungen und bei der Bürgerbeteiligung. Vielerorts erliegen Kom-munen (nicht nur in Deutschland) dem Trugschluß, eine aktive Umweltpolitik sei bereits gleichbedeu-tend mit den Zielvorstellungen einer LA21. Insofern erweist sich die regelmäßige administrative Zuord-nung von LA21-Aktivitäten zur Umweltverwaltung häufig als Hindernis für die thematische Integration.

Zwar entsprechen LA21-bezogene Einzelmaß-nahmen von Kommunen in anderen Ländern (z. B.

Großbritannien, Südeuropa) teilweise denen deut-scher Kommunen von vor 10-15 Jahren (z. B. Um-weltbericht, Abfalltrennung, Recycling, Umweltbil-dungsmaßnahmen). Diese Kommunen verbinden je-doch ihre teilweise. noch sehr junge kommunale (Umwelt-)Politik ausdrücklich mit dem neuen Be-griff der LA21 und nutzen so die Chance, von Beginn an unter der Philosophie der LOKALEN AGENDA

39 Deutsche LA21-Initiativen C 3.2.3

(Langfristigkeit, Einbeziehung globaler Aspekte, Partnerschaft, Partizipation) zu arbeiten.

Ein konsensfähiger Maßnahmenkatalog liegt in Deutschland bislang noch für keine Kommune vor.

Die meisten LA21-Initiativen beschäftigen sich statt dessen noch mit der Verständigung über allgemeine Leitlinien für die LA21 bzw. mit der Überprüfung des Ist-Zustandes ihrer Kommune, bezogen auf diese Leitlinien (de Haan et al., 1996).

Inhaltlich und verfahrensmäßig setzt die LA21 auf Elemente, die sich in Deutschland in der kommuna-len Praxis derzeit eher auf dem Rückzug befinden.

So kam die Idee der Integrierten Stadtentwicklungs-planung bereits in den 70er Jahren auf. Die damit ge-machten, vor allem wegen organisatorischer Mängel zum Teil negativen Erfahrungen sind häufig ein Hin-dernis für die weitgehende und frühzeitige Einbezie-hung von Bürgerinteressen durch die Kommunalver-waltungen.

Neben einer Neubelebung des Integrationsgedan-kens in der kommunalen Entwicklung ist es erforder-lich, moderne Formen der Bürgerbeteiligung, des In-teressenausgleichs und der Konfliktlösung zu för-dern, sie bekanntzumachen und die mit der Koordi-nation und Moderation von Beteiligungsverfahren beauftragten Personen zu schulen. Rudimentäre For-men der Bürgerbeteiligung, wie sie bislang im deut-schen Planungs- und Genehmigungsrecht verankert waren, in jüngster Zeit aber zunehmend wieder abge-baut werden („Beschleunigungsgesetze“), eignen sich hier kaum als Vorbild. Sie sind einseitig akzep-tanzorientiert und dienen eher dem vorgezogenen Rechtsschutz als der aktiven Partizipation von Bür-gern am politischen Prozeß.

Als Vorbilder für deutsche Kommunen eignen sich insbesondere die skandinavischen Länder und die Niederlande, wo sowohl kommunaler Umwelt-schutz als auch eine umfassende Bürgerbeteiligung Tradition haben und in LA21-Prozesse eingebracht werden. Darüber hinaus ist, wie der Vergleich mit Großbritannien, den Niederlanden und Schweden zeigt, eine Koordinationsstelle auf nationaler Ebene äußerst hilfreich für die Vermittlung von Informatio-nen, den Erfahrungsaustausch zwischen den LA21-Kommunen und vor allem für die Vermeidung von Mehrfacharbeit.

3.2.4

Mit der LA21 zu einer nachhaltigen Entwicklung: Potentiale und Barrieren

Die besondere Bedeutung des LA21-Konzepts besteht in seinen beträchtlichen Potentialen für die Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung auf kommunaler Ebene:

• Trotz der Neuheit des Konzepts kann an vorhan-dene (in der Regel vor allem Umwelt-)Politik, an bestehende Kommunikationsstrukturen zwischen Verwaltung und NRO sowie an das Umweltbe-wußtsein und das entsprechende Engagement der Bürger angeknüpft und auf vorhandene Erfah-rungen zurückgegriffen werden.

• Globale Ziele können, ja müssen sogar mit der konkreten Situation vor Ort (Umweltsituation, Arbeitsmarkt, Standortproblematik usw.) ver-knüpft werden, um zu einem konsensualen Ergeb-nis zu gelangen.

• Auf lokaler Ebene sind die meisten Akteure be-kannt. Verantwortlichkeiten können Personen bzw. Gruppen zugeordnet werden, wodurch die Komplexität der Probleme wenigstens in Grenzen gehalten wird.

• Die Etablierung neuer Formen der Bürgerbeteili-gung erlaubt es, die häufig vernachlässigte soziale und im Wortsinn humane Komponente einer nachhaltigen, umwelt- und sozialverträglichen Entwicklung zu stärken und bei allen Beteiligten entsprechende Lernprozesse anzustoßen.

• Auch auf lokaler Ebene wird „Umwelt und Ent-wicklung“ zur Querschnittsaufgabe, die durch die LA21 eine Konkretisierung erfährt. Dies bringt neue Planungs- und Entscheidungskriterien für die kommunale Politik mit sich.

• Auf der lokalen Ebene, eingebunden in ihre kon-krete Lebenswelt, ist es am ehesten möglich, Men-schen für die teilweise abstrakten Leitbilder und Ziele einer nachhaltigen Entwicklung zu sensibili-sieren sowie für nachhaltiges Handeln zu motivie-ren. Insofern stellen die LA21-Prozesse eine wich-tige Form der umwelt- und entwicklungspoliti-schen Bildung dar.

Diesen Potentialen der LA21 stehen allerdings auch eine ganze Reihe von Barrieren gegenüber, die den Erfolg von LA21-Prozessen erheblich behindern können:

• Bei den Bürgern wie auch in der Verwaltung be-stehen auch fünf Jahre nach Rio noch erhebliche Informationsdefizite bezüglich der grundlegen-den Konzepte „AGENDA 21“ und „nachhaltige Entwicklung“.

• Bereits auf lokaler Ebene erreicht die Thematik der LA21 einen Grad an Komplexität, der es vie-len potentielvie-len Akteuren schwer macht oder sie daran hindert, sich an dem Prozeß zu beteiligen.

Zudem haben die meisten Akteure nie gelernt, im für den LA21-Prozeß erforderlichen Ausmaß

„vernetzt zu denken“.

• Häufig zeigt sich, daß der Versuch, Umwelt und Entwicklung als Querschnittsthemen im lokalen bzw. kommunalen Kontext konkret werden zu las-sen, mit erheblichen Komplikationen verbunden

und ohne institutionelle Reformen nicht zu errei-chen ist.

• Alle lokalen Initiativen für eine nachhaltige Ent-wicklung sind auf internationale oder nationale Top-down-Prozesse angewiesen, die oftmals ent-scheidende Rahmenbedingungen setzen.

• Gleich in mehrfacher Hinsicht (rechtlich, perso-nell, finanziell) sind die Handlungsspielräume auf kommunaler Ebene äußerst eng, so daß hohen Ansprüchen oftmals nur bescheidene Taten folgen können. Andererseits können leere Kassen einen heilsamen Zwang zu kreativen Lösungen bewir-ken.

• Das Selbstverständnis von Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung im Verhältnis zu den Bürgern ist häufig stark von „oben“ und „unten“

gekennzeichnet, was eine Verständigung, noch mehr aber eine vertrauensvolle, konsensorientier-te Zusammenarbeit erheblich erschwert. Fehlt da-neben die Unterstützung der entscheidenden poli-tischen Personen in einer Kommune, wird der LA21-Prozeß häufig erheblich behindert, wenn nicht gar unmöglich gemacht.

• Die vorhandenen Erfahrungen mit neuen Formen von Partizipation und Kommunikation sind auf al-len Seiten gering, etwa was den Umgang mit grup-pendynamischen Prozessen oder mit Konflikten angeht.

• Die arbeitsintensive Teilnahme am LA21-Prozeß führt insbesondere für ehrenamtliche Akteure zu einer erheblichen Belastung, die entweder von ei-nem Engagement abhält oder aber die entspre-chenden Personen für andere Aufgaben blockiert.

• Kommunale Planungsprozesse sind in der Regel wenig öffentlichkeitswirksam und brauchen ihre Zeit. Dadurch besteht die Gefahr, daß sie verges-sen werden und irgendwann – gewollt oder unge-wollt – im Sande verlaufen.

• Die auch in der Kommunalpolitik traditionelle Priorität für kurzfristige gegenüber langfristigen Planungen läuft den für die LA21 erforderlichen Zeithorizonten entgegen.

Insgesamt handelt es sich beim Prozeß der lokalen Umsetzung der AGENDA21 noch um einen sehr jun-gen Prozeß, dessen Ergebnisse erst nach und nach vorliegen werden. Es wird sich zeigen müssen, ob mit den angewandten Methoden über die Aufstellung ei-nes lokalen Pendants zur AGENDA21 hinaus tatsäch-lich eine nachhaltige kommunale Entwicklung er-reicht werden kann. Die Entwicklung eines lokalen Handlungskatalogs allein bietet hierfür noch keine Gewähr.

41 Potentiale und Barrieren C 3.2.4

Der Beirat hält zur Würdigung des Rio-Prozesses folgende Punkte für bedeutsam:

• Die Rio-Konferenz an sich stellt bereits einen be-deutenden Fortschritt dar: Erstmals wurde von der überwältigenden Mehrheit der Staatenge-meinschaft das Leitziel der nachhaltigen Entwick-lung beschlossen. Die Staaten bekannten sich zu ihrer globalen Verantwortung und erkannten die Notwendigkeit globalen Handelns an.

• Aufgrund der Kürze der Zeit und der Komplexität des Globalen Wandels ist es nicht überraschend, daß eine durch den Rio-Prozeß beabsichtigte Trendwende zur Zeit noch nicht deutlich sichtbar ist.

• Vielmehr ist festzustellen, daß die negativen Trends, die zu der Rio-Konferenz geführt haben, ungebrochen sind, sich teils sogar verschärft ha-ben. Deshalb ist der in Rio eingeschlagene Weg mit großem Nachdruck konsequent weiter zu ver-folgen. Dabei dürfen auch die drängenden natio-nalen Probleme und knapper werdenden finan-ziellen Rahmenbedingungen nicht zu einem Nachlassen des globalen Engagements führen.

• Da national drängende Probleme häufig aufgrund der Globalisierungstendenzen mit den weltweiten Umwelt- und Entwicklungsproblemen vernetzt und rückgekoppelt sind, können nationale und globale Aufgaben nur im Verbund angegangen werden.

• Deutschland hat hier eine besondere Verpflich-tung und VerantworVerpflich-tung. Als „global player“, als einer der größten Mitverursacher globaler Um-weltprobleme und als eines der wirtschaftsstärk-sten Länder sollte Deutschland sich in der welt-weiten Umwelt- und Entwicklungspolitik beson-ders engagieren (WBGU, 1996b).

• Um den in Rio begonnenen Prozeß umzusetzen und die Probleme des Globalen Wandels besser zu bewältigen, ist der horizontale Selbstorganisa-tionsprozeß der Nationalstaaten – das „Regieren ohne (Welt)regierung“ (global governance) – wei-ter zu fördern und voranzutreiben.

• Soweit hierzu Konventionen, Protokolle und Ak-tionsprogramme erforderlich sind, sollte eine

sinnvolle Einbettung in das bestehende Institutio-nennetzwerk angestrebt werden, um Dopplungen zu vermeiden.Angesichts der zunehmenden inter-nationalen Institutionalisierung erhält die Koordi-nation und Weiterentwicklung bestehender Insti-tutionen eine immer größere Bedeutung.

• Auch die bestehenden internationalen Organisa-tionen und Abteilungen innerhalb der Vereinten Nationen sollten stärker auf die Prinzipien der UNCED verpflichtet werden. Der Beirat spricht sich hier vor allem für eine Stärkung des UN-Um-weltprogramms (UNEP) in seiner Funktion als Katalysator und Initiator einer internationalen Rio-orientierten Umwelt- und Entwicklungspoli-tik aus.

• Angesichts der nationalen Verpflichtungen, die aus der Umsetzung des Rio-Prozesses resultieren und in der Zukunft verstärkt anfallen werden, be-deutet die zum Teil dramatische Verschuldung der Entwicklungsländer eine ernstzunehmende Re-striktion für die Umsetzung. In der von der Staa-tengemeinschaft beschlossenen AGENDA 21 wird ein jährlicher zusätzlicher Gesamtbedarf für de-ren Umsetzung in Entwicklungsländern von ins-gesamt 600 Mrd. US-$ veranschlagt, von dem die internationale Gemeinschaft 125 Mrd. (jährlich im Zeitraum 1993–2000) aufbringen sollte (siehe AGENDA 21: §33.18). Angesichts der deutschen Beitragsquote zu den Vereinten Nationen von 8,93% für 1993 (1997: 9,5%) würde auf Deutsch-land ein Betrag von etwa 11,16 Mrd. US-$ entfal-len. Bezogen auf das deutsche Bruttosozialpro-dukt von 1993 – dem ersten Jahr des Planungszeit-raums der AGENDA 21 – entspräche dies 0,59%

des deutschen Bruttosozialprodukts (1.908 Mrd.

US-$, 1993). Die Übernahme derartiger Verpflich-tungen kämen dem international vereinbarten und auf den jüngsten Weltkonferenzen im UN-CED-Folgeprozeß erneut bestätigten Ziel eines BSP-Anteils für Entwicklungszusammenarbeit von 0,7% schon sehr nahe. Da die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern mehr umfaßt als die „reinen Rio-Folgekosten“, er-gibt sich eine über die 0,7% deutlich

hinausgehen-de Verpflichtung. Die hinausgehen-derzeitigen Aufwendungen Deutschlands für die Entwicklungszusammenar-beit belaufen sich auf 0,31% (1995) des Bruttoso-zialprodukts. Vergleichbare Industrieländer wie die Niederlande, Dänemark und Norwegen errei-chen hingegen zumindest das 0,7%-Ziel.

• Zur Frage der Unterstützung von Entwicklungs-ländern liegen inzwischen vielfältige Erfahrungen mit Finanzierungsmechanismen und -instrumen-ten vor, so der gemeinsam mit UNDP und UNEP verwalteten Globalen Umweltfazilität der Welt-bank (Jordan, 1994), mit dem Multilateralen Fonds zur Umsetzung des Montrealer Ozon-Pro-tokolls (Biermann, 1997) oder dem älteren Fonds für das Weltnatur- und Kulturerbe (Birnie und Boyle, 1992). Ein neuartiges Instrument ist der so-genannte „Schuldentauschhandel“ (debt swaps), in dem Schuldentitel von Entwicklungsländern gegen umweltpolitische Maßnahmen (debt for na-ture swaps) oder Maßnahmen zur Ernährungssi-cherheit (debt for food security swaps) „ge-tauscht“ werden (Jakobeit, 1996). Neben der di-rekten Finanzierung von Umweltprojekten durch separate Mechanismen muß der Umweltschutz

• Zur Frage der Unterstützung von Entwicklungs-ländern liegen inzwischen vielfältige Erfahrungen mit Finanzierungsmechanismen und -instrumen-ten vor, so der gemeinsam mit UNDP und UNEP verwalteten Globalen Umweltfazilität der Welt-bank (Jordan, 1994), mit dem Multilateralen Fonds zur Umsetzung des Montrealer Ozon-Pro-tokolls (Biermann, 1997) oder dem älteren Fonds für das Weltnatur- und Kulturerbe (Birnie und Boyle, 1992). Ein neuartiges Instrument ist der so-genannte „Schuldentauschhandel“ (debt swaps), in dem Schuldentitel von Entwicklungsländern gegen umweltpolitische Maßnahmen (debt for na-ture swaps) oder Maßnahmen zur Ernährungssi-cherheit (debt for food security swaps) „ge-tauscht“ werden (Jakobeit, 1996). Neben der di-rekten Finanzierung von Umweltprojekten durch separate Mechanismen muß der Umweltschutz

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