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1. Einleitung

1.4. Leukämogenese – die 2-Hit-Hypothese zur Transformation

In der Forschung gibt es zahlreiche Bestrebung mithilfe von Hypothesen eine Vorstellung von der Leukämogenese zu bekommen und die Leukämien in genetische Kategorien einzuteilen. Gilliland und Griffin präsentierten in ihrer Arbeit eine „2-Hit-Hypothese“

(Gilliland, Griffin, 2002). Dieses Modell besagt, dass zur Entstehung einer AML zwei „Hits“

oder Mutationen notwendig sind. Die Grundlage der Theorie bildet die Umwandlung einer hämatopoetischen Stammzelle oder einer hämatopoetischen Vorläuferzelle in eine leukämische Stammzelle (LSC). Hierfür sind die Treibermutationen und die von diesen abhängigen sekundären Mutationen verantwortlich. Diese halten in den leukämischen Stammzellen die Proliferation aufrecht, geben ihnen dadurch einen Überlebensvorteil, oder führen durch den meyloischen Differenzierungsblock zur Erhaltung der Selbsterneuerungskapazität (Dash, Gilliland, 2001) (Abb.1). Es ist ein wichtiger

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mithilfe des Single-Strand Annealing (SSA) bei homologen Sequenz-Wiederholungen auf beiden Seiten des Bruchs oder des Non-homologous end-joining (NHEJ) unabhängig von den Sequenzen miteinander verbunden (Kanaar, Hoeijmakers & van Gent, 1998, Weinstock et al., 2006, Meaburn, Misteli & Soutoglou, 2007).

Chromosomale Translokationen sind in 20% aller Malignome zu finden, dabei wurden 358 Genfusionen festgestellt, die in der Entstehung der Tumoren eine entscheidende Rolle spielen (Mitelman, Johansson & Mertens, 2007). Das bei den chromosomalen Translokationen entstehende Produkt führt zur Aktivierung eines Onkogens, das entweder als Transkriptionsfaktor fungiert, mit anderen Transkriptionsfaktoren interagiert oder die Transkriptionskontrollmechanismen einer Zelle ausschaltet (Rabbitts, 1994, Rowley, 2001, Zeisig et al., 2003). Die Genexpression wird in den meisten Fällen durch eine Störung der Acetylierung/Deacetylierung der Histone und durch Methylierung der Histone sowie der DNA desreguliert (Uribesalgo, Di Croce, 2011). Beispielsweise erhöht die Überexpression der H3K79 Methyltransferase Dot1L das Vorkommen der chromosomalen Translokation TMPRESS2-ETS, die mit Prostatakarzinomen assoziiert ist (Lin et al., 2009).

Viele chromosomale Translokationen sind mit einem speziellen Tumortyp assoziiert, deren Erforschung wichtige Erkenntnisse zur Diagnose, Behandlung und Prognose liefert (Lin, Yang & Rosenfeld, 2012). Das bekannteste Beispiel für die Rolle der Translokationen in der Leukämogenese ist die Entdeckung des Philadelphia-Chromosoms, der Fusion des BCR-Gens auf dem Chromosom 22 und des ABL-BCR-Gens auf dem Chromosom 9. Dieses Fusionsprotein aktiviert eine Tyrosinkinase, die zur Entstehung von chronisch myeloischen Leukämien (CML) führt (Kuppers, 2005). Als Erstlinientherapie wurden BCR-ABL spezifische Inhibitoren, wie Imatinib, entwickelt, die signifikant das Outcome der CML-Patienten verbessern (Deininger, Buchdunger & Druker, 2005).

Chromosomale Translokationen, die das KMT2A-Gen betreffen, sind in ungefähr 10% aller Leukämien zu finden und haben meist eine schlechtere Prognose als Leukämien, bei denen dieses Gen nicht betroffen ist (Winters, Bernt, 2017). In dieser Arbeit werden diese Translokationen näher beleuchtet.

1.6. KMT2A-Gen

Das KMT2A-Gen auf dem Chromosom 11q23, auch bekannt als mixed-lineage leukemia 1-Gen (MLL), ALL1, ALL0 oder HRX reguliert die Differenzierung der hämatopoetischen

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H3K79 Histon-Methyltransferase DOT1L aktivieren (Bitoun, Oliver & Davies, 2007). Die direkte Bindung des KMT2A-Gens an DOT1L führt zu einer leukämischen Transformation (Okada et al., 2005). Vielversprechend zeigten sich in präklinischen Studien zur Therapie von Leukämien, bei denen das KMT2A-Gen mutiert ist, DOT1L-Inhibitoren, die aktuell in weiteren klinischen Studien getestet werden (Stein, Tallman, 2015).

Die KMT2A-Fusionsproteine aktivieren unabhängig von dem Fusionspartner die Expression der HOX-Gene und unterdrücken dadurch die Differenzierung der Zelle, die sich folglich leukämisch transformiert (De Braekeleer et al., 2005, Wang et al., 2011) (Abb.2). HOX-Gene haben eine wichtige Rolle in der Organisation und Regulation der Hämatopoese, indem sie ein Gleichgewicht zwischen Proliferation und Differenzierung einstellen. In den hämatopoetischen Stammzellen und Vorläuferzellen sind die HOX-Gene hochreguliert, während sie in der Differenzierung und Reifung der Blutzellen herunterreguliert werden (De Braekeleer et al., 2014). Das KMT2A-Fusionsgen kann als stille Mutation persistieren bis es durch einen bestimmten Differenzierungsschritt aktiviert wird und die Leukämogenese initiiert (De Braekeleer et al., 2005).

Die KMT2A-Fusionsgene sind nicht nur in der Lage hämatopoetische Stammzellen zu transformieren, sondern auch die weiterdifferenzierten gemeinsamen myeloischen Vorläuferzellen (CMP) und die granulozytär-monozytären Vorläuferzellen (GMP) (Cozzio et al., 2003), die ebenfalls zu einem leukämischen Bild führen (Jude et al., 2007).

1.7. MLL-ENL Translokation

Die MLL-ENL-Translokation t(11;19) ist nach MLL-AF9-(t(9;11)) und MLL-AF4-Translokation (t(4;11)) die dritthäufigsten MLL-Fusion (Zeisig et al., 2003, Meyer et al., 2018). t(11;19) ist sowohl mit AML als auch mit ALL assoziiert (Lavau et al., 1997), dabei macht der Anteil der MLL-ENL-Translokation 18% der AML-Fälle und 4% der ALL-Fälle aus (Meyer et al., 2018). Es wurde zudem im xenogenen Mausmodell gezeigt, dass MLL-ENL in den humanen HSC eine B-ALL oder AML induzieren kann (Barabe et al., 2007).

Dabei soll die Ausdifferenzierung in eine Zelllinie von der Mikroumgebung der Zellen abhängig sein (Wei et al., 2008).

Die bekannten essenziellen Gene in der Entstehung der MLL-ENL-Leukämie sind HoxA9 und sein Cofaktor Meis 1 (Zeisig et al., 2004, Wang et al., 2011). Ein Tamoxifen-induzierbares Modell ermöglichte die Identifizierung weiterer

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Zielgene und deren Einteilung in zwei voneinander unabhängige Gruppen: die erste Gengruppe bindet zusammen mit der H3K79 Histon-Methyltransferase DOT1L am Promotor und führt zur Hochregulierung von Transkriptionsfaktoren (Garcia-Cuellar et al., 2016), was einen Differenzierungsblock zur Folge hat (De Braekeleer et al., 2014). Die zweite Gengruppe bindet zusammen mit dem positive transcription elongation factor (P-TEFb) an der Transkriptions-Terminierungsstelle, was durch die Aktivierung der RNA Polymerase II (Pol II) Proteinsynthese erhöht (Garcia-Cuellar et al., 2016). Diese beiden Gengruppen ermöglichen unterschiedliche pharmakologische Ansatzpunkte zur Therapie der MLL-ENL induzierten Leukämie durch P-TEFb und DOT1L-Inhibitoren (Garcia-Cuellar et al., 2016).

Die Translokation t(11;19) ist ein beliebtes Forschungsobjekt, um die Leukämieentstehung zu verstehen. Dabei bleibt noch unklar, welchen Einfluss sekundäre Mutationen haben. Die Arbeit von Horton et al. zeigt, dass Mäuse mit MLL-ENL-Leukämie durch Entfernung des MLL-ENL Transkripts geheilt werden können (Horton et al., 2009). Dadurch wird eine Möglichkeit eröffnet neue Therapien für MLL-assoziierte Leukämien zu entwickeln. Hierfür sind möglichst realitätsnahe Leukämiemodelle erforderlich.

1.8. Werkzeuge zur Genom-Editierung

Unter Genom-Editierung werden molekularbiologische Techniken zur zielgenauen Veränderung der DNA zusammengefasst. Das Grundprinzip beruht auf dem Einsatz einer Endonuklease, die an einer bestimmten DNA-Sequenz einen Doppelstrangbruch generiert.

Die Bruchstellen werden mithilfe des zelleigenen Reparaturmechanismus, beispielsweise der Nicht-homologen Endverknüpfung (NHEJ) oder homologer Rekombination (HR), zusammengefügt (Hsu, Lander & Zhang, 2014).

Die bekanntesten Systeme sind die Zinkfinger-Nukleasen (ZFN), Transcription Activator-like Effector Nucleases (TALENS) und Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats (CRISPR-Cas9) (Christian et al., 2010, Carroll, 2011, Jinek et al., 2012). ZFN und TALENS bestehen aus künstlichen Proteinen, die die DNA lokusspezifisch erkennen und Doppelstrangbrüche verursachen. CRISPR-Cas9 besteht aus einem natürlichen Protein, das RNA-geleitet die passende Sequenz findet (Jinek et al., 2012).

Allerdings bringen die einzelnen Werkzeuge verschiedene Limitationen mit sich: in der Zinkfinger-Technologie ist die Erkennung der DNA durch einen Zinkfinger nur in

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Nukleotid-Tripletten möglich, da jede Domäne aus drei Zinkfingern besteht, beschränkt sich die Erkennung auf neun Basenpaare (Bibikova et al., 2003). Um die Spezifität der Sequenzerkennung, die erst ab 18 Basenpaaren im humanen Genom gewährleistet ist, wurde der Gebrauch zweier Domänen entwickelt (Liu et al., 1997). Da es zwischen den einzelnen Zinkfingern zu Interaktionen kommen kann, musste erst eine Bibliothek entwickelt werden, die das Gesamtverhalten der Zinkfingerkombinationen beschreibt (Maeder et al., 2008).

Aufgrund der zahlreichen Kombinationen muss vor jeder Anwendung die Spezifität der ZFN-Domäne untersucht werden. Zudem ist es schwierig einige Domänen zu konstruieren (Gaj et al., 2016). Diese Aspekte erschweren die Arbeit mit den ZFNs und machen sie kostspielig.

Anders als ZFN erkennen TALENS jedes einzelne Basenpaar und bringen den Vorteil schneller und einfacher Entwicklung mit sich. Zudem weisen sie erhöhte Affinität zu der DNA und erhöhte Spezifität mit geringerer Toxizität auf (Gaj et al., 2016). Ein Nachteil der TALENs besteht in der Proteinlänge, die das Einschleusen in die Zielzelle erschweren kann.

Eine in der Handhabung einfache und effiziente Methode ist das CRISPR-Cas9-System (Jinek et al., 2013, Hsu et al., 2013, Cong et al., 2013, Mali, Esvelt & Church, 2013), das in der vorliegenden Arbeit verwendet worden ist und im Folgenden beschrieben wird.

1.8.1. CRISPR-Cas9-System zur Modifikation von eukaryoten Zellen (Typ II)

Das CRISPR-Cas9-System ist eine Technologie zur Modifikation des genetischen Materials der Zellen. CRISPR-Cas wurde ursprünglich als bakterieller Immunabwehrmechanismus gegen die Phagen entdeckt, bei dem die Cas9-Endonuklease geleitet von kurzen RNA Abschnitten fremdes Erbgut abbaut (Horvath, Barrangou, 2010, Bhaya, Davison &

Barrangou, 2011).

Abhängig von der Zusammensetzung der Cas-Gene lassen sich die Abwehrmechanismen verschiedener Organismen in mehrere Typen aufteilen, die häufigsten sind Typ I, II und III.

Während Typ I und Typ III homologe Cas-Proteine aufweisen, findet man beim Typ II CRISPR-Cas-System das Cas9 Protein, welches nur in diesem System zu finden ist und mehrere Funktionen wie die Prozessierung des CRISPR Transkripts und die Nukleaseaktivität in sich vereint (Makarova et al., 2011, Deltcheva et al., 2011). Der Streptococcus pyogenes Typ II CRISPR-Lokus wurde adaptiert, um das Genom der eukaryoten Zellen modifizieren zu können. Der CRISPR-Lokus wurde auf ein minimales

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Genomeditierungstools einfache Generierung von Indel-Mutationen, Deletionen, Translokationen (Abb.3) und Insertionen. Um die Genomeditierung zu vereinfachen wurde eine kombinierte crRNA-tracrRNA Chimäre entwickelt, die sogenannte short guide RNA (sgRNA), eine Imitation der natürlichen crRNA-tracRNA-Hybride, bei der die Spacersequenz sehr einfach benutzerdifferenziert ausgetauscht werden kann (Jinek et al., 2012, Mali, Esvelt & Church, 2013, Cong et al., 2013, Hsu et al., 2013).

1.8.2. Anwendung von CRISPR-Cas9 in der Onkologie

In der Forschung gibt es zahlreiche Anwendungsbeispiele für CRISPR-Cas9. In der Onkologie ist es ein sehr beliebtes Modell, um schnell und kostengünstig Genmodifikationen, wie Mutationen (Heckl et al., 2014), Deletionen (Cong et al., 2013), Translokationen und Inversionen sowohl im Bereich der soliden als auch der hämatologischen Tumoren durchzuführen (Choi, Meyerson, 2014).

CRISPR-Cas9 eignet sich dabei zur schnellen Generierung von Mausmodellen, in denen mehrere Gene gleichzeitig genetisch verändert werden können. Heckl et al. beschreibt ein lentiviral-vermitteltes CRISPR-Cas9 Mausmodell einer AML mit bis zu fünf gleichzeitig inaktivierten Tumorsupressorgenen zur Erforschung der gleichzeitig auftretenden Mutationen (Heckl et al., 2014).

Choi et al. zeigte in seiner Arbeit die erfolgreiche Anwendung von CRISPR-Cas9 zur Generierung von Translokationen und Inversionen am Beispiel von lungenkarzinom-spezifischen chromosomalen Aberrationen (Choi, Meyerson, 2014). Blasco et al.

entwickelte ein lentiviral-basiertes CRISPR-Cas9-Mausmodell eines Nicht-kleinzelligen-Lungenkarzinoms mit der endogenen Translokation Eml4-Alk (Blasco et al., 2014).

Chen et al. benutzten eine CRISPR-Cas9 basierte Technik zur sequenzspezifischen Visualisierung von Genen in humanen Zellen, die die Möglichkeit eröffnet, die Chromatinorganisation während eines Zellzyklus oder die Veränderungen der Telomerlängen in vivo zu beobachten (Chen et al., 2013).

Ebenfalls im Bereich der Hämatologie gibt es zahlreiche Anwendungsbeispiele, die das Potenzial von CRISPR-Cas9 zum Ausdruck bringen. Mandal et al. zeigte in seiner Arbeit die erfolgreiche Ausschaltung von Genen in humanen T-Zellen und hämatopoetischen Stammzellen (Mandal et al., 2014). Torres et al. demonstrierte die Generierung der AML

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t(8,21)-Translokation in Zelllinien und humanen hämatopoetischen Stammzellen mithilfe der Nukleofektion (Torres et al., 2014).

Die oben aufgeführten Beispiele bilden nur eine kleine Übersicht über die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten. Die CRISPR-Cas9-Technologie stellt aktuell ein wichtiges, häufig angewendetes Werkzeug in der Genomeditierung dar.

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Die Originalpublikation wurde mit Genehmigung des Verlages Haematologica abgedruckt.

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Die Pathogenese der leukämischen Zelltransformationen bleibt trotz der langjährigen Forschungsgeschichte in Ihrer Gesamtheit unzureichend verstanden. Ursächlich für die Entstehung einer Leukämie werden genetische Veränderungen, wie Mutationen, Deletionen, Insertionen und Translokationen angesehen, die letztendlich zur unkontrollierten Zellteilung und Entartung der Blutzellen führen. Chromosomale Translokationen sind in 50% aller hämatologischen Krebserkrankungen zu finden (Mitelman, Johansson & Mertens, 2007).

Insbesondere bei pädiatrischen Leukämien bedarf es weiterer gründlicher Abklärung, um die genaue Rolle der chromosomalen Translokationen in der Pathogenese der Leukämie zu ergründen und therapeutische Optionen zu erschließen.

In dieser Arbeit wurde der Fokus auf die chromosomale Translokation t([11;19]/MLL-ENL) gelegt. Mit Hilfe des CRISPR-Cas9 Systems zur Genom-Editierung konnten wir eine erfolgreiche Generierung der MLL-ENL Translokation erwirken und dessen Rolle in hämatopoetischen Stammzellen in vitro und in vivo erstmals vollständig endogen untersuchen. Die dadurch generierten in vivo Modelle präsentierten leukämische Krankheitsbilder, die auf diese Translokation zurückzuführen sind und das Spektrum der kindlichen Leukämie (AML & ALL) präzise rekapitulieren. Diese Modelle werden in zukünftigen Studien helfen, die Rolle der MLL-Translokationen in der leukämischen Transformation nachzuvollziehen.

3.1 . Vektoroptimierung

In dieser Arbeit wurde ein in früheren Arbeiten (Heckl et al., 2014) beschriebener lentiviraler Vektor verwendet, der eine sgRNA mit der Zielsequenz, die Endonuklease Cas9 und den Marker für das Fluoreszenzprotein eGFP kodiert. Diesem Abschnitt ging ein humaner U6 Promotor voran, dieser wurde zur Optimierung ausgetauscht. Zur Verfügung standen die Promotoren des Rous-Sarkom-Virus (RSV), Zytomegalievirus (CMV) und Simian-Virus 40 (SV40), die als Transkriptionsverstärker in den lymphatischen Zelllinien wirken (Zarrin et al., 1999). Im Einklang mit den Arbeiten von Schambach et al. und Wu et al. zeigte sich auch in dieser Arbeit die Kombination des RSV Promotors mit dem CMV und SV40 am wirksamsten, dadurch wurde die Virusproduktion um das 2-3 fache erhöht (Schambach et al., 2006, Wu, Lu, 2010).

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Zur weiteren Effizienzsteigerung des CRISPR-Cas9-Systems etablierten wir einen „ all-in-one-Vektor“, der beide für die Translokation t([11;19]/MLL-ENL) benötigten sgRNAs auf einem Vektor exprimiert. Kabadi et al. präsentiert ein ähnliches lentivirales System mit bis zu vier sgRNAs auf einem Vektor, der mithilfe der Golden Gate Klonierung generiert wurde (Kabadi et al., 2014). Mit diesem System können bis zu vier Zielgene simultan modifiziert werden. Die Golden Gate Klonierung zeichnet sich durch ihre Anwendungsfreundlichkeit und Zeitersparnis aus, dadurch, dass alle sgRNAs in einem Schritt in den Vektor hineinkloniert werden (Kabadi et al., 2014).

Bei der konventionellen Co-Transfektion mit mehreren Vektoren zur Generierung von Translokationen tritt das Problem auf, dass die sgRNAs von mehreren Vektoren unterschiedlich hohe Expressionslevel aufweisen. Dieses könnte zur Folge haben, dass die Wahrscheinlichkeit der gewünschten Translokation durch ungleiche Menge an geschnittener DNA gesenkt wird (Kabadi et al., 2014). Dieser unerwünschte Effekt wird aufgrund von simultaner Modifizierung beider Chromosomen mit gleicher Effizienz durch den „ all-in-one-Vektor“ umgangen.

Weitere positive Effekte des kombinierten Einsatzes mehrerer sgRNAs sind die minimierte zytotoxische Wirkung aufgrund der reduzierten zur Transduktion eingesetzten Virusmenge und reduziertes Risiko unerwünschter Mutationen. Durch die Minimierung der zur Transduktion verwendeten DNA-Menge lässt sich die Off-Target-Aktivität (Schneiden an strukturell ähnlichen DNA-Abschnitten außerhalb des gewünschten Lokus) drastisch senken. Dieses bedingt allerdings auch geringere On-Target-Aktivität (Hsu et al., 2013, Fu et al., 2013). Somit ist es notwendig eine Titration durchzuführen, um eine gerade noch für die Transduktion ausreichende Cas9 und sgRNA-DNA-Menge herauszufinden. Es wurde gezeigt, dass die Off-Target-Aktivität auch von der Nukleotidzusammensetzung der sgRNA abhängig ist. Beispielsweise stabilisiere ein hoher CG-Anteil die sgRNA/genomische DNA Hybride (Sugimoto et al., 1995) und mache sie dadurch toleranter gegenüber Mismatches.

Zusätzlich zur Reduktion der zytotoxischen Wirkung und zum Erreichen höherer Infektionsraten wurde die Ultrazentrifugation zur Konzentrierung des Virusüberstandes und Durchflusszytometrie (FACS) zur Anreicherung der transduzierten Zellen eingesetzt. In der Durchflusszytometrie werden die Zellen herausgefiltert, die erfolgreich das lentivirale System integriert haben (Duda et al., 2014).

Neben der in dieser Arbeit verwendeten lentiviralen Transduktion sind alternative Methoden zur Modifikation hämatopoetischer Stammzellen mit dem CRISPR-Cas9 System in der

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Literatur zu finden: Plasmid-DNA-Transfektion (Mandal et al., 2014), Einsatz von chemisch modifizierter RNA zur Steigerung der Indel-Mutationsfrequenzen (Hendel et al., 2015), direkte Elektroporation von RNA-guided engineered nucleases (RGENs)-Ribonucleoproteinen (RNPs) (Kim et al., 2014, Gundry et al., 2016) und Einsatz von transienten retroviral-basierten CRISPR-Cas9-All-in-one Partikel (Knopp et al., 2018).

Der Einsatz der RNPs erwies sich im Vergleich zum lentiviralen System als schnell, da keine Klonierung der lentiviralen Vektoren und Herstellung des Virusüberstandes notwendig sind (Gundry et al., 2016), effizient in der Genomeditierung der Stammzellen mit Erfolgsraten von bis zu 20% und reduzierter Off-Target-Aktivität (Kim et al., 2014). In unserer Arbeit lag der Anteil an erfolgreich modifizierten hämatopoetischen Stammzellen bei 16%, diese wurden mithilfe eines Fluoreszenzprotein-Markers selektiert, diese Möglichkeit ist beim Einsatz der RNPs nicht gegeben. Die absolut gesehen niedrige Genomeditierungsquote führt dazu, dass für die Experimente sehr große Mengen an hämatopoetischen Stammzellen benötigt werden, um letztendlich ausreichend Zellen für weitere Experimente zu gewinnen.

In unserer Arbeit untersuchten wir mithilfe des SURVEYOR Assays (Guschin et al., 2010) die Off-Target-Aktivität der verwendeten sgRNAs, die sowohl bei ENL als auch MLL nicht detektierbar waren. Die sgRNAs wurden nach der höchsten On-Aktivität (Heckl et al., 2014) und geringer vorhergesagter Off-Target Aktivität (Stemmer et al., 2015) selektiert. Hendel et al. optimierten die Indel-Mutationsfrequenzen durch chemische Modifizierung der sgRNA, die dabei erreichten Indel-Mutationsfrequenzen sind mit den Ergebnissen aus unserer Arbeit zu vergleichen (Hendel et al., 2015). Als Nebenwirkung wird aber auch eine gleichzeitige Steigerung der Off-Target-Aktivität beschrieben (Hendel et al., 2015). Um diesen negativen Effekt zu eliminieren, modifizierten Forschungsgruppen das Backbone der sgRNA chemisch an spezifischen Stellen, sodass die Off-Target-Aktivität ohne Veränderung der On-Target-Aktivität gesenkt werden konnte (Ryan et al., 2018).

Trotz der vielen Vorteile des Einsatzes der RNPs sollte man die durch Elektroporation ausgelöste spannungsabhängige Zelltoxizität nicht ausblenden (Mello de Queiroz et al., 2012). Knopp et al. fanden heraus, dass ebenfalls stabile, hohe Expression des Cas9 Enzyms eine zytotoxische Wirkung auf die modifizierten Zellen hat (Knopp et al., 2018). Dieses kann durch den Einsatz von transienten retroviral-basierten CRISPR-Cas9-All-in-one-Partikel oder von Integrase-defizienten lentiviralen Vektoren erreicht werden (Ortinski et al., 2017, Knopp et al., 2018). Persistenz Cas9 exprimierender muriner hämatopoetischer Stammzellen mit neutraler sgRNA nach lentiviraler Transduktion deutet jedoch auf geringe Toxizität des

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lentiviralen Vektorsystems hin, welches als Basis für diese Arbeit gedient hat (Heckl et al., 2014). Die Persistenz humaner hämatopoetischer Stammzellen und Entwicklung leukämischer Klone in dieser Studie scheint das Ergebnis zu unterstützen (Reimer et al., 2017).

Aus der Zusammenschau wird deutlich, dass jede Methode ihre Vor- und Nachteile mit sich bringt. Insgesamt erreicht das lentivirale Modell vergleichbar gute Ergebnisse in der Genomeditierung mit sehr geringen Off-Target-Effekten. Die variablen Transduktionsraten müssten in nachfolgenden Studien optimiert werden. Nicht auszuschließen ist das Risiko der unerwünschten lentiviralen Integration (Dull et al., 1998). Im Vergleich zu den oben beschriebenen Methoden ist das lentivirale CRISPR-Cas9-Konstrukt als gleichwertig anzusehen.

3.2. Reziproke Translokation in hämatopoetischen Stammzellen

Zur Untersuchung von Leukämien mit bestimmten Translokationen wurden Zelllinien entwickelt, die das Translokationsprodukt exprimieren, beispielsweise die humane chronisch myeloische Zelllinie mit dem positiven Philadelphia-Chromosom (Lozzio, Lozzio, 1975) oder die murine akute myeloische Zelllinie mit dem MLL-ENL-Fusionsgen (Ninomiya et al., 2006). Diese Modelle sind wichtig für die Erforschung der Leukämien, doch dabei vernachlässigt man den Entstehungsprozess einer Translokation und die somit fehlenden reziproken Translokationsprodukte und das Wildtyp-Allel beider betroffener Gene, die eine wichtige Bedeutung in der Leukämogenese haben können (Torres, Martin et al. 2014).

Chromosomenaberrationen können erfolgreich mit Genomeditierungstechniken generiert werden, hierzu zählen ZFN (Zinkfinger-Nukleasen) (Carroll, 2011, Miller et al., 2007), TALENs (Transcription Activator-Like Effector Nuclease) (Mussolino et al., 2011, Miller et al., 2011) und CRISPR-Cas9 (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) (Cong et al., 2013, Jinek et al., 2013). Die Methoden basieren auf zielgenauer Veränderung der DNA durch Einsatz von spezifischen Nukleasen (Wood et al., 2011, Sanjana et al., 2012, Choi, Meyerson, 2014, Feng, Zhang & Huang, 2014, Kabadi et al., 2014, Torres et al., 2014, Piganeau et al., 2016). Das jüngste Genomeditierungswerkzeug CRISPR-Cas9 überzeugt im Vergleich mit ZFN und TALENs durch seine Einfachheit, schnelle Anwendbarkeit und höhere Effizienz mit weniger Off-Target-Effekten (Kabadi et

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al., 2014, Khan, 2019). Bei ZFN und TALENs muss für jedes neue Target ein neues Protein designt werden, was den Prozess aufwendig und kostspielig gestaltet (Khan, 2019). Bei CRISPR-Cas9 hingegen müssen nur 20 Basenpaare entsprechend der Zielsequenz ausgetauscht werden (Jinek et al., 2012).

Die Genomeditierungstechniken ZFN uns TALENs werden bereits im klinischen Umfeld zu Gentherapiezwecken getestet (Tebas et al., 2014, Hotta, 2015), auch der Einsatz von CRISPR-Cas9 in Bereich der Sichelzellanämie und ß-Thalassämie wird in nächster Zukunft folgen (Cornu, Mussolino & Cathomen, 2017, Antoniani et al., 2018).

In unserer Arbeit zeigten wir erstmals, dass mithilfe des „all-in-one-Vektors“ in hämatopoetischen Zellen die Translokation t([11;19]/MLL-ENL) erfolgreich generiert werden kann. Im ersten Schritt transduzierten wir erfolgreich K562-Zellen, die das MLL-ENL-Translokationsprodukt auf der DNA- und der RNA-Ebene erfolgreich exprimierten.

Als Nachweis einer echten reziproken Translokation wurde ebenso das reziproke ENL-MLL-Transkript detektiert. Die Arbeit von Bursen, Schwabe et al. zeigt, dass das reziproke

Als Nachweis einer echten reziproken Translokation wurde ebenso das reziproke ENL-MLL-Transkript detektiert. Die Arbeit von Bursen, Schwabe et al. zeigt, dass das reziproke