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3. Diskussion

3.3. Leukämieentstehung im Mausmodell

Um das Verhalten der zellulären Transformation zu untersuchen, bieten sich in vivo Mausmodelle an. Während bereits über syngene Transplantation muriner Zellen weitreichende Rückschlüsse gezogen werden können (Corral et al., 1996, Drynan et al., 2005), gehören Xenotransplantationssysteme zu den besten präklinischen in vivo-Modellen, um die Biologie humaner Leukämien zu untersuchen (Lapidot, Fajerman & Kollet, 1997, Bonnet, 2017).

Aktuelle Studienlage zeigt, dass das NSG-Xenotransplantationsmodell verbesserte Umweltbedingungen für das Wachstum und die Entwicklung humaner Zellen bietet als die NOD/SCID Mäuse (Ailles et al., 1999, Feuring-Buske et al., 2003, Shultz et al., 2005). Diese Bedingungen wurden in der NSGS-Maus vereint, die transgen humanes IL-3, GM-SCF und SF produziert und das IL-2RG Knockout aufweist (Nicolini et al., 2004, Wunderlich et al., 2010). Zahlreiche Studien zeigen, dass die Entstehung einer ALL oder AML von der Transformation unterschiedlicher Progenitorzellen abhängig ist (Hope, Jin & Dick, 2004, Ugale et al., 2014). Ein Beispiel dafür ist das MLL-AF9 Onkogen, das die granulozytären Progenitorzellen zu HSZ-ähnlichen Zellen mit hohem Selbsterneuerungspotential umwandelt (Krivtsov et al., 2006, Buechele et al., 2015).

Der nächste Schritt in unserer Arbeit war frisch transduzierte CD34+ hämatopoetische Stammzellen in NSGS-Mäuse zu transplantieren. Das Aktenzeichen der Tierversuchsgenehmigung lautet 12-0787. Wir untersuchten in der 25, 26 und 27 Woche drei kranke Mäuse, von denen zwei robuste Vektorexpression und ein monozytäres Blutbild mit ausgeprägter Knochenmark- und Leberinfiltration aufwiesen. Das mangelnde Wissen über die additionalen Mutationen bei der Entstehung einer Leukämie (Andersson et al., 2015) wirft die Vermutung auf, dass die Umweltbedingungen nicht nur den Phänotyp der Leukämie beeinflussen (Wei et al., 2008), sondern auch Auswirkungen auf die Transformationskapazität haben. Dieses wird in unseren Experimenten veranschaulicht: die aus den in vitro Experimenten nicht zur vollen Transformation fähigen Zellen, schaffen es sich erfolgreich in dem Empfängerorganismus einer Maus einzunisten, über einen längeren Zeitraum zu persistieren und im Endeffekt eine monozytische Leukämie zu entwickeln. Eine Erklärung dafür könnte der Mangel an zusätzlichen Signalen in vitro zur Erhaltung einer prä-leukämischen Zelle oder der prolongierte Zeitrahmen für den Erwerb zusätzlicher genetischer Mutationen in vivo sein (Barabe et al., 2007, Wei et al., 2008).

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Andere Arbeitsgruppen, die in NSG-Xenotransplantationsmodellen mithilfe von TALENs den Einfluss der MLL-Translokationen in Leukämien untersuchten, berichten vom Auftreten der Krankheitssymptome nach durchschnittlich 16 Wochen (Buechele et al., 2015) und nach 48 Wochen (Schneidawind et al., 2018). Eine mögliche Erklärung für diese großen Unterschiede ist die Zeitspanne, in der sich die Zellen in der in vitro Kultur befinden, bevor sie transplantiert werden (Schneidawind et al., 2018). Möglicherweise spielen auch die in den Experimenten verwendeten NSGS-Mäuse eine wichtige Rolle, da die Umweltbedingungen sich von Organismus zu Organismus unterscheiden.

Um das maligne Potential unserer in die NSGS-Mäuse transplantierten Zellen zu validieren, führten wir eine sekundäre Transplantation der Zellen, die aus den erkrankten Mäusen gewonnen wurden, durch, indem wir diese in neue NSGS-Mäuse injizierten. Im Sekundärtransplant verkürzte sich die Latenzzeit bis zum Auftreten des leukämischen Krankheitsbildes von 26 Wochen auf 16 Wochen. Ein ähnliches Ergebnis erzielte die Arbeitsgruppe von Schneidawind et al. mit einer Verkürzung der Latenzzeit von 48 auf 28 Wochen (Schneidawind et al., 2018). Eine mögliche Erklärung dafür ist der bereits erwähnte prolongierte Zeitrahmen der transformierten Zellen im Mausorganismus, in dem zusätzliche Mutationen/ Hits entstehen konnten, die den Krankheitsausbruch im zweiten Organismus beschleunigen. Zudem entdeckten wir in der Sekundärmaus mittels Sanger-Bruchpunktanalyse andere Klone als in der Primärmaus, dieses deutet darauf, dass unsere Methode zu ungenau war und zur genaueren Klonanalyse Next-Gen Sequencing angewendet werden sollte (Hayes, Kim, 2015).

Die unterschiedliche Latenzzeit kann aber auch auf die proliferative Kapazität der unterschiedlichen Leukämie-Typen zurückgeführt werden (Pearce et al., 2006). In den aktuellen Studien wird zwischen den sogenannten „Engraftern“ und „Nonengraftern“

unterschieden (Bonnet, 2017), was vom Karyotyp der Zellen und nicht vom Homing, Conditioning oder der Zelldosis abhängig ist (Pearce et al., 2006). Laut der Arbeit von Pearce et al. bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen dem Engraftmentpotential und der karyotypisch festgelegten Prognosegruppe: je schlechter die Prognose, desto höher das Engraftment. Somit hätte unser Karyotyp t(11;19) eine intermediäre Prognose und ein intermediäres Engraftment (Pearce et al., 2006). Um diese Hypothese zu validieren, müssten Transplantationsserien verschiedener Translokationen unter gleichen Bedingungen durchgeführt werden, um den Engraftmenterfolg objektiv vergleichen zu können.

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Als nächstes zeigten wir die vom Primärorganismus unabhängige Entwicklung des leukämischen Klons im Sekundärorganismus, was wiederum den wichtigen Einfluss der Umweltbedingungen auf die Mutationen in den Genen verdeutlicht. Der Einsatz der seriellen Transplantation und des NHEJ-Trackings ermöglicht es die klonale Evolution der leukämischen Zellen unter dem Einfluss verschiedener Faktoren, beispielsweise auch Medikamente, in vivo zu erforschen. Wir konnten auch zeigen, dass selbst Zellen aus einem gesunden Primärorganismus im Sekundärorganismus maligne entarten können, in unserem Fall entwickelte sich eine B-ALL. Mögliche Erklärung für diese Entwicklung wäre wiederholt der Umwelteinfluss des neuen Organismus. Zudem behält jede lymphatische Zelle die Fähigkeit bei immunologischer Aktivierung klonal zu expandieren, dadurch steigt statistisch die Wahrscheinlichkeit der leukämischen Transformation bei einem größeren Pool an sich teilungsfähigen Zellen (Rehe et al., 2013). Der Engraftmenterfolg in den Primärmäusen trotz der fehlenden leukämischen Entwicklung konnte durch den Nachweis von MLL-ENL und ENL-MLL Translokationsprodukten bestätigt werden, was beweist, dass die Zellen sich zwar erfolgreich eingepflanzt haben, allerdings weitere Mutationen notwendig sind, um eine Leukämie hervorzurufen. In weiteren Versuchsreihen können zur weiteren Abklärung der additionalen Mutationen größere Kohortenstudien mit umfassenderen Sequenzierungen durchgeführt werden.

Zusammenfassend zeigt unsere Arbeit ein erstmalig durch CRISPR-Cas9 induziertes in vivo Leukämiemodell der MLL-ENL-Translokation. Im Einklang mit aktuellen Studien konnten wir das limitierte Potential der MLL-ENL-Translokation zur vollständigen Transformation in vitro aufzeigen, das durch ein Xenotransplantationsmodell überwunden werden kann. Die genauen Hintergründe hiervon müssten in weiteren Studien untersucht werden. Um die Frage nach zusätzlichen Mutationen beantworten zu können, müssten Genomsequenzierungsstudien durchgeführt werden, um mögliche Zusammenhänge zwischen den Mutationen aufzudecken. Insgesamt haben wir ein solides CRISPR-Cas9 Modell der MLL-ENL-Translokation geschaffen, das der natürlichen Leukämogenese näher kommt und die Möglichkeit zur tiefergehenden Studien ermöglicht.

Unsere Methodik kann ebenfalls zur weiterführenden Generierung anderer Leukämiemodelle, zur detaillierten Analyse homöostatischer Mechanismen und additionalen Mutationen in der leukämischen Transformation eingesetzt werden.

Weiterführend wird auch die Erforschung und Testung der zielgerichteten Krebstherapien ermöglicht.

___________________________________________________________________ Zusammenfassung

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