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Lernort Museum

Im Dokument DIPLOMARBEIT / DIPLOMA THESIS (Seite 53-57)

4. MUSEEN IM KONTEXT DER GEGENWART

4.5. Möglichkeiten und Grenzen von Museen

4.5.3. Lernort Museum

Trotz, oder gerade wegen der Kritik des Museums als elitärer Raum, der Gefahr des Infotainments, muss der Bildungsauftrag129 in öffentlichen Einrichtungen ernst genommen, seine praktische Umsetzung immer wieder überprüft und neu durchdacht werden. Denn gerade wegen seiner kultur- und bildungspolitischen Funktionen legitimiert sich heute das Museum und macht es trotz ständigem Wandel und Kritik unverzichtbar.

Zahlreiche Projekte (u.a. die EU-Projekte AEM, MUSEAM, EUROEDULT) beweisen ein Bemühen um das Museum als neutralen Lernort, an dem nicht nur Angebote für Kinder und Jugendliche stattfinden, sondern auch auf Erwachsenenbildung wertgelegt wird.

Laut Wolfgang Zacharias ist es die Museumspädagogik, die maßgeblich zur kulturellen Bildung beiträgt, bzw. sie aufwertet130. Sie ermöglicht Erfahrungs- und Bildungschancen im Kontext kulturell-ästhetischen Lernens. Die Chancen, Stärken und die Zukunft des Museums liegen laut ihm in der

„(…) Präsentation und aktiv-handelnde[n] wie reflexiv-anschauliche[n] Vermittlung des Materiellen, Dinglichen und (Be-)Greifbaren in allen historischen wie aktuellen Formen des Erscheinens.“131

Es führt also kein Weg daran vorbei das Museum als Lernort zu verstehen. Diese Bezeichnung verdeutlicht, dass die Bildungs- und Vermittlungsarbeit in Museen und im öffentlichen Raum nicht nur als rein personale Vermittlung zu verstehen ist, sondern sie reicht vom Kuratieren über Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Ausstellungsentwicklung bis zum Besucher_innenservice132. Dieses umfassende Bewusstsein für das Museum als Lernort liegt in den emanzipativen Entwicklungen das 20. Jahrhunderts begründet (oben bereits erläutert). Dies

129 „Museen haben die wichtige Aufgabe, ihre bildungspolitische Funktion weiterzuentwickeln und ein immer breiteres Publikum aus der Gesellschaft, der örtlichen Gemeinschaft oder der Zielgruppe, für die sie eingerichtet sind, anzuziehen. Die Wechselbeziehung des Museums mit der Gesellschaft und die Förderung ihres Erbes sind unmittelbarer Bestandteil des Bildungsauftrages eines Museums.“ ICOM, „Ethische Richtlinien für Museen von ICOM“. 19.

130 Vgl. Commandeur, Kunz-Ott, und Schad, Handbuch Museumspädagogik. 13.

131 Ebd. 15.

132 Vgl. Tobias Nettke, „Was ist Museumspädagogik? - Bildung und Vermittlung in Museen“, in Handbuch Museumspädagogik: kulturelle Bildung im Museum (München: koepad, 2016), 31–43. 31.

beinhaltet auch, dass Museen heute auch als Erlebnis-, Begegnungs-, Erfahrungs-, und Konsumorte wahrgenommen werden. Bodo von Borries betont, dass der Vorteil dieses Lernortes in seinem außerschulischen Charakter liegt, der ihn direkter und beziehungsreicher133 erscheinen lässt und mehrere Funktionen gleichzeitig ausgeübt werden können (von der Initiierung von Lernprozessen abgesehen).

Diese Arbeit muss sich v.a. mit dem Museum als Lernort beschäftigen, an dem interdisziplinäre Arbeit zwischen Museums- und Medienpädagogik geschieht, und die geschichtsdidaktische Auseinandersetzung mit dem Geschichtsbewusstsein fokussiert wird. Wie trägt in diesem Rahmen das Medium Spielfilm als Exponat zu einer Erwachsenenbildung, aber auch zur Bildung von Kindern und Jugendlichen bei? Wie kann lebenslanges Lernen damit nachhaltig gefördert werden?

Wie bereits erläutert, sind es partizipative, interaktive, multimediale, besucher_innenzentrierte Konzeptionen, die die Vermittlungs- und Bildungspraxis heutiger Museen prägen. Ziel dieser teils reformpädagogischen Ansätze ist es, Wissen über historische Objekte nicht nur linear zu kommunizieren, sondern auch kulturell (interpretativ) und partizipativ (interaktiv), um die Fähigkeit zu fördern, Objekte zu betrachten, hinterfragen und kontextualisieren zu können. Um dies zu gewährleisten ist darauf hinzuweisen, dass sich all diese Ansätze in keinem konkurrierenden Verhältnis befinden, sondern ergänzend zu verstehen sind. Ästhetische und kulturelle Bildung sind dabei Bezugspunkte, auf die sich die Museumspädagogik bezieht.

Neben diesen liegt es aber auf der Hand, dass in Anbetracht der Filmimmanenz die Medienbildung in allen öffentlichen Bildungslandschaften ebenfalls notwendig ist. Medien einzusetzen, um einen Lernort zu schaffen und zu gestalten entspricht nicht nur den modernen technologischen und alltagsweltlichen Gegebenheiten, sondern ermöglicht ein Eingehen auf verschiedene Lernformen und -typen (visuell, auditiv, taktil, kinästhetisch, …). Allein das Medium Spielfilm kann eingesetzt werden als interaktives oder sequenziertes Informations- und Vertiefungselement, als rahmenbestimmender Türöffner, als gesamtwerklicher Impuls für weitere Auseinandersetzungen und audiovisuelle, emotionalisierende Untermalung. Es übt dabei die Funktion eines historischen Artefakts aus, aber auch die der Vermittlung. Vermittlung der ästhetischen Bildung beispielsweise. Aber nicht nur die trägt zu einem reflektierten Geschichtsbewusstsein bei; durch Medienkompetenz kann Spielfilm nicht nur als Medium bewusst wahrgenommen werden, sondern auch aktiv damit in Beziehung getreten werden und

133 Vgl. Bodo von Borries, „‚Orte‘ des Geschichtslernens. Trivialität oder Schlüsselproblem?“, in Orte des historischen Lernens (Berlin: Lit-Verlag, 2008), 11–35. 24.

Fragen zum Geschichtsbewusstsein ermöglichen. Es liegt auf der Hand, dass sich nicht nur Filmmuseen und -archive dieses Einsatzes bedienen sollen um eine Förderung von Medienkompetenz vorantreiben. Medienkompetenz, als kulturelle Ressource, muss als Ansatz einer Kulturökologie gesehen werden. Ihre Förderung trägt maßgeblich zu einer kulturellen Entwicklung bei.

Die auf Noam Chomskys (universelle Grammatik) und Jürgen Habermas‘ (kommunikative Kompetenz) begründete Definierung Dieter Baackes Medienkompetenz, liefert grundlegende Leitlinien, darf aber nicht leichtfertig verwendet werden, da ihm bildungs- und lerntheoretische Fundierungen fehlen134. Allerdings erscheint es mir wichtig diesen Begriff nach Baacke hier zu verwenden, um Medienkompetenzförderung greifbar zu machen. Medienkritik (analytisch, reflexiv, ethisch), Medienkunde (informativ, instrumentell, qualifikatorisch), Mediennutzung (rezeptiv-anwendend, interaktiv-handelnd), Mediengestaltung (innovativ, kreativ)135 sind diese vier Leitlinien.

Die Frage jedoch ist, welche dieser Leitlinien sich in einem musealisierten Raum realisieren lassen können, um eine nachhaltige Medienbildung zu fördern. Wie bereits erwähnt, steht es den Besucher_innen frei, ein Exponat zu betrachten oder nicht; Sinnkonstruktionen daraus ergeben sich individuell und sind daher vielfältig. Im Museum, als nicht-formellem, bzw.

informellem Lernort, können konkrete Auswirkungen zwar schwer überprüft werden, es stellt aber eine wichtige Schnittstelle dar für eine aktive Auseinandersetzung mit Medien, die, auch das wird durch Baacke betont, mediale Handlungsfähigkeit ermöglicht. Ein vielzitiertes Resümee der Medienforschung soll dies noch einmal betonen:

“We must get away from the habit of thinking in terms of what the media do to the people and substitute for it the idea of what people do to media.”136

Spielfilme als Exponate können hierfür als Impuls für diese aktive Auseinandersetzung gelten, allerdings ist dies nur ein erster Schritt hin zu einer Emanzipation von Medieneinflüssen, die unser Geschichtsbewusstsein maßgeblich prägen. Stellt man jedoch Filmvermittlung in den Vordergrund, so kann dies nicht nur eine Förderung von ästhetischen, kulturellen und medialen

134 Vgl. Konstantin Mitgutsch, „Medienkompetenz - Formel oder Leerformel?“, in Medienbildung in Österreich (Berlin: Lit-Verlag, 2008), 94–103. 102.

135 Vgl. Ben Bachmair, Medienbildung in neuen Kulturräumen. Die deutschsprachige und britische Diskussion.

(Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2010), https://link-springer-com.uaccess.univie.ac.at/book/10.1007%2F978-3-531-92133-4. 18.

136 O’Sullivan et al. (1994), in: Volkmann, „Popular Culture im Fremdsprachenunterricht. Musikvideoclips, Popsongs, Werbung“. 285.

Kompetenzen, sondern auch eine Aufarbeitung eines unhinterfragten Geschichtsbewusstseins bedeuten.

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