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Audiovisualität: Vor- und Nachteile

Im Dokument DIPLOMARBEIT / DIPLOMA THESIS (Seite 50-53)

4. MUSEEN IM KONTEXT DER GEGENWART

4.5. Möglichkeiten und Grenzen von Museen

4.5.2. Audiovisualität: Vor- und Nachteile

Diese Frage nach der Besucher_innenorientierung wird auch mit diesem Aspekt wichtiger.

Dafür gibt es, wie bereits ausgeführt, unzählige Mittel und Methoden. Die Frage dabei ist dennoch, welche Rolle audiovisuelle Medien bzw. Spielfilme in dieser Situation haben.

Audiovisualität im Museum ist, wie bereits erwähnt, einem großen Legitimierungsdruck ausgesetzt und muss sich erst als geschätztes Exponat etablieren. Dies macht es auch für den Spielfilm nicht leicht, der nach wie vor Orten wie Wohnzimmer, Kino und Filmmuseen vorbehalten ist. Werden sie in multimedialen Sammlungen, oder auch in anderen Konzepten thematisiert, befinden sie sich stets in diesem Spannungsverhältnis zwischen traditionellen und modernen Kernaufgaben musealer Räume. Dabei ist die Haltung gegenüber dem Medium Film grundlegend, das sich einem bestimmten Museums-Ethos unterzuordnen hat. Filmmuseen und

121 Anm.: V.a. the new museology betont, dass es heute andere, bzw. mehrere Machteinflüsse auf Museen gibt, nicht zuletzt auch die kapitalismusgeprägte Konsum- und Unterhaltungsgesellschaft, staatliche Subventionen, etc.

122 Vgl. Loebenstein, „Lebende Ausstellung“. 207.

-archive behalten sich den Ruf von qualitativer Filmvermittlung vor. Allerdings könnte genau diese Expertise in Kooperation mit anderen Institutionen von Vorteil sein und maßgeblich zu sinnvoller Medienerziehung beitragen.

Im Gegensatz zum Kino kann das Museum als Raum, trotz seiner räumlichen Beschränktheit, Vorteile bieten. Gerade Loebenstein streicht zwei wesentliche Aspekte hervor, die ein musealisierter Auftritt des Spielfilms von einem kinematographisch unterscheidet:

Zeitökonomie und Betrachtungsposition. Das Kino gäbe den Ort und Zeitrahmen vor und stelle somit eine gewisse Stabilität dar, während das Museum den Besucher_innen keinen bestimmten Platz, keine bestimmte Position und keinen bestimmten Zeitraum vorgäbe123. Ob das filmische Exponat betrachtet wird, wenn ja, wie lange, von welcher Perspektive, liegt im musealisierten Raum ganz bei den Betrachter_innen selbst. Wie bereits im Kapitel 3.5. erläutert, könnte dieses neue Setting eine veränderte Wahrnehmung des Exponates selbst ermöglichen. Im Museum würde der Spielfilm, im Gegensatz zum Kino, eine Dauerpräsenz darstellen, durch die sich wiederum neue Denkprozesse und Reflexionen anregen lassen können, und aber vor allem den Spielfilm als kulturhistorisches Produkt institutionell legitimieren.

Im Rahmen dieses differenzierten Erfahrens und Erlebens von Spielfilm im musealisierten Raum steht auch der generelle Paradigmenwechsel vom Museumsobjekt zur Museuminformation zur Debatte. Materialität und Originalität kann bei Filmexponaten vorwiegend durch zusätzliche Information thematisiert werden, nicht immer durch das Objekt an sich (Digitalisierung, Reproduzierbarkeit). Durch die Multimedialität werden direkte/primäre Erfahrungen mit Objekten noch mehr mit indirekten/mediatisierten Erfahrungen ersetzt, was sich bedeutend auf die Besucher_innenerfahrungen auswirkt124. Studien dazu ergeben aber, dass der Einsatz von audiovisuellen Medien zu einer vertieften Museumserfahrung führen würde, u.a. die Verweildauer vor Exponaten verlängere und kommunikative Angebote unterstütze125. Ann Mintz betont nichtsdestotrotz, dass die medienbasierte Erfahrung nicht die Erfahrung mit einem realen Gegenstand ersetzen darf („(…) embrace the virtual without abandoning the real“126), und eine Balance zwischen diesen Erfahrungen gegen negative Auswirkungen einer Informationsgesellschaft wirken soll, in der eben Erfahrungen nicht mehr selbst gemacht, sondern medial vermittelt werden.

123 Vgl. ebd. 205.

124 Vgl. Werner Schweibenz, „Das Museumsobjekt im Zeitalter seiner digitalen Repräsentierbarkeit“, in Museum multimedial (Wien: Lit-Verlag, 2012), 47–70. 62.

125 Vgl. ebd. 62-63.

126 Vgl. Ann Mintz (1998), in: ebd. 64.

Die Ausstellungsdramaturgie liefert dazu einen wichtigen Beitrag. Wie oben bereits erwähnt, führen überladene Ausstellungen zu einer negativen Wirkung. Betrachtet man aktuelle Ausstellungen und berücksichtigt man die Diskurse zu verschiedenen Modellen, so wird deutlich, dass die Präsentation von Themen, hier vor allem auf Geschichte bezogen, nicht leicht ist. Der Begriff des Infotainments soll diese Problematik konkretisieren. Der Medienwissenschaftler Neil Postman stellt in diesem Zusammenhang zwar das Fernsehen an den Pranger, allerdings lässt sich seine Theorie auch auf Bildungseinrichtungen ausweiten. Er kritisiert dabei das Präsentieren von Themen als Unterhaltung, was sich tiefgreifend auf unseren Umgang mit Nachrichten und Informationen auswirken würde. Laut ihm ist der Einfluss der Unterhaltungsindustrie und Erlebnisgesellschaft ein Grund für eine oberflächliche Wissensgenerierung und irrationalen Urteilsbildung127. Dies würde durch den Einsatz von Bildern (anstelle von Schrift und Sprache), verstärkte Dramatisierung, Beschleunigung von Informations- und Bildflüssen, etc. passieren.

Indem Museen oft einem finanziellen Druck ausgeliefert sind, spielt die Besucher_innenorientierung eine immer größere Rolle; Ausstellungskonzeptionen orientieren sich an den Bedürfnissen ihrer Besucher_innen, die nicht zuletzt auch von der Unterhaltungsindustrie geprägt sind. Es ist aber ein schmaler Grat zwischen dem Anregen von Lernprozessen durch unterhaltsame, interaktive, partizipative Mittel und einer nachhaltigen Wissensvermittlung. Als Bildungseinrichtung muss sich das Museum also mit dieser Problematik des Infotainments auseinandersetzen, will es nachhaltig Wissen vermitteln.

Audiovisuelle Exponate einzusetzen, v.a. Spielfilme, die eben auch diese Dramatisierung und Emotionalisierung bewirken, ist also kein Vorhaben, das leichtfertig umgesetzt werden soll.

Museale Räume müssen sich gezwungenermaßen mit der Frage nach Zielgruppen (wer wird passiv und wer wird aktiv angesprochen), deren Vorwissen und Zugängen auseinandersetzen, um die Grenzen zwischen Welt und ihnen verschwimmen zu lassen und die Schwelle zwischen Museum und Alltagswelt überschreitbar zu machen. Teilhabegerechtigkeit, Zugangsmöglichkeiten, Inklusion, unabhängig von Herkunft und sozialem Milieu müssen wesentliche Anliegen aller öffentlichen Bildungsräume sein128.

Obwohl zwar ethische Richtlinien das Handeln von musealen Räumen ergreifbar und überprüfbar machen sollen, so gibt es eine fast schon unüberschaubare Anzahl an Beispielen an

127 Vgl. Neil Postman und Reinhard Kaiser, Wir amüsieren uns zu Tode: Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie, Fischer-Taschenbücher 4285 (Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag, 2018).

128 Vgl. Beatrix Commandeur, Hannelore Kunz-Ott, und Karin Schad, Hrsg., Handbuch Museumspädagogik:

kulturelle Bildung in Museen, Kulturelle Bildung 51 (München: kopaed, 2016). 14.

Ausstellungskonzeptionen. In dieser Vielfalt wird früher oder später auch der Spielfilm seinen Platz als Exponat finden, und dabei hoffentlich auf seine Vor- und Nachteile im musealen Raum überprüft worden sein.

Im Dokument DIPLOMARBEIT / DIPLOMA THESIS (Seite 50-53)