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Die Legitimität materiellen Rechts hängt von der Korrektheit ihrer Ent -stehungsweise ab. Die Fairness des Verfahrens der Willensbildung und der Entscheidfindung im Staat sind unerlässliche Voraussetzungen für das Vertrauen des Bürgers in das Recht, dem er unterworfen ist, und in das politische System, in das er hineingestellt ist und in dem er agiert.

Klar bezeugt etwa die Praxis des Supreme Court der Vereinigten Staaten,

13 Näheres hierzu etwa bei Daniel Thürer, Das Willkürverbot nach Art. 4 BV, in: ZSR 1987 II, S. 413 ff., insbesondere 475 ff. Vgl. zum Ganzen insbesondere etwa Claude Rouiller, La protection de l’individu contre l’arbitraire de l’Etat, in: ZSR 1997 II, S. 225 ff; Georg Müller, Reservate staatlicher Willkür, in: Festschrift für Hans Huber, Bern 1981, S. 109 ff.; Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz – Im Rahmen der Bun -des verfassung von 1999, der UNO-Pakte und der EMRK, Bern 1999, S. 467 ff.; Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli/Regina Kiener, Allgemeines Verwaltungsrecht, Bern 2000, S. 118 ff.

14 Zum Ganzen: Martin Schubarth, Der Richter zwischen Rationalität und Sensibilität, in:

recht 1995, S. 151 ff.; Andreas Kley, Grundriss des liechtensteinischen Ver wal tungs -rechts, Vaduz 1998, S. 82 ff.

auf die ich wegen der grossen Überzeugungskraft zahlreicher seiner Urteile in diesem Artikel gelegentlich Bezug nehmen werde,15den inne-ren Zusammenhang zwischen der Offenheit und Fairness des politischen Prozesses einerseits und der Anerkennung der aus ihm hervorgehenden Ergebnisse andererseits. So hob das oberste amerikanische Gericht im Fall Wesberry v. Sanders den fundamentalen Charakter des Stimmrechts hervor:

«No right is more precious in a free country than that of having a choice in the election of those who make the laws under which, as good citizens, they must live. Other rights, even the most basic, are illusory if the right to vote is undermined.»16

In einer (halb)direkten Demokratie wie etwa der Schweiz oder Liech -tenstein sind die politischen Rechte der Bürger nicht auf die Wahl ihrer Repräsentanten im Parlament beschränkt; die Verfassung gibt ihnen auch Befugnisse der unmittelbaren Partizipation an Sachent schei dungen.

Verfassungsgerichte tragen zentral die Verantwortung dafür, dass die Kanäle der politischen Willensbildung offen und rein gehalten sind und die politischen Prozesse integer verlaufen.

Zum «Gerechtigkeitstopos» des «fairen demokratischen Verfah -rens» hatte der Staatsgerichtshof im Jahre 1993 einen richtungsweisen-den Entscheid gefällt.17 Es ging darum, ob die Abstimmung der liech-tensteinischen Stimmbürger über den EWR-Beitritt wegen Verletzung des Stimmrechts der Bürger für ungültig zu erklären sei.

Es lag der folgende Sachverhalt vor: Die liechtensteinischen Stimm bür ger hiessen, bei einer Stimmbeteiligung von 55,8 %, im Urnen -gang vom 13. Dezember 1992 den Vertrag mit der Europäischen

15 Vgl. zu dieser Thematik etwa G. Edward White, The American Judicial Tradition – Profiles of Leading American Judges, New York/Oxford 1988; Morton J. Horwitz, The Warran Court and the Pursuit of Justice, New York 1998; Philip B. Kurland (ed.), Of Law and Life and Other Things that Matter – Papers and Adresses of Felix Frank furter 1956–1963, New York 1969. In einem weiten Kontext: Richard A. Posner, Over -coming Law, Cambridge (Mass.)/London 1995.

16 Zitiert von Laurence H. Tribe, God Save this Honorable Court – How the Choice of Supreme Court Justices Shapes our History, New York/Scarborough (Ontario) 1985, S. 31.

17 Urteil vom 21. Juni 1993, StGH 1993/8, LES 3/93, S. 91 ff.

Gemein schaft über den «Europäischen Wirtschaftsraum» gut. Ge -gen diesen Entscheid reichte ein Bürger Abstimmungsbeschwerde bei der liechtensteinischen Re gie rung ein mit dem Antrag, «die Volks abstimmung vom 11./13.12.1992 für nichtig zu erklären».

Grund für die Beschwerde war das nach Ansicht des Be schwer de -führers unverhältnismässige Aus mass der von der Regierung vor der Volksabstimmung durchgeführten Informationskampagne.

Diese beinhaltete etwa, neben einer Abstim mungs broschüre, die Ein richtung einer «EWRHotLine» (d.h. einer telefonischen Aus -kunfts stelle zur Beantwortung von Fragen über den EWR), welche nach Auffassung des Beschwerdeführers als «Manipula tions instru -ment» diente; Zeitungsbeiträge unter dem Titel «Die Regie rung informiert»; eine Inseratenkampagne der Regierung in den Landes zei -tungen; eine Ausstrahlung über den Landeskanal ohne Möglichkeit der Teilnahme der EWRGegner. Des weiteren erachtete der Be -schwer de führer die Informationen zum EWR-Beitritt seitens des Landes fürs ten und der Behörden und insbesondere eine nicht-kontra diktorische Fernsehsendung im Landeskanal ein paar Tage vor der Abstimmung als unfair und teilweise bewusst irreführend.

Er machte in seiner Verfassungsbeschwerde u.a. die Verletzung der politischen Volks rechte (Art. 29 LV) geltend.

Zur Beschwerde der Verletzung politischer Rechte hielt der Staats ge -richtshof fest:

«Art. 29 LV sichert jedem Landesangehörigen nach Massgabe der Ver fassung die staatsbürgerlichen Rechte zu. Das verfassungsmässig gewährleistete Stimmrecht gibt dem Stimmbürger mitunter einen An spruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Dabei kann ein verfassungswid-riger Ein griff ins Stimmrecht nicht bereits in der Tatsache erblickt werden, dass die Behörden in einem amtlichen Bericht den Stimm -bür gern eine Vor lage erläutern oder sogar dazu in Form von direk-ten oder indirekdirek-ten Abstimmungsempfehlungen Stellung nehmen.

Eine Darlegung der Entscheidungsgrundlagen kann sogar etwa bei komplexen und in der öffentlichen Diskussion noch wenig behan-delten Vorlagen im Sinne einer sachlichen und unverfälschten Willensbildung wünschbar sein. Die Stimmfreiheit des Stimmbür

gers ist aber verletzt, wenn eine Behörde, die zu einer Sach ab -stimmung amtliche Erläuterungen verfasst, ihre Pflicht zur objekti-ven und ausgewogenen Information missachtet oder über den Zweck und die Tragweite der Vorlage falsch informiert. Sie darf zu den in der Vorlage aufgeworfenen Ermessens- und Wertungsfragen Stellung nehmen, ist aber gehalten, ihre Rolle fair auszuüben und gleichsam treuhänderisch auch abweichende und gegnerische Auffassungen objektiv und ausgewogen zur Darstellung zu brin-gen, soweit dies in einer notwendigerweise kurz und konzise abzu-fassenden Abstimmungs er läuterung möglich ist.»

Zu Stellungnahmen des Landesfürsten im Vorfeld einer Abstim mung fan den die StGH-Richter:

«Dem Landesfürsten ist zwar die verfassungsimmanente Befugnis nicht abzusprechen, sich auch im Hinblick auf einen grundlegenden Urnengang richtungweisend an die Stimmbürger zu wenden. Er hat dies aber, was den Inhalt, Zeitpunkt und Stil seiner Stellungnahme betrifft, mit der gebotenen Zurückhaltung zu tun. Die mangelnde demokratische Legitimität und Verantwortlichkeit und die mit sei-ner Stellung verbundene Aufgabe, Staat und Bürgerschaft als ganze zu repräsentieren, symbolkräftig zu integrieren sowie das Staats-und Gesellschaftsgefüge als solches zu stabilisieren, gebieten ihm, sich aus der unmittelbar konkreten politischen Auseinandersetzung herauszuhalten.»

In seinem Urteil beanstandete der Staatsgerichtshof im Zusammen hang mit dem Medienauftritt von Regierungschef und Landesfürst «Mängel»

im Abstimmungsverfahren. Diese hätten aber keinen erheb lichen Ein -fluss auf den Ausgang des Urnengangs gehabt oder haben können. Der Un terschied von 55,8 % Ja- und 44,9 % Nein-Stimmen sei klar und deut lich gewesen; auch sei nicht anzunehmen, dass die beanstandeten Unregelmässigkeiten im Abstimmungsverfahren geeignet gewesen seien, die Willensbildung der Bürger in einem für einen Um schwung des Ergebnisses entscheidenen Ausmass zu beeinflussen. Aus diesen Erwä -gun gen zog der Staatsgerichtshof eine Aufhebung des Volks entscheides nicht in Betracht.

Gerechtigkeit kann nach einer Korrektur der positivrecht