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Der Lebenszyklus (life-cycle) eines Produktes wird meist von seiner Erstellung bis zu seiner Entsorgung definiert. Je nach Betrachtungswinkel können die Definitionen abweichen. In der Betriebswirtschaft zum Beispiel existiert eine umfassendere Definition, die noch die Arbeitsschritte vor der Herstellung, die Produktentwicklung, berücksichtigt.

Von der Erstellung bis zur Entsorgung des Produktes werden die Phasen der Planung, der Realisierung, der Nutzung und der Verwertung unterschieden. Während für allgemeine, wenig kostenintensive Produkte die Lebenszyklus-Betrachtung zur betriebswirtschaftlichen Planung schon lange und umfassend durchgeführt wird, werden langlebige und kostenintensive Produkte (wie Immobilien) erst in den letzten Jahrzehnten der Lebenszyklus-Betrachtung unterzogen.

Insbesondere bei den langlebigen Produkten umfasst die Phase der Nutzung zum einen die gemäß Konzeption vorgesehene Nutzung selbst, zum anderen aber auch den Betrieb der Produkte. Der Betrieb bedeutet dabei die Organisation und Verwaltung, die Instandhaltung und gegebenenfalls auch die Erneuerung oder bauliche Änderung der Produkte. Die letzten beiden Punkte beziehen sich aber nur auf einzelne Komponenten der betrachteten Güter (vgl. zum Beispiel [Homann 1998]); es muss daher genau definiert und unterschieden werden, was Gegenstand der Lebenszyklus-Betrachtung sein soll.

Die Betrachtung des Lebenszyklus' von Straßen fand in Deutschland erst in den letzten Jahren verstärkt Berücksichtigung. Nach der veröffentlichten Literatur zu urteilen, wuchs im englisch-sprachigen Ausland das Bewusstsein hierfür früher. Die Kenntnis über die Zusammenhänge und Vorgänge während der verschiedenen Phasen des Lebenszyklus einer Straßenbefestigung ist jedoch sehr unterschiedlich [Bartolomaeus 2003]: Über die Planung und die Zusammensetzung der Straßenbefestigung ist sehr viel bekannt, da diese unter vielfältiger und bewusster Einwirkung des Menschen geschieht. Aufgrund von Inhomogenitäten und Unregelmäßigkeiten in dem Prozess der Herstellung (vgl. Abschnitte 3.4, 3.5 und 3.6) ist das Ergebnis der Herstellung aber bereits nicht mehr durchweg im Detail bekannt. Während der Nutzungsphase können die äußeren Einwirkungen (zum Beispiel Verkehr, Klima) relativ einfach erfasst werden, die daraus resultierende Beanspruchung der Straßenbefestigung und infolgedessen die Veränderung ihrer Eigenschaften lassen sich auf Basis von Erkenntnissen aus zahlreichen Untersuchungen, Theorien und Prüfverfahren abschätzen. Über das „Lebensende“ einer Straßenbefestigung und wann dieses tatsächlich erreicht wird, ist aber relativ wenig bekannt, da in der Regel zuvor Erhaltungs-maßnahmen ergriffen werden und somit das ursprüngliche Ende faktisch nie erreicht wird.

In den Ansätzen, die zur Lebenszyklus-Betrachtung im Straßenbau existieren, werden teilweise die gesamte Befestigung betrachtet, teilweise die einzelnen Schichten. Dies hängt – wie bereits oben angedeutet – von der Fragestellung, aber auch von dem erforderlichen Detaillierungsgrad ab. Bei der Planung der Erhaltungsmaßnahmen beispielsweise ist es sinnvoll, die einzelnen Schichten zu betrachten [Schmuck 1994], bei der Dimensionierung einer Straße im Zuge eines Neubaus hingegen die gesamte Befestigung.

Im Rahmen dieser Arbeit wird der Lebenszyklus der Asphaltdeckschicht betrachtet. Er fängt mit der Herstellung der Asphaltdeckschicht an und endet mit ihrer Beseitigung oder „Umnutzung“. Die Planung der Asphaltdeckschicht wird nicht betrachtet; die Entscheidung über die Bauweise, die Zusammensetzung, den Ausführungszeitpunkt etc. wird über Randbedingungen und Eingangsgrößen für die Lebenszyklus-Betrachtung berücksichtigt.

Bild 2.1: Phasen des Lebenszyklus einer Asphaltdeckschicht und einer Asphaltbefestigung

Die Nutzungsphase beginnt mit der (ersten) Verkehrsfreigabe. Sie umfasst bei der Asphaltdeckschicht nur den bestimmungsgemäßen Gebrauch, das heißt die Nutzung an sich, sowie kleinere Maßnahmen der Erhaltung, das heißt Maßnahmen der Instandhaltung (zu der Begriffssystematik der Erhaltung vgl. Abschnitt 2.2.2). Würde die gesamte Asphaltbefestigung betrachtet, zählten zu der Nutzungsphase darüber hinaus auch die größeren Maßnahmen der Erhaltung, das heißt die Maßnahmen der Instandsetzung und die Erneuerung der Asphaltdecke (siehe Bild 2.1). Bezogen auf die Asphaltdeckschicht bedeuten die Instandsetzung und die Erneuerung jedoch ihre Beseitigung, falls die Asphaltdeckschicht zuvor abgefräst wird, oder ihre Umnutzung, falls sie überbaut wird. Somit stellen die Instandsetzung und die Erneuerung das Ende der vorgesehenen Nutzung der Asphaltdeckschicht dar und werden hier nicht zu ihrer Nutzungsphase gezählt. Die Dauer des Lebenszyklus einer Asphaltbefestigung beträgt daher üblicherweise ein Vielfaches der Dauer des Lebenszyklus der Asphaltdeckschicht.

Mit der Wahl der Art der Fahrbahnbefestigung bzw. der Asphaltdeckschicht werden die Möglich-keiten der Erhaltung während der Nutzungsphase, die MöglichMöglich-keiten der Beseitigung und die durchschnittliche Dauer der Nutzungsphase bereits determiniert. Mit der Qualität der Herstellung variiert die Dauer der Nutzungsphase und die Anzahl der erforderlichen Maßnahmen der Erhaltung.

Eine schlechte, fehlerhafte Ausführung führt zu einer kürzeren Dauer der Nutzungsphase oder erfordert mehr Maßnahmen der Erhaltung, einer überdurchschnittlich guten Ausführung können eine längere Dauer der Nutzungsphase oder weniger Maßnahmen der Erhaltung folgen.

2.1.2 Lebensdauer

Die Dauer der Nutzungsphase eines Produktes wird meist als seine Lebensdauer bezeichnet. Sie beginnt nach der Herstellung, das tatsächliche Ende der Nutzungsphase kann jedoch aus unterschiedlichen, meist aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen resultieren. Demzufolge lassen sich die wirtschaftliche Lebensdauer einerseits und die technische Lebensdauer andererseits unterscheiden.

Die technische Lebensdauer eines Produktes wird häufig nur mit Lebensdauer bezeichnet. Sie ist definiert als die Dauer, in der das Produkt der bestimmungsgemäßen Nutzung genügt [Hampe 1979]. Die Nutzung führt zu einer Zustandsveränderung (Abnutzung), die mit den üblichen Instandhaltungsmaßnahmen teilweise korrigiert werden kann. Falls die Abnutzung aber ein Maß aufweist, das die Nutzung deutlich beeinträchtigt, oder das Maß einer substantiellen Zerstörung des Produktes gleicht, endet die technische Lebensdauer [Pingel 1982]. Die technische Lebensdauer wird besonders von folgenden Faktoren beeinflusst [Herzog 2005]:

• Qualität der Grundbaustoffe und der Ausführung (zum Beispiel Materialwahl,

Materialeigenschaften, Materialkombination, Konstruktionsweise, Einhaltung der Toleranzen bei der Ausführung),

• Qualität der Instandhaltung,

• konstruktive Abhängigkeiten,

• äußere Einflüsse (zum Beispiel Nutzerverhalten, Umwelteinflüsse, Beanspruchung).

Die Bedeutung der äußeren Einflüsse ist für die Straßenbefestigung höher als beispielsweise im Wohnungsbau. Die Beanspruchung und die Umwelteinflüsse sind weniger präzise vorhersehbar, bestimmen aber in hohem Maß die Abnutzung. So kann eine unterschiedlich hohe Verkehrsstärke die technische Lebensdauer deutlich verringern oder verlängern.

Die technische Lebensdauer einer Straßenbefestigung ist entsprechend und zu der oben gegebenen allgemeinen Definition passend definiert mit der „Zeitspanne zwischen Fertigstellung … und dem Zeitpunkt, an dem diese soweit abgenutzt oder substanziell zerstört ist, dass eine bestimmungsgemäße Nutzung nicht mehr möglich ist“ [RPE-Stra 01] (technische Nutzungsdauer).

Im Vergleich beispielsweise zum Wohnungsbau haben beim Straßenbau aber die äußeren Einflüsse während der Nutzungsphase, und hier insbesondere die Beanspruchung und Umwelteinflüsse, einen größeren Einfluss auf die technische Lebensdauer. Zudem sind sie weniger präzise vorhersehbar, sodass sich die technische Lebensdauer allein aufgrund einer unterschiedlich hohen Verkehrsstärke deutlich verringern oder verlängern kann.

Häufig wird die technische Lebensdauer für die Straßenbefestigung mit der möglichen mechanischen Beanspruchung gleichgesetzt, gemessen an der im Labor ermittelten ertragbaren Anzahl an Belastungszyklen oder äquivalenten Achszahlübergängen. Neben dieser strukturellen Eigenschaft der Befestigung sind für die Nutzung der Straße jedoch auch definierte Oberflächeneigenschaften der Asphaltdeckschicht wichtig (vgl. Abschnitt 2.2.1). Unzureichende Oberflächeneigenschaften sind überwiegend der Grund für die Maßnahmen der Erhaltung der Asphaltdeckschicht. Daher erscheint es sinnvoll, die technische Lebensdauer der Asphaltdeckschicht mit zum Beispiel den Zustandsgrößen zu beurteilen, die die wesentlichen Anforderungen, die an Asphaltdeckschicht bestehen, widerspiegeln und im Rahmen der ZEB verwendet werden (siehe Abschnitt 2.2.2). Da mit der Instandsetzung oder Erneuerung der Asphaltdeckschicht ihre Lebensdauer endet, umfasst die technische Lebensdauer der gesamten Befestigung mehrere technische Lebensdauern bzw. mehrere Lebenszyklen der Asphaltdeckschicht oder der Asphaltdecke (vgl. hierzu Abschnitt 2.1.1 und 2.2.2).

Im Labor können für eine Asphaltschicht, die mit einem bestimmten Asphaltmischgut hergestellt wurde, die mögliche Beanspruchung und weitere für die Lebensdauer wichtige Eigenschaften (zum Beispiel Alterungsverhalten, Verformungswiderstand, Hohlraumgehalt) untersucht und abgeschätzt werden. Allerdings ist dies primär eine qualitative Bewertung durch den Vergleich der Ergebnisse, die an verschiedenen Asphaltmischungen erzielt werden. Die Übertragbarkeit der Laborergebnisse auf die in der Praxis realisierbaren Eigenschaften der Straße ist nicht (eindeutig) bekannt. Zum einen unterscheidet sich die im Labor aufgebrachte Art der Belastung und damit die erzeugte Beanspruchung von der Beanspruchung während der Nutzungsphase, zum anderen spiegeln die im Labor hergestellten Probekörper hinsichtlich ihrer Herstellung und Verdichtung nicht unbedingt die Probekörper wider, die in der Praxis gemäß den Produktionsabläufen mit Inhomogenitäten behaftet sind. Maßnahmen der Instandhaltung, die neben ihrem eigentlichen Zweck auch zur Verlängerung der Nutzungsdauer einer Straße beitragen können, finden bei den Laboruntersuchungen ebenfalls keine Berücksichtigung.

Die wirtschaftliche Lebensdauer eines Produktes wird auch als (wirtschaftliche) Nutzungsdauer bezeichnet. Sie wird von legislativen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einflüssen bestimmt und ist unabhängig von der technischen Lebensdauer, kann diese aber nicht überschreiten. Die wirtschaftliche Lebensdauer eines Produktes endet beispielsweise unter wirtschaftlichen Aspekten mit zu geringer Rentabilität (zum Beispiel bei Mietobjekten), unter legislativen Aspekten mit dem Verbot der Nutzung des Produktes (zum Beispiel Atomkraftwerk) oder verändertem technischen Standard (zum Beispiel bei Heizungen) und unter gesellschaftlichen Aspekten mit höheren, nutzerspezifischen Ansprüchen an die Qualität und das optische Erscheinungsbild (zum Beispiel bei Wohnungen). Je einfacher das Produkt den veränderten Ansprüchen und Anforderungen angepasst werden kann, desto höher ist dessen wirtschaftliche Lebensdauer. [Herzog 2005]

Mit dieser allgemeinen Definition inhaltlich korrespondierend wird für den Bereich des Straßenbaus die wirtschaftliche Lebensdauer durch den Zeitpunkt begrenzt, zu dem aus wirtschaftlichen Gründen eine Erneuerungsmaßnahme durchzuführen ist [RPE-Stra 01]. „Erneuerung“ bedeutet hier

die „vollständige Wiederherstellung einer vorhandenen Straßenbefestigung oder Teilen davon, sofern mehr als nur die Deckschicht betroffen ist, durch Verstärkung oder nach Beseitigung entsprechender Teile ...“ [Pingel 1982] (weitere Ausführungen zur Erneuerung, besonders im Sinne der Begriffssystematik der Erhaltung von Verkehrsflächen in Asphaltbauweise, siehe Abschnitt 2.2.2). Die Durchführung von Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen wäre vor dem Hintergrund ihres Nutzens für die Sicherung der Substanz oder die Erhöhung des Gebrauchswerts der Straße, ihrer anzunehmenden Dauerhaftigkeit und ihrer Kosten nicht wirtschaftlich.

Zu der wirtschaftlichen Lebensdauer und der technischen Lebensdauer tritt in der Begriffssystematik der Richtlinie für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen [RPE-Stra 01] an dritter Stelle die tatsächliche Lebensdauer hinzu. Mit ihr ist der Zeitraum zwischen der Herstellung und dem tatsächlichen Ende der bestimmungsgemäßen Nutzung bestimmt. Sie kann über die technische Lebensdauer hinausgehen, was jedoch Einbußen in der Sicherheit und Qualität der Straßennutzung beinhaltet; bei vielen kommunalen Fahrbahnbefestigungen kann dies beobachtet werden. Aus technischen und wirtschaftlichen Gründen wäre eine Erneuerung der Fahrbahnbefestigung erforderlich, aufgrund bestimmter Randbedingungen (häufig unzureichende finanzielle Mittel) wird die Instandhaltung und Instandsetzung jedoch fortgeführt. Wird wie oben beschrieben die technische Lebensdauer der Asphaltdeckschicht mit den Zustandsgrößen beurteilt, sollte im Sinne der Verkehrssicherheit die tatsächliche Lebensdauer die technische Lebensdauer nicht deutlich überschreiten.

Wird in der vorliegenden Arbeit von „Lebensdauer“ gesprochen, beziehen sich die Aussagen auf die technische Lebensdauer.

Das Maß der Eigenschaften, die von einer Straßenbefestigung (oder allgemein eines Produktes) erwartet werden und während der Lebensdauer verfügbar sind, lässt sich mit mathematischen Funktionen darstellen. Der Kurvenverlauf kann für die einzelnen Eigenschaften verschieden sein (vgl. Bild 2.2).

Bild 2.2: Theoretische Kurvenverläufe der während der Lebensdauer verfügbaren Eigenschaften (nach [Schmuck 1987])

Der Zusammenhang zwischen der Nutzung der Straßenbefestigung und der Reduzierung ihrer verfügbaren Eigenschaften über ihre gesamte Lebensdauer kann unter anderem mit linearen Funktionen, logarithmischen Funktionen oder polynomischen Funktionen beschrieben werden.

Anstelle der Zeit könnte auch die Nutzung (zum Beispiel mit der Anzahl an Überrollungen, Belastungszyklen etc.) als unabhängige Variable verwendet werden.

Für die Asphaltdeckschicht könnten beispielsweise folgende Annahmen getroffen werden: der Abrieb ist linear (Kurvenverlauf 1 in Bild 2.2), die Ebenheit in Querrichtung nach (4) oder (5) abnehmend, der Widerstand gegen Rissbildung nach (3) progressiv abnehmend und die Helligkeit der Fahrbahnoberfläche nahezu konstant nach (8).

2.2 Anforderungen an Asphaltstraßen und ihre Erhaltung