Die bisherigen Ausführungen schildern den Stand der Landwirtschaft gegen Ende des XVlll. Jahrhunderts.
Wenn
unsereGemeinden den Fortschritten, die sich
um
diese Zeit in anderenGegenden schonzeigten, nichtfolgten,soliegtdies wohlzum
Teilan derSchwerfälligkeit, diedem
Bauernstände eigen ist und andem
völligen Mangel angesteigerten Fach-kenntnissen,zum
größten Teil jedoch an derniederen gesell-schaftlichenStellung und derGebundenheitdesBauernstandes.Im Folgenden wollen wir versuchen, diezu Beginndes XIX.
Jahrhunderts in Angriff
genommene
und im zweiten Drittel desselben beendete Befreiung derBauernund diehierdurch be-1)1 Albus=
12 Heller, 27 Albus=
1 Steuergulden, 32 Al-bus—
1 Taler.2)Avenarius,a,a.O.p.124.
ij
—
54—
wirkten Fortschritte in derAusübungderLandwirtschaftkurz zuschildern.
DieersteAnregung zueinerEntlastungdes Bauernstandes gaben die durch diefranzösischeRevolution verbreiteten frei-heitlichenIdeen. Eine ErleichterungdesBauernstandes tratin einigen Ländern schon zur Zeit der Napoleonischen Kriege ein. So groß auchdasUnglückunddieSchmach war,welche durchsieüber Deutschland kam,sohatten dieseKriege doch aufderanderenSeitedasGute,daßdurchsieauch inPreußen dasschon von FriedrichII. aufden preußischen
Domänen
in Angriffgenommene Werk
der Bauernbefreiung aufsNeue
mächtig angeregtund nachhaltiggefördertwurde. Im König-reiche Westfalen hatte Napoleon selbst die Leibeigenschaft durch dasEdiktvom
12.Dezember 1808 teilweise beseitigt, und nach seinem Sturz sehen wir dieSache der hessischen Bauern imParlament zu Kassel durchMänneraus ihrerMitte vertreten.DieErlangung der vollen persönlichen Freiheit war für die Bauern eineErrungenschaft von größter Bedeutung. Sie war nicht nur an sich von höchstemWert, sondernäußerte mittelbaraucheinesegensreicheWirkung insofern, alssieeine allmähliche
Hebung
auchdesgeistigen Lebens nach sich zog.Zu
einerVerbesserungdeslandwirtschaftlichen Betriebes konnte sieallergingserstführen, nachdem auch noch dievielen Ver-pflichtungen der Bauern gegen Gutsherrn, Gemeinde und Nachbarn beseitigtwaren.So lange nichtauch diefreieBenutzung desBodens er-reicht war, konnte der Einzelne unmöglich die Fortschritte nützen, welche
um
dieWende
desXVIII. und XIX. Jahrhun-hunderts aufkamen und eine Steigerung der Bodenrente in sichere Aussichtstellten.Pflanzenbau.
Zu
den wichtigsten dieser Fortschritte gehörte die Ein-führung des Kartoffelbaus und die desF'utterbaues aufdem
—
55—
Ackerlande. Sie bedeuteten nicht nur eineErweiterung der Zahl der Kulturgewächse, sondern führten auch zu durch-greifenden Änderungen der bisherigen Wirtschaftsweise. Die
[
Kartoffel wurde von
dem
preußischen Kriegsrate v. Ditfurth aus der Provinz Sachsen in denKreis Rintelneingeführt. Nach dieserFrucht,dieanfänglich gartenmäßig angebautwurde, ent-stand in kurzerZeit, namentlich nachAblösung derZehnten unddem
Entstehen derBrennereien, einederartigeNachfrage, daßsich ihrfeldmäßigerAnbau
rasch immer mehrausbreitete.I DieEinführungdes Futterbaues in bäuerlichen Besitzungen war den
Domänen
und größeren Güternzu verdanken. Auf denreicheren Böden bauteman
Rotkleeundfür diegeringeren undkalkhaltigen Böden unsererGemeinden zogman
die Es-parsettevor.Das kurhessische Gesetz
vom
23.6.1832, dieAblösung der ZehntenundDienste betreffend^), hatte dieAufhebungder, Dreifelderwirtschaft imGefolge, an derenStelle zunächst die
I
Sechsfelderwirtschafttrat, die sichmeistens,wiefolgt,gestaltete:
I 1. Schwarzbrache,
2.
Roggenoder Kartoffel, 3.
*2 Gerste, ‘2 Gersteu. Hafer mit Kleeuntersaat, 4.
'2 Bohnen, '2Mäheklee, 5.
Roggen oderRoggen u. Weizen, 6.
Hafer.
Das Aufgeben deraltenDreifelderwirtschaft bedeuteteden erstenSchrittzu einergedeihlichenFortentwicklung der Land-wirtschaftundzurBegründungbäuerlichen Wohlstandes.
Wenn
auch zunächst dieErträgeanden einzelnen Feldfrüchten nur in geringemMaße
Zunahmen,weil es nochanStallmistfehlte, so vermehrte doch schon die Einschränkungder Brache,derAnbau
von Hülsenfrüchten und der Fruchtwechsel die Ein-künfte.Mit der Einführung derStallfütterung und
dem Anbau
von Futtergewächsenaufdem
Feldegingesnurlangsamvor-1)Kurhessisches Gesetzvom23.Juni1832.
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56
wärts, da ihrdas Huterecht im
Wege
stand. •Einmalnämlich begriffderBauerdie Vorteile, dieihm derFutterbau in Aus-sicht stellte,nichtso schnell und2.konnte ersichnurschwer entschließen auf ein Recht zuverzichten, das ihmbisherdie Sorge für dieUnterhaltung seinesViehbestandes fürmehrere Monate des Jahresabgenommen
hatte. Endlich wurde der Fortschrittnochdadurch verzögert, daß esdem
kurzsichtigen Neide derBauern schwerwurde, mit anzusehen,wiefremdes Vieh dieFelder beweidete,währenddas eigeneimStallestand.Auch
derAnbau
von Wurzelgewächsenkam
vorBeseiti-gung
desFlurzwangesnicht über seineAnfänge hinaus.Man
baute die Runkelrübeund dieweißeWasserrübe. Die Runkel-rübe zogman
in den etwa Morgen großen Hausgärten neben den nötigen Küchengewächsen,um
sieim Winter den Zuchtsauen alsBeifutter geben zu können.Den Samen
der Wasserrübesäeteman
auf Brachfelder,diedann, fallssiesonstdem
Huterechte unterworfen waren, nicht beweidet wurden.Man
füttertedamitdieKuh, dieman
zurDeckung des Fleisch-bedarfesnebenmehreren Schweinenschlachtete. DerBrauch, jährlich eineKuh
oderein Rind zuschlachten, erhieltsich in hiesigerGegend
bis gegen das Ende desXIX.Jahrhundertsund
wurde von jedemgrößeren Besitzerbeobachtet.EineÄnderung im
Anbau
derHalmfrüchte vollzogsich insofern, alsman
denOerstenbau,dersich fürden Boden un-serer Gemeindennicht eignetenachAblösung der Zehntpflicht aufgab. Es erhellt daraus, welcheNachteile der zwangsweiseAnbau
derGerste den Bauerngebracht haben muß, dienur,um
den Zins an Gerste aufzubringen, genötigtwaren, dieser Fruchtoftgroße FlächenAckerlandeseinzuräumen.An
Stelle der Gerste traten andere Halmfrüchte, wohl auch Kartoffelnund
Esparsette.Der Weizenbau scheint auf Kosten desRoggenbaus zu-rück gegangen zu sein, da erin deroben erwähnten Frucht-folgealsunvermischt angebautnichtangeführt wird. Indieser
Änderung
istwohl einBeweisfür daswachsendeVerständnis57
derBauern bei derAuswahl der für ihren Boden geeigneten Fruchtgattung zusehen.
InderBestellung desBodens und derPflege derSaaten ließ sich ein Fortschrittnicht erkennen, denn von einer
Ab-nahme
derüberausstarken, im Laufe derZeiten eingetretenen Verunkrautung derFelder war, wie Augenzeugen versichern, nichts zu merken.Von
den 6Ctn. Frucht, welcheman
etwavom
Morgen eines Roggenfeldeserntete, bestanden zwei Ctn.aus Unkrautsamen,namentlich aus
dem Samen
der Ackertrespe.DerErtrag an Roggen wurde hierdurch derartig herunterge-drückt,daß, wieberichtetwird,sogar diegrößtenBauernden Überschuß an Roggen überden Bedarf fürdie eigene Wirt-schaft auf
dem
Rücken eines Pferdeszum
Verkauf zu der in Antendorf befindlichen Kornbrennereischicken konnten.Auffallend ist, daß
man
dieansich nicht großenFlächen Ackerlandes vielfach durch Liegenlassen einzelner Stücke alsHutkämpe
nochverringerte. MancherSchlag, derin den Ka-tastern anfänglich alsAckerland eingetragen ist,wirdspäterals»Hutkamp« aufgeführt. Solche
Hutkämpe
wurden, falls sie nichtschon während ihrerBenutzung alsAckerland eingefrie-digtwaren, mitHecken umgeben.Man
legteüberhaupt der EinfriedigungderÄckerdurchHecken großen Wertbei. Nach Angabe eines Gewährsmannes war jedes über drei Morgen große StückLand mitHecken umgeben. Die Gemeindelände-reien waren ausnahmslos von den übrigen Feldern durch Hecken geschieden, die häufig eineBreite von 2—
3Metern erreichten, sodaßdurch ihren Wegfall bei derVerkoppelung und Aufteilung der Gemeinheiten das vorhandene nutzbare Ackerland etwaum
ein Drittel vergrößert wurde. DerSchaden, den diese Einfriedigung noch nebenbei durch Abschluß des Sonnenlichtes und Aussaugung desBodens denBesitzern im Laufe der Jahre gebracht hatte,istunberechenbar.Um
das Jahr 1838^) hatten die verschiedenen Boden-erzeugnisse diefolgenden Preise:1)Kröger,a.a.O.p.75.
58
1 Himten Weizen 1 Taler
—
Silbergroschen—
Heller,1 » Roggen
—
» 22 » 6 »Um
das Jahr 1860 stellten sich diePreise derFrüchte wiefolgl:1 Himten Weizen 1 Tal. 19 Grsch.
1 » Roggen 1 » 14 »
Ein Vergleich beider Übersichten zeigt, daß die Preise derHalmfrüchte in derZeitvon 20Jahrenbeinahe
um
100"/o stiegen, die derKartoffeln unddesHeues sich gleichblieben und diederRübsamennur einemäßigeZunahme
zeigen.Bodenwerte.
Der Kaufpreis eines Morgen Landes stellte sich in der GrafschaftSchaumburg
um
das Jahr 1866-) auf:96Talerbei größeren Parzellen
110 » » mittleren »
125 » » kleineren »
140 » » einzelnen »
Der Pachtpreisbetrug;
4,8Taler bei größerenGütern
5,6 » » mittleren »
6,5 » » kleinern »
—
7,0 » » einzelnen Parzellen1)Kröger, aa.O.p74.
2iStatist,desKurfürsten!.Hessenv.1866p.15.
Nach Kröger^) waren dieKauf-und Pachtpreisevon 1840
—
1860
um
80—
100"/ogestiegen. Hieraus läßt sichschließen, daßum
1840einMorgen
Ackerland etwa einenWerthattevon:50Talerauf größeren Gütern i;
55 » » mittleren »
j
;
65 » » kleineren » j;
75 » » einzelnen Parzellen.
|
-Aus einem Vergleich dieser Zahlen mit jenen die
am
i;Schluß desXVllI.JahrhundertsfürunsereGemeinden Geltung
| i
hatten, läßt sich dieSteigerung derBodenpreise in unseren
|j
Gemeinden nicht sicher ableiten. In den amtlichen statisti- i;
sehenAngaben finden sich nämlich nur Durchschnittszahlen fürdenganzenKreis,währendsich jene Zahlenaufdie Durch-schnittspreise von Grundstücken bestimmter Ortschaften be-ziehen, die einmal für den Verkehr ungünstig lagen, ferner auchgeringeren Boden hattenund daherden fürden ganzen Preisgültigen Durchschnitt vermutlicbnicht erreichten. Einen ungefähren Anhalt für die Beurteilung der Größe des Zu-wachses der Bodenwerte wird uns aber eine Vergleichung immerhin geben, zumal
wenn
wir dieZahlen fürdie Boden-werte dermehrbegünstigtenGemeinde Antendorf heranziehen, ln Antendorfkosteteum
1782derMorgen
Land:I. Klasse50Taler
II. » 40 *
III. » 30 »
IV. » 20 »
V. » 15 »
I
m M
itte1 30 »Der Pachtpreis betrug proMorgen:
I. Klasse2,5Taler
II. » 2 »
60
Vergleichen wir diese Mittelzahlen mit