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2.6 BEURTEILUNG DER LEISTUNGSFÄHIGKEIT

2.6.1 Laktat

2.6.1.1 Physiologische Grundlagen

Laktat ist ein Intermediärprodukt der anaeroben Glykolyse, das bei körperlicher Anstrengung gehäuft in den Muskelzellen anfällt.

Wenn ein Muskel arbeitet, wird chemische Energie in mechanische umgewandelt:

energiereiches Adenosintriphosphat (ATP) wird in energieärmeres Adenosindiphosphat (ADP) und anorganisches Phosphat (Pi) gespalten. Die freiwerdende Energie ermöglicht Filamentgleiten und Muskelkontraktion.

Die im Muskel gespeicherte ATP-Menge reicht lediglich für etwa 10 Kontraktionen aus.

Dauert die Arbeit an, wird ATP über verschiedene Wege neu gebildet.

Es stehen drei Prozesse zur Verfügung, die alle kurz nach Arbeitsbeginn anlaufen, ihren Versorgungshöhepunkt jedoch zu verschiedenen Zeiten erreichen.

In den ersten 10 bis 30 Sekunden nach Arbeitsbeginn wird ATP vor allem durch die Spaltung von Kreatinphosphat (CrP) gebildet: die energiereiche Phosphatbindung des CrP wird auf ATP übertragen.

In den Sekunden 30 – 60 überwiegt die anaerobe Glykolyse, in deren Verlauf aus 1 Mol Glukose nur 2 Mol ATP gebildet werden.

Nach einer Minute wird ATP in erster Linie über den effektiveren aeroben Stoffwechsel bereitgestellt, bei dem aus 1 Mol Glukose 36 – 38 Mol ATP entstehen. Auch Fettsäuren können aerob als Energielieferant dienen (länger andauernde Ausdauerleistungen).

Wird leichte bis mittelschwere Arbeit ausgeführt, löst die effizientere aerobe Glykolyse den anaeroben Weg vollständig ab. Um schwere Arbeit zu vollbringen, reicht die aerob zur Verfügung stehende Energie jedoch nicht aus.

Aerobe und anaerobe Glykolyse laufen dann parallel und es kommt zur Akkumulation von Milchsäure, die durch Pufferung zu Laktat umgewandelt wird. Der pH-Wert sinkt sowohl in der Muskelzelle als auch systemisch (Laktazidose) und die zur Muskelkontraktion notwendigen chemischen Reaktionen werden mehr und mehr gehemmt. Ein Mangel an ATP ist die Folge (=Ermüdung) und die Arbeit wird abgebrochen (MAINWOOD u. RENAUD 1985; SILBERNAGEL u. DESPOPOULOS 1991; ENGELHARDT 2000).

Im Ruhezustand bewegt sich der Plasma-Laktatwert des Pferdes im Mittel zwischen 0,7 und 1,3 mmol/l (OKONEK 1998; MELFSEN-JESSEN 1999; SCHÄFER 2000; HENNINGS 2001; LANGHORST 2003). Den bei einem Stufenbelastungstest gemessenen Ruhewert von 2,6 mmol/l führt MELFSEN-JESSEN (1999) darauf zurück, daß sich einzelne Pferde beim Katheterisieren stark aufregten.

Bei der Ermittlung und Bewertung von Laktatwerten muß beachtet werden, daß die in Plasma gemessenen Konzentrationen etwa 40 bis 50 % über den in Vollblut gemessenen liegen (ROSE u. HODGSON 1994b).

2.6.1.2 Reaktion auf Belastung

Obwohl auch bei leichter Arbeit der anaerobe Stoffwechsel in Anspruch genommen wird, verändern sich die Blutlaktatwerte nicht oder nur wenig: der Lakatabbau hält mit der Laktatproduktion Schritt (WEBER et al. 1987).

Bei mittlerer bis schwerer Arbeit kann dieses Gleichgewicht nicht lange gehalten werden. Der Prozentsatz anaerob arbeitender Muskelfasern nimmt zu und der Laktatwert steigt. Zu Beginn ist dieser Anstieg nur seicht und nahezu unabhängig von der Intensität der Belastung. Alsbald wird jedoch ein Punkt erreicht, an dem der Laktatspiegel drastisch in die Höhe schnellt: die aerob-anaerobe Schwelle oder OBLA (onset of blood lactate accumulation). Sie liegt im Bereich von 2 bis 4 mmol Laktat pro Liter Blut oder Plasma. Die Laktat-Geschwindigkeitskurve verläuft somit exponentiell (LINDHOLM u. SALTIN 1974;

PERSSON 1983; WILSON et al. 1983; HARRIS et al. 1987; GOTTLIEB-VEDI et al. 1988;

GALLOUX et al. 1995). Die im Pferdeleistungssport erreichten Laktatwerte variieren verständlicherweise mit der jeweiligen Turnierdisziplin. Während nach Distanzritten nur selten Blut- oder Plasmalaktatwerte von 10 mmol/l erreicht werden, lassen sich nach Trab-

und Galopprennen häufig Blutlaktatwerte von über 20 mmol/l nachweisen (KRZYWANEK 1999).

LINDNER (1997a) gibt an, daß auch nach Vielseitigkeitsritten Blutlaktatkonzentrationen von über 20 mmol/l erreicht werden, die von ROSE et al. (1980) untersuchten Pferde blieben nach Absolvierung der Querfeldeinstrecke bei 8,2 mmol/l .

Der Verlauf der Laktatkurve in der Erholungsphase ist von der Höhe der bei Belastungsende erreichten Laktatwerte abhängig. Während HARRIS u. SNOW (1988) feststellten, daß das Plasmalaktat im Gegensatz zum Plasmakalium seinen Höchstwert erst in der Erholungsphase erreicht, macht eine Studie von MARLIN et al. (1991) deutlich, daß Konzentrationsschwellen existieren, die den Verlauf der Laktatkurve in der Erholungsphase beeinflussen. Lagen die venösen Plasmalaktatkonzentrationen bei Belastungsende unter 20 mmol/l, sank Laktat mit Beginn der Erholungsphase ab. Werte über 20 mmol/l führten zu einem weiteren Anstieg in der Erholungsphase mit einem Maximum nach 5 Minuten. Die parallel durchgeführte Vollblutmessung wies einen Grenzwert von 10 mmol/l aus (MARLIN et al. 1991). Bei LINDNER et al. (1992) lag der Wert bei 5 mmol/l Vollblut. Es wird angenommen, daß der Transportweg Muskelzelle – Blut insbesondere bei einer sehr hohen intrazellulären Laktatproduktion voll ausgelastet ist. In solchen Fällen besteht auch nach Belastungsende noch ein Laktatgefälle, Laktat wird weiterhin aus der Zelle ausgeschleust und der Peak verschiebt sich (HARRIS u. SNOW 1988; MARLIN et al. 1991; LINDNER et al. 1992;

RAINGER et al. 1994; MARLIN u. NANKERVIS 2002). In den Arbeiten von OKONEK (1998) und SCHÄFER (2000) ist dies ebenfalls zu beobachten.

Der Laktatabbau in der Erholungsphase läßt sich durch leichte Arbeit in Trab oder Schritt beschleunigen (MARLIN et al. 1987).

2.6.1.3 Meßgrößen

Die Veränderung der Blutlaktatwerte infolge Belastung läßt sich mit Hilfe verschiedener Parameter darstellen.

Die Messung des Laktats am Ende der stattgefundenen Belastung (LAO´) ist wohl die einfachste Möglichkeit, die Milchsäureakkumulation darzustellen. Der technische Aufwand ist wesentlich geringer als die Messung am sich bewegenden Pferd und die Durchführung kann auch im Feld stattfinden. Als Nachteil ist anzusehen, daß dieser Wert nicht die tatsächliche Belastungssituation widerspiegelt, da auch nach Ende der Arbeit weiterhin Laktat

aus den Muskelzellen ausgeschleust wird und andererseits in der Leber verstoffwechselt wird.

Zudem weisen solche Ein-Punkt-Messungen eine niedrigere Wiederholbarkeit und eine geringere Trennschärfe zwischen Pferden ähnlicher Leistungsfähigkeit auf.

Sofern es die äußeren Umstände erlauben ist es folglich besser, die Blutproben während der Belastung zu entnehmen und sie ins Verhältnis zur Herzfrequenz oder Laufgeschwindigkeit zu setzen. So kann der bei einer Herzfrequenz von 200 Schlägen pro Minute erreichte Laktatwert als Meßgröße dienen (LA200) oder die Geschwindigkeit angegeben werden, bei der ein Laktatgehalt von 4 mmol pro Liter Plasma oder Blut erreicht worden ist (VLA4, v4) (PERSSON 1983; ROSE u. HODGSON 1994a; LINDNER 1997b; MARLIN u.

NANKERVIS 2002).

2.6.1.4 Veränderung durch Training

Wird die Ausdauer eines Pferdes sinnvoll und effektiv trainiert, verändert sich die im Rahmen einer Standardbelastung ermittelte Laktat-Laufgeschwindigkeitskurve signifikant.

In der Belastungsphase ist ein geringerer Laktatanstieg zu verzeichnen und der bei Belastungsende erhobene Meßwert sinkt (ENGELHARDT 1973; KRZYWANEK et al. 1977;

MILNE et al. 1977; PERSSON et al. 1983; ROSE et al. 1983; THORNTON et al. 1983;

McCUTCHEON et al. 1987; SEXTON et al. 1987; MILLER u. LAWRENCE 1987;

HARKINS et al. 1990; RONEUS et al. 1994; OKONEK 1998). Die rechnerische Größe v4

steigt dementsprechend (ISLER et al. 1982; CATOR 1991; RAINGER et al. 1994; EVANS et al. 1995; GOTTLIEB-VEDI et al. 1995; LINDNER 1997a, 1997b; DYKE et al. 1998;

EATON et al. 1999).

Die Erholungsphase ist in den meisten Fällen von einem schnelleren Rückgang des Laktats geprägt (BAYLY et al. 1987; SEXTON et al. 1987; MILLER u. LAWRENCE 1987;

HARKINS et al. 1990), lediglich RAINGER et al. (1994) konnten dies nicht bestätigen.

Die in Ruhe gemessenen Laktatwerte verändern sich nicht (KRZYWANEK u. WITTKE 1970; THORNTON et al. 1983; OKONEK 1998; MELFSEN-JESSEN 1999; SCHÄFER 2000). Autoren, die zu Beginn der Trainingsperiode signifikant höhere Werte als am Ende ermittelten, führen dies auf Gewöhnung an die Versuchsbedingungen und verminderte Aufregung zurück (SEXTON et al. 1987). Es sollte daher sichergestellt werden, daß die Pferde bei Versuchsbeginn bereits gut mit den äußern Umständen vertraut gemacht worden sind.

ROSE und HODGSON (1994b) bezeichnen die Laktatkurve als den zuverlässigsten biochemischen Fitneßindikator.