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1 Einleitung

1.1 Kunststoffe

Die Entwicklung von synthetischen Polymeren trug im letzten Jahrhundert stark zum technischen und medizinischen Fortschritt der modernen Welt bei. Sie dienen zur Verbesserung der Lebensqualität in sehr unterschiedlichen Bereichen, von Verpackungsmaterialien, die Nahrungsmittel länger frisch halten, bis hin zu Wirkstofftransportsystemen, die therapeutische Vorteile durch kontrollierte Wirkstofffreisetzung liefern (1, 2). Die ersten Kunststoffe wurden zwar bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckt, doch erst ihre industrielle Herstellung in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts führte zu einem exponentiellen Anstieg der Kunststoffproduktion und Verwertung (Abbildung 1) (3, 4).

Abbildung 1: Zeitliche Einordnung der Kunststoffproduktion und ihre Folgen auf Mensch und Umwelt.

Modifiziert nach (4-6).

Durch fortwährende Weiterentwicklung und Neuentdeckungen von Polymeren sind heute über 20 verschiedene Arten von synthetischen Polymeren im Einsatz, die kostengünstig zu leichten, stabilen und korrosionsresistenten Kunststoffen mit hoher elektrischer und thermischer Isolationseffizienz verarbeitet werden können (7). Kunststoffe

unterschiedliche mechanische, optische oder haptische Eigenschaften aufweisen können und in fast allen Bereichen unseres Lebens „von der Wiege bis zur Bahre“ Anwendung finden (8). So nützlich Kunststoffe für die Entwicklung der Menschheit waren und immer noch sind, so kurzfristig nach ihrer Kommerzialisierung konnten auch erste negative Aspekte festgestellt werden. Bereits 1960 wurden Kunststoffteile in den Eingeweiden von verendeten Seevögeln und Anfang der 1970er Jahre große Mengen an nicht biologisch abbaubaren Kunststofffragmenten in marinen Habitaten gefunden (9, 10). Kunststoffe bestehen außerdem nur selten aus reinem Polymer; bei der Herstellung werden in der Regel Additive und Weichmacher beigemischt, um ein geeignetes Materialverhalten für eine gezielte Anwendung zu erreichen. In diesem Zusammenhang wurden bereits 1972 erste Bedenken laut, dass die beigefügten Chemikalien aus den Kunststoffen ausbluten und der Gesundheit des Ökosystems, sowie dem menschlichen Körper schaden könnten (1, 11).

Im Jahr 2014 wurden weltweit insgesamt 311 Millionen Tonnen Kunststoff aus synthetischen Polymeren produziert, wobei in etwa die doppelte Menge an Rohöl verbraucht wird (6, 12). Alleine 40 % der jährlich produzierten synthetischen Polymere wurden für die Herstellung von Verpackungsmaterialien verwendet (6), die überwiegend Einwegwaren darstellen und somit nach Gebrauch in weniger als einem Jahr nach Produktion bereits entsorgt werden. Dabei bildet die Entsorgung von Kunststoffen einen großen umweltbelastenden Faktor. Etwa ein Drittel des kommunalen Feststoffabfalls besteht aus extrem haltbaren Verpackungskunststoffen, wobei Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyvinylchlorid (PVC), Polystyrol (PS) und Polyethylentherephthalat (PET) den größten Anteil ausmachen (13, 14). Diese klassischen synthetischen Polymere haben meist ein sehr hohes Molekulargewicht und sind nicht bioabbaubar. Für sie gibt es drei verschiedene Entsorgungswege: 29,7 % des Kunststoffmülls werden recycelt, 39,5 % zur Energiegewinnung verbrannt, und 30,8 % landen auf Mülldeponien (6). Jeder dieser Entsorgungswege birgt dabei jedoch seine Nachteile. So gibt es nur wenige Anwendungen für recycelte Kunststoffe, da durch die ursprüngliche Verarbeitung die verschiedenen Arten an Polymeren nur schlecht voneinander und von den darin enthaltenen Additiven getrennt werden können. Es kommt folglich bei einer Wiederverwertung zu Verunreinigungen und zu geringerer Leistungsfähigkeit des resultierenden Kunststoffs (1).

Durch Verbrennung können neben großen Mengen CO2 auch kanzerogene und toxische Gase, wie Dioxine, entstehen, die bei unsachgemäßer Filterung in die Umwelt gelangen

(15). Die Lagerung des Kunststoffmülls auf Deponien ist ebenfalls schwierig, da so sehr leicht Teile davon in die Umwelt gelangen und das Ökosystem belasten.

Heute sind synthetische Polymere auch in der medizinischen Anwendung die am meisten verwendete Materialklasse. Sie werden auf Grund ihrer überwiegend bioinerten Eigenschaften und ihrer Langlebigkeit für die Herstellung von chirurgischen Instrumenten, Kathetern, Stents, Herzschrittmachern oder Prothesen eingesetzt. Ein kleinerer Anteil an synthetischen Polymeren wird zudem als Träger von Wirkstoffen für Transport und kontrollierte Freisetzung im menschlichen Körper verwendet. Dabei spielen vor allem die bioabbaubaren Eigenschaften und die biologische Verträglichkeit des Materials eine große Rolle. Daher sind hier überwiegend bioabbaubare Polymere im Einsatz, um als mobile Wirkstofftransportsysteme zur systemischen Verteilung von Wirkstoffen über den Blutkreislauf zu fungieren. Die dafür eingesetzten Polymerpartikel haben bei intravenöser Verabreichung jedoch nur eine sehr geringe Zirkulationsdauer, da in den meisten Fällen eine schnelle Anlagerung von Opsoninen (Proteine des Immunsystems) oder Apolipoproteinen (Protein-Anteil der Lipoproteine im Blut) stattfindet, die dann zu einer schnellen Ausscheidung oder Akkumulation der Partikel in der Leber führen (16). Die am häufigsten für Wirkstofftransportsysteme verwendeten synthetischen Polymere kommen aus der Materialklasse der Polyester, Polyorthoester und Polyanhydride. Diese Polymere sind bioabbaubar und werden in wässrigem Milieu zu Carbonsäuren gespalten, was zu einem lokalen Ansäuern der Umgebung und daraus resultierenden Entzündungen im menschlichen Körper führen kann (17). Um einer schnellen Ausscheidung entgegenzuwirken kann durch Modifikation von Polymerpartikeln mit Poly(ethylenglycol) (PEG) eine „Tarnung“ der Partikel stattfinden, die Zirkulationszeit verlängert und der so genannte EPR-Effekt zur Therapie genutzt werden (genauer siehe Kapitel 1.3) (16). Durch die Verwendung des synthetischen Polymers PEG können jedoch weitere Komplikationen beobachtet werden: So ist es möglich, dass der Körper PEG-spezifische Antikörper bildet, was zu einer Sensibilisierung und bei erneuter Verabreichung zu einer schnellen Ausscheidung der PEG-modifizierten Wirkstofftransporter führt (18, 19). Eine weitere Problematik bei der Verwendung von PEG ist der bislang kaum aufgeklärte biologische Abbauweg dieses Polymers. Kleinere PEG-Moleküle (< 400 Da) können mit Hilfe der Alkoholdehydrogenase zu toxischen Disäure- und Hydroxycarbonsäure-Metaboliten oxidiert werden, wohingegen große PEG-Moleküle vor allem durch die Niere ausgeschieden werden müssen (Molecular Weight Cutoff: 30-50 kDa) (20, 21). Der

Verbleib noch größerer PEG-Moleküle und die daraus resultierenden Folgen sind bis heute nicht vollständig belegt.

Ein großer Teil der weltweit hergestellten Kunststoffe aus synthetischen Polymeren findet Anwendung in Verpackungen von Lebensmitteln, wobei ein großer Bedarf an Materialien mit guter Barrierewirkung gegen Sauerstoff und Wasserdampf vorherrscht.

Etwa ein Drittel der industriell hergestellten Lebensmittel für den menschlichen Verzehr werden bereits auf dem Weg zum Verbraucher entsorgt. Dies entspricht 1,3 Milliarden Tonnen an Nahrungsmitteln jährlich. Beim Endverbraucher landen davon weitere 95 – 115 kg pro Jahr im Müll und sogar 13 % davon ohne überhaupt geöffnet zu werden, was in Deutschland einem Wert von etwa 300 € pro Kopf und Jahr bedeutet (22, 23). Die Ursache für diese enorme Verschwendung von Lebensmitteln und Ressourcen, die bei der Herstellung der Lebensmittel verwendet werden, liegt in der geringen Haltbarkeit einiger Produkte. Dabei könnte eine Verlängerung des Mindesthaltbarkeitsdatums der Lebensmittel zur Lösung dieses Problems beitragen. Die Haltbarkeit von Lebensmitteln wird im Grunde von der atmosphärischen Umgebung der Lebensmittel bestimmt.

Sauerstoff und Wasserdampf führen darin zu Oxidation von Fettsäuren und Wassereinlagerungen, die das Produkt ungenießbar machen (24, 25).

Durch die Verwendung von Kunststoffen aus synthetischen Polymeren, wird den verpackten Lebensmitteln vor allem mechanischer, chemischer und mikrobieller Schutz gegenüber der Umgebung geboten und liefert zusätzlich für den Produzenten den Vorteil ausreichender Transparenz, um den Inhalt zu präsentieren. Die am häufigsten verwendeten Polymere sind dabei Polyethylen (PE, HD-PE: Milchflaschen und Tüten, LD-PE:

Tabletts), Polypropylen (PP, Verpackungen geeignet zum Einfüllen heißer Flüssigkeiten), Polystyrol (PS, Styroporverpackungen), Polyvinylchlorid (PVC) und Polyethylentherephthalat (PET, Flaschen für Getränke mit Kohlensäure), die für verschiedenste Anwendungen geeignete Eigenschaften vorweisen (Abbildung 2: nicht abbaubare petrochemisch hergestellte Kunststoffe) (26). Dabei handelt es sich ausschließlich um langlebige Materialien, deren Einsatz für die kurzfristige Anwendung als Lebensmittelverpackung aufgrund der bereits beschriebenen Müllproblematik nur bedingt gerechtfertigt werden kann. Des Weiteren werden regelmäßig Studien veröffentlicht, die belegen, dass Additive und Nebenprodukte der Kunststoffherstellung aus den Verpackungsmaterialien in die Lebensmittel übergehen können (27). Der größte limitierende Faktor bei der Verwendung von synthetischen Polymeren zur Herstellung von

Lebensmittelverpackungen ist jedoch deren inhärente Durchlässigkeit (Permeabilität) für Gase und Dämpfe, wie zum Beispiel Sauerstoff, Kohlenstoffdioxid oder organische Moleküle (z.B. Aromastoffe) (28). Um die Permeabilität der Verpackungen zu verringern und geeignete Barriere-Eigenschaften zu erreichen, werden verschiedene Strategien angewendet. Am häufigsten sind dabei die Verwendung von Polymermischungen, Beschichtungen bestehender Verpackungsfolien mit Hochbarrierematerialien, wie zum Beispiel Aluminium, oder die Möglichkeit, Polymere mit Füllstoffen zu versehen und somit Komposite zu gestalten. Von besonderer Relevanz für industrielle Anwendungen sind dabei einfach durchzuführende Beschichtungsverfahren, d.h. das Veredeln eines preisgünstigen Substrats (29).

Abbildung 2: Einteilung von Kunststoffen anhand Ausgansmaterial und Abbaubarkeit (29, 30). Modifiziert nach (30) mit freundlicher Genehmigung aus H.-J. Endres, A. Siebert-Raths, Technische Biopolymere.

Rahmenbedingungen, Marktsituation, Herstellung, Aufbau und Eigenschaften. 1st ed. München: Hanser, (2009).

Die Barrierebeschichtung mit Nanokompositen bietet hierfür alle Voraussetzungen.

Dabei werden als nanopartikulärer Füllstoff häufig Schichtsilikate (siehe Abschnitt 1.4) verwendet, wobei das Einbringen dieser Partikel in eine Polymermatrix neben verbesserten Mechanik- und Hitzeschutz-Eigenschaften zu erhöhter Gasbarriere führen kann (31).

Schichtsilikatplättchen selbst sind undurchlässig für jegliche Art von Gasen. Bei der Herstellung von Nanokomposit-Beschichtungen legen sich im optimalen Fall einzelne Plättchen wie eine Art Labyrinth in der Matrix ab und stellen so nur einen geschlängelten Pfad zur Diffusion von Gasmolekülen durch die Matrix zur Verfügung. Dabei wird die Zeit, die Gasmoleküle für die Diffusion benötigen, stark verlängert und somit länger vom Kontakt mit Lebensmitteln abgehalten (Abbildung 3) (32). Durch Laminieren von Verpackungsfolien mit diesen Nanokomposit-Beschichtungen entsteht die Möglichkeit, das Volumen der ursprünglichen Verpackungsmaterialien zu verringern und dabei eine gleichbleibende oder sogar erhöhte Barriere zu erreichen. Problematisch ist jedoch, dass als Matrix für die Herstellung solcher Nanokomposit-Beschichtung meist ebenfalls langlebige synthetische Polymere Verwendung finden, die nach Gebrauch nicht von den ursprünglichen Verpackungsfolien getrennt werden können und somit ein Recyceln der laminierten Verpackungsmaterialien unmöglich machen.

Abbildung 3: Änderung des Diffusionswegs einer polymerdurchdringenden Substanz durch Einbringen von Nanopartikeln.

Es gibt verschiedene Ansätze, für die beschriebene Problematik gut verträgliche und umweltfreundliche Lösungen zu finden. Dabei liegt ein großer Fokus der Forschung auch in der Verpackungsindustrie auf bioabbaubaren Materialien, wie Polymilchsäure (PLA = engl. Poly lactic acid), Polyfettsäuren (PHA = engl. polyhydroxyalkanoate), Stärke und Zellulose, die als Matrix für Nanokomposite dienen können. Jedoch ist die Nachfrage nach diesen Rohstoffen in der Kunststoffindustrie bisher aufgrund von hohen Preisen und

geringer Verfügbarkeit noch sehr verhalten. Zusätzlich stellen die hohe Wasserdampf- und Sauerstoffdurchlässigkeit eine große Herausforderung bei der Verarbeitung zu Verpackungen für Nahrungsmittel dar. Die Sensibilität von Stärke- und Cellulosefilmen gegenüber hohen Luftfeuchten bilden zudem einen großen Nachteil und limitieren die Haltbarkeit der Materialien (33-35).