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3 Synopsis

3.1 Spinnenseidenproteinpartikel als Wirkstofftransporter

3.1.3 Charakterisierung der Partikel bezüglich elektrophoretischer Mobilität

Wie bereits beschrieben, können Partikel aus rekombinant hergestellten Spinnenseidenproteinen als mobile Transportsysteme für Wirkstoffe zur medikamentösen Behandlung von Patienten eingesetzt werden (216, 227, 243). Um jedoch auch kommerziell Anwendung zu finden, muss bei der Herstellung der Partikel eine gleichbleibende Qualität gewährleistet und diese zudem mit geeigneten Analysemethoden sichergestellt werden. Hierfür wurde in Teilarbeit III (Kapitel 5) die Bestimmung der Oberflächenchemie von rekombinanten Spinnenseidenproteinpartikeln gewählt. Dazu dienten zum einen die Bestimmung der elektrophoretischen Mobilitäten und zum anderen die Analyse der diffusen Schicht und sterischer Kräfte an der Oberfläche der Partikel durch direct force (engl. direkte Kraft) Messungen. Diese Methoden wurden gewählt, da der angewandte Herstellungsprozess und somit auch die oberflächenchemischen Eigenschaften der Partikel stark von einer großen Vielfalt an Parametern abhängt, die nur schwierig zu kontrollieren sind. Dazu gehören unter anderem Rührgeschwindigkeit und lokale Protein- bzw. Salzkonzentrationen.

Im Fokus dieser Arbeit lagen Partikel aus dem kationischen Spinnenseidenprotein eADF4(ĸ16), die durch Salzfällung mittels Dialyse hergestellt wurden (223). Als Kontrolle dienten Partikel aus eAF4(C16), die bereits in vorangehenden Studien analysiert wurden (228).

Durch die Messung der elektrophoretischen Mobilität µ beider Partikelarten in Abhängigkeit von pH und in drei verschiedenen ionischen Stärken des Lösungsmittels (I = 0,1 mM, I = 1,0 mM und I = 10 mM) konnten jeweils die PZM (engl. point of zero mobility, Nullpunkt der Mobilität) durch einen Vorzeichenwechsel der Messwerte empirisch festgelegt werden. Diese stimmten in beiden Fällen gut mit dem berechneten pI (isoelektrischer Punkt) der Proteinmoleküle überein (eADF4(ĸ16): pI = 9,7, PZM = 9,3-9,7; eADF4(C16): pI = 3,5, PZM = 3,5-4,0), wodurch eine gleichmäßige Verteilung der funktionellen Gruppen auf der Partikeloberfläche ähnlich zu deren Verteilung in den einzelnen Molekülen angenommen werden konnte.

Quantitative Analysen der elektrophoretischen Mobilität µ der Partikel aus rekombinanter Spinnenseide ergaben außerdem, dass eADF4(ĸ16) Partikel nur eine geringe Abhängigkeit von der Elektrolytkonzentration in Lösung zeigten. So ergaben sich für µ Werte zwischen 1,2 m2V-1s-1 (I = 10 mM) und 1,5 m2V-1s-1 (I = 0,1-1 mM) (4 ≤ pH ≤ 8). Eine so schwache Abhängigkeit der elektrophoretischen Mobilität von der ionischen Stärke der Umgebung wurde in klassischen Kolloiden bisher nur für weiche Partikel bei deutlich höheren Salzkonzentration (I ≥ 100 mM) beobachtet. Dies deutete darauf hin, dass eADF4(ĸ16) Partikel nur wenig geladen sind und ihre elektrophoretische Mobilität von einer starken Penetration des elektroosmotischen Flusses in die Partikel bestimmt wurde (hohe Werte für 1/λ0; Theorie nach Ohshima und Duval (244-246);

genauere Erläuterung siehe Teilarbeit I, Kapitel 5). Durch weitere quantitative Interpretation von µ konnte außerdem gezeigt werden, dass bei kleineren Ionenstärken eine Verringerung der Penetrationslänge 1/λ0 des elektroosmotischen Flusses von 11 nm auf 3 nm stattfand, wodurch ein Quellen des Materials bei geringen Ionenstärken angenommen werden musste. Die elektrophoretische Mobilität der anionischen eADF4(C16) Partikeln war im Gegensatz dazu von der ionischen Stärke ihrer Umgebung abhängig. So ergab sich Werte zwischen µ ≈ -2,2 m2V-1s-1 für I = 10 mM und µ ≈ -2,9 m2V-1s-1 für I = 0,1-1 mM (pH ≥ 6). Die Penetrationslänge des elektroosmotischen Flusses blieb im Gegensatz zu eADF4(ĸ16) gleich (1/λ0 = 17).

Die Tatsache, dass nur die äußeren Bereiche der Spinnenseidenpartikel für ihr Verhalten im elektrischen Feld verantwortlich gemacht werden konnte, wurde auch durch die elektrokinetische Untersuchung Layer by Layer beschichteten Partikel verifiziert.

Dabei wurden die kationischen Spinnenseidenpartikel mittels elektrostatischer Wechselwirkungen mit einer eADF4(C16)-Schicht versehen bzw. anionische Spinnenseidenpartikel mit einer eADF4(ĸ16)-Schicht (240). Dabei konnte gezeigt werden, dass die elektrophoretische Mobilität von eADF4(C16) beschichteten eADF4(ĸ16) Partikeln über den gemessenen pH-Bereich sehr gut mit den µ-Werten von unbeschichteten eADF4(ĸ16) übereinstimmten. Dies traf ebenfalls auf eADF4(ĸ16) beschichtete eADF4(C16) Partikel zu, die ähnliche Werte wie unbeschichtete eADF4(C16) Partikel zeigten. Einzig am PZM der äußeren Partikelschicht ergaben sich in beiden Fällen größere Abweichungen, was gut nachvollziehbar ist, da an diesem Punkt, dem pI des jeweiligen Proteins an der Oberfläche, durch die Neutralisierung der äußeren Schicht die

elektrophoretischen Eigenschaften der zugrundeliegenden Partikel zum Tragen kamen (Abbildung 17).

Abbildung 17: Elektrophoretischen Mobilität der Layer-by-Layer beschichteten Spinnenseidenproteinpartikel im Vergleich zu entsprechenden unbeschichteten Spinnenseidenproteinpartikeln. (A) eADF4(ĸ16) Partikel mit eADF4(C16)-Beschichtung (gefüllte Symbole) im Vergleich mit eADF4(C16) Partikel (offene Symbole) (B) eADF4(C16) Partikel mit eADF4(ĸ16)-Beschichtung (gefüllte Symbole) im Vergleich mit eADF4(ĸ16) Partikel (offene Symbole). Modifiziert nach (256) mit freundlicher Genehmigung von American Chemical Society (ACS) aus N. Helfricht, E. Doblhofer, J. F. L. Duval, T. Scheibel, G. Papastavrou, Colloidal Properties of Recombinant Spider Silk Protein Particles. The Journal of Physical Chemistry C 120, 18015 (2016). Copyright (2016) ACS.

Zusätzlich zu den Ergebnissen der elektrokinetischen Analysen bestätigten direct force-Messungen die geringe Ladung der Proteinpartikel und deren flaumartige, peripher poröse Struktur, die von starken sterischen Kräften verursacht wird (bürstenähnliche Struktur). Durch die Anwendung der CP (engl. colloidal probe = kolloidale Sonde) -Methode und der FluidFM-Technik konnte in Teilarbeit III gezeigt werden, dass die Partikel aus rekombinanter Spinnenseide relativ weich waren. Dadurch konnte keine eindeutige Aussage über eine definierte Debye-Länge (ĸ-1) gemacht werden (Figure 7, Teilarbeit III, Kapitel 5). Durch Anwendung der Alexander-deGennes-Theorie (AdG) auf die erhaltenen Kraft-Abstands-Kurven, die zwar für bürstenartige Strukturen ungeladener Polymere entwickelt wurde, konnte auch für die beiden hier getesteten Partikelarten die durchschnittlichen Abstände der Ankerpunkte (s) der einzelnen vorstehenden Peptide bestimmt werden. Diese waren für beide Partikelarten mit s (eADF4(ĸ16)) = 4,8 ± 1 nm und s (eADF4(C16)) = 6,7 ± 3,7 nm sehr ähnlich. Wesentlich größere Unterschiede der beiden Partikelarten ergaben sich bei der Bestimmung der Bürstenlängen (L) in den einzelnen Partikelarten. Mit L = 321 ± 87 nm zeigten Partikel aus eADF4(C16) eine

wesentlich größere Bürstenlänge als Partikel aus eADF4(ĸ16) mit L = 192 ± 47 nm. Dies ist in gutem Einklang mit den Ergebnissen für 1/λ0, da die mittlere Penetrationslänge des elektroosmotischen Flusses ebenfalls für eADF4(C16) Partikel größer war als für eADF4(ĸ16) Partikel, was auf eine erhöhte Lösungsmittelaufnahme in den anionischen Proteinpartikeln hinweist. Die Bürstenlängen von eADF4(C16) in dieser Arbeit weichen allerdings sehr stark von den zuvor gemessenen L-Werten ab. Dies ist vor allem auf ein nicht automatisiertes Herstellungsverfahren zurückzuführen und zeigt, dass durch die hier durchgeführten Methoden sehr gut die Unterschiede verschiedener Herstellungschargen analysiert werden kann.