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7 Verifizierung der Wirksamkeit der aus Passiflora incarnata L. isolierten

7.2 Kristallographische Versuche

Struktur-142 7 Verifizierung der Wirksamkeit der aus Passiflora incarnata L. isolierten Substanzen

Wirkungsbeziehungen für diese neue Klasse von Inhibitoren der TGT aufgestellt wer-den. Durch Glykosylierung an C-6 konnte eine Wirkungssteigerung im Vergleich zum Aglykon festgestellt werden. Dabei ist es scheinbar unerheblich, ob an dieser Position ein Monosaccharid oder ein Disaccharid an das Aglykon gebunden ist. Dem gegenüber können durch die Bindung eines Zuckers an C-8 weniger TGT-affine Verbindungen erhalten werden. Sind an beiden Positionen, an C-6 ebenso wie an C-8, Zuckermoleküle C-glykosidisch gebunden, resultieren Substanzen, die hinsichtlich ihres Ki-Wertes eine Mittelstellung innerhalb der Reihe der in Versuchen für diese Arbeit getesteten Flavo-noide einnehmen.

Die mit dem Enzymassay erhaltenen Ergebnisse bestätigen auch die in verschiedenen Ligandenfischversuchen mit Vitexin (3), Apigenin und dem methanolischen Gesamtex-trakt aus Passiflorae herba erzielten Resultate (Abschnitte 5.2.4 und 5.2.2.1).

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8 Zusammenfassung und Ausblick

Ein weltweites Problem bei der Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten ist die rasante Entwicklung von Resistenzen und Multiresistenzen gegen die derzeit einge-setzten Antibiotika. Diese Entwicklung hat in den letzten Jahren vor allem im Falle der Shigellen besorgniserregende Ausmaße angenommen [4] [5] [6]. Die tRNA-Guanin-Transglykosylase (TGT) stellt ein neues Target für die Entwicklung von antibiotisch wirkenden Substanzen gegen Shigellen dar [18] [19].

Zum einen war es Ziel der vorliegenden Arbeit, neue Leitstrukturen bzw. potentielle Inhibitoren der TGT in Pflanzenextrakten zu identifizieren und gegebenenfalls zu isolie-ren. Zum anderen sollten Pflanzenextrakte als Quelle für die Entdeckung neuer Leit-strukturen bzw. inhibitorisch wirkender Verbindungen der Insulin-like growth factor 1 receptor tyrosine kinase (IGF-1-RTK) dienen.

IGF-1-RTK ist Teil der intrazellulären Untereinheit des IGF-1-Rezeptors. Dieser nimmt eine Schüsselstellung im Krebsgeschehen ein und könnte durch Blockade der kataly-tischen Kinasedomäne in seiner Funktion gehemmt werden [73] [78]. Daraus folgend würde eine übermäßige Zellproliferation verhindert sowie ein kontrollierter Übergang in die Apoptose ermöglicht werden [74].

Für das Screening der Extrakte wurde die innovative Methode des Ligandenfischens verwendet. Sie stellt eine gegenüber dem Hochdurchsatzscreening weniger zeitaufwen-dige und vor allem kostengünstigere Methode zur Auffindung aktiver Verbindungen in komplexen Substanzbibliotheken dar.

Mit dem Ligandenfischen wurden 15 verschiedene Extrakte traditioneller Arzneipflan-zen auf SubstanArzneipflan-zen untersucht, die an die TGT binden. Des Weiteren fand mit dieser Methode eine Überprüfung von sechs aus Pflanzen isolierten sowie von zwei synthe-tisch gewonnenen Verbindungen hinsichtlich einer TGT-Bindung statt. In Extrakten aus Passiflorae herba und Dulcamarae stipites konnten Substanzen gefunden werden, die an die TGT binden. Darüber hinaus konnten mit dem Ligandenfischen aus einem Extrakt des asiatischen Wassernabelkrautes erste Hinweise auf das Vorhandensein von an die TGT bindenden Substanzen gewonnen werden.

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Das aus dem methanolischen Extrakt aus Passiflorae herba gefischte Flavonoid wurde mit präparativer HPLC isoliert. Diese Substanz konnte mit NMR- und massenspektro-metrischen Techniken als Isovitexin-2’’-O-β-glucosid (1) identifiziert werden. Dabei gelang aufgrund der Verwendung hochfeldiger Messgeräte erstmalig die vollständige Interpretation des 1H-NMR-Spektrums dieser Verbindung. Weiterhin wurden aus vier anderen Fraktionen des Extraktes vier Flavonoide isoliert und identifiziert. Alle fünf Flavonoide besitzen eine Apigenin-Grundstruktur. Jedoch konnte die TGT nur eines dieser Flavonoide, nämlich Isovitexin-2’’-O-β-glucosid (1), aus dem Pool an Substan-zen im Extrakt selektieren. Aus diesem Grund war es notwendig, den Einfluss des Sub-stitutionsmusters am Apigenin-Grundgerüst auf die Enzymbindung näher zu untersu-chen. Es wurden Experimente zu Struktur-Wirkungsbeziehungen sowohl mit dem Li-gandenfischen als auch in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Prof. Dr. G. Klebe (Philipps-Universität Marburg) durch Bestimmung der Ki-Werte sowie mit kristal-lographischen Methoden durchgeführt. Aus den Ligandenfischversuchen konnten be-reits Hinweise auf eine bevorzugte Bindung des an Position 6 substituierten Apigenin-derivates erhalten werden. Für Apigenin selber konnte mit dem Ligandenfischen keine Bindung an die TGT nachgewiesen werden. Durch Bestimmung der Ki-Werte von Apigenin und der fünf isolierten Apigeninderivate wurden diese Ergebnisse bestätigt und erweitert. Es konnte gezeigt werden, dass eine Substitution am Kohlenstoffatom 6 des Apigenins, wie bei Isovitexin-2’’-O-β-glucosid (1), zu einer Wirkungssteigerung führt. Dabei ist es unerheblich, ob an dieser Position ein Mono- oder ein Disaccharid gebunden ist. Die Bindung eines Zuckers am Kohlenstoffatom 8 führte dagegen, im Vergleich mit dem für Apigenin bestimmten Ki-Wert, nicht zu wesentlich kleineren Inhibitionskonstanten. Ist an beiden genannten Positionen ein Zucker gebunden, werden im Vergleich zu Apigenin und Isovitexin-2’’-O-β-glucosid (1) Inhibitionskonstanten mittlerer Größenordnung erhalten.

Ein Bindungsmodus für Isovitexin-2’’-O-β-glucosid (1) im Komplex mit der TGT konnte aus den durchgeführten Kokristallisations- und Soakingexperimenten leider nicht bestimmt werden.

Der Ki-Wert von Isovitexin-2’’-O-β-glucosid (1) wurde mit 20 µM bestimmt. Damit konnte die Ki-Wert-Grenze für das Ligandenfischen um den Faktor 48 im Vergleich zu den Ergebnissen von J. Lenz [10] erweitert werden.

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Die in dieser Arbeit vorgestellten Verbindungen Isovitexin-2’’-O-β-glucosid (1) und Isovitexin (2) stellen Vertreter einer neuen Inhibitorklasse für die TGT dar. Für weitere Untersuchungen, z. B. an Shigellenkulturen, sollten diese Verbindungen jedoch modifi-ziert werden, um zu wirksameren Substanzen zu gelangen.

Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Arbeit können die an die TGT bindenden Sub-stanzen aus dem Dulcamarae stipites-Extrakt isoliert und identifiziert werden. Eine Fraktionierung des Extraktes wurde in der vorliegenden Arbeit beschrieben. Bei der Untersuchung der Fraktionen mittels Ligandenfischen sind in einer Fraktion zwei weite-re an die TGT bindende Substanzen gefunden worden. Trotz wahrscheinlich geringeweite-rer Affinität dieser Verbindungen zum Target könnte eine Isolierung und Identifizierung der Strukturen zweckdienlich sein, um zu neuen Leistrukturen für Inhibitoren der TGT zu gelangen. Nach Verifizierung der Ergebnisse aus dem Ligandenfischen mit der TGT und dem Dichlormethanextrakt aus Centellae asiaticae herba könnten auch aus diesem Extrakt potentiell TGT-inhibierende Substanzen isoliert werden.

Auch für das zweite Target, IGF-1-RTK, konnten mit dem Ligandenfischen bindende Substanzen in verschiedenen Extrakten traditioneller Arzneipflanzen gefunden werden.

Zwölf Pflanzenextrakte wurden untersucht. In sechs Extakten aus den Drogen Liquiriti-ae radix, Lichen islandicus, PassiflorLiquiriti-ae herba und Quebracho cortex konnte eine Bin-dung einer oder mehrerer Substanzen an IGF-1-RTK festgestellt werden.

Die Extrakte aus Quebracho cortex wurden daraufhin näher untersucht. Aus dem Di-chlormethanextrakt konnten zwei an das Target bindende Substanzen isoliert werden.

Die Isolierung erfolgte hierbei mit einer Extrographie, einer Methode, die auf der Nor-malphasenchromatographie beruht. Im Anschluss daran fanden Aufreinigungen unter Anwendung von RP-HPLC-Methoden sowie Kristallisationen statt. Eine der isolierten Verbindungen wurde als Aspidospermin (6) identifiziert. Für die zweite Verbindung bedarf es noch weiterer Messungen, um die Identität der Verbindung eindeutig zu klä-ren.

Für die aus Quebracho cortex isolierten Verbindungen konnte, bedingt durch den Ver-suchsablauf des Ligandenfischens, lediglich eine Bindung an IGF-1-RTK aus dem Extrakt nachgewiesen werden. Die Wirksamkeit der isolierten Verbindungen müsste in weiteren Versuchen idealerweise mit einem Zelltest überprüft werden. Dazu wären eine

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Reihe verschiedener Zelllinien, z.B. MM-Zelllinien, geeignet. In 92 % der malignen Melanome (MM) wurde eine höhere Expression des IGF-1-Rezeptors im Vergleich zu gesunden Zellen festgestellt [140]. C. S. Mitsiades et al. nutzen 75 verschiedene humane Zelllinien, darunter eine Reihe von MM-Zelllinien, zur Überprüfung der Wirksamkeit eines von ihnen entwickelten IGF-1-RTK-Inhibitors [76].

Daneben sollten auch die an IGF-1-RTK bindenden Substanzen aus Liquiritiae radix-Extrakten isoliert, identifiziert und ebenso auf ihre Wirksamkeit an Krebszelllinien untersucht werden. Gleichermaßen könnte mit den Substanzen aus Lichen islandicus und Passiflorae herba, nach Verifizierung der in dieser Arbeit vorgestellten Liganden-fischergebnisse aus diesen Extrakten, verfahren werden.

Durch die Ergebnisse dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass mit der Methode des Ligandenfischens eine Leitstruktur- und Wirkstoffsuche aus komplexen Substanzbiblio-theken an der Hochschule kostengünstig und erfolgreich betrieben werden kann.

In der heutigen Zeit kann zur Wirkstoffsuche auch auf umfangreiche Substanzbibliothe-ken synthetischen Ursprungs zurückgegriffen werden. Im Rahmen der Versuche zu dieser Arbeit ist die Isolierung von wirksamen Substanzen gelungen, deren Struktur für Inhibitoren der untersuchten Targets neuartig ist. Damit konnte die Suche nach Leit-strukturen und potentiellen Wirkstoffen in solch hoch diversen Systemen wie Pflanzen-extrakten als weiterhin lohnenswert bewiesen werden.

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9 Experimenteller Teil