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6 Isolierung und Identifizierung der gefischten Substanzen

6.1 Bearbeitung des methanolisch-wässrigen Extraktes aus Passiflorae herba

6.1.3 Strukturaufklärung der aus Passiflorae herba isolierten Substanzen

6.1.3.1 Isovitexin-2’’-O-β-glucosid (1)

98 6 Isolierung und Identifizierung der gefischten Substanzen

Abb. 60: Chromatogramm der präparativen Trennung der Fraktion 14 des me-thanolischen Trockenextraktes aus Passiflorae herba

6 Isolierung und Identifizierung der gefischten Substanzen 99

Techniken (H-H-COSY, HMQC, HMBC). Abb. 61 zeigt die Strukturformel dieses Flavonoids.

O O H O H

O H

O O H

O

OH

O OH O

H

O H

O H

O

OH

1' 2' 3'

4' 5' 6'

2'' 1''

3'' 4''

5'' 6'' 1'''

2''' 3''' 4'''

5''' 6'''

2 3 4 6 5

7 8

Abb. 61: Isovitexin-2’’-O-β-glucosid (1)

Das gesamte 1H-NMR-Spektrum der Verbindung ist in Abb. 62 zu sehen. Die Verwen-dung von D2O-freiem DMSO-D6 führte zur Sichtbarkeit von OH-Gruppen-Signalen.

Abb. 62: 1H-NMR-Spektrum von Isovitexin-2’’-O-β-glucosid (1) als Übersicht

13,0 ppm 9,0 ppm 5,0 ppm

C-5-OH C-4’-OH; C-7-OH

OH

100 6 Isolierung und Identifizierung der gefischten Substanzen

Nach Variation der Temperatur konnte bei 50 °C dieses gut aufgelöste Spektrum erhal-ten werden. Bei weiterer Temperaturerhöhung wurde mit 80 °C eine Temperatur nahe der Koaleszenztemperatur erreicht, wodurch es zu einer Verbreiterung der Signale bei gleichzeitig schlechterer Auflösung kam (Spektrum nicht abgebildet).

Das sehr tieffeldig liegende Signal bei 13,60 ppm wurde dem Proton der OH-Gruppe an C-5 zugeordnet, da es aufgrund einer Wasserstoffbrückenbindung mit der Carbon-ylgruppe an C-4 sehr stark entschirmt ist. Die Signale bei 10,60 ppm und 10,24 ppm sind den Protonen der phenolischen OH-Gruppen an C-7 und C-4’ zuzuordnen.

Die beiden Dubletts bei 7,9 ppm und bei 6,93 ppm mit Kopplungskonstanten von 8,7 bzw. 8,9 Hz gehören einem AA’BB’-System an. Dieses entsteht durch den an C-2 ge-bundenen, parasubstituierten Phenylring. Das Integral jedes dieser beiden Dubletts entspricht zwei Protonen. Aufgrund der aus dem HMQC abgelesenen Kopplungen kann das Signal bei 7,9 ppm den Protonen an C-2’ und C-6’, das bei 6,93 ppm denen an C-3’

und C-5’ zugeordnet werden (Abb. 63).

Abb. 63: Ausschnitt aus dem in Abb. 62 gezeigten 1H-NMR-Spektrum

Da für die Protonen an C-3 und C-8 keine koppelnden Protonen an benachbarten Kohlenstoffatomen existieren, müssen sie als Singuletts erscheinen. Durch die Kopp-lungen im HMQC- und im HMBC-Spektrum konnte das Singulett bei 6,72 ppm dem Proton an C-3, das bei 6,48 ppm dem an C-8 zugeordnet werden (Abb. 63).

C-8-H C-3-H

C-2’-H;

C-6’-H

C-3’-H;

C-5’-H

7,8 ppm 7,0 ppm

6 Isolierung und Identifizierung der gefischten Substanzen 101

Das sehr breite Signal bei 5,34 ppm ist zwei nicht näher bestimmbaren OH-Gruppen des Zuckerrestes zuzuordnen (Abb. 62).

Abb. 64: Ausschnitt aus dem in Abb. 62 gezeigten 1H-NMR-Spektrum

Mit einer Kopplungskonstante von 9,85 Hz spaltet das Proton an C-2’’ das Signal des Protons am anomeren Kohlenstoffatom (C-1’’) bei 4,68 ppm in ein Dublett auf. Da die Kopplungskonstante vom Diederwinkel abhängig ist, müssen die Protonen an C-1’’ und C-2’’ axial-axial zueinander stehen.

Das nicht aufgespaltene Signal bei 4,41 ppm konnte aus den Kopplungen in den zwei-dimensionalen NMR-Spektren dem Proton an C-2’’ zugeordnet werden.

Ein weiteres, jedoch nicht vollständig aufgespaltenes Dublett erscheint bei 4,19 ppm und entspricht dem Proton am anomeren Kohlenstoffatom des zweiten Zuckers (C-1’’’).

Die Kopplungskonstante kann hier mit 7,55 Hz angegeben werden. Während alle ande-ren Signale im 1H-Spektrum von Isovitexin-2’’-O-β-glucosid (1) bei 50 °C eine bessere Aufspaltung zeigen, konnte für dieses Signal bei 35 °C eine deutlichere Aufspaltung erzielt werden. Die Kopplungskonstante wurde dort mit 9,85 Hz bestimmt.

Das Dublett bei 3,69 ppm ist einem der beiden Protonen am Kohlenstoffatom der gluko-sidischen CH2OH-Gruppe (C-6’’-Ha) zuzuordnen. Die Aufspaltung entsteht durch die Kopplung mit dem Proton an C-5’’.

C-1’’-H

C-2’’-H

C-1’’’-H

C-6’’-Ha

C-6’’-Hb;

C-6’’’-Ha

4,6 ppm 4,2 ppm 3,7 ppm

102 6 Isolierung und Identifizierung der gefischten Substanzen

Das Integral für das Multiplett bei 3,43 ppm entspricht zwei Protonen. Über hetero- und homonukleare Kopplungen konnte dieses Signal je einem der beiden Protonen an C-6’’

und C-6’’’ zugeordnet werden (Abb. 64).

Abb. 65 zeigt den Ausschnitt zwischen 3,3 und 2,6 ppm des in Abb. 62 dargestellten 1 H-Spektrums von Isovitexin-2’’-O-β-glucosid (1).

Abb. 65: Ausschnitt aus dem in Abb. 62 gezeigten 1H-NMR-Spektrum

Ein Multiplett zeigt sich bei 3,19 ppm mit einem Integral, das drei Protonen entspricht.

Aufgrund der Kopplungen in HMQC-, HMBC- und H-H-COSY-Experimenten konnten diesem Signal das Proton an C-4’’, das Proton an C-5’’ und eines der Protonen an C-6’’’

zugeordnet werden.

Das Integral für das Signal bei 3,06 ppm entspricht zwei Protonen. Diesem Signal kön-nen die Protokön-nen an C-3’’ und C-4’’’ zugeordnet werden. Es erscheint als Triplett mit Kopplungskonstanten von 8,70 Hz und 8,95 Hz.

Das Proton an C-3’’’ wird durch das Triplett bei 2,99 ppm repräsentiert. Die Aufspal-tung mit Kopplungskonstanten von 9,15 Hz und 9,4 Hz resultiert aus der Kopplung mit den Nachbarprotonen an C-2’’’ und C-4’’’.

Das Triplett bei 2,87 ppm konnte dem Proton an C-2’’’ zugeordnet werden. Die Auf-spaltung entsteht durch die Nachbarprotonen an C-1’’’ und C-3’’’.

C-4’’-H;

C-5’’-H;

C-6’’’-H C-3’’-H;

C-4’’’-H

C-3’’’-H

C-2’’’-H

C-5’’’-H

3,2 ppm 3,0 ppm 2,8 ppm

6 Isolierung und Identifizierung der gefischten Substanzen 103

Das breite Signal bei 2,66 ppm entspricht dem Proton an C-5’’’. Die Aufspaltung durch das Proton an C-4’’’ kann nur in Ansätzen erkannt werden. Berechnet man dennoch eine Kopplungskonstante, so hat sie eine Größe von 9,6 Hz (Abb. 65).

Alle Kopplungskonstanten der Zuckerprotonen sind größer als 7 Hz. Daraus folgend müssen alle Protonen jeweils axial-axial zueinander stehen. Deshalb kann der an C-6 des Apigeningrundgerüstes gebundene Zucker als β-D-Glukose und der an C-2’’ der Glukose gebundene Zucker ebenfalls als β-D-Glukose charakterisiert werden. Das aus zwei 1,2-O-verknüpften β-D-Glukosemolekülen bestehende Disaccharid wird auch als Sophorose bezeichnet.

Durch Zugabe eines Tropfens D2O konnte die Zuordnung hinsichtlich der OH-Gruppen bestätigt werden. Diese erscheinen dann, infolge des Austausches von H gegen D, nicht mehr im 1H-Spektrum.

Die Angaben in der Literatur [118] [119] [120] bezüglich der Zuordnung der Kohlen-stoffatome im 13C-NMR-Spektrum für Isovitexin-2’’-O-β-glucosid (1) sind unterschied-lich. Durch A. Proliac und J. Raynaud [120] ist im Gegensatz zu den anderen beiden Quellen ein vollständig aufgelöstes 13C-Spektrum für Isovitexin-2’’-O-β-glucosid (1) beschrieben worden. Jedoch weichen Zuordnung und Verschiebung stark von den durch H. Geiger und K. R. Markham [118] sowie durch B. Zerihun et al. [119] gemachten Angaben und den hier erhaltenen Daten ab.

Durch die Vermessung der Substanz in DMSO-D6 bei 80 °C und die Verwendung eines 500 MHz-NMR-Spektrometers konnte ein vollständig aufgelöstes 13C-NMR-Spektrum erhalten werden (Abb. 66). Die Zuordnung der Kohlenstoffatome erfolgte über die Angaben in der Literatur sowie über HMQC- und HMBC-Spektren. Entgegen der Zu-ordnung durch H. Geiger und K. R. Markham [118] muss das Signal für C-7 aufgrund einer stärkeren Entschirmung durch die direkte Bindung einer phenolischen OH-Gruppe tieffeldiger als das für C-2 liegen. Die an C-5 gebundene OH-Gruppe bildet mit der an C-4 gebundenen Carbonylgruppe eine Wasserstoffbrücke. Deshalb ist C-5 stärker ent-schirmt. Das Signal dieses Kohlenstoffatoms muss daher tieffeldiger liegen, als das von C-4’. Aus den zweidimensionalen Spektren können die Kohlenstoffatome an C-5’’ und C-2’’ entgegen der Literatur in umgekehrter Reihenfolge zugeordnet werden.

Abb. 66: 13 C-NMR-Spektrum von Isovitexin-2’’-O-β-glucosid (1) gemessen in DMSO-D6 bei 80 °C

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4

7 2

5 4’

9 2’, 6’ 1’

3’, 5’ 6 1’’’ 3

10 8

5’’ 2’’ 3’’

3’’’ 5’’’ 2’’’

1’’’ 4’’ 4’’’ 6’’

6’’’

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