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Das Konzept der Empathie

Im Dokument DIPLOMARBEIT. Titel der Diplomarbeit (Seite 18-23)

Braidt macht in ihrem Aufsatz Erregung erzählen. Narratologische Anmerkungen zum Porno darauf aufmerksam, dass die narrative Perspektivierung sowie der Point-of-View-Shot im Porno als ein und dasselbe verstanden wurden. Der Identifikationsprozess wurde als Rezeptionsweise primär angenommen. Diese Art der Einschränkung auf das Konzept der Identifikation ist im Bereich der Pornografie nicht problemfrei denn

„[...] ,Identifikation‘ betreibt zwangsläufig eine Homogenisierung der Perspektive der ZuschauerInnen […].“67 Dabei ist hinsichtlich der narrativen Perspektivierung eine Unterteilung zwischen der Quelle des Erzählens (Wer erzählt?), sowie der Fokalisierung68 (Wer sieht?) für den Prozess der Empathie von großer Bedeutung. Es entsteht damit die Möglichkeit den Identifikationsprozess umzuformulieren.69

67 Ebd., S. 39.

68 „Das heißt, die narrative Instanz vermittelt Ereignisse nicht direkt, sondern durch den Fokus der Figur, des Fokalisators.“, Schweinitz, Jörg, „Multiple Logik filmischer Perspektivierung.

Fokalisierung, narrative Instanz und wahnsinnige Liebe“, montage/av. Zeitschrift für Theorie&Geschichte audiovisueller Kommunikation, Figur und Perspektive(2) 16/1, 2007, S. 83-100, hier S. 87.

69 Vgl. Braidt, „Erregung erzählen.“, S. 40.

Der Film präsentiert durch die Kamera einen tatsächlich visuellen Blickwinkel, eine tatsächliche Wahrnehmungsperspektive. Er vermag also einen optischen (und auch einen auditiven) Point-of-View zu vermitteln. Die visuelle Perspektive taugt nun aber ganz und gar nicht als schlichte Analogie zur literarischen Erzählperspektive oder zur literarischen Fokalisierung. Denn ein Film kann z.B. auch mit Bildern, die nirgendwo die visuelle Wahrnehmungsperspektive des Erlebens oder des inneren Erlebens (Träume, Visionen, Erinnerungen) einer Figur repräsentieren, aus der Erlebensperspektive einer Figur ,erzählen‘.“70

Also auch die Frage und weitere Fokalisierung Wer erlebt? Hierbei unterteilt Schweinitz in einen „handlungslogischen“ und „bildlogischen“71 Teil der Wahrnehmung.

Bildlogisch kann die Position einer Figur (FokalisiererIn) festgelegt werden, was aber nicht gleichzeitig bedeutet, dass diese handlungslogisch die Person ist, die erlebt „[...]

weil man dann lediglich nach einer Art bildlogischer Fokalisierung fragte […].“72 Genauer muss man die Frage umformulieren und nach dem „Wer erlebt?, oder: Die Erlebensperspektive welcher Figur wird narrativ repräsentiert?“73 fragen. Aber das Visuelle und die Frage nach dem Wer sieht? darf im Film nicht ausser Acht gelassen werden deswegen die Unterteilung in Bild- und Handlungslogik.

Allerdings steht die Ebene der visuellen Wahrnehmungsperspektive, die damit erfragt wird, nicht in einem Verhältnis einfacher Identität zur Erlebensperspektive. Die erstere Form kann im Film bildlogisch repräsentiert, die zweite handlungslogisch (in dem Sinne wie auch die literarische Fokalisierung) entwickelt werden. Ich spreche daher von einer ,doppelten Fokalisierung des Films‘ […].74

Bildlogisch gesehen kann zwar im Porno der Mann der Fokalisierer sein und die Frau das Objekt der Begierde, doch durch die doppelte Fokalisierung kann sie die Figur sein, die erlebt und den Mann hierzu benutzt. So kommt der Begriff der Empathie zum Zuge.

Es sei kurz erklärt, wie eine Empathie aufgebaut ist. Körperbezogene Empathie in Form einer Erregung ist im Pornografischen gegeben. Die andere Art zu sympathisieren ist die „Imaginative Empathie“75. Hierbei entsteht Bedarf diese genauer zu untersuchen:

70 Schweinitz, Jörg, „Multiple Logik filmischer Perspektivierung.“, S. 88. (Hervorhebg. im Orig.).

71 Ebd., S. 95.

72 Ebd., S. 88. (Hervorhebg. im Orig.).

73 Ebd., S. 88. (Hervorhebg. im Orig.).

74 Ebd., S. 95. (Hervorhebg. im Orig.).

75 Bruun-Vaage, Margrethe, „Empathie. Zur episodischen Struktur der Teilhabe am Spielfilm“, montage/av. Zeitschrift für Theorie&Geschichte audiovisueller Kommunikation, Figur und Perspektive(2) 16/1, 2007, S. 101-120, hier S. 101.

Imaginative Empathie kann (wie auch körperbezogene) gewöhnlich nur im Nachvollziehen der Verfassung eines Anderen erfahren werden oder ins Bewusstsein treten. Empathie ist ein grundlegendes mentales Instrument, das wir sowohl im Alltag als auch als Zuschauer filmischer Fiktionen anwenden, um Mitmenschen oder Filmfiguren zu verstehen.“76

Imagination wird hierbei in zwei Stufen unterteilt: in eine acentral imagination und central imagination.77 Acentral bedeutet, dass sich der/die ZuschauerIn etwas vorstellt, aber dabei keine Point-of-View Perspektive einnimmt, sondern nur die Vorstellung das etwas geschieht. „Acentral imagining involves an imaginative scene in wich my point of view is not itself represented.“78 Central bedeutet, dass der/die ZuschauerIn sich vorstellt, wie eine Figur etwas empfindet, wenn man miterlebt was die Figur erlebt: „By contrast, in a central imagining my point of view does appear within the imagining.“79 Bei acentral stellt man sich die Situation aus einer Distanz vor. Im Falle des central imagining stellen wir uns vor, was es bedeutet, das zu erleben, wir sind mitten im Geschehen. Margarethe Bruun-Vaage nennt das central imagining eine „Imaginative Empathie“80. Hierbei sei noch wichtig zu erwähnen, dass dieser Akt der Imagination nicht bewusst wahrgenommen wird, aber bewusst zwischen uns und der Figur unterschieden wird. Unsere Teilhabe ist nicht von der Kameraeinstellung abhängig, wir nehmen eine BeobachterInnenposition ein.81 ZuschauerIn in zweierlei Hinsicht in die Situation hineinversetzen. Einmal durch die Erregung der Darstellenden, also eine körperbezogene Empathie. Der Nachvollzug eines Orgasmus ist (beinahe) für jeden möglich. Die zweite Möglichkeit liegt in der Erzählstruktur (BeobachterInnenposition), die ohne eine komplexe Narration vor sich

76 Ebd., S. 101.

77 Vgl. Atkins, Kim, Narrative Identity and Moral Identity. A Practical Perspective, New York:

Routledge 2008, S. 119-120.

geht, sondern ein Nachvollzug der Erregung herstellt.83 Der Imaginationsprozess wird noch zusätzlich durch die Tatsache verstärkt, dass „Je weniger Figureninformation sich bietet, desto mehr Imaginationsaufwand müssen die ZuschauerInnen betreiben.“84 Womit nochmal verdeutlicht wird, dass indem wenig Persönliches über die Figur preisgegeben wird ein Identifikationsprozess schwer stattfinden kann, wohingegen die imaginative Empathie greift.

Zwar ist die Kameraeinstellung nicht das Primäre und wir können hier Anonymität bewahren und die BeobachterInnenposition annehmen, dennoch soll erwähnt werden, dass die Kameraeinstellung im Nachvollzug der Gefühle und bei der Erzählung der Erregung unterstützend wirken kann. Der Point-of-View-Shot wäre dabei eine geeignete Perspektive, da dies unserem Wahrnehmungsverhalten entspricht. Eine andere Variante der Kameraeinstellung, die mit Hinblick auf die untersuchten Pornoblogs wichtig sein wird, ist die Großaufnahme vom emotionsgeladenen Gesicht85 auch Close-Up genannt.

„The close-up is always, at some level, an autonomous entity, a fragment, a ,for-itself‘.“86

Der Körperteil wird fragmentiert und vom Rest des Körpers getrennt und steht dabei für sich allein. Es füllt den Bildrahmen. „The most heavily used close-up, that of the face, fragments the body, descapitating it […].“87 Dabei ist nicht immer eine Detailaufnahme gemeint, die den Bildrahmen zur Gänze füllt, sondern auch eine Aufnahme, die ab den Schultern aufwärts den Bildausschnitt bildet – eine Portraitartige Aufnahme.

83 Vgl. Ebd., S. 50.

84 Ebd., S. 43.

85 Bruun-Vaage, „Empathie.“, S. 106.

86 Doane, Mary A., „The Close-Up: Scale and Detail in the Cinema.“, differences: A Journal of Feminist Cultural Studies 14, S. 89-111, hier S. 90.

87 Ebd., S. 90.

Das Close-Up fragmentiert den Körper, in diesem Fall das Gesicht, vom Rest des Körpers. Dennoch ist die Person identifizierbar. Das Gesicht ist etwas Individuelles und das Erkennungsmerkmal, wo hingegen jeder andere Körperteil im Close-Up beliebigen Personen zugeteilt werden könnte. Das Gesicht ist auch das individuellste und ausdrucksstärkste Körperteil, das alle anderen zu sehen bekommen nur wir selbst nicht.

The face is that bodily part not accessible to the subject´s own gaze (or accessible only as a virtual image in a mirror), and simultaneously it is the site that is seen and read by the other – hence its over-representation as the instance of subjectivity. […] The face, usually the mark of individuality, becomes tantamount to a theorem in its generalizability.88

Es ist zwar ein Körperteil das meistens nackt ist, aber auch unser Erkennungsmerkmal, das hinsichtlich des Pornografischen manchmal doch verhüllt bleiben möchte.

88 Doane, „The Close-Up.“, S. 93-94. (Hervorhebg. im Orig.).

Abbildung 1: Beispiel für eine Close-Up Aufnahme im Portal Beautiful Agony

Im Dokument DIPLOMARBEIT. Titel der Diplomarbeit (Seite 18-23)