Dadurch, dass die Videos eine unabhängige Eigendokumentation der agonies sind, sind diese so gesehen Unikate, und doch sind die Einzelvideos eine Kopie des Vorherigen.
Jedoch gleicht keine Kopie oder Wiederholung der Anderen – es entsteht eine Variabilität der Unendlichkeit.353 Der Inhalt wird zwar individuell befüllt, dennoch bekommen die Videos erst in der Serialität ihre eigentliche Sinnhaftigkeit. Beautiful Agony multipliziert die Orgasmen in eine Unendlichkeit. Dabei enden die Videos, nicht wie im traditionellen Mainstreamporno mit dem Höhepunkt, sondern zeigen auch die Phase danach. „The website […] can be seen as an interesting illustration of pornography’s always premature endings.“354 Die Videos auf Beautiful Agony zeigen
353 Vgl. Schaschek, Pornography and Seriality, S. 116.
354 Ebd., S. 116.
Abbildung 24: Mosaikbild des Orgasmus
eine Narrativität auf, indem sie ein Anfang und ein deutliches Ende enthalten.355 Die Unterteilung des Videos kann man anhand von drei Phasen beschreiben. Einmal die Vorbereitungsphase, in der sich der/die DarstellerIn im Bild positioniert (Abb. 25).
Darauf folgt der Mittelteil, in dem der Orgasmus eintritt (Abb. 26). Anschließend die Entspannungsphase nach dem Orgasmus (Abb. 27). Die zweite Phase kann man als die der Erinnerung an den letzten Orgasmus betrachten – ein Ort der Phantasie, ein Ereignis, dass bereits stattfand und das imaginäre Ereignis, auf das man hinarbeitet.
Dabei ist das Gesicht verkrampft und schwer von leidenden Gesichtern zu unterscheiden. Es ist eine Art Kampf den Orgasmus zu erreichen. Die dritte Phase ist die Phase, in der der Körper entspannt, meistens erkennbar durch das glückliche oder lachende Gesicht des/der DarstellerIn.
„[...] the greatest part of the clips […] does not consits of the little death in, or after, orgasm but of images portraying the long phase during wich people struggle to reach orgasm. […] BeautifulAgony does not portray orgasm but rather the moment after orgasm.“356
Damit wird verdeutlicht, das die Mainstreampornografie durch den visuellen Beweis des money shots den Abschluss verfrüht und der Porno endet bevor das eigentliche Ende eintritt, nämlich die Phase danach.357
Es wurde anhand der drei Phasen verdeutlicht, dass die Clips eine Narrativität der Erregung aufweisen Durch die Wiederholung wird deutlich, dass alle Clips einem einheitlichen Script folgen um den Orgasmus zu visualisieren. Die DarstellerInnen befüllen das Filmmaterial mit individuellen Inhalt und der eigenen Erfahrung. Da alle
355 Vgl. Ebd., S. 132.
356 Ebd., S. 130.
357 Vgl. Ebd., S. 130.
Abbildung 25
Anfang/Positionierung
Abbildung 26 Mittelteil/Orgasmus
Abbildung 27
Ende/Entspannungsphase
Videos im Aufbau gleich sind, ist die Dramaturgie vorhersehbar. Die traditionelle Serialität arbeitet mittels einer linearen Erzählstruktur auf ein Ende hin. Die Folgen sind alle unterschiedlich, aber miteinander verlinkt und aufeinander bezogen. Im traditionellen Porno bilden die einzelnen Szenen einen eigenen Rahmen und haben einen Schluss – darauf folgt die nächste Sexszene die sich meistens nicht auf die vorherige bezieht.
„In the serial, all episodes are diegetically linked. Pornography, on the other hand, operates with a different version of endlessness. [...] The difference between these two ,serialities‘ lies in the different conceptualization of the single episode: television serials emphasize episodic continuity; pornography emphasizes episodic closure.“358
Die Wiederholung kann man in zwei Rahmen aufteilen. Einerseits der große Rahmen in dem keine lineare Erzählstruktur herrscht, sondern durch die Wiederholung eine Unendlichkeit praktiziert wird und indem die UserInnen ständig Videos reinstellen und somit selber dem Ende, durch ständige Partizipation, entgegenwirken.359 Der zweite Rahmen der eine Erzählstruktur enthält ist, dass jedes Video in drei Phasen aufgeteilt ist. Die drei Phasen enthalten Anfang, Mittelteil und Ende. Diese Erzählstruktur unterliegt der ständigen Wiederholung und bezieht sich nicht auf die vorherigen Videos.360 Damit könnte man eingehend behaupten, dass durch die ständige Wiederholung ein Stillstand hervorgerufen wird, weil es eben keine Entwicklung gibt.
Hier muss man jedoch anmerken, dass jede Wiederholung eine Verschiebung inne trägt.
Keine der Wiederholungen gleicht der anderen.361 Es wird eine Kontinuität der Lust hergestellt. Die Entwicklung geschieht hier infolge einer Multiplizierung und nicht infolge einer klassischen aufeinander bezogenen linearen Entwicklung.
„The orgasmic clips seem to resist the logic of linear progression; at the end of one clip, there is only the beginning of the next, in wich the orgasmic cycle of another person starts all over again. These repeated scenarios establish an alternative narrative that substitutes linear progression with […] ,rhythm of progress‘ […] for descriptions of user generated pornography such as BeautifulAgony. The videos each repeat a standardized idea of orgasm filming while gradually evolving to present individual experiences.“362
358 Schaschek, Pornography and Seriality, S. 124.
359 Vgl. Ebd., S. 123.
360 Vgl. Ebd., S. 124.
361 Vgl. Ebd., S. 124.
362 Ebd., S. 126.
Die Standardisierung wird in dem Fall von den SeiteninhaberInnen vorgegeben, dies wird im Abschnitt der visuellen Strategien weiter verdeutlicht. Der Orgasmus wird als eine traumatische Erzählung verstanden und somit erklärt sich auch der Prozess der Wiederholbarkeit. Trauma versteht sich als ein Prozess, etwas zu enthüllen was verborgen ist.
„The central dilema of the videos seems to be that the trauma – the little death of orgasm – cannot be narrated. […] pornography nevertheless tries to narrate the trauma, it must itself become traumatized – that is, imitational and repeating. […] Narrative is per definition bound to space and time; […] Trauma, on the other hand, denies any kind of temporality; it is at the same time always and never.“363
Dadurch, dass die Einstellung des Close-Up’s von Zeit und Ort losgelöst ist, wird das always and never zusätzlich verstärkt.
Ein coming next inklusive Zeitangabe zeigt die kommenden Clips in Miniatur Vorschaubildern.364 Dabei wird dem/der ZuseherIn Gewissheit geboten, dass die Geschichte weiter erzählt und die Seite aktiv genutzt wird, ähnlich dem Vorschaubildern bei ISM. Durch die Fragmentierung einer Geschichte in viele gleiche Einzelteile, geht es nicht um die Unterbrechung, sondern eher um ein Feiern des Orgasmus. Dies passiert bei Beautiful Agony immer wieder aufs Neue und immer in der selben Art und Weise.
Vergleichbar mit einem Ritual oder einem Gebet, dass erst durch die ständige Wiederholung und ständiges Praktizieren an Kraft erlangt.
„The ,little deaths‘ on video seem to cater to the need for identifying the exact moment and place of pleasure. By sharing their most intimate moments, the community of agonees collectively works on nailing down this orgasmic event.“365
363 Ebd., S. 132.
364 Vgl. http://beautifulagony.com./public/main.php, (28.11.2014).
365 Ebd., S. 118.