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Konzentrationslager Buchenwald

Im Dokument Rosa-Luxemburg-Stiftung Texte 21 (Seite 168-200)

Im Juli 1937 wurden die ersten Häftlinge aus Sachsenhausen in den Wald auf dem Et-tersberg bei Weimar gebracht, um ein neues KZ zu errichten. Dachau, Sachsenhausen und nun Buchenwald sollten die KZ-Haft vereinheitlichen und den Terror mit der sy-stematischen Zwangsarbeit verschmelzen. Eine Voraussetzung für die Standortwahl der Lager waren nahe Lehmvorkommen oder Steinbrüche, um in Wirtschaftsbetrieben der SS – einer hieß »Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH« – die KZ-Arbeit »erschöp-fend« zu nutzen und zugleich die wirtschaftliche Basis der SS auszubauen. Zu diesem Zweck sollten Häftlinge als Maurer und Steinmetze ausgebildet werden, denn die SS war bestrebt, ihre Unentbehrlichkeit auch für die NS-Bauten, namentlich für den ge-planten Umbau Berlins zur Welthauptstadt »Germania«, unter Beweis zu stellen.

Die Konzentrationslager Lichtenburg und Sachsenburg, die über die entsprechen-den Bedingungen nicht verfügten, wurentsprechen-den folglich aufgelöst und die meisten der dort Inhaftierten nach Buchenwald geschafft. Am 7. August 1937 kam Albert Kuntz mit dem dritten Transport aus der Lichtenburg nach Buchenwald und erhielt dort die Häftlingsnummer 1325.

Noch fehlten auf dem Ettersberg selbst die primitivsten Voraussetzungen für die Unterbringung der Häftlinge wie auch der SS. Buchstäblich aus dem Boden ge-stampft, mußten SS-Kasernen und das Lager von den Häftlingskolonnen errichtet werden. Die Situation war außerdem kompliziert, da die SS vor allem Kriminelle mit dem grünen Winkel als Kapos der Arbeitskommandos und für die anderen Häftlings-funktionen eingesetzt hatte. Das bedeutete eine einschneidende Verschärfung der Haftbedingungen und des nunmehr auf »Vernichtung durch Arbeit« ausgerichteten Häftlingseinsatzes. Sollten die »Politischen« nicht wehrlos untergehen, mußten sie den Kampf an zwei Fronten aufnehmen: gegen die SS und gegen die »Grünen«.

Albert Kuntz, Walter Stoecker und Theo Neubauer gelang es trotz dieser Verhält-nisse relativ schnell, die KPD-Aktivisten aus der Lichtenburg und aus Sachsenburg zu formieren. Vor allem die in der Lichtenburg geschaffene Organisation machte das möglich. Leitlinie des Kampfes auch unter KZ-Bedingungen waren Schlußfolgerun-gen über die Umsetzung der Beschlüsse des VII. Weltkongresses der Kommunisti-schen Internationale sowie der Brüsseler (Moskauer) Parteikonferenz der KPD aus dem Jahre 1935.

Georgi Dimitroff hatte auf dem Weltkongreß für die Länder unter faschistischer Herrschaft die Parole ausgegeben: »Genossen, ihr erinnert euch der alten Sage von der Einnahme Trojas. Troja hatte sich vor dem angreifenden Heer durch unbezwingbare Mauern geschützt. Und das angreifende Heer, das nicht wenig Verluste erlitten hat-te, konnte den Sieg nicht erringen, bis es ihm gelang, mit Hilfe des trojanischen Pfer-des in das Innere, in das Herz Pfer-des FeinPfer-des einzudringen.

Mir scheint, wir revolutionären Arbeiter dürfen nicht Anstoß daran nehmen, die gleiche Taktik gegenüber unserem faschistischen Feinde anzuwenden, der sich vor dem Volke durch eine lebendige Mauer seiner Mordbuben schützt.

Wer die Notwendigkeit der Anwendung einer solchen Taktik gegenüber dem Fa-schismus nicht begreift, wer ein solches Vorgehen für erniedrigend hält, der mag ein vortrefflicher Genosse sein, aber er ist, mit Verlaub gesagt, ein Schwätzer und kein Re-volutionär; der versteht nicht, die Massen zum Sturz der faschistischen Diktatur zu führen.« (Georgi Dimitroff: Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kom-munistischen Internationale im Kampfe für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus. In: Rundschau (Basel), Nr. 39, 17. August 1935, S. 1836.)

Die Brüsseler Konferenz hatte diese Taktik für Deutschland ausgeformt. Ihre Do-kumente waren dem KPD-Aktiv im Lager bekannt. Die Genossen agierten im Sinne der Forderung Franz Dahlems: »Kommunisten können und müssen jede Verkleidung zur Tarnung ausnutzen, die ihnen die Durchführung der revolutionären Arbeit er-möglicht oder erleichtert.« (Die Brüsseler Konferenz der Kommunistischen Partei Deutschlands. 3.–15. Oktober 1935, Berlin 1975, S. 393.)

Doch konnte eine solche Taktik auch im KZ befolgt werden, wo das Morden Alltag war? War es möglich, »legale« Positionen zu erobern, um den Feind besser bekämpfen zu können? Es gab nur eine Möglichkeit: Es mußte gelingen, die »Grünen« nach und nach aus den Funktionen der sogenannten Häftlingsselbstverwaltung zu verdrängen und zuverlässige Kameraden mit dem roten Winkel an ihren Platz zu stellenn. Das war eine Gratwanderung, denn der allmächtigen SS mußte suggeriert werden, nur

»rote« Kapos würden ihnen erleichtern, das Lager zu führen.

Im Kampf gegen die »grünen« Kapos ging es um Leben und Tod. Es gab Erfolge und blutige Niederlagen. Albert Kuntz war in diesem geheimen Kampf führend und er wurde schließlich aufgrund seiner gediegenen beruflichen Kenntnisse selbst zeitweise Kapo im Baubüro. Genossen wie Rudi Arndt, Krankenpfleger und Blockäl-tester, Walter Krämer und Karl Peix, Kapo bzw. stellvertretender Kapo des Kranken-baus, sind in dieser Auseinandersetzung mit SS und »Grünen« ermordet worden.

Walter Krämer ist für seine mutige und selbstlose Unterstützung jüdischer Häftlinge posthum von Israel zum »Gerechten unter den Völkern« ernannt worden, ebenso wie der kommunistische Blockälteste Walter Sonntag und der Blockälteste des Kin-derblocks 8, Wilhelm Hammann (KPD), der die jüdischen Kinder noch Anfang April 1945 vor der Deportation durch die SS rettete, beide haben Buchenwald überlebt.

In seinen Briefen aus dieser Zeit hat Albert Kuntz verschiedentlich sorgfältig ver-schlüsselte Kommentare zu politischen Entwicklungen außerhalb des Lagers abgege-ben. Unter dem Tarnnamen »Rudolf« (für Rußland) hat er sich beispielsweise mehr-mals zur Sowjetunion in der Zeit des Nichtangriffsvertrages und nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf dieses Land geäußert. Da ein Bruder seiner Frau Rudolf hieß, waren solche Äußerungen relativ unverfänglich.

Den Dreierkopf der Parteiorganisation traf am 10. März 1939 ein schwerer Verlust:

Walter Stoecker starb an Typhus. Hinzu kam, daß im April, aus Anlaß einer

Amne-stie zu Hitlers 50. Geburtstag, Theo Neubauer entlassen wurde. Die Parteileitung lag deshalb für einige Monate allein bei Albert Kuntz. In dieser Periode zerschlugen sich für ihn alle Aussichten, selbst irgendwann aus ähnlichem Anlaß freizukommen. Denn auf eine Eingabe seiner Frau Ellen an das Parteipolitische Amt der NSDAP erhielt sie die Antwort: »Solange eine merkliche Besserung in dem Betragen Ihres Mannes nicht eingetreten ist, kann seine Entlassung nicht vorgenommen werden.« (Zit. nach: Wolf-gang Kießling, a.a.O., S. 179.)

Kuntz zog nun den kommunistischen Reichstagsabgeordneten Ernst Busse, den ihm aus Hessen-Frankfurt bekannten August Thöne und Ernst Brandt sowie Harry Kuhn zur engeren Leitung der KPD-Organisation heran. Im September 1939 wurde Walter Bartel, mit dem er gemeinsam an der Internationalen Lenin-Schule in Moskau studiert hatte, in Buchenwald eingeliefert. Nach der obligatorischen strengen Über-prüfung wurde Bartel Stellvertreter von Kuntz und schließlich 1943 sein Nachfolger und Vorsitzender des sich konstituierenden Internationalen Lagerkomitees, dessen Militärorganisation beim Vormarsch der US-Streitkräfte in Thüringen am 11. April 1945 das Lager zu befreien vermochte.

Das Vertrauen, das Albert Kuntz Walter Bartel entgegenbrachte, spricht von großer Menschenkenntnis, denn Bartel war nach seiner Entlassung aus dem Zucht-haus Brandenburg unter dem Verdacht, er sei von der Gestapo »umgedreht« worden, im Prager Exil aus der KPD ausgeschlossen worden. Es war der Autorität von Albert Kuntz zu danken, daß man sich über diesen Ausschluß hinwegsetzte und so ein for-mell Ausgestoßener an die Spitze der Parteiorganisation trat. Ebenso beachtenswert

Albert Kuntz (rechts) und neben ihm Walter Bartel in einem Bergwerk im Donbass (1930)

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ist es, daß Kuntz ein kameradschaftliches Verhältnis zu sozialdemokratischen Häftlin-gen pflegte und mit Funktionären der »KPD(O)«, einer oppositionellen Abspaltung von der KPD, eng zusammenarbeitete. Hier ist vor allem Robert Siewert, Kapo eines Baukommandos, zu nennen. Als während des Krieges die ersten »Polentransporte«

ins Lager kamen, beauftragte Kuntz ihn, mit allen Mitteln zu verhindern, daß die 200 Kinder aus diesen Transporten nach Auschwitz zur Vernichtung »abgeschoben« wur-den. Er solle bei der SS versuchen, sie geschlossen in sein Baukommando zu überneh-men. Siewert hat das mit bewundernswertem Mut erreicht und konnte sogar eine Art

»Maurerschule« für sie gründen. Fast alle diese Kinder haben Buchenwald überlebt.

Am 18. Oktober 1941, als die ersten sowjetischen Kriegsgefangenen in Buchenwald eingeliefert wurden, initiierten Albert Kuntz und seine Mitstreiter eine beein-druckende Solidaritätsaktion des ganzen Lagers. Auf allen nur möglichen Wegen ga-ben die Häftlinge den halb verhungerten Soldaten Brot, Zigaretten usw., die sie selbst kaum entbehren konnten. Die wutentbrannte SS hat dafür drei kommunistische Blockälteste öffentlich ausgepeitscht und das gesamte Lager mit Essensentzug bestraft.

Aber ein unvergeßliches Signal internationaler Solidarität war gesetzt!

Doch für Albert Kuntz und seine Genossen wurde es nun äußerst gefährlich.

Die SS erkannte angesichts der Solidaritätsaktion, daß es im Lager eine illegale Leitung geben müsse. Die »Grünen« nutzten diese Gelegenheit, mittels Denunziation, Intrigen und Verleumdungen verlorengegangene Funktionen in der Häftlingsselbstver-waltung zurückzuerobern. Im März 1942 wurden die meisten »roten« Lagerfunktionä-re in die »Strafkompanie«, einen isolierten Block innerhalb des Lagers, gesperrt.

Für Albert Kuntz sollte es noch schlimmer kommen. Er wurde in den berüchtigten Bunker geworfen und war der Gewalt des sadistischen SS-Hauptscharführers Martin Sommer ausgeliefert. Er hatte den Tod direkt vor Augen, denn nur wenige Häftlinge überlebten den Bunker von Buchenwald. Es ist nicht bekannt, aus welchen Gründen Kuntz aus dieser Hölle in ein Außenkommando in Braunschweig verlegt wurde. Von dort kann er nach langen Wochen in einem Brief vom 7. Mai 1942 seiner Frau endlich die Angst nehmen, daß er nicht mehr am Leben sei. Schließlich bringt man Albert Kuntz ins Stammlager zurück, wieder in den Block 38.

In diesem ersten Halbjahr 1942 erfuhr der Kampf zwischen »Roten« und »Grü-nen« in Buchenwald seine Zuspitzung. Dem Einsatz der Politischen war es zu ver-danken, daß auch die Häftlinge der Strafkompanie wieder in das »normale« Lager zurückkamen. Im Zusammenhang mit der Niederlage der »Grünen« gelang es nun, die SS zur Bildung eines »Lagerschutzes« zu bewegen, dem ausschließlich Politische angehörten. Das sollte sich in der Folge, beim Aufbau der internationalen Militäror-ganisation (IMO), als sehr wichtig erweisen.

Doch die Ereignisse im Frühjahr 1942 machten noch etwas deutlich: Es war sehr problematisch, wenn Mitglieder der engeren Führung der KPD-Organisation »lega-le« Lagerfunktionen übernahmen und sich damit für die SS gewissermaßen auf dem Präsentierteller befanden. Auch Albert Kuntz war ja offenkundig in den Bunker ge-worfen worden, weil er Kapo im Baubüro gewesen war und die SS davon ausging, die

illegale Widerstandsorganisation müsse sich vor allem aus solchen »Funktionshäftlin-gen« zusammensetzen. Fortan ging es daher auch darum, Mitglieder der engeren Lei-tung zwar in »gute« Kommandos zu bringen, sie aber nicht zu exponieren. Die Si-tuation von Albert Kuntz seit Mitte 1942 war also problematisch, denn er blieb in den Augen der SS ein Hauptverdächtiger. Als es im Sommer 1943 schließlich Signale gab, daß ihm erneut verschärfte Haft drohte, wurde beschlossen, ihn in ein weniger ge-fährliches Nebenlager zu versetzen. Das war möglich, weil die Transportlisten für sol-che Verlegungen jetzt von den Häftlingen der »Arbeitsstatistik« vorbereitet wurden.

Es bestand die Hoffnung, Kuntz so der unmittelbaren Aufmerksamkeit der Bu-chenwalder Gestapo zu entziehen.

Wie richtig diese Überlegung war, zeigte sich – wenn auch auf tragische Weise – im April 1945, als Albert Kuntz bereits mehrere Monate nicht mehr am Leben war.

Die SS setzte damals seinen Namen auf die Liste der 46 im Stammlager Buchenwald ans Lagertor befohlenen Häftlinge, die ermordet werden sollten, aber versteckt wurden und die Befreiung erlebten. Die Ursache dieses Fehlers der SS lag zweifellos darin, daß nach dem alliierten Luftangriff auf die Buchenwalder Gustloff-Werke II die SS nicht mehr wußte, wer sich überhaupt im Stammlager aufhielt. Albert Kuntz war schon mehr als anderthalb Jahre nicht mehr dort.

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Briefe vom 29. 8. 1937 bis 1. 8. 1943

29. August 1937 Konzentrationslager

Ettersberg

Liebste Ellen und Leo!

Eure Post vom 21. August hab ich erhalten und mich sehr gefreut. Besonders die beigefügte Aufnahme nehme ich mit Dank in Empfang. Schon immer woll-te ich um Aufnahmen von Euch bitwoll-ten, denn damals mußwoll-te ja alles an Euch zurück und seitdem war ich ohne ein Bild von Euch, meine Lieben, aber ich mußte warten, bis ich hier im neuen Lager einigermaßen in Ordnung war und nun kamst Du, Liebste, unaufgefordert meinem Wunsche nach. Heißen Dank, Leo sieht ja prächtig aus. Rank und schlank, ein frischer Bengel, wie er mir Freude macht, ich möchte ihn herzen; drücke Du ihn bitte für mich. Und Du, meine Herzensgute? Die Aufnahme ist etwas wild und ungewollt, Du bist ja viel schöner und vor allem viel, viel, viel lieber, als alle Photos sagen können.

Du solltest mehr Wert auf Dein schönes Haar legen, Du verstehst, Liebste, es ist nur gut gemeint, aber Du bist wohl gerade beim Ausruhen von eifriger Gar-tenarbeit? Besser als Deine Photos war und ist immer Dein Herz und darauf bin ich stolz und möchte Dirs immer wieder sagen. Das ist keine leere Schmei-chelei, denn Dein letzter Satz im letzten Brief spricht für mich Bände. Wir sind lange und weit voneinander getrennt und dennoch nahe, als fühlten wir uns gleichsam, so solls bleiben, denn das erleichtert.

Nein, es bedeutet keine Strafversetzung, wie Du vermutest, nur allgemeine Lokalveränderung, also seid ohne Sorge, mir schadet Luftveränderung nichts, besonders wenn ich altes, graues Gemäuer mit herrlichem Wald vertauschen kann, außerdem freue ich mich auf den bunten Herbst.

Herzliche Grüße unseren lieben Langenern. All unseren Lieben beste Grüße und Dir, liebe Ellen, innigen Kuß und Händedruck.

Dein Albert

12. September 1937 Konzentrationslager

Ettersberg

Liebste Ellen! Meine Lieben!

Habt recht herzlichen Dank für Eure liebe Post vom 8. September, die ich ge-stern erhielt. So viele Grüße und Wünsche für mich von Euch allen haben mich erfreut, weiß man doch, daß Ihr mich nicht vergeßt, so weit wir auch und

so lange wir auch schon schmerzlich getrennt sind. Auch die Marken von Dir, liebste Mutter, hab ich richtig erhalten und danke recht herzlich. Freude macht mir die Nachricht, daß Liesbeth in den Ferien war und sonst daheim alles wohlauf ist. Zu Deinem herben Verlust, liebste Ellen, kann ich nur sagen, daß mir das recht weh tut. Ich möchte Dich zärtlich drücken und Dich trösten. So großer Verlust ist bitter in Deiner pekuniär schlechten Lage. Früher hätte ich Dich dafür vielleicht ausgezankt, ob zu Recht oder Unrecht, Du kennst ja mein Temperament, aber heute begreife ich Deine Lage vielleicht besser und ver-stehe zutiefst solches Leid. Tröste Dich, es gibt größeren Schmerz und krän-kendes Leid, möge Dir das erspart bleiben. Hoffentlich mußt Du nach dem Verlust nicht hungern, denn das wäre bitter. Ich wünsche Dir von Herzen, daß Du Deine schlimme Erkältung bald wieder los wirst. Hier wirds auch schon recht kalt und die Blätter färben sich und fallen. Was gäbe ich drum, mit Dir, Liebste, einen kleinen Bummel durch herbstlichen Wald machen zu können.

Leo hat mich sehr erfreut mit seinen lieben Zeilen. Seine Sehnsucht ist auch in meine mit eingeschlossen. Liebste, daß unsere Briefe banal oder langweilig oder armselig werden, ist nicht unsere Schuld. Wir wissen beide, daß es an-ders sein könnte. Wir sind in Freundschaft und Liebe die alten und bleiben es und verstehen uns ohne viele Worte. Halte Dich nur weiterhin so tapfer. Herz-liche Grüße an alle, Ihr Lieben.

Euer Albert

26. September 1937 Konzentrationslager

Buchenwald

Meine Lieben! Liebste Ellen!

Deinen netten Brief vom 20. erhielt ich gerade noch rechtzeitig, um ihn heute am obligatorischen Schreibsonntag beantworten zu können. Natürlich sind alle Deine und auch Karls Geldsendungen hier eingetroffen und mit Deiner Voranmeldung trafen auch die letzten sechs Mark hier ein, die ich demnächst ausgezahlt erhalte. Tausend Dank dafür, ich weiß solche Opfer Eurerseits zu würdigen. Dank besonders unserem Leo für seine liebe Spende. So etwas er-freut, nicht nur wegen dem Geld an sich, sondern mehr wegen dem herzlichen Gedenken. Besonders nach Deinem letzten bitteren Geldverlust, liebste Ellen, rechnete ich nun mit einem recht langen Ausbleiben Deiner Gelder. Jetzt ist die Freude um so größer. Auch über Mutters beigefügte Marken hab ich mich recht sehr gefreut und möchte dafür noch nachträglich bestens danken. »We-nig, aber mit Liebe« und auf das letztere kommts wohl immer an. Euer Gar-tenernteergebnis hat mich interessiert, trotzdem ich fürchte, durch die langen

Jahre den Geschmacksinn für so herrliche Früchte fast verloren zu haben. Was wäre wohl mal eine gute Kürbissuppe? Na, dank Eurer Hilfe konnte ich mir doch einiges Obst, wie Äpfel, Pflaumen und Birnen leisten. Natürlich geht mirs gesundheitlich gut, also sorgt Euch nicht so sehr um mich, denn Euch fehlts ja auch am Nötigsten. Wie gern möchte ich Euch beistehen, helfen und arbeiten. (Der erste Teil des Satzes wurde von der Zensur gestrichen – Die Hrsg.) …mache Berufsarbeit, welche ich gern tue, da sie interessant und ab-wechslungsreich ist. Farbenprächtig ists im Buchenwald geworden und Ihr Lieben wißt, was das für mich bedeutet. Ich sehe im Herbst nicht so sehr das Sterben der Natur, mich erfreuen die bunten, rauschenden Blätterwogen im Sonnenschein und ich möchte träumen!!!

Herzliche Grüße Euer Albert

24. Oktober 1937 Konzentrationslager

Buchenwald Meine Lieben!

Eure gemeinsame Post vom 11. Oktober hat mir viel Freude bereitet. Jeder schrieb liebe Zeilen mit guten Wünschen und Grüßen, die ich aufs herzlichste erwidere. Gern hätte ich das früher getan, aber Ihr müßt warten, bis mal Schreibtag ist und ich hoffe, daß Ihr Lieben Euch keine unnötigen Sorgen um mich gemacht habt, denn ich bin noch wohlauf. Meine herzlichste Gratulation für die glückliche Geburt von Klein-Marianne. Für alle drei die besten Wün-sche, besonders für Kätchen. Gertrud und Walter haben sich für ihre Anschaf-fung recht vorgeschrittene Jahreszeit ausgesucht? Aber eine Fahrt in den bun-ten Herbst ist eine herrliche Sache und ich wünsche dazu recht viel Vergnü-gen. Es kann jetzt schon recht eklig rauh sein und nach nassen Tagen grund-losen Morasts freue ich mich doch noch jetzt der sonnigen Herbsttage im far-bigen Buchenwald. Jetzt raschelts und regnets nur so buntes Laub. Ihr fragt, ob ich warme Kleidung hab, seid ohne Sorge, ich möchte viel mehr aktiv für Euch zur Winterkleidung sorgen helfen. Viel Freude machte mir auch Lies-beths Schilderung über die gute gesundheitliche Entwicklung der Kinder.

Mutter daheim wünsche ich, gut über den rauhen Winter zu kommen. Ich möchte zu gerne bei Euch sein und Eure Sorgen und Freuden teilen. Diese har-ten Jahre der Trennung zehren sehr und die wenigen, selhar-tenen Zeilen sind zu arm und können nur wenig ersetzen, dennoch freue ich mich auf Eure Post immer mächtig und warte immer schon darauf. Auch wurde mir Kenntnis von der Absendung von 5 Mark von Euch Lieben. Habt heißen Dank dafür.

Meine innigsten Grüße an Euch, meine Lieben, verbinde ich mit frohen Wünschen baldigen Wiedersehens. Euer Albert

7. November 1937 Konzentrationslager

Buchenwald Liebste Ellen!

Buchenwald Liebste Ellen!

Im Dokument Rosa-Luxemburg-Stiftung Texte 21 (Seite 168-200)