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Konkrete archivische Anforderungen an ein DMS

IV. Detaillierte funktionale Anforderungen an die DMS-Lösung

IV.1 Elektronische Archivierung und archivische Anforderungen

IV.1.2 Konkrete archivische Anforderungen an ein DMS

Elektronische Systeme werden in der Regel nach ihrem Unterstützungsansatz unterschieden in Dokumenten-Management-Systeme (DMS) und Vorgangs-bearbeitungs-Systeme (VBS, Workflow-Management-Systeme).

VBS unterstützen Vorgänge im Sinne von geregelten Abfolgen von Arbeitsschritten. Der Unterstützungsansatz zielt auf die Automatisierung der einzelnen Teilfunktionen und die Steuerung des Informations- und Arbeitsflusses („Workflow“) ab.

DMS unterstützen die Dokumente, ihre Bearbeitung, ihre Verwaltung und vor allem den gezielten Zugriff und das Finden von Unterlagen.

Das DMS muss beide Komponenten, IT-gestützte Vorgangsbearbeitung (VBS) und Dokumentenmanagement (DMS) in ganzheitlicher Perspektive realisieren können.

Der Lebenszyklus einer elektronischen Akte muss entsprechend der definierten Phasen im Organisationskonzept elektronische Verwaltungsarbeit unterstützt werden.

Elektronische Dokumente, Vorgänge und Akten müssen abgebildet werden können und den gesamten Lebenszyklus (Life Cycle), d. h. über die gesamte Laufzeit vom Beginn der Bearbeitung bis zur Aussonderung ganzheitlich betrachtet werden können.

Es dürfen keine Brüche entstehen, seien es Medienbrüche, Formatwechsel, Brüche bei den Metadaten oder nicht geregelte Übergänge der Aufbewahrung.

Der Lebenszyklus einer elektronischen Akte:

• Phase I: Anlegen und Bearbeiten von Dokumenten / Vorgängen / Akten

• Phase II: zdA-Verfügung, Beginn der Transferfrist

• Phase III: Ende der Transferfrist, Speicherung im Rahmen der Aufbewahrungsfristen im Zwischenarchiv (ggf. > 30 Jahre)

• Phase IV: Aussonderung - Abgabe an das zuständige Archiv oder Kassation (Vernichtung)

Abbildung 3: Lebenszyklus eAkte

IV.1.2.1 Anforderungen an die Lebenszyklus-Phase I der elektronischen Akte Anlegen und Bearbeiten von Dokumenten/Vorgängen/Akten:

▪ Schnittstelle zwischen Fachverfahren und DMS: parallele oder separate Übernahme von (Ergänzungs)-Daten aus Fachverfahren in die DMS-Lösung oder auch

umgekehrt

▪ Dokumentation von Geschäftsgängen (Sicht- und Entscheidungsvermerke, Freigaben etc.) und von Bearbeitungsschritten (Versionierung)

▪ Formatkonvertierung für digitalisierte, vormals analoge Akten und Einbindung in die zugehörige eAkte

▪ Möglichkeit der (nachträglichen) Paginierung (Seitennummerierung)

▪ Ablage der elektronischen Akten nach einem strukturierten, stufenförmigen Aktenplan, der angepasst werden kann. Hinterlegung der Aufbewahrungsfristen, ggf. auch Bewertungsentscheidungen (archivwürdig oder Kassation) des Archivs auf der unteren Aktenplan-Ebene für spätere Aussonderungs- und Löschroutinen.

▪ Möglichkeit der Implementierung einer prozentualen Auswahlarchivierung bei massenhaft gleichförmigen eAkten, wie z.B. Sozialhilfe, Verwaltungsrechtssachen) für spätere Aussonderungs- und Löschroutinen

▪ erweiterte Registratur-Komponente zu Standortinformationen analoger Unterlagen

▪ Möglichkeit der Mitarbeiter in einem separaten Feld Bewertungsinformationen/-empfehlungen für das Archiv zu hinterlegen

• zeitliche oder sachliche Aktenschnitte, um endlos eAkten zu vermeiden durch zdA-Setzung, womit die Transferfrist beginnt.

IV.1.2.2 Anforderungen an die Lebenszyklus-Phase II der elektronischen Akte Darunter ist die zdA-Verfügung und Beginn der Transferfrist zu verstehen.

▪ Ein Vorgang kann erst zdA-verfügt werden, wenn ein Sachverhalt abschließend bearbeitet ist.

▪ Die Transferfrist ist Teil der Aufbewahrungsfrist und bestimmt, wie lange ein

Vorgang oder eine Akte nach der zdA-Verfügung noch im DMS im Originalformat mit Schreibzugriff vorgehalten werden soll. Sie sollte möglichst nicht länger als zwei Jahre sein. Die Festlegung der Transferfrist soll verhindern, dass bei langen Aufbewahrungsfristen ggf. Dateiformate obsolet werden und somit Dateien nicht mehr interpretierbar sind.

▪ Wird während dieser Zeit ein Vorgang verändert oder ergänzt, beginnt die Transferfrist erneut. (Das gilt nicht für ausschließlich lesende Zugriffe.)

▪ Ordnungszusammenhänge müssen während der gesamten Aufbewahrungsfrist erhalten bleiben, genauso wie die Chronologie der Vorgänge und Dokumente, damit bei Recherchen, trotz unterschiedlicher Auslagerung, alle zu einem Sachverhalt verfügbaren Vorgänge und Dokumente gefunden werden.

▪ Bei Einsatz von digitale Signaturen ist darauf zu achten, dass digitale Signaturen nicht ihre Gültigkeit verlieren.

▪ Möglichkeit der Anpassung von Transferfristen durch die zuständigen Bearbeiter.

▪ Verwaltung von Aufbewahrungsfristen durch die zuständigen Bearbeiter

(Aufbewahrungsfristen müssen nachträglich änderbar sein – zum einen generell für Akten- bzw. Vorgänge, z. B. bei gesetzlichen Änderungen, als auch individuell (z. B.

langdauerndes Klageverfahren).

▪ Korrekturmöglichkeit von vorimplementieren Bewertungsentscheidungen durch das Stadtarchiv. Dafür benötigt das Archiv die Berechtigung zur Einsichtnahme in die ausgelagerten Vorgänge innerhalb der Aufbewahrungsfrist.

IV.1.2.3 Anforderungen an die Lebenszyklus-Phase III der elektronischen Akte Zwischenarchiv, Speicherung im Rahmen der Aufbewahrungsfristen:

▪ Einrichtung eines elektronischen Zwischenarchivs.

▪ Zwischenarchivierung erfolgt automatisch nach Ablauf der Transferfrist durch Rendition in ein langzeitarchivierungsfähiges Standardformat bis zur Aussonderung aus dem System durch Löschung oder Übernahme in das DiPS.kommunal.

Dienststellen haben im DMS nur noch lesenden, nicht mehr schreibenden Zugriff.

▪ Für die Durchführung der Bewertung empfiehlt sich die Einrichtung einer eigenen Prozessinstanz, um über ein Bewertungstool im DMS durch das Stadtarchiv Bewertungsentscheidungen zu hinterlegen (nicht Löschung). Dies gilt für eAkten ohne vorimplementierte Aussonderungs- und Löschroutinen. Das Archiv muss Leserechte auf die zdA-verfügten eAkten nach dem Ablauf der Transferfrist erhalten, deren Aufbewahrungsfrist noch nicht abgelaufen ist, um

Bewertungs-entscheidungen [archivwürdig oder Kassation (Vernichtung)] für eine automatisierte Übernahme nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist hinterlegen zu können.

Die Aussonderung sollte also sowohl automatisiert möglich sein als auch aktiv durch das Stadtarchiv ausgelöst werden können, beides ist im Lösungskonzept zu

beschreiben.

IV.1.2.4 Anforderungen an die Lebenszyklus-Phase IV der elektronischen Akte Aussonderung - Abgabe an das zuständige Archiv oder Kassation (Vernichtung).

IV.1.2.4.1 Aussonderung / Übernahme / Kassation (Vernichtung)

▪ Nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen sind die eAkten dem Archiv anzubieten, einschließlich Unterlagen, die dem Datenschutz oder sonstigen

Schutzbestimmungen unterliegen. Sie sind in nicht-anonymisierter Form anzubieten und, sofern als archivwürdig bewertet, ins DiPS.kommunal zu übernehmen. Über die Archivwürdigkeit entscheidet das Archiv.

▪ Bei der Übernahme werden nicht ganze Akten, sondern in der Regel

abgeschlossene Vorgänge einer Akte ausgesondert und zu einem Aktenschnitt zusammengefasst.

▪ Sollten Multimedia-Dateien Bestandteil einer eAkte sein, sind dabei die jeweiligen Standards für die unterschiedlichen Multimedia-Typen zu berücksichtigen (Z.B.

Bundesarchiv, SAGA-Standards), um eine Wiedergabe der Inhalte langfristig zu gewährleisten.

▪ Die Aussonderung muss über transaktionsgesicherte Datenwege für Dokumente und Metadaten erfolgen.

▪ Protokollierung des Umkopierens / Refreshings von Daten und Überprüfung des Vorgangs.

▪ Es darf zu keiner Löschung oder Veränderung übernommener Daten kommen.

▪ Nur in der Instanz des oben beschriebenen Bewertungstools soll eine Löschung von Daten und ausschließlich durch das Archiv möglich sein.

▪ Über die kassierten Vorgänge ist automatisiert eine Kassationsliste zu erstellen.

▪ (fehlende) Metadaten aus einem Fachverfahren sind vor Aussonderung noch in das DMS zu übertragen.

▪ Vor der Übernahme ins DiPS.kommunal nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist sollten eventuelle elektronische Signatur geprüft, bestätigt, protokolliert und anschließend aufgelöst werden. Wegen des hohen Folgeaufwandes für die Pflege digitaler

Signaturen und deren ungeklärten Archivierungs-Eigenschaften ist nach der-zeitigem Stand von einer Langzeitarchivierung digitaler Signaturen abzusehen.

IV.1.2.4.2 Aussonderungsschnittstelle

▪ Migration vom DMS in das DiPs.kommunal: Es muss möglich sein, sowohl eAkten als auch die dazugehörigen Metadaten in einer solchen Form aus dem DMS zu exportieren, dass diese in das Dips.kommunal über eine Schnittstelle importiert werden können, so dass eAkten (in Ausnahmen auch Einzelvorgänge / -dokumente) inkl. ihrer Metadaten exportiert werden können.

▪ Erzeugung ggf. einer XDOMEA2.2-Datei und Verschiebung in eine Aussonerungsliste mit Aktenstrukturen/-zeichen und Metadaten.

▪ Vermischung unterschiedlicher Provenienzen muss verhindert werden.

▪ Generierung einer Rückmeldung nach erfolgreicher Verschiebung in das DiPs.kommunal (nicht Anforderung an die DMS-Lösung, sondern an

DiPS.kommunal) Die Rückmeldung sollte möglichst im DMS protokolliert werden.

IV.1.2.4.3 Metadaten

Metadaten sind wichtig für die Zuordnung dauerhafter Informationen, die die

Einordnung in das System und die Bearbeitung bis hin zur Aussonderung steuern. Die Metadaten, die separat von den Inhalten des Schriftgutes vorliegen, sollen durch einen Metadaten-Katalog in Anlehnung an den Metadaten-Katalog des

DOMEA-Organisationskonzept 2.0, Aussonderung und Archivierung elektronischer Akten2 (siehe Anlage) definiert werden unter Beachtung einschlägiger Normen (ISO/TS 230813) und schon bei der Entstehung des einzelnen Dokumentes erzeugt und bei dessen Bearbeitung so weit wie möglich automatisiert ergänzt werden. Dadurch wird ein bis zur Archivierung oder Kassation (Vernichtung) weitgehend automatisiertes Verfahren möglich.

▪ Bei Einbindung von Fachverfahren müssen auch deren archivrelevante Metadaten in das DMS übernommen werden.

▪ Bereitstellung Metadaten gemäß XDOMEA2-Spezifikation (XML-basierter Datenaustauschstandard für Meta- und Primärdaten)

IV.1.2.4.4 Speicherformate

▪ keine proprietären Formate, standardisierte, weit verbreitete und plattformunab-hängige Formate und Komprimierungsverfahren.

▪ Sicherung der Kontextinformationen (Informationen über den Entstehungs- und Bearbeitungszusammenhang sowie Vernetzungen und Bezüge).

▪ Wiedergabe von Primärinformationen und von dokumentenstrukturierten Infor-mationen (elektronische Schriftstücke) im TIF-Format (Komprimierung nach CCITT Gruppe 4 - abgekürzt: G4) oder besser als PDF/A.

2 DOMEA-Organisationskonzept 2.0, Aussonderung und Archivierung elektronischer Akten, Schriftenreihe der KBSt, Bd.

66, 2004,

3 ISO/TS 23081, Information and Documentation – Records Management Processes – Metadata for Records – Part 1: Principles, 2006.