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5 Abschätzung des zukünftigen Wohnungsbedarfs

5.1 Komponenten des Wohnbedarfs

In diesem Kapitel wird der Wohnungsbedarf geschätzt, der im Zeitraum bis 2030 zu erwarten ist. Der Woh-nungsbedarf setzt sich aus drei Komponenten zusammen: dem Neubedarf, dem Nachholbedarf, und dem Ersatzbedarf. Der Neubedarf wiederum wird durch zwei separate Faktoren bestimmt, der Bevölkerungs-entwicklung (s. Abschnitt 5.1.1) und dem Haushaltsbildungsverhalten (s. Abschnitt 5.1.2). Der Unterschied zwischen beiden Faktoren ist entscheidend, denn der Wohnungsbedarf geht nicht von Personen sondern von Haushalten aus. Auch bei rückläufigen Einwohnerzahlen kann die Zahl der Haushalte gleich bleiben oder sogar zunehmen.

Ursächlich hierfür ist der langfristige Trend zu einer Verkleinerung der Haushaltsgrößen, einerseits ausge-löst durch die Alterung der Gesellschaft. So sind zunehmend mehr Menschen in einem Alter, in dem die Kinder den Haushalt bereits verlassen haben und ihrerseits einen eigenen Haushalt führen. Im hohen Alter gibt es mehr Menschen, die beispielsweise durch Trennung oder einen Todesfall des Partners alleine leben.

Andererseits bewirken die zunehmende Akademisierung und die resultierende höhere berufliche Mobilität von Akademikern, dass es mehr Studenten und Berufspendler gibt, die ebenfalls häufig in kleineren Haus-halten leben. Die zukünftige Zahl der Haushalte bestimmt also in erster Linie, wie viele Wohnungen zusätz-lich errichtet werden müssen.

Neben einem eventuell auftretenden zukünftigen Mehrbedarf ist als zweite Komponente auch der eventu-ell bereits jetzt bestehende Fehlbedarf zu berücksichtigen. Vom Verhältnis zwischen der aktueventu-ellen Zahl der Haushalte und dem derzeitigen Wohnungsbestand hängt es ab, ob ein Wohnungsdefizit oder ein Überan-gebot besteht. Der Ersatzbedarf als letzte Komponente kompensiert den Abgang von Wohnungen, wobei dieser sowohl in physischer Sicht, also in Form von Rückbau interpretiert werden muss, als auch in Form von statistischen Effekten, z.B. bei Zusammenlegung von zwei Wohneinheiten oder Umwandlungen in ge-werblich genutzte Gebäude, kommt es zum Abgang von Wohnungen.

5.1.1 Vorausberechnung der Bevölkerungsentwicklung

Im Jahr 2015 wurde eine Rekordzuwanderung nach Deutschland verzeichnet. Neben der in der zweiten Jahreshälfte einsetzenden Flüchtlingsbewegung bildet Deutschland für Einwanderer aufgrund der jahrelang anhaltenden positiven wirtschaftlichen Entwicklung ein attraktives Ziel. So waren die Wanderungssalden in den vorangegangenen Jahren bereits oberhalb des Durchschnitts der letzten beiden Jahrzehnte. Insbeson-dere die Folgen der EU-Schuldenkrise sowie die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit waren die Treiber dieser Entwicklung. Da diese Rahmenbedingungen aktuell und in den kommenden Jahren voraussichtlich Bestand haben werden, ist weiterhin mit Wanderungsgewinnen zu rechnen. Auch eine Rückwanderung der Perso-nen, die vor dem Krieg im Irak und insbesondere in Syrien geflohen sind, erscheint kurzfristig unrealistisch.

Denn anders als bei den Flüchtlingsbewegungen in der Vergangenheit sind die meisten großen Städte ver-wüstet und annährend unbewohnbar.

Abbildung 39: Vorausberechnung der Bevölkerung im Landkreis Offenbach und den Vergleichsregionen (2015=100)

Quelle: Eigene Darstellung auf Datengrundlage der Hessen Agentur 98

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Vor diesem Hintergrund zeichnet sich eine neue demografische Perspektive auf nationaler Ebene und den Metropolräumen ab. Der lange von Experten als sicher angenommene Bevölkerungsrückgang kehrt sich in ein Bevölkerungswachstum um. So schätzt Deschermeier (2016) den Bevölkerungsstand im Jahr 2035 auf 83,1 Millionen Personen und somit etwa eine Million Personen mehr als Ende 2015. Die Bundesregierung folgt dieser Einschätzung und passt in ihrer demografiepolitischen Bilanz zum Ende der 18. Legislaturperio-de die Erwartungen über die Bevölkerungsentwicklung entsprechend an (BunLegislaturperio-desministerium Legislaturperio-des Inneren, 2017). Auch das statistische Bundesamt hat die vor der Flüchtlingsbewegung veröffentlichte 13. koordinier-te Bevölkerungsvorausberechnung (Statistisches Bundesamt, 2015) inzwischen aktualisiert und deutlich nach oben korrigiert. Jedoch bleibt die Alterung der Gesellschaft als zentrale Herausforderung bestehen und auch das Bevölkerungswachstum verteilt sich regional ausgesprochen unterschiedlich. Insbesondere strukturschwächere Regionen sehen sich weiterhin mit Abwanderung und Schrumpfung konfrontiert.

Die Vorausberechnung der Bevölkerung der Hessen Agentur wurde 2016 ebenfalls an das geänderte Wan-derungsgeschehen angepasst und ermittelt bis 2020 einen Anstieg des Bevölkerungsstandes in Hessen um 2,8 % zum Bevölkerungsstand zum Jahresende 2015. Bis 2025 erhöht sich der Bevölkerungsstand leicht um weitere 0,4 Prozentpunkte. Es folgt anschließend jedoch ein leichter Rückgang um 0,1 Prozentpunkte. Zwi-schen 2015 und 2030 erhöht sich somit der Bevölkerungsstand um 3,1 %. Der leichte Rückgang zum Ende des Prognosehorizonts deutet an, dass die zukünftigen Wanderungssalden nicht mehr ausreichen, die per-sistente negative natürliche Bevölkerungsentwicklung im Land (vgl. Abschnitt 2.1.2) auszugleichen. Die größten Kohorten im Bevölkerungsaufbau bilden die Babyboomer-Jahrgänge, die zwischen 1954 und 1969 geboren wurden, und in den 2030er Jahren durch ein höheres Alter auch entsprechend relativ mehr Sterbe-fälle aufweisen, was die natürliche Bevölkerungsentwicklung negativ beeinflusst.

Abbildung 40: Vorausberechnung der Bevölkerung im Landkreis Offenbach und den Teilräumen (2015=100)

Quelle: Eigene Berechnung auf Datengrundlage der Hessen Agentur

Der Landkreis Offenbach (Abbildung 39) zeigt eine positivere Entwicklung der Bevölkerung bis 2030. Bis 2020 steigt die Bevölkerung um 3,4 %, gefolgt von einem Wachstum um weitere 1,2 Prozentpunkte. Anders als im Land steigt der Bevölkerungsstand auch nach 2025 um weitere 0,6 Prozentpunkte weiter an. Über den kompletten Betrachtungszeitraum erhöht sich der Bevölkerungsstand somit um insgesamt 5,2 %. In allen in Abbildung 39 dargestellten Vergleichsregionen zeigt sich eine vergleichbare Entwicklung, jedoch mit teils deutlichen Niveauunterschieden. So steigt der Bevölkerungsstand in Frankfurt am Main um über 10 %

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Landkreis

Offenbach Teilraum 1 Teilraum 2 Teilraum 3

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bis 2030 und somit am stärksten, gefolgt von Darmstadt (+8,6 %). Grundsätzlich wachsen die dargestellten Städte stärker als die Landkreise. Von den Landkreisen erhöht sich der Bevölkerungsstand im Landkreis Groß-Gerau am stärksten. Der Zuwachs von 6,3 % bis 2030 übertrifft somit den Anstieg im Landkreis Offen-bach um 1,1 Prozentpunkte. Den geringsten Zuwachs zeigt der Kreis Darmstadt-Dieburg (+2,9 %), der 2030 aber somit auch einen höheren Bevölkerungsstand als 2015 aufweist.

Innerhalb des Landkreises Offenbach zeigt sich eine einheitliche Entwicklung des Bevölkerungsstandes über den Betrachtungszeitraum bis zum Jahr 2030. Die Teilräume 1 und 2 weisen beide dieselbe relative Ent-wicklung wie der Kreis auf (+5,2 %). Etwas geringer fällt der Anstieg mit +4,8 % im Teilraum 3 aus. Das Wachstum in den Teilräumen 1 und 2 vollzieht sich jedoch unterschiedlich schnell. So wächst der Teil-raum 2 (+3,8 %) zunächst bis 2020 schneller als der TeilTeil-raum 1 (+2,8 %). Bis 2025 erhöht sich der Bevölke-rungsstand im Teilraum 2 um weitere 1,1 Prozentpunkte, der Teilraum 1 wächst zeitgleich um 1,4 Prozent-punkte somit nun etwas stärker. Der Bevölkerungsstand im Teilraum 3 steigt zwischen 2015 und 2020 um 3,3 %, bis 2025 um einen weiteren Prozentpunkt und schließlich um 0,5 Prozentpunkte bis 2030.

5.1.2 Vorausberechnung der Haushaltsentwicklung

Die Vorausberechnung der Bevölkerung bildet nur einen Baustein für die Wohnungsnachfrage, denn diese geht von den Haushalten aus. Die Ermittlung der zukünftigen Haushaltszahlen erfolgte zunächst auf Grund-lage der Definition des Mikrozensus. Dieser definiert den Haushalt als Wirtschaftshaushalte. Einen Wirt-schaftshaushalt bilden Personen, wenn sie sowohl gemeinsam wohnen als auch gemeinsam wirtschaften.

Wer allein wirtschaftet, bildet einen eigenen Haushalt und zwar auch dann, wenn er mit anderen Personen eine gemeinsame Wohnung bewohnt. In einer Wohnung können demzufolge auch mehrere Wirtschafts-haushalte leben. Die Anzahl der WirtschaftsWirtschafts-haushalte aus dem Mikrozensus wurde in einem zweiten Schritt an die Bedarfsrelevanz der Haushalte angepasst. Für die genauere Beschreibung der Vorgehensweise sei auf die methodischen Erörterungen in der landesweiten Prognose aus dem Jahr 2017 verwiesen (Kirchner und Rodenfels, 2017, S.16).

Ähnlich wie bei der Bevölkerungsentwicklung zeigt sich bei allen dargestellten Teilräumen und Vergleichs-regionen in Abbildung 41 und Abbildung 42 eine positive Entwicklung. Die Abbildungen verdeutlichen dar-über hinaus, dass die Dynamik bei der Entwicklung der Haushalte größer ist als bei der Bevölkerungsent-wicklung. Den geringsten Anstieg der bedarfsrelevanten Haushalte weist mit 8,3 % das Land im Aggregat auf. Dieser Wert übersteigt aber immer noch die relative Bevölkerungsentwicklung der meisten Teilräume und Vergleichsregionen (Ausnahme Frankfurt und Darmstadt).

Hinter den Anstiegen der bedarfsrelevanten Haushalte verbirgt sich die Singularisierung aufgrund der al-ternden Gesellschaft. Denn zukünftig steigt der Anteil an Haushalten, deren Kinder bereits hinreichend alt und deshalb ausgezogen sind und ihrerseits eigene Haushalte gegründet haben. Darüber hinaus steigt der Anteil an älteren Seniorenhaushalten, deren Haushaltsgröße beispielsweise durch mögliche Trennung oder Todesfall des Partners gesunken ist. Trotz des Anstiegs bei den Geburtenzahlen auf nationaler Ebene in den Jahren 2015 und 2016 ist die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Frau in ihrem Leben gebären wird geringer als zu Zeiten des Babybooms in den 1950er und 1960er Jahren. Entsprechend fällt die durch-schnittliche Familiengröße tendenziell geringer aus. Aus diesen Gründen verkleinert sich die durchschnittli-che Haushaltsgröße, was sich positiv auf die Wohnungsnachfrage auswirkt. So kann selbst eine negative Bevölkerungsentwicklung durch diese Entwicklungen zu einem Wachstum der bedarfsrelevanten Haus-haltszahlen führen.

Analog zur Vorausberechnung der Bevölkerungsentwicklung findet sich der größte relative Anstieg der be-darfsrelevanten Haushalte bis zum Jahr 2030 in Frankfurt (+13,7 %). Jedoch verläuft die Entwicklung zwi-schen den Städten und Landkreisen nicht so klar getrennt wie bei der Bevölkerungsentwicklung. So findet sich der zweihöchste Anstieg bis 2030 im Landkreis Groß-Gerau (+12,1 %), gefolgt von Hanau (+11,6 %). Die Alterung bewirkt aus den oben angeführten Gründen, dass auch in der Periode zwischen 2025 und 2030, in der sich das Bevölkerungswachstum merklich abschwächt, die Haushaltszahlen weiter steigen. So steigt bis

2020 die relative Anzahl an bedarfsrelevanten Haushalten im Landkreis Offenbach zunächst um 5,9 %. In der Folgeperiode bis 2025 erhöht sich die Anzahl um weitere 3 Prozentpunkte. Auch im letzten der darge-stellten Zeiträume zwischen 2026 und 2030 erhöht sich der Wert um weitere 2 Prozentpunkte. Somit steht über den gesamten Zeithorizont bis 2030 ein Anstieg um 10,9 % zu Buche.

Abbildung 41: Vorausberechnung der bedarfsrelevanten Haushalte im Landkreis Offenbach und den Ver-gleichsregionen (2015=100)

Quelle: Eigene Berechnungen auf Grundlage des Zensus 2011, des Mikrozensus, der Hessischen Gemeindestatistik und der Bevölke-rungsvorausschätzung der Hessen Agentur.

Abbildung 42: Vorausberechnung der bedarfsrelevanten Haushalte im Landkreis Offenbach und den Teilräumen (2015=100)

Quelle: Eigene Berechnungen auf Grundlage des Zensus 2011, des Mikrozensus, der Hessischen Gemeindestatistik und der Bevölke-rungsvorausschätzung der Hessen Agentur.

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2020 2025 2030

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Landkreis

Offenbach Teilraum 1 Teilraum 2 Teilraum 3

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Innerhalb des Landkreises Offenbach zeigen die Teilräume eine relativ einheitliche Entwicklung. Jedoch anders als bei der Entwicklung der Bevölkerung übertrifft das Wachstum der bedarfsrelevanten Haushalte bis 2030 im Teilraum 3 (+11,1 %) die Entwicklung im Teilraum 1 (+9,9 %). Der Teilraum 2 verbucht dagegen sogar eine Zunahme der relativen Anzahl der bedarfsrelevanten Haushalte von 11,6 %. Auffallend ist somit dass innerhalb des Kreises alle drei betrachteten Räume sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den Haus-halten bis 2030 wachsen werden. Dies ist ein wichtiges Ergebnis für die zukünftige Entwicklung der Woh-nungsnachfrage. Tabelle 21 gibt abschließend einen Überblick über die absoluten Werte der Bevölkerung und der bedarfsrelevanten Haushalte für die Jahre 2015, 2020, 2025 und 2030.

Tabelle 21: Vorausberechnung des Bevölkerungsstandes und der Anzahl der bedarfsrelevanten Haushalte

Bevölkerungsvorausschätzung Vorausschätzung der Bedarfshaushalte

2015 2020 2025 2030 2015 2020 2025 2030

Teilräume

Teilraum 1 126.686 130.178 132.008 133.332 62.666 63.799 66.994 68.732

Teilraum 2 176.226 183.000 184.818 185.422 82.007 83.071 88.512 91.131

Teilraum 3 44.445 45.932 46.348 46.583 20.571 20.870 22.098 22.772

Landkreis Offenbach 347.357 359.110 363.174 365.337 167.740 177.604 182.635 186.000 Vergleichsregionen

Darmstadt 155.353 161.697 165.650 168.725 79.211 80.981 85.700 87.688

Frankfurt am Main 732.688 772.894 792.886 807.350 387.499 395.277 420.726 434.424 Offenbach am Main 123.734 127.752 129.869 131.757 60.863 62.230 65.251 66.941

Hanau 92.643 96.091 97.866 99.370 43.345 44.163 46.635 48.108

Landkreis Darmstadt-Dieburg 292.773 298.899 300.656 301.250 128.983 131.240 137.550 141.094 Landkreis Groß - Gerau 266.042 276.970 280.554 282.717 122.908 125.338 133.636 137.607 Reg-Bez Darmstadt 3.922.369 4.070.974 4.117.978 4.147.217 1.874.203 1.903.480 2.014.064 2.067.145 Hessen 6.176.172 6.349.651 6.370.733 6.365.235 2.916.246 2.958.002 3.106.567 3.165.925 Quelle: Bevölkerungsvorausschätzung der Hessen Agentur, eigene Berechnungen

5.1.3 Ermittlung des Nachholbedarfs

Als Nachholbedarf wurde die positive Differenz zwischen dem Sollwohnungsbestand und dem tatsächlichen Wohnungsbestand im Ausgangsjahr definiert. Der Sollwohnungsbestand wiederum errechnet sich aus der Zahl der bedarfsrelevanten Haushalte und der Fluktuationsreserve, die pauschal mit 3 % der bedarfsrele-vanten Haushalte angesetzt wurde. Der tatsächliche Wohnungsbestand wurde der Gemeindestatistik des Hessischen Statistischen Landesamtes entnommen, von dem die Freizeitwohnungen, die laut Zensus 2011 nicht durch Wohnhaushalte belegt waren, abgezogen werden.

Gerade in schnell wachsenden Regionen, in denen der Wohnungsneubau nicht mit der Zuwanderung mit-halten kann, kommt es zu meist temporären Wohnungsdefiziten, deren Ausgleich den Nachholbedarf ergibt. Der Abbau dieser Defizite wird in der Prognose so berücksichtigt, dass ein anteiliger jährlicher Nach-holbedarf ermittelt wird. Das heißt, es wird von einem allmählichen Abbau des NachNach-holbedarfs über den gesamten Betrachtungshorizont ausgegangen.

Negative Werte beim Nachholbedarf lassen sich als Leerstandsreserve definieren, die grundsätzlich mit dem Neubedarf verrechnet werden kann. Das ist gleichbedeutend mit der Annahme, dass bestehende Leerstände, die z.B. Folge von Abwanderungstätigkeit der Vergangenheit waren, anstelle von Neubauten zur Deckung des zukünftigen Bedarfs herangezogen werden können, wenn dieser höher ist als der gegen-wärtige Bedarf. Voraussetzung hierfür ist allerdings die zumindest mittelbare Marktfähigkeit dieser Leer-stände. Leerstände, die aufgrund ihrer schlechten Bausubstanz oder ihrer nicht aktuellen Wohnvorstellun-gen Wohnvorstellun-genüWohnvorstellun-genden Ausstattung nicht mehr mit vertretbarem wirtschaftlichen Aufwand nutzbar gemacht werden können, sind daher als strukturelle Leerstände nicht zur Leerstandsreserve zu zählen.

Das gleiche kann auch für Wohnlagen angenommen werden, die aufgrund ihrer Lageungunst (z.B. durch Lärmimmissionen oder schlechte infrastrukturelle Anbindung) nicht mehr als marktfähig anzunehmen sind.

Eine Wohnungsbedarfsberechnung ist somit nicht nur mit den Unsicherheiten aus der Schätzung der be-darfsrelevanten Haushalte und des Ersatzbedarfs behaftet, sondern auch mit den Unsicherheiten über die Bedarfsgerechtigkeit und Marktgängigkeit der überschüssigen Wohnungen. Die Ergebnisse aus Abschnitt 5.2 zeigen jedoch, dass diese Unsicherheit aufgrund fehlender Leerstände vernachlässigt werden kann.

5.1.4 Ermittlung des Ersatzbedarfs

Der Ersatzbedarf kompensiert den Abgang von Wohnungen. Zu seiner Quantifizierung wurde zunächst auf die Abgangsquoten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zurückgegriffen, die für Ein- und Zweifamilienhäusern bei 0,2 % und für Mehrfamilienhäusern bei 0,3 % liegen (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, 2015, S.13). Diese Quoten erschienen jedoch vor allem in solchen Wohnungs-märkten, die von stagnierenden oder rückläufigen Wohnungsbedarfen geprägt sind, im Verhältnis zum Neubaubedarf deutlich zu hoch, da anzunehmen ist, dass ein Ersatzbedarf nur in solchen Wohnungsmärk-ten realisiert wird, in denen die notwendigen wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Nachfrage nach Neubauten besteht.

Die oben genannten Quoten wurden daher mit Anpassungsfaktoren versehen, so dass in stagnierenden Teilräumen nur 25 % des Ersatzbedarfs berücksichtigt wird. In Teilräumen mit einem Neu- und Nachholbe-darf bis 2030, der weniger als 20 % des Wohnungsbestandes im Basisjahr 2015 ausmacht, wurde ange-nommen, dass nur 63 % des Ersatzbedarfs realisiert wird. Für die Siedlungsflächenplanung zu beachten ist, dass der Ersatzbedarf nur zum Teil flächenwirksam ist, wenn man davon ausgeht, dass frei gemachte Grundstücke wieder bebaut werden können. Allerdings führen nicht nur Abrisse, sondern auch Umwand-lungen oder Zusammenlegungen zu Wohnungsabgängen. So wird beispielsweise im Regionalplan Nordhes-sen 2009 unterstellt, dass der Ersatzbedarf im Ordnungsraum zu 30 % und im ländlichen Raum zu 40 % flächenwirksam ist (Regierungspräsidium Kassel, 2009, S.48).