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Kommunaler Finanzausgleich

Im Dokument Kommunaler Finanzreport 2021 (Seite 46-51)

F | Kosten der Unterkunft G | Kassenkredite

TEXTBOX 2 Kommunaler Finanzausgleich

Die Schlüsselzuweisungen hängen auf verschiedene Weisen von den Steuereinnahmen bei Land und Kommunen ab. Die Zahlungen im laufenden Jahr sind von den aktuellen Steuerein-brüchen nicht betroffen. Die Finanzausgleichssysteme ziehen als Berechnungsbasis jeweils finanzstatistische Zahlen voran-gegangener Perioden heran. Im Folgejahr findet dann bei den meisten Systemen eine Spitzabrechnung anhand der tatsächli-chen Steuereinnahmen statt (Lenk, Hesse und Lück 2013: 40).

Dementsprechend entstehen im Jahr 2020 Überzahlungen, die in den Folgejahren ausgeglichen werden. Der wirtschaftliche Rückgang wird somit in seiner Wirkung auf die Folgejahre ver-schoben. Allerdings steht es den Ländern frei, diese Regelung anzupassen und auf eine Spitzabrechnung zu verzichten.

Im klassischen Modell des kommunalen Finanzausgleichs bestimmt sich dessen Volumen aus einem Anteil an den Ein-nahmen des Landes. Die Verteilung auf die Kommunen resul-tiert aus deren eigener Finanzkraft und deren Finanzbedar-fen. Sehr wirtschaftsstarke Gemeinden erhalten somit keine Schlüsselzuweisungen. Der wirtschaftliche Rückgang trifft die Gemeinden in ganz unterschiedlicher Härte. Die Reihenfolge der Finanzkraft kann sich dadurch im Vergleich zu den Vor-jahren wesentlich ändern, woraus eine Änderung in den jewei-ligen Beträgen der Schlüsselzuweisungen folgt. So ist es bei-spielsweise vorstellbar, dass bisher nicht anspruchsberechtige

finanzstarke Gemeinden Schlüsselzuweisungen erhalten, da sie überproportional Steuern verlieren. Gleichzeitig kann durch die Verwerfungen der Steuereinnahmen auch die Schwelle des Finanzbedarfs sinken, sodass bisher zuweisungs-berechtigte Gemeinden, die nur einen geringen Steuerrück-gang erleiden, statistisch über diese Schwelle rutschen und ihren Anspruch auf Schlüsselzuweisungen verlieren.

Diese Problematik trifft analog die Kreise, die sich wesentlich und in ähnlichem Maße durch Kreisumlage und Landeszuwei-sungen finanzieren.10 Das Steueraufkommen der Gemeinden ist Bezugsgröße der Kreisumlage. Sinken die Steuereinnahmen der Gemeinden, sinkt somit parallel die Kreisumlage. Auf diese Weise belasten Rückgänge des Steueraufkommens auch die Kreise, obgleich diese keine eigenen konjunktursensiblen Steu-ern erheben. Auch die Minderung der Finanzausgleichsmasse infolge von Einnahmeverlusten der Länder wirkt sich über die Schlüsselzuweisungen auf die Kreise aus. Im Gegensatz zu den Gemeinden haben die Kreise jedoch über die Anhebung der Kreisumlage einen Hebel, auf Mindereinnahmen eigenständig zu reagieren. Für die kreisangehörigen Gemeinden bedeutet dies eine weitere finanzielle Belastung über den Rückgang der Steuereinnahmen und Schlüsselzuweisungen hinaus.

10 Im Gegensatz zu den Gemeindesteuern ist der Finanzierungsanteil der Kreisumlage jedoch nicht allein Resultat der lokalen Wirtschaftsstruktur, sondern stärker durch die landesrechtliche Funktionsweise des Kommu-nalen Finanzausgleichs geprägt.

11 Effekte von Pandemie und Rezession

tion nicht absehbar war, sind ggf. die Höchstbeträge in der Haushaltssatzung zu gering bemessen und müssen aufge­

stockt werden. Dazu bedarf es einer Nachtragssatzung mit langwierigen Verfahrensschritten wie Beschluss des Ge­

meinderates und Genehmigung der Kommunalaufsicht.

Im Herbst jeden Jahres beginnt die Haushaltsplanung für das Folgejahr. Hierzu benötigen die Kommunen Orientierungs­

daten über zu erwartende Einnahmen des Folgejahres (u. a.

Steuerwachstum, Zuweisungen). In einer Phase wirtschaft­

licher Verwerfung ist eine solche Prognose kaum belastbar durchzuführen bzw. wird Einnahmerückgänge beinhalten.

Der Grundsatz ausgeglichener Haushaltspläne lässt sich für die Kommunen dann kaum durchhalten. Falls Haushalts­

pläne jedoch mit einem Defizit beschlossen werden, greift die Pflicht zur Aufstellung eines Sanierungskonzeptes.12 Die Kommunen müssen Wege suchen und umsetzen, diese Defizite abzubauen, z. B. durch Steuererhöhungen, Investi­

tionskürzungen oder den Verzicht auf alle gesetzlich nicht zwingenden Maßnahmen.

Kürzungen der Investitionen sind in mehrfacher Hinsicht bedenklich. Sie verursachen bleibende Schäden an der kommunalen Infrastruktur, mindern die Zukunfts fähig­

keit der Kommunen und sind auch volkswirtschaftlich kontraproduk tiv, da in Wirtschaftskrisen das öffentliche Investitionsniveau eher erhöht werden sollte.

Das Haushaltsrecht bewirkt somit in einer solchen Wirt­

schaftskrise eine finanzielle Blockade der Kommunen, limi­

tiert diese als Akteure der Krisenbewältigung und führt zu einer prozyklischen Haushaltspolitik.

12 Diese Rechtsfolge beinhalten die Gemeindeordnungen (bzw. ent­

sprechende Landesgesetze) in Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein­Westfalen, Saarland, Sachsen, Sachsen­Anhalt, Schles­

wig­Holstein, Thüringen.

Coronapandemie und Wirtschaftskrise belasten die kom­

munalen Haushalte über Mehrausgaben und Minderein­

nahmen. In vielen Kommunen werden dadurch die Progno­

sen des Haushaltsplans überholt und wird sich in Summe der Saldo verschlechtern. Diese Situation hat im kommu­

nalen Haushaltsrecht spürbare Konsequenzen, denn im Ge­

gensatz zu Bund und Ländern besteht hier nicht die Option, in Notsituationen mittels Krediten die Haushalte zu stabi­

lisieren und neue Spielräume zu erschließen. Das kommu­

nale Haushaltsrecht ist ungleich strenger. Es verlangt einen jährlichen Haushaltsausgleich, begrenzt die Verschuldung und unterstellt die kommunale Haushaltspolitik einer Auf­

sichtsbehörde. Dieses Kapitel beschreibt gleichsam die haushaltsrechtliche Normallage.

Bei einer Verschlechterung der Haushaltslage sollen die lokalen Verantwortlichen Haushaltssperren erlassen, um Defiziten entgegenzuwirken.11 In diesem Fall müssen Käm­

merei, Stadtrat oder ein spezielles Gremium alle disponi­

blen Ausgaben (nicht rechtlich oder vertraglich gebunden) prüfen und einzeln freigeben. Das Verfahren ist aufwendig, konfliktreich und führt dazu, dass besonders krisenbedingte Mehrausgaben blockiert werden, denn jene Ausgaben sind

„außerplanmäßig“. Der finanzielle Effekt von Haushalts­

sperren ist gering, der praktische Schaden für die Hand­

lungsfähigkeit ist groß.

Infolge der gekürzten Steuervorauszahlungen liegen die Einnahmen bereits Mitte des Jahres unter dem Plan und sind nicht mehr ausreichend, die weiterhin konstanten oder sogar steigenden Ausgaben zu decken. Falls Kommu­

nen nicht über Rücklagen verfügen, müssen sie Kassenkre­

dite zur Liquiditätssicherung aufnehmen. Da diese Situa­

11 „Wenn die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben es erfordert“, sollen (oder müssen) die Verantwortlichen eine Haushaltssperre er­

lassen. Diese Regelung findet sich in allen Gemeindeordnungen oder Haushaltsverordnungen (bzw. deren Äquivalenten) der Länder.

4. Haushaltsrechtliche Folgen

12

Effekte von Pandemie und Rezession

Freier, Ronny, und René Geißler (2020). „Kommunale Finanzen in der Corona­Krise: Effekte und Reaktionen“.

Wirtschaftsdienst 5/2020. 356–363.

Henneke, Hans­Günter (2020). „Kommunen sind Stabi li­

täts anker in der Krise“. Der Landkreis 4/2020. 146–148.

Lenk, Thomas, Mario Hesse und Oliver Lück (2013).

Synoptische Darstellung der kommunalen Finanz aus­

gleichs systeme der Länder aus finanzwissenschaftlicher Perspektive. Gutachten im Auftrag des Rechnungshofes Mecklenburg­Vorpommern. Leipzig.

Sowohl Coronapandemie als auch die sich daran anschlie­

ßende Wirtschaftskrise stellen für die kommunalen Haus­

halte eine Belastung dar. Die Eindämmung der Pandemie bedeutet über die Kontaktbeschränkungen Einnahmever­

luste bei Gebühren und führt zu (meist kleinteiligen) Mehr­

ausgaben in fast allen Aufgabenbereichen. Das finanziell größte Risiko resultiert aus der Wirtschaftskrise und dem Einbruch der konjunktursensiblen Gewerbesteuer. Gleich­

wohl gehen die Einnahmeverluste weit darüber hinaus und erreichen auch Einkommens­ und Umsatzsteuer sowie die Schlüsselzuweisungen. Im Ergebnis dieser Einnahmeaus­

fälle sieht das strenge Haushaltsrecht Haushaltssperren, Nachtragshaushalte und Konsolidierungsprogramme vor.

Ohne Reaktionen der Länder wären die Kommunen in dieser Situation handlungsunfähig, in der Bewältigung der Krisen ausgeschaltet und eine antizyklische Wirtschaftspolitik kaum möglich. Diese Erkenntnisse setzten sich auf Ebene von Bund und Ländern früh durch und resultierten, wie Abschnitt F dieses Kommunalen Finanzreports 2021 zeigt, in einer Vielzahl unterstützender Maßnahmen.

5. Fazit Literatur

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Verantwortlich Dr. Kisten Witte

Autoren

Dr. Florian Boettcher, Referat für kommunale Finanzen, Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein­

Westfalen

Prof. Dr. Ronny Freier, Professor für öffentliche Finanzwirtschaft, Technische Hochschule Wildau Prof. Dr. René Geißler, Professor für öffentliche Wirtschaft und Verwaltung, Technische Hochschule Wildau

Lektorat

Rudolf Jan Gajdacz, München

Grafikdesign

Nicole Meyerholz, Bielefeld

Bildnachweis

© Looker_Studio – stock.adobe.com DOI 10.11586/2021064

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