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In drei Bauabschnitten sollten bis 1963 zwei Großraumhochbunker mit einem Fassungsvermögen von jeweils 24 000  Tonnen Braunkohle, eine Auf bereitungsanlage für Braunkohlenhochtemperaturkoks (BHT-Koks), drei Großkraftwerke und drei Brikettfabriken entstehen. Am 30.  April 1959 konnten die wichtigsten Objekte der ersten Baustufe, die Brikettfa-brik und das Kraftwerk West, in Betrieb genommen werden. Damit war ein gutes Drittel der offenbar zeitlich viel zu knapp geplanten Vorhaben erfüllt. Es folgten die beiden weiteren Ausbaustufen, die 1973 mit unge-fähr zehn Jahren Verzögerung abgeschlossen wurden. »Schwarze Pumpe«

lieferte nun einen beträchtlichen Teil der für die Wirtschaft und die Haus-halte notwendigen Energie in Form von Briketts, Gas, Strom und Koks.

Nach den Maßstäben einer wirtschaftlichen Rechnungsführung war der Betrieb aber wohl immer unrentabel.

Doch solche Bilanzen waren angesichts der planwirtschaftlich geleiteten volkseigenen Betriebe reine Zahlenspielereien, Gewinn und Verlust in der

Planwirtschaft nur theoretische Größen. Zudem wurden seit den 1970er Jahren immer neue Betriebe aus der ganzen DDR dem Stammbetrieb

»Schwarze Pumpe« zugeordnet. Auf der Grundlage eines Ministerratsbe-schlusses vom 20. Oktober 1969 wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1970 das »Gaskombinat Schwarze Pumpe« (GSP) gegründet. Die Kombinats-bildung sollte damals die Entscheidungsprozesse konzentrieren. Dies war die Antwort auf die Politik des Neuen Ökonomischen Systems (NÖS) der 1960er Jahre, die sich die Verlagerung von Verantwortung auf die untere Ebene zum Ziel gesetzt hatte. In einer nach der Wende von ehemaligen Ökonomen und Ingenieuren der »Schwarzen Pumpe« verfassten Darstel-lung der Betriebsgeschichte heißt es dazu lapidar: »[D]ie besonders in den achtziger Jahren zunehmende Hinwendung zur zentralistischen Leitung und Planung fügte aber den Kombinaten und seinen Betrieben erhebli-chen ökonomiserhebli-chen Schaden zu und engte die potentiellen Möglichkeiten und den Spielraum für die Gestaltung der erweiterten Reproduktion ein.«7

Den Kern des neu gebildeten »Gaskombinat Schwarze Pumpe« (GSP) bil-dete das Kohleveredelungkombinat, also der alte, 1955 gegrünbil-dete Betrieb.

Er hatte sich ökonomisch und organisatorisch stabilisiert und übernahm nun die Rolle des Stammbetriebes des GSP. Hier lag die Verantwortung für die Deckung des volkswirtschaftlichen Bedarfs an Stadtgas, Erdgas und Produkten der Kohleveredelung wie Teere und Öle. Zum Stammbetrieb gehörten nun auch alle Ferngasleitungen und Untergrundspeicher, die über das gesamte Gebiet der DDR verteilt waren. Die Projektierung und der Bau von Ferngasleitungen sowie das Institut für technische Brennstoffver-wertung der Bergakademie Freiberg waren ebenfalls dem GSP angeschlos-sen. Das Ausbleiben von Lieferungen zwang auch das Kombinat »Schwarze Pumpe«, mit hohen Kosten Ersatzteile selbst zu produzieren. »Da es aber zur Gewährleistung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts unerlässlich war, die Betriebe ständig zu modernisieren und zu rationalisieren, wurde auch das Kombinat Schwarze Pumpe gezwungen, einen eigenen Rationa-lisierungsmittelbaubetrieb, im Prinzip einen Maschinenbaubetrieb aufzu-bauen, um fehlende Zulieferungen auszugleichen.«8

Ein zusätzliches Problem entstand durch eine zentrale Festlegung der Par-teiführung, die alle Produktionsbetriebe der DDR verpflichtete, Konsum-güter zu produzieren. Dafür sollten zwei Prozent der Kapazität freigestellt werden. Mit dieser an sich gut gemeinten Maßnahme sollte die Versorgung der Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs verbessert werden. Die Versorgungslücken waren vor allem durch die überstürzte und ökonomisch unsinnige Verstaatlichung von Privatbetrieben 1972 entstanden. Nun sollten durch administrative Maßnahmen diese selbstverschuldeten Defizite

ausge-glichen werden. Für ein Gaskombinat mit einer Jahresproduktion von acht Milliarden Mark war es schwierig, zwei Prozent der Produktionskapazität auf Konsumgüter umzustellen. Dennoch schaffte man es, in den betriebsei-genen Werkstätten Pkw-Anhänger und Wohnwagen in hoher Qualität her-zustellen. Der Wohnanhänger »Lausitz 310« wurde im Einzelhandel angebo-ten und fand reißenden Absatz. Allerdings war die Produktivität gering, die Kosten zu hoch und die Produktion von Pkw-Zubehör somit unrentabel.

Mit der Zuordnung von Betrieben der Kohle- und Gasindustrie entstand ein zusätzlicher Bedarf an Investitionen, was sich als sehr problematisch erwies, da einige der Betriebe in der Vergangenheit auf Verschleiß gefahren worden waren. Sie waren nicht mehr in der Lage, die einfache Repro-duktion ihrer Anlagen zu gewährleisten. Beispielsweise erhielt der Braun-kohleveredelungsbetrieb Espenhain über viele Jahre keine ausreichenden Mittel für die Erneuerung seiner Produktionsanlagen. Der Betrieb sollte sogar stillgelegt werden, musste dann aber trotz dramatischer Umwelt-belastungen weiterarbeiten. Die DDR stand in den 1980er Jahren mit dem Rücken zur Wand. Sie kämpfte verzweifelt gegen eine gewaltige Schul-denlast an. Gleichzeitig durfte der Lebensstandard der Bevölkerung aus Sorge um die politische Stabilität nicht angetastet werden. Deswegen wur-den die Modernisierung der Infrastruktur, die Grundlagenforschung, die Denkmalpflege und der Umweltschutz sträflich vernachlässigt.

Noch folgenschwerer waren die wirtschaftspolitischen Grundsatzent-scheidungen zur Primärenergie. Seit den beginnenden 1960er Jahren hatte die DDR auf so wje tisches Öl und Gas gesetzt. Diese Grundstoffe sollten in den modernen Chemiewerken der DDR in exportfähige Fertigprodukte verwandelt werden. Angesichts der steigenden Weltmarktpreise, die auch die So wjet union seit Beginn der 1980er Jahre forderte, stieß diese Wirt-schaftspolitik an ihre Grenzen. Neuerlich wurde wie in den 1950er Jahren auf die einheimische Braunkohle gesetzt, die 1989 fast 70 Prozent Anteil an allen Energieträgern aufwies. Zum Vergleich: In der Bundesrepublik waren es 1989 nur 8,5 Prozent.

Die daraus resultierenden Umweltschäden waren dramatisch. Nur 52 Prozent der im Zeitraum 1949 bis 1989 durch Tagebaue zerstörten Flä-chen waren wieder nutzbar gemacht worden. Statt wirtschaftlicher Effizi-enz oder gar Umweltschutz zählten nur die absoluten Produktionsziffern.

Die Braunkohleindustrie erreichte nur 45 Prozent der Arbeitsproduktivität vergleichbarer Werke in der Bundesrepublik. Dieser Raubbau ging nicht zuletzt auf Kosten der 15 016 Mitarbeiter, die unter schwersten Bedingun-gen dafür sorgten, dass die Energieversorgung der Industrie und der Haus-halte bis zum bitteren Ende aufrechterHaus-halten blieb.