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Klarheit der Vorstellungen über die zukünftige Berufslaufbahn

6. Diskussion

6.2. Klarheit der Vorstellungen über die zukünftige Berufslaufbahn

Im Anschluss an die im vorangegangenen Kapitel diskutierte Ausbildung der beruflichen Interessen und die damit einhergehende Festlegung auf einen bestimmten berufsbezogenen Persönlichkeitstyp stellt sich nun die Frage, warum bei manchen Personen der Berufsfindungsprozess bereits abgeschlossen ist und bei manchen nicht bzw. nur teilweise. Zur Beantwortung dieser Frage wurden in Kapitel 5.2. mehrere Determinanten ausgemacht, welche nachfolgend diskutiert werden.

In Hinblick auf den Identitätsstatus der Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen geht aus der Fachliteratur hervor, dass nur eine konsistente und gut explorierte Identität (Emmanuelle, 2009; Hirschi & Läge, 2007; Porfeli et al., 2011; Stuhlmann, 2009; Vondracek et al., 1995) im Sinne einer erarbeiteten Identität nach Marcia (1980) positiv auf den Berufsfindungsprozess wirken kann.

Diese Ergebnisse konnten in der vorliegenden Arbeit dahingehend repliziert werden, als dass die Stadien der diffusen Identität und des Moratoriums – sowohl

zu t7 als auch zu t8 – mit einer geringeren Klarheit der Vorstellungen darüber, welche Berufslaufbahn in Zukunft angestrebt wird, einhergingen. Demgegenüber bestand eine starke Verbindung zwischen einer erarbeiteten Identität und einer vorhandenen Klarheit der Vorstellung über die zukünftige Berufslaufbahn. Bei Personen mit übernommener Identität bezeichnete sich mit 18 Jahren zwar keine einzige Person als unentschlossen, im Alter von 22 Jahren konnte dahingehend aber keine Aussage mehr getroffen werden. Da Personen in diesem Identitätsstadium die Berufsvorstellungen der Eltern übernehmen, scheinen sie zwar zunächst Gewissheit über die eigene berufliche Entwicklung zu haben, allerdings ist das auf längere Sicht nicht der Fall.

Richtet man nun den Fokus auf die dem Identitätsstatus zugrundeliegenden Dimensionen Exploration und Verantwortungsübernahme, so konnten die Befunde von Creed et al. (2007) darüber, dass bei vorhandener Unentschlossenheit ein höheres Explorationsverhalten an den Tag gelegt wird, in der vorliegenden Arbeit nicht bestätigt werden. Dass die beiden Dimensionen nicht zwischen den drei Gruppen bezüglich der KVB unterscheiden konnten, könnte eventuell daran liegen, dass die Skalenerstellung dieser beiden Dimensionen nicht die ursprüngliche Konzeption von Marcia (1980) abbildet.

Beim Temperament stellte die Skala Zielstrebigkeit/Kontrolliertheit die stabilste Determinante, im Sinne eines zu beiden Zeitpunkten vorhandenen Einflusses auf die (Un-)Entschlossenheit, dar. Auf der Ebene der Persönlichkeit waren es die Skalen Neurotizismus sowie Gewissenhaftigkeit. Es zeigte sich, dass die unentschlossene Gruppe einen höheren Wert im Neurotizismus sowie niedrigere Werte bei der Gewissenhaftigkeit und der Zielstrebigkeit aufwies.

Diese Befunde entsprechen den von Holland (1997) postulierten Zusammenhängen mit einer erreichten beruflichen Identität, welche beim Neurotizismus negativ (vgl. Burns et al., 2013; Gati et al., 2011; Page et al, 2008;

Stărică, 2012) und bei Gewissenhaftigkeit positiv (s. dazu Lounsbury, 2005;

Stărică, 2012) sind. Das bedeutet, dass eine geringere Ängstlichkeit bzw.

Unsicherheit bei Entscheidungen sowie eine hohe Zielorientiertheit und ein geordneter Arbeitsstil die Entschlossenheit im Berufswahlprozess erhöhen.

Entgegen Holland (1997) konnten in der vorliegenden Arbeit hinsichtlich der Persönlichkeitsdimension Extraversion und der Entschlossenheit im Berufswahlprozess keine Zusammenhänge festgestellt werden. Ebenso bestanden bei der Verträglichkeit (entsprechend Stărică, 2012) und der Offenheit für Erfahrung (entsprechend Page et al., 2008) keine Zusammenhänge.

Betrachtet man die Bindung der 18-Jährigen an die Eltern und die Beziehung zu den Freunden, so bestanden keinerlei Unterschiede zwischen den Gruppen aufgrund der Qualität dieser Verhältnisse. Auch vier Jahre später (zu t8)

konnten die Freundesbeziehungen keine Unterschiede hinsichtlich der (Un-)Entschlossenheit erklären. Demgegenüber war nun aber ein Einfluss der

Eltern, insbesondere der Mutter, feststellbar. Dies entspricht einerseits den Ergebnissen in der Literatur, die davon ausgehen, dass ein unterstützendes Verhalten der Eltern und die Förderung von Eigeninitiative positiv auf die Berufswahl der eigenen Kinder wirken (Guay et al., 2003; Guerra & Braungart-Rieker, 1999; Stărică, 2012). Andererseits unterstützt dies die These, dass die Mutter aufgrund ihrer häufig stärkeren Präsenz bzw. ihres Engagements die wichtigere Bezugsperson im Berufsfindungsprozess ist (Maschetzke, 2009; Paloş

& Drobot, 2010). Interessant ist, dass, in dieser Studie, weniger die Kommunikation mit den Eltern in Zusammenhang mit der Festlegung auf eine zukünftige Berufslaufbahn stand, sondern vielmehr das emotionale Engagement der Eltern.

Außerdem sprechen die zu t8 ermittelten Ergebnisse dafür, dass die Eltern einen stärkeren Einfluss auf die Berufsentscheidung haben als die Freunde. Dies entspricht den postulierten schwachen Korrelationen zwischen der Beziehung zu den Freunden und der beruflichen Unentschlossenheit (Felsman & Blustein, 1999;

Ng & Feldman, 2009). Es scheint somit, dass zwar innerhalb des Freundeskreises Interessen geklärt und auch Informationen ausgetauscht werden, man sich jedoch bei der endgültigen Entscheidung eher auf die Eltern stützt. In diesem Sinne wird die Bindung an die Eltern als eine sichere Basis angesehen, auf die man sich beim Treffen einer Entscheidung verlassen kann.

Abschließend soll auch noch konstatiert werden, dass weder hinsichtlich des Geschlechts (entsprechend Guerra & Braungart-Rieker, 1999) noch

hinsichtlich der ausgeübten Haupttätigkeit signifikante Unterschiede in der (Un-)Entschlossenheit bestanden. Auch hinsichtlich des (beruflichen) Interessensprofils der Berufswähler konnten keinerlei Zusammenhänge ausgemacht werden, wenn die schwach-positive Korrelation zwischen sozialen Interessen und der KVB zu t7 außer Acht gelassen wird. Letzteres stimmt zwar mit den Ergebnissen von Burns et al. (2013) überein, welcher zum Schluss kam, dass ein höheres Social-Interesse mit einer geringeren Unentschlossenheit einhergeht. Dennoch kann dieses Ergebnis – aufgrund der schwachen Korrelation einerseits und dem nur zu t7 bestehenden Effekt andererseits – nicht verallgemeinert werden. Auch die anderen von Burns et al. (2013) berichteten negativen (mit Conventional- und Realistic-Interessen) und positiven (mit Investigative-Interessen) Korrelationen konnten in dieser Studie nicht repliziert werden. Es kann somit postuliert werden, dass die (Bevorzugung der)

individuellen Berufspersönlichkeitstypen keinen Einfluss auf die (Un-)Entschlossenheit haben. Eventuell wäre ein diesbezüglicher Zusammenhang

über die Sekundärkonstrukte von Holland (vgl. z. B. Hirschi, 2011) herstellbar.

Zusammenfassend muss darauf hingewiesen werden, dass die Auswahl der Determinanten, die einen Einfluss auf den Berufsfindungsprozess haben, in dieser Arbeit nicht vollständig ist. Weiterführende Untersuchungen sollten u. a. auch den sozioökonomischen Status der Familien (Schwanzer, 2008), den Familienstand der Eltern (Beinke, 2006) und andere endogene Variablen der Jugendlichen, wie Kontrollüberzeugungen (Gati et al., 2011) oder die Leistungen sowie Motivation in der Schule (Stuhlmann, 2011) einbeziehen.