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2. Theoretischer Hintergrund

2.2. Determinanten der Berufswahl

2.2.3. Die Entwicklung von (Berufs-)Interessen

Berufsinteressen sind „an important part of vocational identity development“

(Hirschi, 2011, p. 392; Holland, 1997), da Berufswünsche den „Charakter wegweisender Handlungsziele“ (Stuhlmann, 2009, p. 79) aufweisen. Interesse kann nun als eine „Zuneigung“ (Jörin et al., 2003, p. 9) bzw. „eine besondere, durch bestimmte Merkmale herausgehobene Beziehung einer Person zu einem Gegenstand“ (Krapp, 2010, p. 312) definiert werden: Dieser Gegenstand ist kognitiv repräsentiert und bezieht sich z. B. auf bestimmte Tätigkeitsbereiche (ebd.). Auch wenn man die Etymologie des Begriffs Interesse – aus dem Lateinischen ‚inter esse’ – betrachtet, zeigt sich diese „organic union“ (Dewey, 1913, p. 17)5 zwischen einer Person und dem Objekt des Interesses.

Doch wie kristallisieren sich nun Interessen heraus: Laut der Stufentheorie von Gottfredson (2002) ist die Ausbildung von Interessensstrukturen vom jeweilig vorherrschenden Entwicklungskontext abhängig: In der frühen Kindheit (zwischen drei und fünf Jahren) herrschen universelle Interessen vor, welche sich an „size and power“ (ebd., p. 96) eines Gegenstands orientieren. Diesen wird im Alter von sechs bis acht Jahren ein geschlechtsstereotyper Filter überzogen. In der dritten Phase (bis zu einem Alter von 13 Jahren) werden die Interessen zunehmend reflektiert und die daraus entstehenden Möglichkeiten aber auch Schwierigkeiten erkannt. In der finalen Stufe (ab 14 Jahren) kommt es dann zu

5 Das vollständige Zitat lautet (Dewey, 1913, p. 17): „Interest marks the annihilation of the distance between the person and the materials and results of his action; it is the sign of their organic union.“

einer „[o]rientation to the internal, unique self“ (ebd., p. 99) und somit zur Ausbildung von spezifischen Interessen (vgl. Krapp, 2010).

Nach Durchlaufen dieser Stadien – in etwa beim Übergang vom Jugendalter in das junge Erwachsenenalter – kommt es zu einer zunehmenden Ausdifferenzierung und Klarheit des Bildes von den eigenen Interessen:

Jugendliche haben nun „a unique idea of the level of career accomplishment they want to achieve in life“ (Cochran, Wang, Stevenson, Johnson, & Crews, 2011, p.

413 f.). Im Rahmen des Berufsorientierungsprozesses werden Tätigkeiten „als anziehend vs. abstoßend“ (Asendorpf, 2007, p. 232) empfunden: Orientiert an dieser Bewertung werden durch verstärkte Exploration (Porfeli & Lee, 2012) die uninteressanten Tätigkeitsbereiche vernachlässigt bzw. unbewusst ausgeschlossen (Heinz, 2005) und die interessanten, welche zunehmend dem eigenen Selbst, der eigenen Persönlichkeitsstruktur (Holland, 1997) entsprechen, forciert. Diese immer stärker werdende, iterative Koppelung von einer Person und ihrer Umwelt führt dazu, dass das Interesse für ein bestimmtes Fach einen guten Prädiktor u. a.

dafür darstellt, dieses Studium auch weiterzuführen und nicht abzubrechen bzw.

zu wechseln (Rounds & Su, 2014).

Betrachtet man die Ergebnisse der Meta-Analyse von Low, Yoon, Roberts und Rounds (2005), kann davon ausgegangen werden, dass Interessen relativ stabil sind: Dazu rechneten die Autoren mehrere Korrelationen zwischen jeweils zwei Zeitpunkten – über eine Zeitspanne von 12 bis 40 Jahre. Dadurch konnte belegt werden, dass die Stabilität von Interessen im Laufe der Schulzeit bis zu einer Spitze zu Beginn des jungen Erwachsenenalters immer stärker zunahm – darüber hinaus blieb dieser Stabilitätsmesser relativ gleich. Dennoch bedeutet Stabilität nicht gleich Konstanz, denn das Interesse bzw. die Neigung einer Person

„steht in einer direkten Wechselwirkung mit dem Berufswahlprozeß [sic!]“

(Pollmann, 1993, p. 25) und kann sich somit natürlich auch ändern.

Zusammenfassend kann also behauptet werden, dass sich eine Person nur dann

„mit einem bestimmten Gegenstandsbereich dauerhaft und aus innerer Neigung auseinandersetzt, wenn sie ihn auf Basis rationaler Überlegungen als hinreichend bedeutsam einschätzt und wenn sich für sie im Verlauf gegenstandsbezogener

Auseinandersetzung eine insgesamt positive Bilanz emotionaler Erlebensqualitäten ergibt“ (Krapp, 2010, p. 317).

Bezugnehmend auf die RIASEC-Dimensionen von Holland (1997) zeigte sich, dass „inhaltlich konsistente, wenngleich eher niedrige bis moderate Zusammenhänge“ (Schwanzer, 2008, p. 26) mit den Big-Five-Persönlichkeitseigenschaften existieren: So besteht hinsichtlich des Typs

„Artistic“ ein positiver Zusammenhang mit der Dimension „Offenheit für Erfahrung“ (Costa, McCrae, & Holland, 1984; Joerin Fux, 2005; Larson et al., 2002). Personen des Typs „Social“ besitzen höhere Werte in den Dimensionen

„Offenheit für Erfahrung“, „Extraversion“ und „Verträglichkeit“ (Costa et al., 1984; Joerin Fux, 2005; Larson et al., 2002). Personen des Typs „Enterprising“

weisen niedrigere Werte mit der Dimension „Neurotizismus“ und höhere Werte in den Dimensionen „Extraversion“ und „Gewissenhaftigkeit“ auf. In letzterer Dimension zeigt auch der Typ „Conventional“ höhere Werte (Larson et al., 2002).

Hinsichtlich des Typs „Investigative“ bestehen geringe Korrelationen zu

„Offenheit für Erfahrung“ (Barrick, Mount, & Gupta, 2003; Costa et al., 1984;

Larson et al., 2002) sowie „Gewissenhaftigkeit“ (Joerin Fux, 2005). Laut Joerin Fux (2005) bestehen zusätzlich schwache positive Zusammenhänge zwischen dem Persönlichkeitstyp „Realistic“ und „Gewissenhaftigkeit“, „Offenheit für Erfahrung“ und „Extraversion“ sowie ein negativer mit „Neurotizismus“.

Zusammenfassend stellte sich in der Meta-Analyse von Barrick et al. (2003) heraus, dass die stärksten Verbindungen zwischen E-Interessen und der Dimension „Extraversion“ sowie zwischen A-Interessen und „Offenheit für Erfahrung“ bestehen – etwas geringere zwischen „Extraversion“ und „Social“.

Diese drei Korrelationen wurden auch von Staggs, Larson und Borgen (2007) gefunden: In dieser Studie zeigte sich wiederum zusätzlich ein schwacher positiver Zusammenhang zwischen S-Interessen und „Verträglichkeit“. Diese Befunde bekräftigen die These Hollands (1997), dass die „Messung von beruflichen Interessen tatsächlich auch eine Messung von Persönlichkeitsmerkmalen beinhaltet“ (Stuhlmann, 2009, p. 75).

Auch hinsichtlich der Unentschlossenheit in der Berufswahl zeigen sich Unterschiede: So sind Personen mit einem höheren Interesse für C- und

R-Tätigkeiten stärker unentschlossen und jene mit höherem Interesse für S- und I-Tätigkeiten weniger (Burns et al., 2013). Bei den beiden Typen E und A konnte ein „conflict between multiple appealing careers“ (ebd., p. 2097) gefunden werden, da insbesondere Enterprising-Interessen in zahlreichen unterschiedlichen Berufen gefragt sind: Aufgrund dieser Fülle an Möglichkeiten kann somit eine stärkere Unentschlossenheit auftreten (vgl. ebd.).

Joerin Fux (2005) fand außerdem heraus, dass die Holland-Dimensionen

„Artistic“ und „Realistic“ häufiger in Profilen als auf dem Arbeitsmarkt auftreten – bei der Dimension „Conventional“ ist dies genau umgekehrt. Dies wurde durch Stuhlmann (2009) dahingehend bestätigt, als dass die Wahrscheinlichkeit, einen Berufswunsch zu verwirklichen, vom jeweiligen Berufsfeld abhängig ist: So konnten A-Interessen am wenigsten und C-, S-, und E-Interessen am häufigsten realisiert werden. Abschließend weisen Personen des Typs „Investigative“

häufiger ein höheres Bildungsniveau auf (Joerin Fux, 2005).