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Kirchliche Verwaltungsstrukturen

zwischen Persistenz und Fortschritt 1

6.3 Kirchliche Verwaltungsstrukturen

Bereits seit der militärischen Besetzung der Oberen Moldau und der schrittweisen He ranführung an österreichische Verwaltungspraktiken war Wien darum bemüht, der durch die Staatsgrenze vorgezeichneten äußeren Fasson der Bukowina auch eine rechtliche Trennung der verschiedenen Lebensbereiche zur übrigen Moldau folgen zu lassen und die immer noch mit der fürstlichen Moldau verwobenen Grundherrschaf-ten entsprechend der neuen staatsrechtlichen Territorialzuordnung zu trennen bzw. zu arrondieren.66 Der Amtskirche und ihrem Machteinfluss gegenüber war der josephini-sche Staat ohnedies recht skeptisch eingestellt. Die Berichte der Bukowiner Landesver-walter G. Splény und K. J. Enzenberg ließen ihrerseits keinen Zweifel an dieser Hal-tung.67 Im Zuge der Klosteraufhebungen im Habsburgerreich (1782/83) blieben in der Bukowina nur vier Klöster bestehen, Putna (Grablege Stefans des Großen), Suceviţa, Petroutz (Nyžni Petrivci) und Dragomirna (aufgrund seiner Lage und der Befestigun-gen geBefestigun-gen die angrenzende Moldau).68 Die josephinische Politik drängte bewusst auch

65 DACZ 1/1/685, Kriegsanleihe der Bukowina 1795, Auflistung aller Ortschaften und ihrer Zugehörigkeit sowie den Herrschaften. k.k. Provinzial Staatsgüterverwaltung Lemberg, 25. V. 1795. Interessanterweise scheinen bei dieser Auflistung keine Orte des Russisch-Kimpolunger Okols auf. Es wäre denkbar, dass dies mit der besonderen rechtlichen Stellung als direkt landesfürstliches Gut sowie mit einer rechtlichen Privilegierung (Steuervergünstigungen, Konskriptionsbefreiung etc.) des bevölkerungsarmen Gebietes zusammenhängt.

66 Vgl. Kapitel 7. Sowie die (6.) Denkschrift Enzenberg ‚Das Geistlich- und Kirchenwesen‘ Czernowitz 30.

XII. 1779. Teilweise abgedruckt in Zieglauer (1893): 146–147.

67 „… All diese Clerisey ist ohne aller Wissenschaft und die Unwissenheit erstrecket sich bey denen meh-resten auch auf die Glaubenssachen. Ihr Privat-Lebenswandel will eben auch nicht allerdings belobet werden, doch wissen sie durch die Hypokrisie des allzustrengen Fastens die Einfalt des Pöbels in engen Fesseln zu halten …“, so Splény in seiner Beschreibung der Bukowina um 1775. Grigorivici (Ed.) (1998): 76. Vgl. (6.) Denkschrift Enzenberg „Das Geistlich- und Kirchenwesen“, Czernowitz 30. XII.

1779, teilweise abgedruckt in Zieglauer (1893): 145–153. Ähnliche Kritik übte auch Balsch in seiner Beschreibung. Vgl. Polek (1895): 106–107.

68 Zieglauer (1893): 152. De facto blieben nur mehr drei Klöster bestehen, da Petroutz als Nonnenkloster auf ein ‚Aussterbeetat‘ gesetzt wurde.

auf ein Aufbrechen der ursprünglich moldauischen Kirchenprovinz und die Einbindung in neu geschaffene Kirchenstrukturen innerhalb des eigenen Staatsgebietes. So erfolgte 1781 zunächst die Loslösung der Bukowina aus dem Metropolitanverband der Moldau (mit dessen Sitz in Jassy), die Errichtung eines eigenen Bukowiner Bistums sowie die mehr als nur symbolische Übersiedlung des Bischofssitzes von Rădăuţi nach Czerno-witz.69 Damit löste man auch die gesamte Geistlichkeit der Bukowina aus der Jurisdik-tion des Metropoliten von Jassy heraus. 1783 ließ Joseph II. – als vorläufigen Abschluss der territorialen Entflechtung kirchlicher Verwaltung mit der Moldau – die neue Diözese in dogmatischen und religiösen Angelegenheiten der Metropolie von Karlowitz (Kro-atien-Slawonien) unterstellen, damit fand auch die Verbindung zum Patriarchen von Konstantinopel (in Istanbul) als für den Bereich des Osmanischen Reiches zuständiges Kirchenoberhaupt sein Ende.70

Mit der juristisch vollzogenen kirchlichen Trennung von der Metropole Jassy soll-te gleichsam auch eine politische und v. a. wirtschaftliche Kontrolle über das Kirchen- bzw. Klostereigentum erfolgen. Bereits im Frühjahr hatte der Bischof von Rădăuţi ein-gewilligt, seine Güter gegen eine jährliche Besoldung ‚pro arario‘ einzutauschen, und gleichzeitig vorgeschlagen, die Administration der Klöster ebenfalls in staatliche Hän-de zu legen.71 Folglich bekam schon vor der Einführung des griechisch-orientalischen Religionsfonds und der damit einhergehenden De-facto-‚Enteignung‘ des kirchlichen Grundeigentums in der Bukowina jedes Kloster einen weltlichen Verwalter von der Dis-triktsadministration zugewiesen, der über die Verwendung der Einkünfte aus dem Kon-sistorium zu wachen hatte.72 Das Konsistorium unter dem Vorsitz des Bischofs (sowie

69 Die Trennung von Jassy erfolgte in zwei Schritten. Zunächst regelte das kaiserliche Patent vom 24. III.

1781 nur die Lösung aller Bukowiner Klöster von der Metropolitangewalt in Jassy. Als Kirchenprovinz war die Bukowina nach wie vor zweigeteilt. In eine Diözese des Radautzer Bischofes (die auch Teile des Fürstentums Moldau umfasste) und eine des Metropoliten in Jassy. Ein Monat später, am 24. April 1781, verzichtete der Erzbischof von Jassy offiziell auf seine Metropolitanrechte in der Bukowina, womit die kirchliche Trennung zur Moldau hin ihren Abschluss fand. Vgl. Zieglauer (1895): 144–158.

70 Die Vorentscheidungen dafür fielen bereits 1780 in einer Sitzung des Hofkriegsrathes in Wien. Protocol-lum commissionis sub 4ta Aprilis 1780 Vienna habitae. Abgedruckt in Polek (1895): 83–84.

71 „Äußerung des Radautzer oder eigentlich Bukowiner nicht unirten Herrn Bischofs, wie die Unabhän-gigkeit dieser Diöces von dem Moldauer oder Jassyer Metropoliten am verlässlichsten ausgeführt werden könnte.“ Bericht Enzenberg an Hofkriegsrat, Czernowitz 27. IV. 1781. Abgedruckt in Zieglauer (1895):

149–150.

72 ANB-CAR VII/8, Hofkriegsrat an galizisches Generalkommando Lemberg, Wien 21. VIII. 1781. Ab-gedruckt in Polek (1895): 118–120. Die im Laufe des 19. Jh.s beträchtlich angewachsenen Mittel des Religionsfonds flossen v. a. in die Erhaltung von Kirchen und Klöstern sowie Schulen. Der Fonds vergab darüber hinaus Stipendien an (vorwiegend rumänische) Studenten, was gegen Ende des 19. Jh.s zuneh-mend zu Konflikten mit der sich benachteiligt fühlenden ruthenischen Bevölkerung führte. Mit den

eines Klostervorstehers und zweier weltlicher Vertreter, einer davon der erwähnte Bo-jar B. Balsch) war formell 1781 in Czernowitz im Zuge der Diözesanreform eingerichtet worden und nahm seine Arbeit nach einigen Verzögerungen mit der Inthronisation des Bischofs in Czernowitz am 13. Februar desselben Jahres auf. Bald machte sich auch hier wie in der übrigen politischen Landesverwaltung ein eklatanter Mangel an geistlichem wie weltlichem Personal bemerkbar.73 Alle Beschlüsse waren mit der Distriktsverwaltung einvernehmlich zu fassen. Die Zuständigkeit des Konsistoriums erstreckte sich sowohl

Stipendien war auch die Zulassung zu den theologischen Ausbildungsstätten des Landes verbunden.

Auch hier kann seitens des Fonds und der orthodoxen Landeskirche eine Bevorzugung rumänischer Theologiestudenten konstatiert werden. Vgl. Ungureanu (2003): 183.

73 Vgl. dazu die bei Zieglauer auszugsweise wiedergegebene Korrespondenz zwischen Enzenberg und dem Bischof von Radautz, Dositheu. Zieglauer (1896): 25–36.

Abb. 36: * moldauisch-osmanische Bezeichnung für Gerichtsdiener verschie-dener Rangordnung. Quelle: ANB-CAR I/75, Splény an Hofkriegsrat, Czer-nowitz 21. II. 1777.

auf religiöse wie wirtschaftliche Aspekte der Diözese bzw. des Kircheneigentums sowie dessen Erträgnisse.74 Aus diesem Konsistorium heraus schälte sich wenige Jahre später der genannte Religionsfonds. Durch einen Gütertausch konnte sukzessive auch eine langsame Entflechtung des grenzübergreifenden Besitzstandes des vormaligen Bischofs von Rădăuţi sowie der Metropolie Jassy erreicht werden.75 Ein Umstand, der letztlich auch der kirchenpolitischen Entflechtung zuspielte.