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Frühe Darstellungen bis zur Türkenbelagerung Wiens 1683zur Türkenbelagerung Wiens 1683

Das Entstehen der Region im Bild historischer Karten und Reiseberichte 1

4.3 Frühe Darstellungen bis zur Türkenbelagerung Wiens 1683zur Türkenbelagerung Wiens 1683

Dem Großteil der frühen kartographischen Abbildungen des östlichen Europas ist die nahezu generelle Randlage der Karpaten bzw. deren fehlende Wahrnehmung als große Gebirgskette eigen. Ein in der Regel relativ kleiner Maßstab gibt naturgemäß wenig De-tails dieses Raumes frei. Wenn die Karpaten in dieser Epoche auch immer wieder auf die eine oder andere Weise abgebildet werden, dann beschränken sich die originären Karten, von denen zumeist ‚abgekupfert‘ wurde, lediglich auf einige wenige. Das Reproduktions-verfahren führte je nach Vorlage (Holzstock oder Kupferplatte) darüber hinaus zusätzlich zu Auslassungen und Verkürzungen im Inhalt wie in der Darstellung selbst. Hier soll da-her nur auf eine kleine, repräsentative Auswahl solcda-her Karten zurückgegriffen werden.

Zu den ältesten Darstellungen zählt die 1507 in Rom angefertigte M.-Beneventanus- Karte von Mitteleuropa (ca. 1 : 3.700.000).14 Die der ptolemäischen Weltsicht verpflich-tete Tafel gibt die als Carpatus Mons bezeichneten Karpaten teilweise als Gebirgskette mit unterschiedlich hoch ausgeführten Maulwurfshügelsignaturen wieder. Die Orts-signaturen im moldauischen Raum sind bereits stark generalisiert.15 Trotz der merklichen Verzerrungen und offensichtlicher Schreibfehler lassen sich Verlauf der Donau und ihr Schwarzmeerdelta deutlich ausmachen. Zwischen Podolya (Podolien) und der Valachia (Walachei) schieben sich in SW-NO-Verlauf die angedeuteten Wald- bzw. Ostkarpaten.

Neben den bedeutenden, befestigten Plätzen wie Camenecz (Kam’janec’-Podil’s’kyj), Co-czym (Chotyn) und Colomia (Kolomyja) nördlich (richtig: nordöstlich!) der Karpaten, die nicht lagerichtig erscheinen (Kolomyja liegt zwar am Prut, dieser entwässert aber fälschlich in den Dnister), scheint Zacauia (vermutlich Suceava) zwischen den Flüssen Seret(?) und Bistriţa(?) auf. Beide fließen in der Karte getrennt in die Donau. Mit Ne-myedz ist aller Wahrscheinlichkeit das vom moldauischen Fürsten Ştefan (1457–1504) im fünfzehnten Jahrhundert gegründete Kloster Neamţ, das zuvor durch die Türkenbelage-rung 1476 als Festung Bekanntheit erlangt hatte, gemeint.16 Der eingetragene Lacus s . M . de danubio könnte für die als See wahrgenommenen Sümpfe bei Galaţi stehen.17

14 Marcus Beneventanus, Kartograph (erste Hälfte 16. Jh.). Beneventanus (1507). Die vollständigen Kar-tenzitate finden sich im Anhang.

15 Je nach Ausgabe dieser Karte sind die Siedlungen als einfache Punktsignaturen oder noch als stark ge-neralisierte Piktogramme in Form von Städten gedruckt. Vgl. etwa die Version bei Dörflinger et al.

(1977).

16 Vgl. Onciul (1899): 87. Ein Vergleich mit der Karte von Castaldi 1566, wo Niemez südlich des Moldau-flusses (?) eingestochen ist (heute: bei Târgu Neamţ), scheint diese Annahme zu bestätigen.

17 Gerhard Mercator, niederländischer Kartograph und Humanist (1512–1594). Mercator (1554).

G. Castaldi18 entwirft 1566 eine auf den Angaben des österreichischen Gesandten in Russland S. v. Herberstein beruhende Karte des Moskowiterreiches (ca. 1 : 9.160.000), in der Bessarabien eine unbedeutende Randlage zukommt. Erwähnt sind u. a. der Prut und neuerlich Camenecz. In seiner ebenfalls 1566 publizierten Transsylvanienkarte (ca.

1 : 2.000.000) erscheinen das Gebiet Moldau-Walachei-Bessarabien und besonders die Flüsse Prut, Bistricia, Streco (Seret) sowie u. a. die Stadt/der Fluss Baralach (Bârlad) an-nähernd lagerichtig und im Maßstab größer. Die Siedlung Niemecz (Neamţ) ist ebenfalls eingefügt. Zwischen Colomia und Stepanowze (Ştefăneşti) entlang des Prut fehlen bei Castaldi allerdings andere Ortsangaben. Die generalisierten Signaturen der Orte lassen auch hier keine Unterscheidung bezüglich der Bedeutung einzelner Siedlungen zu. Die in derselben Zeit gestochene Transsilvanienarbeit von I. Sambucus19 (ca. 1 : 1.200.000) stellt – obwohl dieser als Wiener Hofhistoriograph besser informiert hätte sein müssen – inhaltlich einen Rückschritt dar. Lediglich die angedeutete Bistriz und die Bergbezeich-nung Carpatus verweisen auf die in dieser Inselkarte nur mehr randlägig behandelte, hier nördliche Moldau.

Die Basis dieser Karten bildete offensichtlich die zwölf Jahre zuvor entstandene, tech-nisch und topographisch bessere Europakarte von G. Mercator (ca. 1 : 3.700.000)20. Auf dieser erscheint fein gestochen erstmals Cernouecz (Czernowitz) lagerichtig am rechten Prutufer. Auch der Verlauf der Karpaten ist annähernd der Wirklichkeit entsprechend wiedergegeben. Suceava wird als Sitz eines Woiwoden (Soczaua se des Vaiuodę) beschrie-ben. Bemerkenswert ist neben dem mit einer besonderen Signatur (zwei Türme) verse-henen historischen Bistumssitz Sereth die westlich davon eingetragene Klostersiedlung Pudno (Putna), die als Grablege und Gründung des Moldaufürsten Ştefan weithin Be-kanntheit erlangte. Czernowitz und Suceava sind nur durch jeweils einen Turm als Sied-lung gekennzeichnet.

Wenngleich 80 Jahre nach Mercator entstanden, stellt die in Amsterdam aufgeleg-te Donaukaraufgeleg-te von J. Janssonius21 keinen Fortschritt in der Darstellung dieses östli-chen Raumes dar (ca. 1 : 2.000.000), richtet sie sich im Wesentliöstli-chen doch nach der Mercator’schen Vorlage. Czernowitz wird als Sernoues am linken Prutufer abgebildet. Die Bukowina erscheint im Verlauf der aufgedruckten Grenzlinie, die weitestgehend dem

18 Giacomo Gastaldi/Castaldi, italienischer Kartograph (1500–1566). Castaldi (1566).

19 Eigentlich János Zsámboky (1531–1584), Kartograph aus dem slowakischen Oberungarn. Sambucus (1566).

20 Mercator (1554).

21 Joannes Janssonius, Herausgeber von Karten und Globen in Amsterdam (1588–1664). Jan(n)ssonius (1636).

Zug der Ostkarpaten folgt, partiell als Teil Transsylvaniens.22 Sereth und Soczawa werden mit einer eigenen Stadtsignatur besonders hervorgehoben, wohingegen Czernowitz nur mit einer einfachen Punktsignatur verzeichnet ist. Wenn auch kleinere Korrekturen der moldauischen Flussläufe erkennbar sind, so lässt die fehlerhafte Verortung einzelner Ort-schaften wie Czernowitz oder Iaß (Iaşi) doch auf ein noch geringes – eben am Rande der damaligen europäischen Zentren liegendes – Interesse an diesem Raum schließen. Sie steht damit in einer Linie mit den kartographischen Arbeiten seit Beneventanus. Genau-so wie die 1587 in Antwerpen gestochene Germanienkarte von A. Ortelius23 rückt sie die Moldau an den Kartenrand – bzw. bildlich an jene Grenze des europäisch-gesellschaftli-chen Interesses. Selbst bei der Castaldi-Arbeit – obwohl eine neue europäische Macht im Osten, nämlich Russland, zentral ins Bild gerückt wird, nimmt der moldauische Raum eine Randposition ein – diesmal von Osten aus.

Die zwei Jahrzehnte zuvor auf die Ptolemäische Geographie zurückgreifende, von S.

Münster24 verfertigte Polen- und Ungarnkarte bezeichnet im Gebiet der Bukowina u.

a. die als Metropolis signierte Hauptstadt der Moldau Sozana (Suceava). Obwohl der moldauische Raum in dieser Karte nicht am buchstäblichen Rand eingeschnitten wird, dünnen sich doch die topographischen Informationen von hier in Richtung Osten sichtbar aus. Zu den Werken, in denen die angesprochene Region (und damit auch mit Einschränkung die Bukowina) immerhin einen relativ zentralen Stellenwert einnimmt, zählen die von Ortelius unter dem Titel ‚Theatrum Orbis Terrarum‘ in mehrfachen Auf-lagen herausgegebenen Kartenwerke sowie die Moldaukarte nach Angaben von G. Rei-cherstorfer (gedruckt 1595, Wien).25

Die Karpaten, einige regelmäßig verzeichnete Orte wie Kam’janec’-Podil’s’kyj oder Chotyn finden zwar immer wieder ihren Niederschlag in den zumeist kleinmaßstäbi-gen Kartendrucken – wohl nicht zuletzt der Kriegsereignisse wekleinmaßstäbi-gen (polnisch-türkischer Krieg 1672–1699, Belagerung Wiens 1683), bleiben aber eine beiläufig erwähnte Erschei-nung, weitab vom zentralen Fokus der europäischen Kartographie und somit vermutlich

22 Unwahrscheinlich, dass man sich damit auf die mittelalterliche Siedlung bei Lenkyvci an dieser Uferseite bezog. Vgl. Masan (2000).

23 Abraham Ortelius, niederländischer Kartograph (1527–1598). Ortelius (1587). Lediglich die isoliert ste-hende Bezeichnung Carpates Mons und Daciae Pars am äußersten Kartenrand weist auf dieses Gebiet hin.

24 Sebastian Münster, deutscher Hebräist und Kosmograph (1488–1552).

25 Ortelius, Kosmograph, Kartograph und in Antwerpen tätiger Verleger (1527–1598). Bagrow (1928–30) u. Sossa (2000): 26–29. Ein bekanntes Original der Reicherstorfer-Karte befindet sich in der Akademie-bibliothek in Bukarest. Georg von Reicherstorfer (ca. 1495–1554), geboren in Biertan (Siebenbürgen), 1526 „Königlicher Sekretär und Hofrat“, mehrmals österreichischer Botschafter in Siebenbürgen und in der Moldau. Popescu-Spineni (1987): 176–179.

wohl auch der zeitgenössischen Mental Map.26 Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den von Polen und Türken bedrängten Moldaufürsten Ende des fünfzehnten Beginn des sechzehnten Jahrhunderts und die Gefolgschaftsleistung des moldauischen Woiwoden Ştefan König Maximilian gegenüber (der ihm 1490 Vollmachten in Sieben-bürgen übertrug)27 sowie die osmanische Tributpflicht der Moldau, spätestens seit 1514, gelangten hier augenscheinlich, wenn auch spärlich zum Ausdruck. Eine erste, dünne Linie einsetzenden zentraleuropäischen, von Wien und Krakau ausgehenden Machtstre-bens Richtung Südosten begann sich abzuzeichnen. Ein Streben, das sich im

achtzehn-26 N. Sanson und Jaillot in ihrer Karte der Donauländer von 1696 stellen die Moldau und Walachei als

‚Partie de la Turquie en Europa‘ dar. Czernowitz am Prut wird dabei erwähnt. Zeilinger & Wawrik (1989): 61.

27 Onciul (1899): 94.

Abb. 13: o. A. (1795b): Novaja Pograničnaja Karta Rossijskoi Imperii … © Historisches Museum der Stadt Moskau.

ten Jahrhundert zunehmend auch von russischer Seite gegen die Herrschaft der Pforte zu wenden begann.

4.4 Vom ‚Théâtre de la Guerre‘ bis