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Die Bukowiner Landespetition 1848

zwischen Persistenz und Fortschritt 1

6.6 Die Bukowiner Landespetition 1848

Im Juni 1848 überreichten die Stände der Bukowina in Wien eine Petition, die der Kaiser dem Reichstag weiterleitete (3. August 1848). Das Dokument nahm inhaltlich Bezug auf das kaiserliche Patent von 1790 und unterstrich die von Leopold II. eingeräumte be-sondere Stellung der Bukowina.103 Neben wirtschaftlichen wie verschiedenen politischen

102 Auszug aus dem Patent vom 13. IV. 1817, die ständische Verfassung der Königreiche Galizien und Lo-domerien betreffend (Politische Gesetzsammlung 45. Bd. S. 113) aufgehoben durch § 77 Absatz 2 der Reichsverfassung für das Kaiserthum Österreich vom 4. III. 1849 „§ 3: Da bereits mit dem Patente vom 14. März. 1787, die Bukowina, in Absicht auf die ständische Verfassung, mit Galizien einverleibt worden ist; so lassen Wir es bei dieser Einverleibung allergnädigst bewenden und ertheilen hierüber folgende nähere Bestimmungen.

a) Der Bischoff der Bukowina gehört, wie die galizischen Bischöfe, zu dem Stande der Geistlichkeit. b) Jene Familien, welchen in Folge der §§ 2 und 3 des Patents vom 14. März 1787 der Grafen- oder Freiher-renstand verliehen worden ist, werden dem HerFreiher-renstande, und

c) jene ehemaligen Bojaren und Masilen, welche von dem Rechte zur Immatriculirung bis nun Ge-brauch gemacht, wie auch jene, denen Wir oder Unsere Vorfahren den Ritterstand verliehen haben, dem Ritterstande beigezählt.“ http://www.verfassungen.de/at/galizien17.htm (Abrufdatum 23. IX. 2009).

103 „… Eure Majestät geruhe, der in dem bezogenen allerhöchsten Patente enthaltenen Zusage gemäß, so-bald als möglich einen besonderen, alljährlich zusammentretenden Provinzial-Landtag mit gleich starker Vertretung aller Stände, ohne Unterschied der Religion, und zwar: der Geistlichkeit, der Gutsbesitzer, der Intelligenz, des Bürger- und Bauernstandes, für die Bukowina nach Czernowitz einzuberufen …“

Anonymus (1848): 7.

Forderungen stand allem voran der Wunsch nach einem eigenständigen Landtag und einer autonomen Provinzialverwaltung – also einer endgültigen Trennung von Galizien.

Bemerkenswert ist dabei, dass schon an zweiter Stelle die Bitte um Einrichtung einer ‚ro-manischen‘ Lehrkanzel und von Volksschulen in dieser Sprache rangiert. Ebenso forderte man darin die Möglichkeit, amtliche Eingaben in Rumänisch erledigen zu dürfen. Die Initiative dieser Petition ging im Wesentlichen von der rumänischen Partei der Buko-wina aus, die sich durch die galizische (überwiegend vom polnischen Adel dominierte) Verwaltung in besonderem Maße benachteiligt sah. Aber auch nicht rumänische Kreise – wie die Liste der Unterzeichnenden zeigt – trugen diesen Aufruf an den Kaiser bzw. an die in Kremsier tagende Reichsversammlung mit.104

Um den Forderungen der Bukowiner Autonomiebewegung mehr Nachdruck zu ver-leihen, verfasste der Bojar E. v. Hormuzaki, der schon an der ersten Schrift federführend beteiligt war, am 8. Februar 1849 ein ‚Promemoria zur Bukowiner Landespetition‘, das sich neuerlich an den Reichstag richtete.105 Wenige Tage zuvor, am 20. Jänner 1849, hatte sich eine Delegation aus der Bukowina unter der Leitung des griechisch-orientalischen Bischofs E. Hakman vorstellig gemacht, um dem jungen Kaiser im Namen der Landes-stände zu huldigen.106 Andere nationale (vorwiegend ruthenische) Gruppen in der Bu-kowina stellten sich gegen eine Abtrennung von Galizien. Der später – erst im Ausgleich von 1910 – einigermaßen entschärfte, aber keineswegs endgültig beseitigte Konflikt zwi-schen Rumänen und Ruthenen (Ukrainern) des zukünftigen Kronlandes zeichnete sich hier schon in aller Deutlichkeit ab.

Der im Herbst 1848 gewählte Reichstag als Forum schuf überhaupt erst eine Mög-lichkeit für die Bukowiner Stände, am politischen Diskurs direkt und an vorderster Stel-le teilzunehmen, da das Land als Kreis Galizien-Lodomeriens bisher über keine eigene Landesvertretung verfügt hatte und auch dessen Stände aus eigenem Entschluss nicht in der galizischen Ständeversammlung in Lemberg vertreten waren.107 Für den Bukowiner Kreis saßen acht Abgeordnete im Reichstag, sieben von ihnen aus Landbezirken.108 Am

104 Die Petition trägt die Unterschriften folgender Personen (die Schreibweise der Familiennamen in der Quelle weicht von der später in der österreichischen Historiographie gebräuchlichen geringfügig ab!):

Bischof Hackmann, Constantin Popowicz, Joan Calinciuc, Nicolai Hackmann (alle Theologieprofesso-ren), Jordachi Vasilco, Mihail Zota, Eudoxio Hurmuzake (rumänische Adlige), Michael Bodnar, Anton Král (Gymnasialprofessor in Czernowitz), Christof Petrowitz sowie Jacob Mikuli. Anonymus (1848): 5.

Vgl. Şafran (1939): 58.

105 Şafran (1939): 58.

106 Kaindl (1900): 5.

107 Vgl. dazu Gottsmann (2000): hier v. a. 575–578.

108 Georg Timesch (Landbezirk Czernowitz), Michael Bodnar (Radautz), Wasyl Kirste (Sadagora), Iwan Deleńczuk (Suczawa), Wasyl Morgatz (Kotzmann), Miron Czuperkowicz (Gurahumora) und Lucian

8. Februar 1849 wandten sich Vertreter der Gemeinden zwischen Prut und Dnister in der Bukowina – wo sich fast ausschließlich ruthenische Siedlungen befanden – unter Protest an den Reichstag. Sie forderten mit Unterstützung des Abgeordneten W. Mor-gatz unmissverständlich die Beibehaltung des Status quo.109 Einerseits sahen sich die zu-nehmend auch in nationalen Kategorien denkenden Ruthenen in den Forderungen der starken rumänischen Partei, die weite Teile v. a. des südlichen Landesgebietes dominier-te, durch eine Trennung in einen fortdauernden Nachteil gesetzt. Andererseits spielten dabei ebenso soziale Befürchtungen eine Rolle, die sich von den nationalen nicht immer klar trennen lassen. Durch eine solche Loslösung argwöhnten die Ruthenenvertreter die heraufziehende Vorherrschaft von Geistlichkeit, Gutsbesitzern, der Intelligenz sowie des Bürgerstandes110, von denen wiederum Erstere größtenteils rumänisch orientiert war. Die Intelligenz konzentrierte sich vorwiegend in der Stadt Czernowitz und wies ein star-kes, deutschsprachiges Element auf. Durch die Übersiedlung der Landesadministration von Lemberg nach Czernowitz befürchtete man darüber hinaus einen noch weiter ge-henden Einfluss der Landesverwaltung auf die Entwicklung des Kreises, als das bisher von Lemberg aus der Fall gewesen war. Die Behörden reagierten angespannt auf diese Entwicklung und verfolgten sie unter dem Eindruck der revolutionären Ereignisse in der Monarchie mit großer Skepsis. Sie befürchteten allerorten eine Aufwiegelung des Landvolkes durch den Abgeordneten W. Morgatz.111 Der eigentliche Beweggrund für die heftige Opposition der ruthenischen Kreise lag jedoch woanders. Die bei einer Ab-trennung von Galizien einem Schrecknis gleich heraufbeschworene Verschiebung der ethnischen Mehrheitsverhältnisse in der Bukowina, zusammen mit einer vermeintli-chen Einrichtung eines „daco-roumanisvermeintli-chen Kreises“ – wie eine ebenfalls im Februar eingereichte Petition von 55 Wahlmännern aus dem Bezirk Sereth unterstreicht – formte den Nährboden dieser Haltung.112 Eine Angst, die aus ruthenischer Sicht begründet

er-Kobylica (Wiżnitz). Anton Král war der einzige nicht bäuerliche Abgeordnete. Der Gymnasialprofessor vertrat die Stadt Czernowitz. Gazeta Lwowska, 1848, Nr. 73 und 75, Kaindl (1899a): 127.

109 DACZ 1/1/9577, Protest an die Versammlung des Reichstages, Bojan 8. II. 1849. Unterzeichnende Vertre-ter folgender Gemeinden (die Schreibweise entspricht dem Dokument!): Bojan, Rarancze, Czernawka, Unter-Scheroutz, Toporoutz, Schubrenitz, Walowa, Dobronoutz, Ober-Scheroutz, Jurkoutz, Bojanestie, Neu Zuczka, Okna, Czarne potok, Onuth, Szamoschin, Mazuriwka, Milkow, Alt Zuczka, Kurzurmik, Nowoselitza, Lukowitza, Marmornitza, Gogolina, Lehazeny. Alle Vertreter unterschrieben mit einem Kreuz. Detto, Korrespondenz mit dem Abgeordneten Morgatz über den Stand der Verhandlungen, Kotzmann 6. II. 1849. sowie 1/1/9579 Abgeordneter Morgatz an Deputierte Fügner und Koreluk, 8. II.

1849.

110 DACZ 1/1/9577, An die Versammlung des Reichstages, Bojan 8. II. 1849.

111 DACZ 1/1/9579, Behörde Kotzmann an das k.k. Bukowiner Kreisamtspräsidium, 19. II. 1849.

112 DACZ 1/1/9578, Petition von 55 Bukowiner Wahlmännern aus dem Serether Bezirk an k.k. Ministerium des Inneren, Sereth 17. II. 1849. „… um durch diesen grossartigen Petitionsact nicht nur aus

National-scheinen musste. Siebenbürgische wie Bukowiner Rumänen unterstützten noch vor dem Eingreifen russischer Truppen die Wiener Zentralregierung gegen die ungarischen Auf-ständischen 1849 und erhofften sich dadurch ein Entgegenkommen in ihrem Wunsch nach einer „Vereinigung aller Romanen des österreichischen Staates zu einer einzigen, selbständigen Nation, unter dem Szepter Österreichs, als integrierender Teil des Gesamt-staates“. In einer an den Kaiser adressierten Bittschrift formulierte die rumänische Partei ihre Wünsche unmissverständlich. Nach dem Eingreifen Russlands, das seine eigenen Interessen in den Fürstentümern Walachei und Moldau verfolgte, verlor dieser rumäni-sche Vorstoß nach Einheit sein politirumäni-sches Gewicht in Wien und wurde nicht mehr im Reichstag behandelt.113 Selbst der südliche, eigentlich mehrheitlich rumänische Kreisbe-zirk von Suczawa äußerte sich in einer eigenen Petition negativ zu einer Abtrennung der Bukowina.114 In dieser Haltung und aus dem Blickwinkel des ehemaligen moldauischen Fürstensitzes mochte auch die Angst war einer zu starken Dominanz der möglichen, neuen Landeshauptstadt Czernowitz mitschwingen.115

Von acht Bukowiner Reichstagsabgeordneten traten schließlich nur drei (M. Czupe-rowicz, M. Bodnar und A. Král) für die Lostrennung des Kreises ein. Die tschechischen Deputierten stimmten (gemeinsam mit den Ruthenen der Bukowina) dagegen, Polen und Deutsche für die Ausgliederung. Darüber hinaus forderten nunmehr die Ruthenen ihrerseits eine Teilung der Bukowina nach ethnischen Gesichtspunkten.116 Ein umseitig angebrachter Aktenvermerk bestätigte aber nur mehr trocken, was bereits am 4. März

len, sondern auch aus politischen Staatsrücksichten der ganzen Welt kund zu thun, daß man sich einen besonderen bukowiner Provincial-Landtag hierlandes niemahls wünschen kann, sondern vielmehr die obbeantragte unzertrennliche Vereinigung der Bucovina als 13. Kreis des ruthenischen [sic!] Galliziens [auch im Original unterstrichen, Anmerkung] ein wohluberlegt tiefgefehltes National- und Bildungs-bedürfniß der fast mehr als ein das Dreifache überlegenen ruthenischen Bucowiner Volksmehrheit des griech e. u., und des griech:kath: Bekenntnisses, zugleich aber auch gegen jedwede gegentheilige Ver-leumdnungen unserer gedachten ehrenhaften Herrn unzitirten, wie selbe von den wenigeren Ultra-Moldauern im Saphirs Humoristen mit einem feilen und schlecht angebrachten Witze in die Welt los gesandt wurden, einen verwehrenden Protest … einzulegen …“

113 Şafran (1939): 62. „Die allgemeine Petition der romanischen Nation aus dem Grossfürstentume Sieben-bürgen, dem Banate, den anliegenden Teilen Ungarns und der Bukowina.“

114 ÖSTA-HHSTA, Österreichischer Reichstag 1848/49 Petitionen, Faszikel 117, Gemeinden des Suczawer Kreisbezirkes an das Reichstagspräsidium zu Kremsier, 9. II. 1849.

115 Schon bei der Wahl der Abgeordneten zum Reichstag drängte Suczawa auf eigene Vertreter und fühlte sich mit seiner besonderen Lage als Grenzstadt zur Moldau von den Czernowitzer Deputierten nicht ausreichend vertreten. ÖSTA-HHSTA, Österreichischer Reichstag 1848/49, Faszikel 117, Mappe IX 9 (Karton 89), Wahl der Deportierten, Eingabe von Suczawa 16. VI. 1848.

116 Şafran (1939): 65–66. Die Vorschläge einer nationalen Aufteilung der Bukowina zwischen Ruthenen und Rumänen waren in den folgenden Jahrzehnten steter Bestandteil der politischen Diskussion. Vgl.

Popovici (1906). Vgl. Kapitel 8.

1849 durch die oktroyierte Verfassung festgelegt worden war: „… da die Trennung der Bukowina bereits ausgesprochen [wurde] wird dieses Exh. den Akten beigelegt.“117