Deutschland
ri. . . , ^ Bayer AG, Institut
Ergebnisse einer Anwendungsbeobachtung rur Biometrie
Nach der Zulassung durch das Bundesgesund
heitsamt wurde Glucobay® (Acarbose) am 1.
Oktober 1990 ausgeboten. Damit steht neben den Sulfonylharnstoffen, den Biguaniden und Insulin ein weiteres therapeutisches Prinzip für die medikamentöse Behandlung des Diabetes mellitus zur Verfügung: das Prinzip der a-Glu- kosidasen-lnhibition. ln zahlreichen klinischen Studien weltweit geprüft und in bisher 15 Län
dern zugelassen, stellt Glucobay® die erste In
novation in der oralen Diabetes-Therapie seit über 30 Jahren dar.
Glucobay® bewirkt über eine reversible, kompetitive Hemmung der intestinalen a-Glu- kosidasen eine dosisabhängige Einschränkung der intestinalen Digestionskapazität und der Digestionsrate von Nahrungskohlenhydraten und reduziert so die alimentäre Hyperglykämie und Hyperinsulinämie. Glucobay® kann sowohl bei Typ-l-Diabetikern in Verbindung mit der Insulin-Therapie als auch bei Typ-ll-Diabeti- kern, die entweder mit Diät allein oder mit Diät und oralen Antidiabetika bzw. Insulin unbe
friedigend eingestellt sind, zu einer Verbesse
rung der Stoffwechsellage führen (Glättung des Blutzucker-Tagesprofiles, Senkung von nüch
terner und postprandialer Blutglukose, Sen
kung des HbAj/HbAjc, Verminderung oder Be
seitigung der Glukosurie). Bei Überdosierung kann Glucobay® zu intestinalen Symptomen wie Meteorismus, Flatulenz und Diarrhoen führen. Nach Dosisreduktion sind diese Sym
ptome rückläufig oder verschwinden völlig. Die Dosierung von Glucobay® sollte daher, auch bedingt durch individuell variierende inte
stinale Glukosidase-Aktivitäten, einschleichend vorgenommen und an der intestinalen Sympto
matik orientiert werden, ln der Regel wird eine Standarddosis von 3x100 mg/die, insbeson
dere nach wenigen Wochen Adaptation, gut vertragen.
Eine Übersicht über die aktuellen klinischen Daten mit den entsprechenden Literaturanga
ben findet sich bei Puls (1).
ln kontrollierten klinischen Studien werden Wirksamkeit und Verträglichkeit eines neu zu entwickelnden Arzneimittels unter definierten Bedingungen wie Patientenauswahl, Dosie
rung, Vergleich mit Placebo und Standard-The
rapie, Behandlungsdauer, Wirksamkeitskrite
rien, Art und Häufigkeit der Untersuchungen usw. untersucht und bewertet. Die so gewon
nenen Daten dienen der behördlichen Zulas
sung ebenso wie der Erstellung der Fachinfor
mation und der Gebrauchsinformation und nicht zuletzt der öffentlichen fachlichen Dis
kussion.
Ein Instrument, Erkenntnisse zur Wirksam
keit und Verträglichkeit bei der Anwendung zugelassener Arzneimittel in der routinemäßi
gen ärztlichen Versorgung von Patienten zu erhalten, ist die sogenannte Anwendungsbeob
achtung. Sie ist keine klinische Prüfung, es gibt daher keinen die Behandlungs- und Untersu
chungsmodalitäten exakt definierenden Prüf
plan, d.h., das Therapiekonzept wird im Ein
zelfall ausschließlich vom behandelnden Arzt bestimmt. Es werden lediglich zu definierende Patientengruppen prospektiv über einen fest
gelegten Zeitraum beobachtet, wobei eine Aus
wahl der routinemäßig ohnehin gewonnenen Untersuchungsergebnisse in einem Plan fest
gelegt und in Erhebungsbögen dokumentiert wird.
Mit Glucobay® wurde in den ersten Monaten nach der Zulassung eine Anwendungsbeobach
tung mit 12wöchiger Behandlungsdauer durch
geführt. Bisher konnten die Daten von 1180 Patienten ausgewertet werden. Über die Er
gebnisse berichten wir im folgenden:
Durchführung und Ergebnisse
Beschreibung der Patienten (Mediane) Von den 1180 Patienten waren 123 Typ-l-Dia- betiker (IDDM). Deren Alter betrug 52 Jahre, der BMI (body mass index) lag bei 24,2
(Män-Acarbose schränkt die intestinale Digestitions- kapazität und Digestitionsrate von Kohlenhy
draten ein
ln einer Anwendungs
beobachtung bestimmt der einzelne Arzt das Therapie
konzept
Z. Allg. Med. 1992; 68: 177-180. © Hippokrates Verlag GmbH, Stuttgart 1992
ZlfS^^fTherapeutische Erfahrungen Acarbose
Die meisten Patienten wur
den zusätzlich zur Diät mit Sulfonylharn
stoffen behan
delt
Zu Beginn do
minierte eine Tagesdosis von 3 X 50 mg, die auf 3 X 100 mg gesteigert wurde
ner) und 26,1 (Frauen), die Diabetesdauer be
trug 60 Monate (Männer und Frauen). 1031 Patienten waren Typ-II-Diabetiker (NIDDM).
Diese waren älter (63 Jahre), schwerer (BMI 26,9 [Männer] bzw. 27 [Frauen]), und die Dia
betesdauer war kürzer (Männer 38 Monate, Frauen 54 Monate) als die der Typ-l-Diabeti- ker. Für 26 Patienten fehlten Angaben über den Diabetestyp.
Antidiabetische Begleittherapie bei den Typ-Il-(N1DDM)-Patienten
291 = 28,2% erhielten ausschließlich Diät, 612
= 59,4% zusätzlich Sulfonylharnstoffe, 85 = 8,2% Insulin, 42 = 4,1% Sulfonylharnstoffe und Insulin.
Dosierung von Glucobay®
Die behandelnden Ärzte folgten überwiegend den Empfehlungen der Fachinformation, ein
schleichend zu dosieren und die Dosierung langsam zu steigern. Die hauptsächlichen Do
sisregimes sind in der Tabelle I zusammenge
faßt (alle Patienten).
Tages
dosis
zu Beginn am Ende der .\nwendungs- beobachtung
künftige Ver
schrei
bung 3x 50 mg 857=73% 447=38% 295=26%
3x100 mg 34= 3% 488=42% 542=48%
3x200 mg 0= 0% 1= 0% 10= 1%
Tabelle 1: Tagesdosis von Glucobay®
Es wird deutlich, daß zu Beginn eine Tages
dosis von 3x50 mg dominierte und allmählich auf 3x100 mg übergegangen wurde. In Einzel
fällen wurde Glucobay® auch einmal oder zweimal täglich gegeben. Die empfohlene Höchstdosis von 3x200 mg spielte auch nach dem Ende der Anwendungsbeobachtung keine Rolle.
Wirksamkeit von Glucobay®
Ausgangs- und Endwerte für nüchterne und postprandiale Blutglukose und HbAi werden in Abbildung 1 (Typ-I-Diabetiker, IDDM) und Ab
bildung 2 (Typ-II-Diabetiker, NIDDM) darge
stellt. Tabelle II verdeutlicht die Blutglukose- und HbA|-Senkung durch 3monatige Glu- cobay®-Behandlung.
Als Folge gesenkter Blutglukosewerte nahm der Anteil der Patienten mit Glukosurie unter Glucobay®-Therapie ab. Bei den Typ-I-Diabeti- kern ging der Anteil Uringlukose-positiver
Pa-Blutglucose [mg/dl]
225
200
160
-120
0112 0112
nüchtern 1 Std. p.p. 2 Std. p.p.
■«--- Blutglucose ---►
~lh
HbA, [%]
10
HbA,
.\bbildung 1: Blutglukose - (nüchtern, postprandial) und Hb.\, - Mittelwerte von Typ-l-Diabetikern (II)DM) vor und nach 12wöchiger Behandlung mit Glucobay®
tienten von 81% auf 50%, bei den Typ-lI-Pati- enten von 85% auf 46% zurück. Gleichzeitig nahm bei den positiv verbliebenen Patienten die Uringlukose-Konzentration ab. Der Anteil der Patienten mit hohen Werten (> 10 g/1) ging von 15% auf 5% (Typ I) bzw. von 20% auf 4%
(Typ II) zurück.
Das glykierte Hämoglobin ist ein Maß für die längerfristige Qualität der Stoffwechseleinstel
lung. Hierbei gilt als Therapieziel eine normale oder möglichst normnahe Einstellung. Dabei ist ein die Übergrenze des Normbereiches um bis zu zwei Prozentpunkte überschreitender HbAj-Wert als noch tolerabel anzusehen, dar
über hinausgehende Werte gelten als nicht mehr akzeptabel (nach 2).
Tabelle III zeigt eindrucksvoll, daß der Anteil der Typ-II-Diabetiker, die sich nach 12 wöchiger Glucobay®-BehandIung noch im nicht akzepta
blen Bereich befinden, deutlich abgenommen und im gleichen Umfang der Anteil der Patien
ten, deren HbA^-Wert sich im Normbereich be
findet, zugenommen hat (ähnliche Ergebnisse finden sich bei den Typ-I-Diabetikern).
Blutglucose [mg/dl]
163 240
-0112
nüchtern 1 Std. p.p. 2 Std. p.p.
■*--- Blutglucose ---►
Hh
HbA,(%1
-10
HbA,
.Vbbildung 2: Blutglukosp - (nüchtern, po.stprandial) und Ilb.V, - Mittelwerte von Typ-ll-I)iabetikern (NIDDM) vor und nach 12wöchiger Behandlung mit Glucobay*
Acarbose
IDDM NIDDM
Blutglukose (mg/dl) nüchtern -46,1 -48,1 1 Std. p.p. -49,1 -58,2 2Std. p.p, -45,6 -53,6
HbAi(%) - 1,2 - 1,5
Tabelle 11: Blutglukose (nüchtern, postprandial) und HbAj. Mittlere Änderung nach 12wöchiger Glucobay®-Behandlung
Ein Einfluß des Alters auf diese Ergebnisse zeigte sich nicht, wohl aber ein Einfluß des HbAi-Vorwertes. Bei Typ-Il-Diabetikern mit Vorwerten von < 10% lag die Senkung unter 12wöchiger Behandlung bei 1,0 Prozentpunk
ten, bei solchen von > 10% bei 2,3 Prozent
punkten (Angaben für Typ-I-Diabetiker: 0,7 bzw. 2,2 Prozentpunkte).
MbA,-Bereich vor nach
12wöchiger Glucobay®-Behandlung normal
< 8%
80 = 16,8% 199 = 41,8%
tolerabel 8-10%
205 = 43,1% 222 = 46,6%
nicht akzeptabel
> 10%
191 = 40,1% 55 = 11,6%
Tabelle 111: Typ-ll-Diabetiker (NIDl)M) im normalen, to
lerablen und nicht akzeptablen HbAj-Bereich vor und nach IZwöchiger Glucobay®-Behandlung
Verträglichkeit
Die Verträglichkeit von Glucobay® war gut, drei Viertel aller Patienten waren frei von uner
wünschten Begleiterscheinungen (Tab. TV).
Hypoglykämien wurden unter Glucobay®- Monotherapie und Kombinationstherapie mit Sulfonylharnstoffen nicht beobachtet. Lediglich unter gleichzeitig mit Insulin behandelten Pa
tienten wurde bei 2,6% über Hypoglykämien berichtet.
Im Rahmen der Laboruntersuchungen zeig
ten sich keinerlei Hinweise auf sonstige
Unver-Keine 75,3%
Meteorismus/Flatulenz 20,2%
Diarrhoe 3,8%
Drop outs gesamt 7,2%
Drop outs
wegen intestinaler Begleiterscheinungen 3,3%
Tabelle IV: Häufigkeit von unerwünschten
Begleit-Therapeutische Erfahrungen^
träglichkeiten,wiez. B. erhöhte Werte fürTrans- aminasen und Kreatinin.
Die Bewertung der Therapie durch Arzt und Patienten zeigt (Tabelle V).
Bewertung der Therapie
durch den Arzt (für 1116 Pat.)
durch den Patien
ten (n =1115)
sehr gut 40,1% 34,8%
gut 40,8% 43,6%
mittelmäßig 12,5% 16,1%
unzureichend 6,6% 5,5%
Tabelle V: Therapie-Bewertung
erscheinungen und Behandlungsabbrüchen (Drop outs) [%]. Gesamtgruppe (n = 1180)
Diskussion und Zusammenfassung Wie bereits in der Einleitung kommentiert, ist eine Anwendungsbeobachtung keine klinische Studie mit e.xakt definierten Studienbedingun
gen. Eine Anwendungsbeobachtung reflektiert Wirksamkeit und Verträglichkeit eines Arznei
mittels in der routinemäßigen ärztlichen Ver
sorgung von Patienten und bringt damit die ganze Vielfalt individueller Behandlungskon
zepte und -erfolge ein. Es bedarf daher hinrei
chend großer Patientenzahlen, um aus Anwen
dungsbeobachtungsdaten Schlüsse zur Wirk
samkeit und Verträglichkeit eines Arzneimit
tels ziehen zu können. Zu den hier vorgestellten Ergebnissen haben 345 niedergelassene Ärzte in Deutschland mit bisher 1180 Patienten bei
getragen. Eine weitere Auswertung ist vorge
sehen, wenn die Daten von etwa 5000 Patien
ten zur Verfügung stehen.
Die Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, daß Glucobay® auch unter den Bedingungen der routinemäßigen ärztlichen Versorgung wirkt.
So werden nüchterne und postprandiale Blut- glukose-Werte, Uringlukose-Ausscheidung und als Ausdruck einer verbesserten Langzeitein
stellung die HbAi-Werte im Mittel um 1,2 (Typ 1, IDDM) bzw. 1,5 Prozentpunkte (Typ 11, NIDDM) gesenkt. Dies ist um so bemerkens
werter, als es sich um Patienten mit mehrjäh
riger Diabetesdauer handelt, also um Patien
ten, die bereits diätetisch und überwiegend auch mit oralen Antidiabetika bzw. Insulin be
handelt waren. Die Verbesserung wurde also durch die zusätzliche Acarbose-Therapie (bei 28,2% der Typ-ll-Patienten zusätzlich zur Diät, bei 59,4% zusätzlich zur SH-Therapie) erreicht.
Tabelle UI macht deutlich, daß, gemessen am HbA^, nicht nur bereits normnah eingestellte Patienten von der Glucobay®-Therapie
profitie-Eine Anwen
dungsbeobach
tung bringt die ganze Vielfalt individueller Behandlungs
konzepte und -erfolge ein
Bemerkens
werte Ergeb
nisse auch bei Patienten mit mehrjähriger Diabetesdauer
Therapeutische Erfahrungen/Fortbildung Acarbose
Die Anwen
dungsbeobach
tung dokumen
tiert den thera
peutischen Nut
zen und die gute Verträg
lichkeit
ren (der Anteil der Patienten mit normalen HbAj-Werten stieg um das 2,5fache!), sondern auch schlecht eingestellte Diabetiker. Der An
teil der nicht akzeptabel eingestellten Patienten war vor Beginn der Glucobay®-Behandlung 3,5mal größer als danach.
Nach den Erfahrungen aus klinischen Lang
zeitstudien geben innerhalb der ersten beiden Monate einer Acarbose-Therapie 53% der Pa
tienten intestinale Begleiterscheinungen an, nach 6 Monaten noch 25% (3). Eine an der individuellen Verträglichkeit orientierte Dosie
rung, wie sie in klinischen Studien kaum rea
lisierbar ist, wird von Beginn an gut vertragen.
Die Ergebnisse der Anwendungsbeobachtung zeigen dies deutlich. So waren hier 75,3% aller Patienten von Anfang an frei von unerwünsch
ten Begleiterscheinungen.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Anwendungsbeobachtung den therapeuti
schen Nutzen von Glucobay® bei guter Verträg
lichkeit dokumentiert. Dies kommt sowohl in der Bewertung durch den behandelnden Arzt als auch durch den Patienten zum Ausdruck.
Literatur
1. Puls. W.: Diabetes mellitus und Glucobay®. Thera
peutisches Potential eines neuen Therapieprinzips.
Schwer-Verlag, Stuttgart 1990.
2. Gries, F. A.. Alberti, K. G. M.: Management of Non- Insulin-Dependent Diabetes Mellitus in Europe: A con
sensus statement. IDF-Bulletin 1987; 32: 169-173.
3. Spengler. M.. Hobler, H., Cagatay, M.: Long Term Tolerability of Acarbose. In: Lefebvre, P.. Standi. E.
(Hrsg.): A Novel Approach to Diabetic Treatment. De Gruyter, Berlin 1992 (im Druck).
Für die Verfasser:
Dr. Manfred Spengler
Klinische Forschung Deutschland Bayer AG
Postfach 101709 5600 Wuppertal 1
Medizinische .Abtei
lung des kranken- hau.ses St. Kaphael.