• Keine Ergebnisse gefunden

5.3 IV-Stellentypologie und Kantonsauswahl für die Vertiefung

5.3.3 Kantonsauswahl

Tabelle 5-2 zeigt den Überblick über alle Kantone und alle Variablen, die für die Kantonsauswahl in die Überlegungen mit einbezogen worden sind. Ausgewählt worden sind K14, K07, K09 und K19. Diese Auswahl garantiert hinsichtlich der im Zentrum stehenden Variablen markante Unter-schiede, eine genügende Anzahl Fälle für die Dossieranalyse und auch bei den weiteren Variablen und dem Kontext eine gute Streuung.

Häufigkeit von Auflagen: K14 repräsentiert Kantone, die Auflagen zur Schadenminderungs-pflicht im Quervergleich mit anderen IV-Stellen selten einsetzen. Aufgrund der Grösse dieses Kantons stehen gleichwohl genügend Fälle für die Dossieranalyse zur Verfügung.

Während auch in K19 Auflagen klar unterdurchschnittlich sind, sind sie in K09 und K07 überdurchschnittlich. In der vorgeschlagenen Auswahl zeigt sich auch Varianz bezüglich der Frage, ob Auflagen eher bei Renten oder bei BM/IM gemacht werden. In K14 und K19 beziehen sich gut die Hälfte der Auflagen auf Rentenfälle, was eher viel ist, in K07 und K09 liegt der Anteil bei rund einem Viertel. Einschränkend ist festzuhalten, dass kein Kanton in der Fallauswahl berücksichtigt ist, der einen sehr hohen Anteil seiner Auflagen bei Renten macht.

Vorgehen der IV-Stellen: Bezüglich des Einbezugs der versicherten Person und des behan-delnden Arztes/der behanbehan-delnden Ärztin bietet die Auswahl deutliche Kontraste. Es ist sowohl eine partizipative (K14) als auch eine wenig partizipative IV-Stelle (K19) ausge-wählt, beim mittleren Typ ist die einzige eher Arzt-zentrierte (K09) und eine IV-Stelle mit gemischtem Einbezug berücksichtigt. Dies garantiert, dass mind. zwei IV-Stellen die/den

bA stark einbeziehen (K14, K09) und mindestens zwei die versicherte Person (bei der Ein-gliederung). K07 und K09 beziehen im Übrigen bei Auflagen zur Sicherung einer engagier-ten Teilnahme an einer BM/IM die versicherte Person und den institutionellen Partner nicht durchgängig ein, während dies K14 und K19 tun. Gleichzeitig kennen 2 der 4 IV-Stellen Auflagen vor einem allfälligen Leistungsbezug (K14, K07). Auch bezüglich Einbe-zug des RAD bildet die Auswahl Unterschiede ab.

Kontext: Die Auswahl ist auch regional ausgewogen, kommen doch die vier IV-Stellen aus unterschiedlichen Landesregionen inkl. der Romandie. Fallzahlenbedingt beinhaltet die Auswahl nur Kantone mit mehr als 100‘000 Einwohnern, sie streut somit von mittelgrossen Kantonen (K19, K09) bis zu grossen Kantonen (K14, K07). Drei der vier Kantone weisen eine durchschnittliche (K14) bis überdurchschnittliche (K09, K19) Quote von Leistungs-beziehenden (Rente, BM, IM) auf, einer eine leicht unterdurchschnittliche (K07).

Tabelle 5-2: Kantonsauswahl für die Vertiefungsphase

Quellen: Umfrage bei IV-Stellen; N = 22 (1 Kanton nimmt nicht teil, zu viele fehlende Angaben bei 3 Kantonen). Individualdaten der IV-Stellen zu Auflagen; IV- Statistik 2016 und 2017; BFS Skala bei „Weitere“ gibt die Häufigkeit des Einbezugs wieder: 5 = In allen oder fast allen Fällen;4 = In der deutlichen Mehrheit der Fälle; 3 = Etwa in der Hälfte der Fälle;2 = In der deutlichen Minderheit der Fälle; 1 = Ausnahmsweise oder nie; „.“ = Weiss nicht. Dunkle Färbung, weisse Schrift rechts in Zelle: Wert > Ø; helle Färbung, schwarze Schrift links in Zelle: Wert < Ø. Mittlere Färbung, graue Schrift zentriert: Wert ca. = Ø

Kanton

Angaben über Auflagen

Anteil Auflagen an Renten, BM/IM (2017/18)

Ø Anzahl Auflagen 2017/18

Anzahl Auflagen 2016 bis 2018

Anteil Auflagen bezüglich RentenTyp EinbezugAuflage vor Leistungsbezug

Einbezug RAD (BM/IM)

Einbezug RAD (Rente)Region Wohnbel- kerung per 31.12.17

Anteil mit Rente, BM/IM K14vorhanden0.4%671640.0%1_partizipativtypisch55Ost504'6863.3% K12vorhanden2.9%521570.0%1_partizipativtypisch55Mittelland271'4323.5% K10vorhanden3.5%141943660.0%1_partizipativnicht typisch35Ost1 504 3462.7% K24vorhanden2.0%35710730.0%2A_eher vP-zentriert.55Nordwest670'9882.6% K13vorhanden3.5%3178150.0%2A_eher vP-zentriertnicht typisch55Nordwest193'9084.6% K23vorhanden0.2%17430.0%2A_eher vP-zentriertnicht typisch15Romandie495'2493.1% K07vorhanden2.0%53817000.0%2B_gemischttypisch24Mittelland1'031'1262.7% K04vorhanden0.3%16430.0%2B_gemischt..5Romandie793'1293.0% K09vorhanden3.2%3076690.0%2C_eher Arzt-zentriertnicht typisch45Nordwest287'0233.4% K05vorhanden1.0%611980.0%3A_wenig partizipativtypisch55Ost197'8882.9% K19vorhanden1.7%1112720.0%3A_wenig partizipativnicht typisch25Romandie177'9643.8% K02vorhanden1.8%2005980.0%3A_wenig partizipativtypisch55Romandie341'4633.3% K17vorhanden0.1%000.0%3B_kaum partizipativnicht typisch55Zentral36'2991.9% K01keine0.0%1_partizipativnicht typisch55Zentral40'3493.3% K18keine.2C_eher Arzt-zentriertnicht typisch55Romandie73'2904.2% K15keine0.0%2C_eher Arzt-zentriertnicht typisch55Zentral406'5062.7% K03keine0.0%2C_eher Arzt-zentriertnicht typisch..Zentral42'9692.1% K21keine0.0%3A_wenig partizipativnicht typisch55Italienisch353'7093.6% K25keine.3A_wenig partizipativtypisch44Zentral125'4212.1% K11keine0.0%3B_kaum partizipativtypisch55Zentral37'5752.4% K22keine.3B_kaum partizipativtypisch55Ost81'3513.3% K20keine.3B_kaum partizipativtypisch44Ost273'8012.8% Ø1.9%266.2776.859.3%4.34.9306'4823.0%

Kontextufigkeit von AuflagenVorgehen der IV-Stellen HauptkriterienWeitere

6 Umsetzung II: Vertiefende Analysen zum Vorgehen von vier IV-Stellen

In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der vertiefenden Untersuchungen über die Umsetzung aus den vier ausgewählten Kantonen (vgl. Kapitel Kantonsauswahl) präsentiert. Wie in Kapitel 5 geht es um die zweite Hauptfrage „Wie erfolgt die Umsetzung der Auflagen“. Dabei werden ver-schiedene Aspekte des Vorgehens der IV-Stellen näher beschrieben, so dass auffällige Unterschiede oder Besonderheiten und Gemeinsamkeiten hervortreten. Bezüglich der Phase der Vorbereitung der Auflage widmet sich das Kapitel zunächst der Frage, wie die IV-Stellen im Verfahren überhaupt erkennen, ob eine Schadenminderungspflicht näher geprüft werden sollte. Danach stehen die Ab-wägungen vor einer allfälligen Auflage im Vordergrund. Die folgenden Abschnitte widmen sich dem Einbezug der versicherten Person, des RAD, des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin des Durchführungspartners und weiterer Akteure, wobei dieser Einbezug sich auch auf die Durchführungsphase beziehen kann. Bezüglich der Modalitäten der Durchführung wird auf die Fristansetzung und die Kontrolle der Befolgung eingegangen. Abschliessend wird der Spezialfall der Auflagen zur Schadenminderung vor einer Leistungszusprache behandelt. Dieser Aspekt ist zwar Hauptfrage 1 (Bestandesaufnahme) zugeordnet, doch es handelt sich bei der Festlegung des Zeitpunkts einer Auflage durchaus auch um eine bewusst von den IV-Stellen entschiedene Frage.

Allfällige Unterschiede zwischen Mitarbeitenden der gleichen IV-Stelle werden nicht speziell be-handelt, aber bei den jeweiligen Aspekten des Vorgehens erwähnt, sofern seitens der befragten IV-Stellen konkrete Hinweise darauf gemacht wurden.

Die Befunde stützen sich einerseits auf die empirischen Fallstudien in den IV-Stellen (Dokumen-tenanalysen, Informationsgespräche, Gruppengespräch), andererseits auf statistische Auswertun-gen der Dossieranalyse sowie der Befragung von versicherten Personen.

Folgende Vorbemerkungen sind zum besseren Verständnis und zur Aussagekraft der Befunde zu machen:

Schadenmindernde Massnahme vs. Auflage: In der Eingliederung kommt es vor, dass versi-cherte Personen zu einem bestimmten schadenmindernden Verhalten aufgefordert wer-den, ohne dass formell eine Auflage erteilt wird. Wir sprechen in diesen Fall von einer schadenmindernden Massnahme (vgl. insbesondere Abschnitt 6.3). Diese ist auseinander-zuhalten von der eigentlich zugesprochenen Eingliederungsmassnahme.

Spezialfall K14: Einen interessanten organisatorischen Sonderfall stellt die IV-Stelle K14 dar. Sie hat als einzige näher untersuchte IV-Stelle Spezialistinnen und Spezialisten für Schadenminderung. Soll eine Auflage zur Schadenminderung vertieft geprüft werden, wird das Dossier ihnen zugewiesen. Die IV-Stelle machte diesen Schritt vor einigen Jahren, um angesichts der Komplexität dieser Fälle eine genügende Fallerfahrung und Expertise auf-zubauen. Weil Fälle, in denen eine Schadenminderungspflicht zur Diskussion steht, selten sind, ermögliche es nur diese Spezialisierung, genügend Fachwissen und Erfahrung zu sam-meln, um im konkreten Einzelfall richtig zu entscheiden, lautet die Überzeugung dieser

IV-Stelle. Die IV-Stelle berichtet, dass seither Schadenminderungsauflagen seltener und ziel-führender eingesetzt werden und Sanktionierungen, wenn es dazu komme, vor Gericht kaum noch erfolgreich angefochten werden.

Methodischer Hinweis: Die verschiedenen Vorgehensaspekte waren nicht in allen IV-Stellen gleich gut dokumentiert. Gewisse interessante Einzelbefunde kamen zudem erst in einzel-nen Gesprächen zum Vorschein und konnten aus Ressourcengründen in den anderen IV-Stellen nicht nachrecherchiert werden. Dies führt dazu, dass nicht zu allen behandelten Aspekten Informationen aller vier IV-Stellen in gleicher Tiefe vorliegen. Die Vergleichbar-keit und ÜbertragbarVergleichbar-keit gewisser Befunde ist zudem auch etwas erschwert, weil die Vor-gehensweise im Zusammenhang mit der Schadenminderung auch von der Gesamtorgani-sation der IV-Stellen geprägt ist. Dies gilt zum Beispiel für den Einbezug und die Organi-sation des RAD. Auch führen gewisse Grundsatzentscheidungen in einzelnen Kantonen dazu, dass zu bestimmten Aspekten keine Informationen vorliegen: Da z.B. K19 auf me-dizinische Auflagen im Eingliederungsbereich in aller Regel verzichtet, liegen hierzu aus diesem Kanton keine Vorgehensbefunde vor.