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Jodler-Phrasen-Incipit zur Liedweise [LgB – 3]

Im Dokument Erika Sieder und Walter Deutsch (Seite 136-140)

Nicht immer entsprechen die unterschiedlichen Varianten des „Binnen-Jodlers“ der formalen Anfor-derung an einen Jodler. Die jeweiligen Ordnungszahlen (= Incipits) sind ebenso wie die ungeradtak-tigen Beispiele dennoch im Melodienregister erfasst, um Parallelen mit im Wechselgebiet aufgezeich-neten Lied- oder Tanzweisen sichtbar zu machen. Siehe dazu Band 22/2.1, Kapitel A.III., op. cit., Jodler-Lied ungeradtaktig / Sonderformen, S. 451, Lieder mit Jodler-Incipit [LuB – 13], S. 474; [LuB – 20], S. 497, zeigen – ebenso wie Lieder mit Jodler-Phrasen-Einschub [LuB – 2], S. 455; [LuB – 15], S. 478; [LuB – 17a], S. 483, und [LuB – 26], S. 511 – eine gemeinsame Ordnungszahl für Jodler und Liedweise. Nur ein geradtaktiges Lied mit Jodler-Incipit [LgB – 3] zeigt diese Gemeinsamkeit.

Das formale Prinzip dieser Liedgruppe liegt im Wechselspiel von Textzeile und Jodler-Phrase ohne Unterbrechung des melodischen Verlaufs. Die Jodler-Phrase schließt mit ihren klangbrechenden Motiven an die Liedweise an. Je nach Umfang der Liedweise kann der Binnen-Jodler mehrmals die Textstrophe durchbrechen. Eine Jodler-Phrase als Incipit des Liedes „Hu li hu li o, i bins a Schleifers-månn“ [LgB – 3] stellt – wie in den ungeradtaktigen Beispielen – ein Charakteristikum dieser Lied-gruppe dar. Im melodischen Fortgang dient diese Phrase als thematischer Baustein der Liedweise.

Das Kennzeichen dieses Liedtypus – in den alpinen Zonen mit eigenen Varianten

1126

vertreten – ist die Aneinanderreihung kurzer Verszeilen und Jodler-Phrasen zu einer geschlossenen Liedgestalt. Am häufigsten ist diese Form bei „Gstanzl-Liedern“ zu finden, deren vier Kurzzeilen durch den Jodler-Einschub eine formale Dehnung erfahren.

1125 Lied mit Binnen-Jodler ungeradtaktig [LuB], S. 452–513.

1126 Siehe z. B. dazu die Tiroler Sammlung von Franz Friedrich Kohl (1899). Hier finden sich unter 219 Liedern und Jodlern 33 Beispiele mit „Binnen-Jodler“, geradtaktig wie ungeradtaktig: Nr. 2, 5, 10, 18, 20, 24, 31, 46, 49, 51, 60, 78, 81, 82, 84, 90, 91, 96, 100. 107, 109, 111, 118, 123, 125, 126, 127, 129, 132, 135, 136, 144, 150.

B.III.1. Lied mit Binnen-Jodler geradtaktig [LgB]

[LgB – 1]

L: 3 3 21

/

siehe Jodler

J: 3 2 1

[Vg – 9]1127

mehrstimmig

1. Auf dar Ålm, då wågst a kuglats Grås1128,

Holla redl di ri ti jo und a greañs Kraut.

/: Und i håb amål a Diandle gliabt, Holla redl di ri ti jo, und håb mi nit traut. :/

Du i du i du i du i Ho la da ria tuljo

Ho la da rei tuljo – Jå, weil i di’ måg.

Aufgezeichnet 1984 von Anna (*1939, geb. Scherbichler, St. Lorenzen a. W.) und Hans (1929 – 2012) Friesenbichler vulgo Lecherbäuerische beim „Heimatabend“ im GH Pink, St. Jakob im Walde mit den Sängern Anna und Hans Friesenbichler, dem „Grean Wiesen Trio“ – Karl Bauer (1929 – 2014), „Grüne Wiese“ (Zimmermann), seinem Schwager Johann Kronaus (1920 – 2003), „Grüne Wiese“-Wirt, deren Neffe Leopold Stübegger (geb. 1945), Gasthaus Stübegger, Mönichkirchner Straße, Karl Plank (1931 – 2014), Mutter Pink, Sofie Posch1129, Franz (1929 – 1999) und Ludmilla ,Milli‘ (1934 – 2018) Reitgruber.

Privatarchiv Friesenbichler vulgo Lecherbäurische. PhA-Kassettenüberspielung, hs Liederheft von Anna Friesenbichler, Lied Nr. 25a. CD II, tr. 18.

1127 Siehe Kapitel B.I.2., op. cit., Jodler Varia geradtaktig [Vg – 9], S. 687.

1128 lt. Kronfuß / Pöschl (1930), S. 11, „Schwingelgras (festuca)“, lt. LK NÖ, DI August Bittermann, „Rasen-Schmiele (deschampsia cespitosa), Familie der Süßgräser (poaceae).

1129 Auf Anfrage keine biographischen Daten erhalten (Grabstein-Inschriften).

Auf dar Ålm, då wågst a kuglats Grås

T+M / 2:4 + Binnen-Jodler + Refrain-Jodler

Burschenlied

2. Und i trau mi net, i trau mi net Holla redl di ri ti jo håb mi net traut.

/: Åba wånn i amål gressa wir’, Holla redl di ri ti jo trau i mi schouñ. :/

Du i du i du i du i Ho la da ria tuljo

Ho la da rei tuljo – Jå, weil i di’ måg.

Nachweise:

DVL 16 (1914), S. 26, „Auf der Ålm, då wåchst a kuglats Grås, hulla redl iri di ai“, T+M / 2:4 + Binnen-Jodler, aufgezeichnet [1906] von Alexander Pöschl und Karl Kronfuß im Schneebergdörfel bei Puchberg am Schnee-berg, Niederösterreich, „vorgesungen von der Wirtschaftsbesitzerin Josef Kindl, Josef Hödl und Josef Zwintz [sic!] … Ein dreistimmiges typisches ‚Miesenbecker‘–Liedl“. Siehe auch NÖVLA, A 32.

Kronfuß / Pöschl (1930), S. 11, Nr. 2, „Auf der Ålm, då wågst a kuglats Grås, hulla rädl iri di ai“, T+M / 2:4 + Binnen-Jodler, [aufgezeichnet um 1906]. Variante zu DVL 16 (1914) mit Angabe als Gewährsmänner „im Schneebergdörfel Wirtschaftsbesitzer Johann [sic!] Kindl, Gastwirt Johann [sic!] Hödl und Jäger Johann [sic!]

Zwinz“ [Angabe als Ursprungsort und Aufzeichnungszeitpunkt] „Miesenbach 1906“.

Schmidkunz (1938), „Auf der Alm, da wachst a kuglats Gras, holdi edl di ridi ai – ’s kuglate Gras“, T+M / 2:4 + Binnen-Jodler, S. 120. Rhythmisch vereinfachte, einstimmige Fassung mit geänderten Jodler–Silben:

Ein köstlicher Liedfund von A. Pöschl und K. Kronfuß aus dem niederösterreichischen Schneeberg- gebiet („D. d. Volksl.“ 16), der sich seit er durch [Wastl] Fanderl in Bayern bekannt wurde, sehr rasch besonders die Herzen der Mädelsinggruppen erobert hat.

Anmerkung:

Die Transkription dieses in freier Mehrstimmigkeit und geradtaktig gesungenen Liedes zeigt eine Mög-lichkeit, metrische und rhythmische Eigenart gruppenspezifisch zu realisieren. Die diesem individuellen Singsatz zugrundliegende Gestalt wurde 1906 von Alexander Pöschl und Karl Kronfuß in Miesenbach (Niederösterreich) dreischlägig aufgezeichnet:

Die gedruckte Fassung lässt erkennen, was an diesem Lied bemerkenswert ist: Innerhalb der gesam- ten österreichischen Liedliteratur ist dieses Lied ein Solitär. Nicht allein dessen poetische und musika- lische Charakteristik, sondern auch seine Beschränkung auf zwei Kleinregionen als Lebensraum machen das Lied zu einer Rarität. Die Klage eines jungen Burschen über die eigene Mutlosigkeit und die Hoffnung auf deren Überwindung, eingebettet in Chiffren von Gras und Kraut als almerische Idylle, verläuft in melodisch asymmetrischen Taktgruppen. Der musikalische Satz von sechs wiederholten Takten erklingt in der regionaltypischen enggeführten Dreistimmigkeit. Die wechselnde Bewegung zwischen kurzen Wort-gruppen und Jodler-Phrasen wird in der Abfolge von 2+2+2 Takten durch die Rhythmik und durch die Verschiedenheit der Metren verstärkt.

In der Friesenbichler-Fassung aus dem Wechselgebiet ist durch die unterschiedliche Textstruktur von Str. 2 nicht das „åber wånn i amål gresser wir’, åft trau i mi schoñ“ handlungsbestimmend, sondern das den Refrain-Jodler abschließende Motiv „Jå, weil i di måg“. Dieser Jodler ist eine eigene Fassung des von Josef Pommer 1902 in seinem großen Jodlerbuch veröffentlichten, in Singkreisen populär gewordenen

„Schweinsbeuschel-Jodlers“.

Aus der Gegend um Schneeberg und Rax. N.Ö.-St. 1893 aus der Zeitschrift des n. ö. Gebirgsvereines

„Der Gebirgsfreund“. 1130

1130 Pommer 4 (1902), S. 33, Nr. 28:

Nach Fr. [Franz] Kratzsch [Mechaniker und Sangesbruder], der den Jodler in den 80er Jahren oft mit dem bekannten Alpenkenner Issler [Richard Issler 1842 – 1896, Alpinist und Photograph] gesungen, stammt der Jodler wahr-scheinlich von dem Wiener Volkssänger, dem „alten Kampf“.

B.III. Jodler-Lied geradtaktig / Sonderformen

In der Sammlung Kronfuß / Pöschl (1930) scheint der Liedtitel im – vom damaligen Archivar erstellten – Gesamtverzeichnis nicht auf. Eine heute kaum mehr lesbare Anmerkung – vermutlich in Raimund Zoders Handschrift – auf dem durch Brand stark beschädigten Umschlagblatt

A kuglats Gras – Melodieaufzeichnung durch Karl Liebleitner erstellt, nicht abgegeben, damit für uns für immer verloren.1131

erlaubt die Schlussfolgerung, dass das Originalblatt – vor Abdruck in „Das deutsche Volkslied“ (1916) – vorhanden war. In der Publikation „Niederösterreichische Volkslieder und Jodler aus dem Schneebergge-biet, gesammelt von Karl Kronfuß und Alexander und Felix Pöschl“ (1930), sind die Vornamen der Sänger abgeändert. Wia lusti is es auf da˘ Schneid.

2. Prinz Johann sågt: Nimm du die Bix In Wåld und auf grianer Haid. Und schickt ma ’s Geld glei auf da Post.

Aufgezeichnet 1886 von Karl Liebleitner in Vorau, gesungen vom Wirt Prettenhofer, „Prettenhofer brachte dieses Lied aus Birkfeld nach Vorau“. ÖVLA, A 335/09/324.

1131 Original-Handschrift mit den Namen der Sänger ist nicht mehr vorhanden.

1132 Siehe auch „Der (Da) Winter is schon uma“ [LuR – 19a], Str. 2, Band 22/2.1, Kapitel A.II., op. cit., Lied mit Refrain-Jodler ungeradtaktig, S. 318ff.

1133 Siehe Kapitel B.I.2., op. cit., Jodler Varia geradtaktig [Vg – 30], S. 701.

B.III.1. Lied mit Binnen-Jodler geradtaktig [LgB] Jå nur dem Prinzn Johann z’ gfålln.

[LuB – 2a.2]

L: 2 3

1

4 3

1

/

Aufgezeichnet 1986 von Josef Hutz in St. Lorenzen a/W. Privatarchiv, Lied Nr. 11.

Anmerkung:

Die formale Textstruktur der aus Vorau vorliegenden Fassung [LgB – 2a.1] ist durch eine ungewöhnliche Reimform geprägt, welche auch das hundert Jahre jüngere, ungeradtaktige Beispiel, in St. Lorenzen a/W.

aufgezeichnete Beispiel [LuB – 2a.2] zeigt. In jeder Strophe der Aufzeichnung aus Vorau bilden die sich reimende erste und sechste Verszeile den Rahmen eines seltenen Strophenbaus, in dessen Mitte sich der Binnen-Jodler – im Wechsel mit Text-Kurzzeilen – ausbreitet. In der jüngeren Aufzeichnung aus St. Lo-renzen a/W. bildet ein gleichbleibender, vierzeiliger Jodler-Textteil den jeweiligen Strophen-Abschluss.

Die reimende Sonderform samt jüngerer Variante findet sich weder in den jüngeren, ungeradtaktigen Aufzeichnungen aus dem Wechselgebiet, noch in den geradtaktigen und ungeradtaktigen Nachweisen. Die Melodie der ungeradtaktigen Aufzeichnung aus St. Lorenzen a/W. entspricht – in vereinfachten Tonschrit-ten durch Dehnung einzelner NoTonschrit-tenwerte – der geradtaktigen Aufzeichnung aus Vorau. Ein formaler Un-terschied zur Vorauer Aufzeichnung liegt im Jodler, welcher den zwei reimenden Textzeilen folgt. Daraus ergeben sich Beispiele eines identen Typus in variierter Stimmführung. Durch die metrische Umwandlung der zweischlägigen Melodie in das Maß des Dreivierteltaktes ändert sich die rhythmische Akzentuierung desselben Textes:

1134 Siehe Band 22/2.1, Kapitel A.I.2., op. cit., Jodler Varia ungeradtaktig [Vu – 125b]. S. 232.

B.III. Jodler-Lied geradtaktig / Sonderformen

Im Dokument Erika Sieder und Walter Deutsch (Seite 136-140)