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IV/Medizinische Eingliederungsmassnahmen

Im Dokument Von Monat zu Monat (Seite 101-115)

Urteil des EVG vom 18. Mai 1983 i.Sa. F.M.

Art. 4 Abs. 1 IVG. Wer nicht mindestens teilweise arbeitsunfähig ist, kann auch nicht erwerbsunfähig und mithin nicht invalid im Sinne des Gesetzes sein.

Verwehrt ein Gebrechen einem jungen Versicherten lediglich den Zugang zu einem oder einigen wenigen Berufen, ohne im übrigen die freie Berufswahl wesentlich zu behindern, so beeinträchtigt dieser Umstand seine - auf den allgemeinen Ar-beitsmarkt bezogene - Erwerbsfähigkeit praktisch nicht. (Bestätigung der Recht-sprechung)

Art. 12 Abs. 1 IVG. Kommt einer Behandlung teilweise auch prophylaktischer Cha-rakter zu, indem z. B. einer Fehlbelastung bei der Kaufunktion und der damit ver-bundenen eventuellen Schädigung des Kiefergelenkes vorgebeugt wird, so kön-nen die entsprechenden Kosten nicht zu Lasten der IV übernommen werden.

(Bestätigung der Rechtsprechung)

Die 1958 geborene Versicherte F. M., von Beruf Zahnarztgehilfin, leidet an einer Ano-dontia partialis gravis congenita und bezog wegen dieses Geburtsgebrechens im Sinne von Art. 2 Ziff. 206 GgV bis zur Volljährigkeit im Jahre 1978 Leistungen der IV. Im Juni 1981 meldete sie sich erneut bei der IV an und ersuchte um medizinische Massnahmen.

Mit Verfügung vom 25. Juni 1981 lehnte die Ausgleichskasse die Obernahme weiterer zahnärztlicher Behandlungen über das 20. Altersjahr hinaus ab. Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess die kantonale Rekursbehörde insofern gut, als sie die angefochtene Verfügung, soweit damit medizinische Massnahmen im Sinne von Art. 12 IVG abge-lehnt wurden, aufhob und die Akten zur weiteren Abklärung an die Verwaltung zurück-wies. In der Folge holte die 1V-Kommission von der Versicherten verschiedene Ge-sichtsaufnahmen sowie von der ORL-Universitätsklinik X einen Arztbericht ein und un-terbreitete die Sache dem BSV zur Stellungnahme. Sie kam zum Schluss, dass die Versicherte als Zahnarztgehilfin keinen invaliditätsbedingten Erwerbsausfall erleide und daher eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit nicht vorliege; auch könne kei-ne Rede davon sein, dass das mangelhafte Gebiss das Gesicht und die Artikulation in einem Ausmass beeinträchtige, das die Wettbewerbsfähigkeit erheblich stören oder sogar vollständig ausschliessen würde. Demzufolge lehnte die Ausgleichskasse mit Verfügung vom 10. März 1982 das Gesuch um medizinische Massnahmen erneut ab.

Gegen diese Verfügung liess die Versicherte Beschwerde einreichen, die die kantonale Rekursbehörde mit Entscheid vom 17. September 1982 in der Hauptsache guthiess. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, die Voraussetzungen für eine Kostenüber-nahme gemäss Art. 12 IVG seien gegeben; ohne die Gebiss-Sanierung wäre die Ver-sicherte in ihrer Erwerbs- und Wettbewerbsfähigkeit für die ganze noch vor ihr liegende Aktivitätsperiode wesentlich beeinträchtigt gewesen; zudem bestände nach Meinung der Spezialärzte ohne die Sanierung die Gefahr eines schmerzhaften Kiefergelenksyn-droms.

Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das BSV, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die Kassenverfügung vom 10. März 1982 wiederherzustellen.

Die Versicherte lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen.

Das EVG hiess die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit folgender Begründung gut:

1. Medizinische Massnahmen dürfen - wie alle Eingliederungsmassnahmen der IV -

nur unter der Voraussetzung gewährt werden, dass der Leistungsansprecher invalid

(Art. 4 Abs. 1 IVG) oder von einer Invalidität unmittelbar bedroht ist (Art. 8 Abs. 1IVG).

Unmittelbarkeit liegt nach der Rechtsprechung nur vor, wenn eine Invalidität in abseh-barer Zeit einzutreten droht; sie ist dagegen nicht gegeben, wenn der Eintritt einer Er-werbsunfähigkeit zwar als gewiss erscheint, der Zeitpunkt ihres Eintritts aber ungewiss ist (BGE 105 V140 Erwägung la, ZAK 1980 S. 338; BGE 96 V76, ZAK 1970 S.552).

Im vorliegenden Fall steht fest, dass bei der Beschwerdegegnerin keine Invalidität im Rechtssinne bestand. Denn sie war in ihrem im Mai 1977 aufgenommenen Beruf als Zahnarztgehilfin vor der im August 1981 begonnenen Behandlung zur Sanierung ihres Gebisses vollständig arbeitsfähig, wie dem Arbeitgeberbericht vom 8. Mai 1982 ent-nommen werden kann. Wer aber nicht mindestens teilweise arbeitsunfähig ist, kann auch nicht erwerbsunfähig und mithin nicht invalid im Sinne von Art. 4 Abs. 1 IVG sein.

Die Beschwerdegegnerin macht indessen geltend, ohne die Oberkieferoperation wäre es ihr unmöglich gewesen, ihren Beruf weiter auszuüben; sie wäre ohne diese Gebiss-Sanierung als Arztgehilfin entlassen worden und hätte kaum eine neue, ihrer Ausbildung entsprechende Anstellung finden können. Sie verweist diesbezüglich vor allem auf die Erklärungen ihres Arbeitgebers, des Zahnarztes Dr. Z. Dieser führte in sei-nen Schreiben vom 24. März und 3. Dezember 1982 zuhanden der Beschwerdegegne-rin bzw. des BSV aus, dass die Versicherte ohne die fragliche zahnärztliche Behand-lung weder als Zahnarztgehilfin noch in anderen Berufen mit häufigem Kontakt zu Leu-ten erwerbstätig hätte sein können; zu den grossen, sehr gut sichtbaren Zahnlücken wäre ohne operativen Eingriff eine schwere Artikulationsstörung hinzugekommen, die eine Arbeit mit Patienten oder die Bedienung des Telefons weitgehend verunmöglicht hätte.

Mit diesen Ausführungen wird sinngemäss das Vorliegen einer unmittelbar drohenden Invalidität behauptet. Vorliegendenfalls kann jedoch die Frage, ob ein solcher Sachver-halt überhaupt eintrat, offenbleiben. Denn selbst wenn es zuträfe, dass die Beschwer-degegnerin ihre Anstellung als Zahnarztgehilfin verloren hätte und auch nicht weiter auf diesem Beruf hätte arbeiten können, könnte sie daraus nichts zu ihren Gunsten ab-leiten. Verwehrt nämlich ein Gebrechen einem jungen Versicherten lediglich den Zu-gang zu einem oder einigen wenigen Berufen, ohne im übrigen die freie Berufswahl wesentlich zu behindern, so beeinträchtigt dieser Umstand seine - auf den allgemei-nen Arbeitsmarkt bezogene - Erwerbsfähigkeit praktisch nicht (ZAK 1965 S. 553 und 1976S.39).

2. Die Beschwerdegegnerin könnte aber auch dann keinen Anspruch aus Art. 12 IVG ableiten, wenn die invaliditätsmässigen Voraussetzungen erfüllt wären.

Nach Art. 12 Abs. 1 IVG hat ein Versicherter Anspruch auf medizinische Massnah-men, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die be-rufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Um Behandlung des Leidens an sich geht es in der Regel bei der Heilung oder Linderung labilen pathologischen Geschehens. Die IV übernimmt in der Regel nur solche medizi-nische Vorkehren, die unmittelbar auf die Beseitigung oder Korrektur stabiler oder we-nigstens relativ stabilisierter Defektzustände oder Funktionsausfälle hinzielen und wel-che die Wesentlichkeit und Beständigkeit des angestrebten Erfolges gemäss Art. 12 Abs. 1 IVG voraussehen lassen (BGE 105 V19, ZAK 1979 S.563 und BGE 105 V149, ZAK 1980 S.271 sowie BGE 104 V82, ZAK 1978 S. 515).

Wie den bereits erwähnten Schreiben des Dr. Z. entnommen werden kann, drängte sich die Sanierung des Oberkiefers im Sommer 1981 auf, weil sich der Zustand der

noch vorhandenen Milchzähne zusehends verschlechterte und diese zum Teil ausfielen oder sich bereits stark gelockert hatten. Auch Prof. Y von der Universität X wies in sei-ner von der Beschwerdegegsei-nerin eingereichten Stellungnahme darauf hin, dass sich die Milchzähne spontan exfolierten und daher die Operation angezeigt gewesen war;

zudem hätten sich Funktionsstörungen im Kiefergelenksbereich eingestellt, die erst nach der zahnärztlich-prothetischen Versorgung des Oberkiefers in gelenkbezüglich re-gistrierten Bisslagen und der Rekonstruktion einer «idealisierten» Okklusion ver-schwunden seien.

Aus diesen Berichten folgt, dass vor der durchgeführten Teilsanierung des Gebisses la-biles pathologisches Geschehen vorlag und ein relativ stabilisierter Zustand erst nach Abschluss der im Sommer 1981 begonnenen, zahnmedizinischen Behandlung eintrat.

Auch die Beschwerdegegnerin bringt in der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichts-beschwerde vor, der operative Eingriff sei zur Erreichung eines stabilisierten Zustands in bezug auf den Oberkiefer vorgenommen worden, und bestätigt damit ebenfalls, dass der operativ angegangene Gesundheitsschaden bis zum Beginn der Behandlung labil war. Demzufolge entfällt nach der hievor dargelegten ständigen Rechtsprechung des EVG ein Anspruch auf medizinische Massnahmen.

c. Wie das BSV im weiteren zutreffend bemerkt, kommt der fraglichen Behandlung teilweise auch prophylaktischer Charakter zu, indem vor allem einer Fehlbelastung bei der Kaufunktion und der damit verbundenen eventuellen Schädigung des Kiefergelen-kes vorgebeugt wurde. Diese Feststellung wird denn auch weder von der Beschwer-degegnerin noch von den konsultierten Zahnärzten bestritten. Mit medizinischen Massnahmen wird indessen nicht bezweckt, den Eintritt stabiler Defektzustände zu verhindern, sondern bestehende Defektzustände zu korrigieren. Das IVG kennt - aus-genommen im Rahmen von Art. 13 IVG - grundsätzlich keine umfassende Invaliditäts-prophylaxe (BGE 102 V39 Erwägung 2, ZAK 1976 S. 399).

3. Bei diesem Ausgang des Verfahrens kann offenbleiben, ob die bei der Beschwerde-gegnerin vorhanden gewesene kosmetische Beeinträchtigung sowie die im Arztbericht des Spitals X vom 11. Dezember 1981 diagnostizierte schwere Artikulationsstörung vor der Gebiss-Sanierung derart waren, dass sie sich nachteilig auf die Kontaktfähigkeit und namentlich auf die künftige Wettbewerbsfähigkeit (ZAK 1971 S. 101, 1970 S. 556) hätten auswirken können, oder ob die Wiederherstellung der Kaufähigkeit im Vorder-grund stand, was die Übernahme der Vorkehr durch die IV ausschliessen würde.

IV! Hilfsmittel

Urteil des EVG vom 25. Mai 1983 i.Sa. Th.G.

Art.

21 Abs. 2 IVG. Ein Toilettenrollstuhl vermindert weder die Abhängigkeit eines Versicherten noch erhöht er dessen Selbständigkeit. Demnach fehlt diesem Be-helf die Eignung zur Erreichung eines gesetzlichen Zweckes.

Art. 20 IVG. Mit der Ausrichtung des Pflegebeitrages für hilflose Minderjährige wird in einem gewissen Umfange auch die Versorgung mit Hilfsmitteln abgegol-ten, die nicht in der Hilfsmittelliste aufgeführt sind.

Der 1967 geborene Versicherte leidet an progredienter Muskeldystrophie (Typ Duchen-ne). Aufgrund zahlreicher Verfügungen gewährte die lVverschiedene Leistungen. Unter

anderem richtet sie seit 1974 Pflegebeiträge (ab August 1978 für schwere Hilflosigkeit) aus. Ferner gab sie dem Versicherten mehrere Fahrstühle (darunter einen mit elektro-motorischem Antrieb) ab. Im Oktober 1979 liess der Vater des Versicherten um Ober-nahme der Kosten für einen Toilettenrollstuhl in Höhe von 698 Franken nachsuchen.

Dies lehnte die Ausgleichskasse ab, weil der fragliche Stuhl nicht in der Hilfsmittelliste aufgeführt sei.

Auf Beschwerde hin stellte die kantonale Rekursbehörde fest, dass sich der Toiletten-rollstuhl unter keine der in der Hilfsmittelliste aufgezählten Kategorien subsumieren las-se. Indessen ergebe sich direkt aus Art. 21 Abs. 2 IVG ein Anspruch auf alle kostspie-ligen und für einen Invaliden notwendigen Hilfsmittel, und der Bundesrat bzw. - kraft Subdelegation - das Eidgenössische Departement des Innern sei aufgrund des Geset-zes verpflichtet, solche Hilfsmittel in die Hilfsmittelliste aufzunehmen. Ein Toilettenroll-stuhl sei zweifellos kostspielig und - abstrakt betrachtet - für einen nicht eingliede-rungsfähigen Invaliden auch notwendig. Aus dem Gesetz folge daher die Verpflich-tung, ihn in der Hilfsmittelliste aufzuführen, was jedoch nicht geschehen sei. Demnach erweise sich die Nichtaufnahme als willkürlich und gesetzwidrig. Insofern sei die Hilfs-mittelliste unbeachtlich, und der Anspruch auf einen Toilettenrollstuhl müsse dem Grundsatz nach schon gestützt auf das Gesetz bejaht werden. Im vorliegenden Fall be-dürfe es aber noch näherer Abklärung, ob der Versicherte auch die konkreten Voraus-setzungen für eine Kostenübernahme erfülle. Die kantonale Rekursbehörde hiess daher die Beschwerde gut, hob die Kassenverfügung vom 3. Dezember 1979 auf und wies die Sache zu Abklärungen im Sinne der Erwägungen und zum Erlass einer neuen Ver-fügung an die Ausgleichskasse zurück.

Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das BSV Aufhebung des vorinstanz-lichen Entscheides sowie Wiederherstellung der Kassenverfügung vom 3. Dezember 1979. Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.

Die Vorinstanz nimmt zu den Vorbringen des BSV einlässlich Stellung, verzichtet aber auf einen formellen Antrag. Der Vater des Versicherten schliesst sinngemäss auf Ab-weisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das EVG hat die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit folgender Begründung gutge-heissen:

la und b. ... (Erwägungen über den Anwendungsbereich von Art. 21 Abs. 2 IVG sowie über die im IVG enthaltenen Delegationsnormen des Bundesrates; vgl. hiezu BGE 108 V5 Erwägung ib, ZAK 1983 S.215, und BGE 105 V25 Erwägung 1, ZAK 1979 S.221.) 2. Streitig ist, ob der Beschwerdegegner Anspruch auf Übernahme der Kosten für einen Toilettenrollstuhl hat. Dabei ist der Vorinstanz darin beizupflichten, dass ein sol-ches Gerät sich nicht unter eine der Kategorien der Hilfsmittelliste subsumieren lässt.

Die Vorinstanz erachtet ein solches Ergebnis als unbefriedigend und hält mit einläss-licher Darlegung dafür, dass die Nichtaufnahme eines Toilettenrollstuhls in die Hilfsmit-telliste willkürlich und gesetzwidrig sei, weshalb diese Liste im vorliegenden Fall nicht angewendet werden könne.

a. Wie die Vorinstanz in ihrem Entscheid zutreffend ausführt, enthält Art. 21 Abs. 2 IVG zwei kumulative Kriterien. Zum einen setzt die Aufnahme in die Hilfsmittelliste vor-aus, dass ein Hilfsmittel kostspielig ist. Zum andern wird verlangt, dass es für den Inva-liden notwendig ist. Diese Notwendigkeit ergibt sich aber nicht allein schon aufgrund der Invalidität eines Versicherten. Wesentlich ist, dass das Hilfsmittel zur Erreichung eines der im Gesetz umschriebenen Zwecke (Fortbewegung, Herstellung des Kontak-tes mit der Umwelt, Selbstsorge) erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn dem Invaliden nicht zugemutet werden kann, ohne den beanspruchten Gegen-

stand sich fortzubewegen, mit der Umwelt in Kontakt zu bleiben oder für sich zu sor-gen, und wenn er zudem willens und fähig ist, mit Hilfe des beanspruchten Gegenstan-des einen dieser Zwecke zu erreichen (BGE 98 V99f., ZAK 1972 S. 592; EVGE 1968 S. 212 Erwägung 3d, ZAK 1969 S. 128; vgl. auch BGE 101 V280 Erwägung 2, ZAK 1976 S. 321). Entsprechend der allgemeinen Voraussetzung für alle Eingliederungsmassnah-men (Art. 8 Abs. 1 und 2 IVG), wozu auch die Hilfsmittel gehören (Art. 8 Abs. 3 Bst. d IVG(, muss zudem das fragliche Hilfsmittel zur Erreichung des gesetzlichen Zweckes auch geeignet sein (BGE 98 V99f., ZAK 1972 S. 592).

Wie die anlässlich einer Überprüfung des Pflegebeitrages von der gemeinnützigen Institution X vorgenommenen Abklärungen ergaben, kann der Beschwerdegegner we-der stehen noch gehen; auch in den Armen ist er weitgehend kraftlos. Bei allen alltäg-lichen Lebensverrichtungen sei er auf die Hilfe seiner Eltern, vorab seiner Mutter ange-wiesen. Dabei stelle das Verrichten der Notdurft die grössten Probleme dar. Der Be-schwerdegegner müsse auf dem Bett ausgezogen, mit einem Rollstuhl vor das Bade-zimmer gefahren, durch die schmale Türe getragen und auf das WC gesetzt werden;

nach der Reinigung müsse er zum Bett getragen bzw. gefahren und dort wieder ange-zogen werden.

Die Vorinstanz führt in Erwägung 6.2.2 ihres Entscheides aus, ein Toilettenrollstuhl sei ganz abstrakt und unabhängig von den Verhältnissen im vorliegenden Fall bei einem nicht eingliederungsfähigen Invaliden für die Selbstsorge unentbehrlich; ohne einen solchen Gegenstand müssten viele Invalide auf dem Rollstuhl ausgezogen und dann auf die Toilette getragen werden; dadurch sei die Abhängigkeit des Invaliden von seiner Umwelt erheblich erhöht. Demnach geht die Vorinstanz davon aus, ein Toilettenroll-stuhl sei generell geeignet, bei Invaliden eine gewisse Selbständigkeit zu entwickeln.

Dem kann nicht beigepflichtet werden. Bei allem Verständnisfür die schwere Krankheit des Beschwerdegegners und die grosse Belastung seiner Eltern muss festgehalten werden, dass sich mit dem streitigen Toilettenrollstuhl keiner der im Gesetz umschrie-benen Zwecke erreichen lässt. Der Beschwerdegegner wird dadurch nicht in die Lage versetzt, selber das WC aufzusuchen, die Notdurft zu verrichten und insofern allein für sich zu sorgen. Er muss ausgezogen und auf den Toilettenrollstuhl gehoben oder -

wie in der Beschwerde an die Vorinstanz dargetan - mit einem Rutschbrett vom Bett oder vom Fahrstuhl auf den Toilettenrollstuhl geschoben werden; er kann sich auch nicht allein zum WC begeben, sondern muss dorthin geschoben werden, da die kleinen Räder des Toilettenrollstuhls selbständiges Fortbewegen nicht gestatten; nach dem Verrichten der Notdurft muss er nach wie vor gereinigt werden. Mit dem Toilettenroll-stuhl wird somit weder die Abhängigkeit vermindert noch die Selbständigkeit erhöht.

Demnach fehlt ihm die Eignung zur Erreichung eines gesetzlichen Zweckes. Und zwar gilt dies nicht bloss für den vorliegenden Fall, sondern angesichts von Konstruktion und Funktionsweise, wie sie im vorinstanzlichen Entscheid umschrieben sind, ganz all-gemein für Toilettenrollstühle. Fehlt aber nach dem Gesagten schon die Eignung, so muss auch die Notwendigkeit im Sinne von Art. 21 Abs. 2 IVG verneint werden. Die ge-nerelle Nichtaufnahme eines solchen Gegenstandes in die Hilfsmittelliste lässt sich dar-um nicht beanstanden. Es kann keine Rede davon sein, dass das Departement dabei gegen die Delegationsnorm des Art. 21 Abs. 2 IVG verstossen und willkürlich gehandelt habe. Da der streitige Toilettenrollstuhl sich festgestelltermassen unter keine der Kate-gorien der Hilfsmittelliste einordnen lässt, entfällt ein Anspruch auf Kostenübernahme durch die IV.

Bei diesem Ergebnis kann offenbleiben, ob sich die Nichtaufnahme allenfalls auch mit fehlender Kostspieligkeit bzw. im Hinblick auf das gesetzliche Gebot einfacher

Hilfsmittelversorgung (Art. 21 Abs. 3 IVG) begründen liesse, da - wie das BSV in sei-ner Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausführt - Toilettenstühle (allerdings ohne Rol-len) schon zu einem sehr viel günstigeren Preis im Handel erhältlich seien. Ebenso kann die von der Vorinstanz aufgeworfene Frage dahingestellt bleiben, ob der Bundesrat bzw. das Departement - über das in BGE 105 V27 Erwägung 3b (ZAK 1979 S.222) und BGE 105 V259 Erwägung 3a (ZAK 1980 S. 229) Gesagte, woran festzuhalten ist, hinaus - verpflichtet wird, im Rahmen von Art. 21 Abs. 2 IVG Hilfsmittel in die Liste aufzunehmen. Immerhin ist daran zu erinnern, dass Art. 21 Abs. 2 IVG auch für das De-partement den massgebenden Rahmen bildet, an den es sich zu halten hat (vgl. hievor Erwägung ib in fine), und dass dieses bei der Aufnahme von Hilfsmitteln in die Liste nicht willkürlich vorgehen, insbesondere nicht innerlich unbegründete Unterscheidun-gen treffen oder sonstwie unhaltbare, nicht auf ernsthaften sachlichen Gründen beru-hende Kriterien aufstellen darf (BGE 105 V27 Erwägung 3b in fine). Dies trifft aber -

wie erwähnt - im Falle der Nichtaufnahme der Toilettenrollstühle nicht zu.

3. Das BSV vermerkt in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit dem Pflegebei-trag für hilflose Minderjährige werde in einem gewissen Umfang auch die Versorgung mit Hilfsmitteln abgegolten, jedenfalls soweit diese nicht in der Hilfsmittelliste aufge-führt seien. Der Pflegebeitrag (wie auch die Hilflosenentschädigung nach Art. 42 IVG und Art. 43bis AHVG) hat zum Zweck, die Hilfsbedürftigkeit eines Invaliden bzw. eines Altersrentners und die deswegen von Angehörigen oder von andern Personen aufzu-wendende Hilfe mit einer Geldleistung auszugleichen. Nach den Ausführungen in Er-wägung 2 muss dem Toilettenrollstuhl die Funktion eines Hilfsmittels im Sinne von Art. 21 Abs. 2 IVG abgesprochen werden. Hingegen dient er, wie sich den Akten ent-nehmen lässt, vor allem dazu, den Eltern die von ihnen zu leistende Hilfe dadurch zu er-leichtern, dass das Tragen zum WC entfällt. Insofern erfüllt er einen Zweck, der mit der Entrichtung des Pflegebeitrags abgegolten wird. Der Hinweis des BSV auf die Bedeu-tung des Pflegebeitrags erfolgt deshalb durchaus zu Recht. Die Einwendungen des Be-schwerdegegners in seiner Stellungnahme zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ver-mögen daran nichts zu ändern.

AHV/ IV-. Rechtspflege

Urteil des EVG vom 17. Dezember 1982 i.Sa. RD.

(Übersetzung aus dem Französischen)

Art. 84 und 97 AHVG, Art. 128 AHVV. Zur Sprache der Verwaltungsverfügungen der kantonalen Ausgleichskassen.

Aus den Erwägungen des EVG:

1. Die Bundesverwaltung hat in derjenigen der drei Amtssprachen mit einem Adressa-ten zu verkehren, die dieser benutzt (Hegnauer, Das Sprachenrecht der Schweiz, Zü-rich 1947, S. 149). Das gilt auch für EinZü-richtungen des öffentlichen oder privaten Rechts, die im eigenen Namen übertragene Aufgaben des Bundes für dessen Rech-nung wahrnehmen, wie z. B. auf dem Gebiet der Sozialversicherung die SUVA (Viletta, Grundlagen des Sprachenrechts, Zürich 1978, S. 217). Hingegen unterstehen kantonale Verwaltungen sprachlich dem Territorialprinzip. Dieses gestattet den Kantonen,

Sprachregelungen für Privatpersonen zu treffen und vorzuschreiben, welche der drei Amtssprachen im Verkehr mit der Verwaltung, im öffentlichen Schulwesen oder in der Rechtspflege allein anzuwenden ist (BGE 106 la 302; 102 la 36; 100 la 465; Häfliger, Die Sprachenfreiheit in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, in Mölanges Zwahlen, Lausanne 1977, S. 78). Als einzige Ausnahme sind Gerichtspersonen und Beamte zen-traler Bundesbehörden diesem Prinzip nicht unterworfen (Marti-Rolli, La libertö de la langue en droit suisse, Zürich 1978, S. 63).

Die Verbands- und kantonalen Ausgleichskassen wirken zwar gemäss Artikel 49ff.

AHVG bei der Durchführung der AHV mit, gehören organisatorisch jedoch nicht zur Bundesverwaltung, sondern geniessen weitgehende Eigenständigkeit (BGE 101 V26).

AHVG bei der Durchführung der AHV mit, gehören organisatorisch jedoch nicht zur Bundesverwaltung, sondern geniessen weitgehende Eigenständigkeit (BGE 101 V26).

Im Dokument Von Monat zu Monat (Seite 101-115)