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3 Material und Methoden

3.7 Genetische Untersuchungen

3.7.1 Isoenzymanalysen an In-situ-Populationen

Im Genom der Bäume und anderer Pflanzen sind etwa 8 000 - 10 000 Strukturgenloci lokalisiert, welche die Polypeptide kodieren, aus denen Enzyme und andere Proteine gebildet werden. Mutationen können durch Substitution einer oder mehrere Aminosäuren Veränderungen in der Struktur der Enzyme verursachen, ohne dabei deren prinzipiellen Wirkungsmechanismus zu verändern. Diese strukturell veränderten Enzyme, die jedoch nach wie vor die gleichen Stoffwechselvorgänge katalysieren, werden als Isoenzyme bezeichnet. Innerhalb eines Enzymsystems können Isoenzyme von mehreren Genloci kodiert werden. Solche Isoenzyme, die von Allelen eines Genlocus kodiert werden, bezeichnet man auch als Alloenzyme. In der Regel unterscheiden sich Alloenzyme hauptsächlich in ihrer Nettoladung. Isoenzyme, deren Aufbau durch verschiedene Genloci gesteuert wird, zeichnen sich auch durch unterschiedliche Molekülgrößen aus.

Im Gegensatz zu den umweltabhängigen morphologischen und physiologischen Merkmalen stehen die Isoenzyme meist in direkter Beziehung zu den sie kontrollierenden Genen.

Variationen von Isoenzym-Phänotypen sind daher auf die ihnen zugrundeliegende genetische Variation, d. h. auf verschiedenartige Allelbesetzungen an Enzymgenloci, zurückzuführen (STARKE, 1993). Bevor jedoch Aussagen zur genetischen Variation getroffen werden können, bedarf es der Kenntnis der tatsächlichen genetischen Kontrolle der beobachteten Elektromorphe, d.h. der eindeutigen Zuordnung von Phänotyp und Genotyp.

Das Verfahren, mit dem die Beziehung zwischen Genotyp und Phänotyp nachgewiesen wird, ist die Vererbungsanalyse. (s. Kap. 3.7.3).

In Abhängigkeit von der jeweiligen Baumart lassen sich bis zu 30 verschiedene Enzymsysteme elektrophoretisch nachweisen. Bei einer Annahme von im Mittel zwei kontrollierenden Genloci pro System stehen im Idealfall bis zu 60 Strukturgenloci für eine Beobachtung zur Verfügung (BERGMANN, 1995). Da sich die Anzahl unterschiedlicher Typen durch die Kombinationsmöglichkeiten exponentiell vermehrt, lassen sich anhand des Genotyps an mehreren Isoenzym-Genloci genetische Unterschiede zwischen Individuen einer Population erkennen (BERGMANN, 1987). Daher ist es in der Regel möglich, verschiedene Individuen durch ihren Multilocus-Genotyp zu unterscheiden. Auch bei

vegetativer Vermehrung - wie beispielsweise bei der Polykormonbildung von P spinosa - ist eine Zuordnung einzelner Individuen zu einem Klon relativ einfach, da der gesamte Genbestand ohne Rekombination an die Abkömmlinge weitergegeben wird und somit die Ausprägungen aller genetischen Merkmale eines fraglichen Ramets und des zugehörigen Klons völlig identisch sein müssen. Unterscheidet sich ein Individuum von einem Klon in nur einer Ausprägung, so ist die Abstammung des Individuums von diesem Klon auszuschließen, bzw. das Individuum kann kein vegetativer Abkömmling des Klons oder Klonelters sein (BERGMANN, 1995; LEINEMANN et al., 2002).

Die Auswahl der untersuchten Enzymsysteme erfolgte bei den In-situ-Populationen von C. avellana insbesondere in Anlehnung an Arbeiten von ROVIRA et al. (1992), ROVIRA (1997) und RUMPF (2002) und bei P. spinosa an Arbeiten von LEINEMANN (2000) und LEINEMANN &

BERGMANN (2000) (Tab. 3.3). Mit Ausnahme von Leucinaminopeptidase (LAP) (Enzymgruppe II) handelt es sich ausschließlich um Enzymsysteme, die am Primärstoffwechsel der Pflanzen beteiligt sind. Sie katalysieren stoffliche Umsetzungen im Citratzyclus und in der Atmungskette oder gewährleisten andere lebenswichtige Funktionen.

Nach GILLESPIE & LANGLEY (1974) und BERGMANN (1991) werden sie der Enzymgruppe I zugeordnet.

Tab. 3.3: Untersuchte Enzymsysteme von C. avellana (C) und P. spinosa (P)

Bezeichnung Abkürzung Nummer Struktur Species Aspartataminotransferase AAT / GOT E.C.2.6.1.1 Dimer C

Alkoholdehydrogenase ADH E.C.1.1.1.1 Dimer C, P Isocitratdehydrogenase IDH E.C.1.1.1.42 Dimer P Leucinaminopeptidase LAP E.C.3.4.11.1 Monomer C, P Malatdehydrogenase MDH E.C.1.1.1.37 Dimer C, P 6-P-Gluconatdehydrogenase 6-PGDH E.C.1.1.1.44 Dimer C, P Phosphoglucoseisomerse PGI E.C.5.3.1.9 Dimer C, P Shikimatdehydrogenase SKDH E.C.1.1.1.25 Monomer C

Aspartataminotransferasen (AAT) sind an zahlreichen Reaktionen im pflanzlichen und tierischen Organismus beteiligt und in unterschiedlichen Kompartimenten der Zelle (Chloroplasten, Mitochodrien, Cytoplasma) lokalisiert. Bei der Biosynthese der Aminosäuren der Aspartat-Familie katalysiert AAT die Bildung des Ausgangsproduktes und ist darüber hinaus am oxidativen Aminosäureabbau beteiligt. Außerdem spielt AAT eine wichtige Rolle beim Transport von CO2 aus der Atmosphäre vom Mesophyll zu den Bündelscheidenzellen der C4-Pflanzen (KINDL, 1987 zit. in KLUMPP, 2000). Des Weiteren hat das Enzym eine wichtige Funktion beim Elektronentransport zwischen Chloroplasten und Cytoplasma (WHIGHTMAN & FOREST, 1978, zit. inKLUMPP, 2000).

Alkoholdehydrogenasen (ADH) dehydrieren in Gegenwart des Coenzyms Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid (NAD) primäre und sekundäre Alkohole reversibel zu Aldehyden bzw.

Ketonen. Am besten charakterisiert sind ADH aus Leber (Blutalkoholabbau) und aus Hefe, wo sie den letzten Schritt der alkoholischen Gärung (Glucoseabbau unter anaeroben Bedingungen) katalysieren.

Das Enzymsystem Isocitratdehydrogenase (IDH) katalysiert in den Mitochondrien die Decarboxylierung von Isocitrat unter gleichzeitiger Wasserstoff-Übertragung auf NADP+ (E.C.1.1.1.42) bzw. NAD+ (E.C.1.1.1.41) und nimmt damit eine Schlüsselstellung im Citratzyklus (Zellatmung) ein. Der Citratzyklus selbst dient neben dem Endabbau der Metabolite und dem Energiegewinn als eine Art Drehscheibe des Stoffwechsels, aus der allein die Hälfte aller Aminosäuren aus Zwischenprodukten dieses Kreislaufes entstammen.

Leucinaminopeptidase ist im Pflanzen- und Tierreich weit verbreitet und meist im Cytosol lokalisiert. LAP zählt zu den Exopeptidasen und ist am Abbau von Eiweißmolekülen durch Hydrolyse beteiligt. LAP ist entgegen ihrer Bezeichnung nicht Leucin-spezifisch, wodurch gelegentlich auch die Bezeichnung Cytosol-Aminopeptidase empfohlen wird.

Das Enzymsystem 6-Phosphogluconatdehydrogenase (6-PGDH) ist im oxidativen Pentosephosphatzyklus (Zellatmung) an der Umwandlung von Glucose-6-Phosphat über Gluconat-6-Phosphat zu Ribulose-5-Phosphat beteiligt. Der oxidative Pentosephosphatzyclus ist neben der Glycolyse ein alternativer Stoffwechselweg zum Abbau der Glucose im Cytoplasma der Pflanzenzelle. Er spielt allerdings eine untergeordnete Rolle, da vermutlich 80-95% des Glucoseabbaus über die Glycolyse verlaufen. Die Produktion des Reduktionsäquivalents NADPH zu Biosynthesereaktionen und die Pentosephosphate als Zwischenprodukte des Zyklus werden abgezweigt und als Bausteine für Nucleotide, Nucleinsäuren und Zellwandpolysaccharide verwendet.

Die Shikimatdehydrogenase (SKDH) spielt bei höheren Pflanzen und Mikroorganismen (Bakterien, Pilze) eine Schlüsselrolle bei der Biosynthese aromatischer Aminosäuren wie Phenylalanin, Tyrosin und Tryptophan, die auf dem sogenannten Shikimisäure-Chorisminsäure-Weg (S-Weg) aufgebaut werden. In Folgereaktionen entstehen Phenole, die vielfältige Funktionen bei Pflanzen einnehmen (Lignin, Pigmente: Flavonoide, Anthocyane) (KUTSCHERA, 1995). Auch Gerbstoffe, Phytohormone (z.B. Indolessigsäure), Phytoalexine oder das bei der Photosynthese wichtige Plastochinon zählen zu den Produkten diese Syntheseweges. Die Hauptaktivität von SKDH liegt im Cytosol, geringe Aktivität wurde von WENDEL et al. (1988, zit. in KLUMPP, 2000) in Chloroplasten nachgewiesen.

Die Malatdehydrogenase (MDH) ist eine am Citratzyklus beteiligte Oxidoreduktase, die in Gegenwart von NAD+ die Umwandlung von Malat zu Oxalacetat sowie die gegenläufige Reaktion bewirkt. MDH kommt im Cytoplasma und in Mitochondrien in verschiedenen

bedeutsam ist. Nur L-Malat und nicht Oxalacetat kann diese durchqueren, weshalb zum Transport Oxalacetat zunächst in L-Malat überführt und anschließend wieder rückverwandelt werden muss. In Bezug auf die Aminosäuresequenz sind das cytoplasmatische und das mitochondriale Isoenzym nur schwach miteinander verwandt, letzteres jedoch deutlich mit bakterieller MDH.