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„Islamischer Staat“ (IS)

Im Dokument Lagebild. Antisemitismus 2020/21 (Seite 91-94)

Der IS strebt danach, den Staat Israel und das gesamte jüdische Volk zu ver-nichten. Dieses macht er in seinen Propagandaorganen immer wieder aufs Neue deutlich. So heißt es etwa in der zweiten Ausgabe des IS-Magazins „Da-biq“:

„Es ist nur eine Frage der Zeit, bevor er [der IS] Palästina erreicht, um die barba-rischen Juden zu bekämpfen und diejenigen von ihnen, die sich hinter den ‚Ghar-qad‘-Bäumen – den Bäumen der Juden – verstecken, zu töten.“

Als der IS im Jahr 2016 seine Stellungen auf der Sinai-Halbinsel ausbaute, wurde dies in einer Serie von Propagandavideos als Schritt auf dem Weg zur „Befreiung Jerusalems“ dargestellt.

Die Feindbilder „Israel“ und „Jude“ bilden dabei eine untrennbare Einheit und erscheinen auch jihadistischen Gruppierungen besonders dazu geeignet, ihre Anhängerinnen und An-hänger zu mobilisieren. Folglich sind sie in der jihadistischen Propaganda beständig präsent.

Im Juni 2018 rief eine dem IS zuzurechnende Gruppierung in einem arabischsprachigen Vi-deo zum Kampf gegen alle Feinde des IS auf, zu denen unter anderem die USA, das Judentum, das Schiitentum und der Laizismus gehörten, und deren Gebaren Metastasen gleichgesetzt wurde. Dazu heißt es, dass es der IS sei, der diese Metastasen bekämpfe, indem er ihre „Köpfe abschlägt und ihr schmutziges Blut ohne Erbarmen vergießt.“

III. Fazit

„Die Juden“ bilden als Feindbild einen wesentlichen gemeinsamen Nenner in der Ideologie aller islamistischen Gruppierungen. Dabei orientieren sich Islamistinnen und Islamisten einerseits an antijüdischen Traditionen des Islam, andererseits lässt sich das antisemitische Narrativ im Islamismus aber auch auf europäische Quellen und nicht zuletzt auf den Natio-nalsozialismus zurückführen. So hat beispielsweise die Ritualmordlegende, wonach im Ju-dentum Kinderblut für die Herstellung von Mazzen für das Pessachfest benötigt werde, ihren Ursprung zwar im christlichen Mittelalter, sie wird aber bis heute in islamistischen Kreisen aufgegriffen und, wie im Falle des Fernsehsenders der „Hizb Allah“ geschehen, nach Europa reimportiert.

Antisemitismus im islamistischen Kontext erscheint in unterschiedlicher Gestalt. Praktisch alle Ausprägungen, mit Ausnahme der rassistischen, kommen darin vor und überlagern sich wechselseitig. Mit Bezug auf religiöse Quellen wie etwa den Koran gelten Jüdinnen und Juden im Islamismus vielfach als Mörder ihrer eigenen Propheten und somit als Rebellen wider Gott, deren Bekämpfung gleichsam als göttlicher Auftrag zu verstehen ist. Daneben werden Jüdinnen und Juden vielfach im Sinne des sozialen Antisemitismus als maßgebliche Akteu-rinnen und Akteure der internationalen Finanzwelt betrachtet. Besonders wirkmächtig ist in

diesem Kontext die politische Deutung, wonach sich internationale jüdische Verschwörun-gen insbesondere geVerschwörun-gen die islamische Welt richteten. Die antizionistische Vorstellung eines

„Vernichtungskrieges“ des israelischen Staates gegen die palästinensische Bevölkerung gilt dabei in großen Teilen der arabisch-islamischen Gesellschaften als Konsens und geht damit weit über islamistische Zirkel hinaus. Dieser antisemitische Hass kann in einzelnen Fällen durchaus exterminatorische Züge annehmen.

Derartige, in der Bevölkerung der nah- und mittelöstlichen Staaten präsente antisemitische Vorstellungen finden in ihrer ganzen Bandbreite über eine Vielzahl von modernen Kommu-nikationskanälen, in erheblichem Maß auch über entsprechende Fernsehsender, ihren Weg nach Deutschland. Dies betrifft nicht nur Sender, die eine direkte Anbindung an eine extre-mistische Organisation haben, wie zum Beispiel „al-Manar“ an die „Hizb Allah“, sondern auch solche, die Predigenden wie Yusuf al-Qaradawi, der sich selbst ein gemäßigtes Image gibt, ein Forum bieten.

An der Person al-Qaradawis lässt sich die Doppelstrategie von Teilen des islamistischen Spek-trums illustrieren, Kernelemente ihrer Ideologie wie den Antisemitismus nach Europa zu ex-portieren. Trotz der Selbstdarstellung im Sinne eines gemäßigten Mittelweges („wasatiya“) werden Formate wie die Fernsehreihe „Die Scharia und das Leben“ mit islamistischen und antisemitischen Inhalten auch der arabischsprachigen Bevölkerung Europas und Deutsch-lands zugänglich gemacht. Zugleich wird versucht, sich den hier lebenden Musliminnen und Muslimen als rechtliche Autorität zu empfehlen. Viele Menschen muslimischen Glaubens suchen für Fragen des Alltags, etwa bezüglich des Verhältnisses zu Menschen jüdischen und christlichen Glaubens sowie Atheistinnen und Atheisten, nach islamkonformen Antworten.

Diese Antworten werden von gelehrten Autoritäten über Rechtsgutachten (Fatwas) erteilt.

Gelänge es islamistisch beeinflussten Foren wie dem „European Council for Fatwa and Re-search“, sich diese Autorität anzueignen, so könnte dies für das Zusammenleben von Men-schen unterschiedlicher Religionsangehörigkeit eine schwere Belastung darstellen.

Eine solche Erkenntnis gewinnt insbesondere vor dem Hintergrund des in den letzten Jahren erfolgten verstärkten Zuzugs von Musliminnen und Muslimen nach Deutschland an weiterer Bedeutung. Sehr viele dieser Menschen stammen aus Ländern, in denen antisemitische Ein-stellungen seit vielen Jahrzehnten alltäglich sind und selbst von deren Regierungen propa-giert werden. Die während der Sozialisation in den Herkunftsregionen vermittelten latenten oder manifesten antisemitischen Stereotype wirken auf die Umworbenen vertraut und kön-nen damit die Wahrscheinlichkeit erhöhen, auch andere Ideologiebestandteile des Islamis-mus zu akzeptieren.

Die antisemitischen Vorfälle vom Mai 2021 zeigen, dass insbesondere eine Eskalation des Nahost-Konflikts auch hierzulande zu einer erheblichen Emotionalisierung der muslimi-schen Bevölkerung bis hin zu gewaltsamen Angriffen führen kann. Bei der überwiegenden

Anzahl von demonstrativen Veranstaltungen konnten antisemitische und antiisraelische Äußerungen und Handlungen festgestellt werden. Hierbei gehörte ein Großteil der wegen mutmaßlicher Straftaten festgestellten Personen muslimischen Bevölkerungsgruppen ohne Organisationsbezug an. Dies legt nahe, dass auch unabhängig von einer dezidiert extremis-tischen Einstellung antisemitisches Gedankengut in muslimisch geprägten Bevölkerungs-gruppen verbreitet ist und dort als gesellschaftlich vertretbar akzeptiert wird.

F. Antisemitismus im auslandsbezogenen Extremismus

I. Grundsätzliches zum Antisemitismus im auslandsbezogenen

Extremismus

Im Dokument Lagebild. Antisemitismus 2020/21 (Seite 91-94)