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Antisemitismus in islamistischen Organisationen und Strömungen

Im Dokument Lagebild. Antisemitismus 2020/21 (Seite 85-88)

Der ewige Kampf zwischen Islam und Judentum

II. Antisemitismus in islamistischen Organisationen und Strömungen

Nachfolgend werden in Deutschland aktive islamistische Organisationen und Strömungen dargestellt. Anhand von Beispielen wird dabei aufgezeigt, wie sich deren Antisemitismus in Deutschland konkret äußert.

„Muslimbruderschaft“ (MB)

Die offizielle MB-Führung veröffentlichte im Mai 2017 eine Presseerklärung, in welcher sie aktiven Widerstand gegen Israel und eine Unterstützung der HAMAS solange für gerechtfertigt erklärte, bis „das gesamte islamische Land von den zionistischen Besatzern befreit worden“199 sei.

Der 1926 in Ägypten geborene Yusuf Abdallah al-Qaradawi gilt seit Jahrzehnten als einer der einflussreichsten Vordenker der MB.200 Durch seine Predigten und seine auf Al Jazeera ausge-strahlte Fernsehsendung „Die Scharia und das Leben“ erreicht al-Qaradawi ein Millionenpub-likum, unter anderem in Europa. Dabei gibt er sich kompromisslos feindlich gegenüber dem Staat Israel und verbreitet antisemitische Stellungnahmen. So zum Beispiel auf dem auch in Deutschland zu empfangenden Sender Al Jazeera:

„Während der Geschichte hat Allah das jüdische Volk wegen seiner Verkommenheit gestraft. Die letzte Strafe wurde von Hitler vollzogen. Durch all die Dinge – sogar, wenn sie diese Angelegenheit übertrieben haben –, gelang es ihm, sie auf ihren Platz zu verweisen. Das war ihre göttliche Bestrafung. So Gott will, wird das nächste Mal diese durch die Hand der Gläubigen erfolgen.“201

Darüber hinaus bezeichnete al-Qaradawi jüdische Menschen als „Feinde Gottes und des Islam“

sowie als „verräterische Aggressoren“ und forderte in Form eines Gebetes während einer von Al Jazeera übertragenen Predigt die Auslöschung des jüdischen Volkes: „Oh Allah, nimm diese unterdrückerische jüdisch-zionistische Bande. Oh Allah, nimm nicht einen von ihnen aus. Zähle sie und töte sie, bis zum allerletzten.“202

199 Website der „Muslimbruderschaft“ (8. Mai 2017).

200 Zu al-Qaradawi und seiner Islamismusinterpretation vgl. Akademie für Verfassungsschutz (Hrsg.): Yusuf al-Qaradawi und das Konzept der Wasatiya, in: verfassungsschutz.de, Juni 2015; Zur Verbindung al-Qaradawis zur Muslimbruderschaft vgl. ebd. S. 25 ff.

Ebenso: Johnson, Ian: Islamic Justice Finds a Foothold In Heart of Europe, Wall Street Journal, 4. August 2005.

201 „Reger Zulauf für Fundamentalisten“, in: wienerzeitung.at, 7. Mai 2009.

202 Middle East Media Research Institute: Sheik Yousuf Al-Qaradhawi Incites against Jews, Arab Regimes, and the U.S., and Calls on Muslims to Boycott Starbucks, Marks and Spencer, in: memri.org, 9. Januar 2009.

Im Juli 2020 wurde auf der offiziellen Internetseite der MB ein Text von Ma’moun al-Hudai-by203 veröffentlicht, in dem dieser den Widerstand gegen die amerikanische oder zionistische Besatzung als

„im Verständnis der arabischen und islamischen Völker legitimen, vorgeschriebe-nen Jihad, bezeichnet, dessen Ausübung und dessen Unterstützung auf jegliche er-denkliche Art und mit allen Mitteln eine Pflicht sei und den Allah entweder mit dem Sieg auf Erden oder dem Tod [für Gott] und dem Paradies im Jenseits belohnt!!

[sic!]“204

In Deutschland gilt die „Deutsche Muslimische Gemeinschaft“ (DMG; früher: „Islamische Ge-meinschaft in Deutschland“ (IGD)) als wichtigste und zentrale Organisation der MB-Anhän-gerschaft. Eines ihrer vorrangigen Ziele ist es, sich in Deutschland als seriöser, gemäßigter Ansprechpartner für Politik, Behörden und Sozialverbände zu positionieren. Um dieses Ziel nicht zu gefährden, werden auf offizieller Ebene antisemitische Aussagen vermieden.

HAMAS

Ziel der sich als palästinensischer Arm der Muslimbruderschaft verstehenden HAMAS205 ist es, auf dem gesamten Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan einen palästinensischen islamischen Staat zu errichten. Dies hätte die Auflö-sung des Staates Israel zur Folge. Dabei agiert die HAMAS nicht nur politisch,

sondern führt auch gewaltsame Aktionen gegen israelische Institutionen und Einrichtungen durch. In ihrer Argumentation verknüpft sie religiöse, nationale und territoriale Motive.

Die antisemitische Grundposition der HAMAS lässt sich bereits in ihrer Gründungscharta ablesen. Darin heißt es beispielsweise:

„Vom Nazismus der Juden sind auch Frauen und Kinder betroffen – alle werden in Angst versetzt. Sie bekämpfen die Menschen in ihrem Lebensunterhalt, rauben ihnen ihr Vermögen und treten ihre Würde mit Füßen.“206

Außerdem brächten „die Juden“ die internationalen Medien unter ihre Kontrolle, sie errich-teten „Geheimorganisationen, die in den verschiedenen Teilen der Welt verbreitet sind, um die Gesellschaften zu zerstören und die Interessen des Zionismus zu verwirklichen“.207 Dabei werden

203 Bei al-Hudaiby handelt es sich um einen ehemaligen sogenannten Murshid, einen geistlichen Führer, der MB.

204 Website der „Muslimbruderschaft“ (9. Juli 2020).

205 Hamas: Arabisch für „Eifer“, „Kampfgeist“; zugleich Akronym aus Harakat al-muqawama al-islamiyya, „Islamische Widerstandsbe-wegung“.

206 Charta der HAMAS, Artikel 20, übersetzt von Lutz Rogler in: Baumgarten, Helga: HAMAS. Der politische Islam in Palästina. München 2006, S. 207-208, hier: S. 218. Die klar antisemitische Ausrichtung des Textes ist nicht zuletzt daran ablesbar, dass die Verfasser be-wusst das Wort „Juden“ statt der möglichen Alternativen „Israelis“ oder „Zionisten“ verwendeten.

207 Ebd., Artikel 22.

die „Protokolle der Weisen von Zion“ als unwiderlegbarer Beweis für die angebliche jüdische Infamie herangezogen:

„Das zionistische Vorhaben ist grenzenlos, und nach Palästina streben sie nach der Expansion vom Nil bis zum Euphrat. Wenn sie das Gebiet völlig verschlungen ha-ben, zu dem sie vorgedrungen sind, trachten sie nach einer weiteren Expansion und so fort. Ihr Vorhaben steht in den ‚Protokollen der Weisen von Zion‘, und ihr gegen-wärtiges Handeln ist der beste Beleg für das, was wir sagen.“208

Massive antisemitische Propaganda verbreitet der aus Gaza sendende und unter Kontrolle der HAMAS stehende Fernsehkanal Al-Aqsa TV. Über diesen auch in Europa zu empfangenden Sender verkündete am 5. Februar 2020 Rajaa al-Halabi, Vorsitzende der HAMAS-Frauenver-einigung, dass man noch die Gelegenheit haben werde, an der Schwelle der Al-Aqsa-Moschee zu stehen und mit den Füßen über Jüdinnen und Juden zu gehen.209 In einer Predigt, die am 28. Juni 2019 von Al-Aqsa TV ausgestrahlt wurde, verkündete der Prediger, dass „Zionisten“

gezielt Frauen auf arabische Männer ansetzten, um diese mit Aids zu infizieren.210

Die im Frühjahr 2017 veröffentlichte „neue“ Charta der HAMAS verzichtet zwar auf die in der ursprünglichen Charta enthaltenen klassischen Formen antisemitischer Propaganda, enthält dafür aber eindeutig antiisraelische Passagen. Zudem gibt es nach wie vor einen Aufruf zur Gewalt. In Deutschland geht von der HAMAS bislang keine Gewalt aus. Die Organisation ist in erster Linie bestrebt, neue Anhängerinnen und Anhänger unter der hier lebenden palästi-nensisch-stämmigen Bevölkerung zu gewinnen und Spendengelder zu sammeln. Allerdings verbreitet sie ihr antisemitisches und antiisraelisches Gedankengut auch in Deutschland.

Die Anhängerschaft der HAMAS nutzt das Internet beziehungsweise Soziale Medien oder Demonstrationsgeschehen weiterhin zur Verbreitung antisemitischer Inhalte. So teilte ein der HAMAS zuzurechnender Facebook-Nutzer im Mai 2021 ein Bild, auf dem die gesamte Landkarte von Israel und Palästina in den Farben der palästinensischen Flagge abgebildet ist.

Das Bild ist mit dem Titel „Sie gehen und wir bleiben“ überschrieben.

In Deutschland wurde auf einer von Anhängern und Sympathisanten der HAMAS mitorga-nisierten Demonstration im Mai 2021 Sprechchöre wie „Kindermörder Israel“ skandiert.

208 Ebd., Artikel 33.

209 Vgl. Middle East Media Research Institute: Head of Hamas Women’s Movement Rajaa Al-Halabi: Trump, You Lunatic, You Idiot … We Will Liberate Palestine and Walk All Over the Jews with Our Pure Feet, in: www.memri.org, 5. Februar 2020.

210 Vgl. Middle East Media Research Institute: Hamas MP Marwan Abu Ras: The Zionists Send Girls to Sleep with Arabs and Give Them AIDS, in: memri.org, 28. Juni 2019.

Im Dokument Lagebild. Antisemitismus 2020/21 (Seite 85-88)