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12.2 Methodik

13.4.2 Interpretation der eigenen Daten

Die Kriterien für die Definition von “hibernation” sind von zentraler Bedeutung. In die-ser Auswertung wurden Segmente identifiziert, die bei erhaltener Vitalität eine Akine-sie aufwiesen und von einem Gefäß mit hochgradiger Stenose versorgt wurden. In die-sen Segmenten bestand eine ausgeprägtere Wandbewegungsstörung als aufgrund des

201Tl–Uptake zu erwarten war. Als Ursache für die ausgeprägte Kinetikstörung sind

“stunning” und “hibernation” denkbar. Da lediglich Patienten mit chronischer KHK in die Auswertung eingeschlossen wurden und akute Ereignisse (kürzlich zurücklie-gender Infarkt, instabile Angina pectoris) als Ausschlußkriterium definiert waren, ist

“hibernation” die wahrscheinlichste Erklärung für die Kontraktionsstörung.

Prinzipiell kann hibernierendes Myokard sowohl in akinetischen, als auch in hypokine-tischen Segmenten vorliegen. In dieser Auswertung wurden lediglich akinetische Seg-mente berücksichtigt. In hypokinetischen SegSeg-menten konnte mit den in dieser Studie angewandten Methoden eine in Relation zur Vitalität überproportionale Reduktion der Wandbewegung nicht detektiert und eine Abgrenzung disseminierter Narben von “hi-bernation” nicht erreicht werden. Da hypokinetische Segmente somit keine eindeutige pathophysiologische Charakterisierung zuließen, wurden sie nicht in die Auswertung einbezogen.

Die Mehrzahl der als hibernierend definierten Segmente zeigte in der Myokard–SPECT keine Belastungsischämie. Die Ergebnisse unterstützen die These, daß hibernierendes Myokard eine Perfusionsreserve aufweist [235] [248] [336] [405]. Zusätzlich zeigte

sich in dieser Studie eine Abhängigkeit des Ischämienachweises von der linksventriku-lären Pumpfunktion (LVEF): Die Wahrscheinlichkeit, eine Belastungsischämie nach-zuweisen, sank mit abnehmender LVEF. Diese Abhängigkeit konnte nicht durch das Ausmaß der KHK (Ausprägung der Koronarstenosen, Anzahl der stenosierten Gefäße) erklärt werden. Eine Beziehung zwischen Wahrscheinlichkeit des Ischämienachweises und der LVEF wurde bislang nicht beschrieben. Zwei Erklärungsmöglichkeiten sind denkbar:

1. Der Ischämienachweis bei hoher LVEF ist mit repetitivem stunning als Ursa-che der beobachteten Wandbewegungsstörung vereinbar. Der fehlende Ischä-mienachweis bei fortschreitender Myokardschädigung mit niedriger LVEF kann durch ein neues Gleichgewicht zwischen regionalem Blutfluß und regionaler Funktion erklärt werden, wobei die Reduktion des Ruheflusses proportional zur Funktionseinschränkung ist und eine (begrenzte) Steigerung des Blutflusses bei Belastung ermöglicht. Die hypothetische pathophysiologische Sequenz beginnt mit einer repetitiven Ischämie der (für die Kontraktilität entscheidenden) endo-kardnahen Myokardabschnitte trotz maximaler Vasodilatation mit nachfolgender Funktionsstörung (stunning) auch in den epikardnahen Wandabschnitten durch den “tethering effect” [105] [248]. Die dortige Funktionsstörung führt zu einer

“Herunter–Regulation” des epikardialen (transmuralen) Blutflusses (“hibernati-on”) mit erhaltener Koronarreserve.

Die pathophysiologischen Überlegungen werden durch Experimente am Hun-deherz mit chronischer, langsam fortschreitender Koronarokklusion unterstützt, die weiteren Einblick in die komplexe wechselseitige Beeinflussung von Blut-fluß und Myokardfunktion bei chronischer KHK geben [38]. Nach Implantation eines Ameroid–Okkluders mit zunächst offenem Gefäß kam es bei relativ ge-ringer Flußreduktion zu einer deutlicheren Abnahme der Funktion (repetitives stunning). Nach komplettem Gefäßverschluß nahm der Blutfluß trotz gleichblei-benden bzw. durch die Kollateralisation langsam ansteigenden Perfusionsdrucks weiter ab, bis er das Niveau der reduzierten Funktion erreichte [38]. Durch den Abfall des Blutflusses trotz ansteigenden Perfusionsdrucks und Erholung der Wandbewegung bildete sich nach dem kompletten Gefäßverschluß eine Koro-narreserve aus.

Auch in dieser Studie war das Ischämieausmaß in vitalen, bei Koronarverschluß komplett auf die Kollateralversorgung angewiesenen Segmenten geringer als bei subtotaler Stenose des versorgenden Gefäßes.

13. CHRONISCH DYSFUNKTIONALES, VITALES MYOKARD 159 2. In der Myokardszintigraphie beruht der Ischämienachweis auf der Registrie-rung relativer Aktivitätsdifferenzen zwischen einzelnen Myokardsegmenten. Ei-ne globale Einschränkung der Koronarreserve kann nicht detektiert werden. Der fehlende Ischämienachweis bei niedriger LVEF könnte demnach auch auf einer gleichmäßigen Einschränkung der globalen Perfusionsreserve bei fortgeschritte-ner linksventrikulärer Schädigung beruhen. Beim akutem koronaren Syndrom wurden eine Funktionsstörung und eine Einschränkung der Koronarreserve auch in primär nicht–betroffenen Segmenten beschrieben [60] [186] [399]. Die Kom-bination von erhaltener Perfusionsreserve in hibernierendem und reduzierter Ko-ronarreserve im übrigen Myokard könnte den fehlenden Ischämienachweis bei reduzierter LVEF in dieser Studie erklären.

Beide Erklärungsvarianten schließen sich nicht gegenseitig aus und können eventuell gemeinsam die beobachtete Beziehung zwischen Ischämienachweis und LVEF erklä-ren.

Die konventionelle SPECT ist mit ihrer begrenzten räumlichen Auflösung nicht im-stande, isolierte subendokardiale Ischämiereaktionen darzustellen. Somit schließt ein fehlender Ischämienachweis bei niedriger LVEF eine repetitive Innenschichtischämie nicht aus. Unabhängig von dieser Limitation bleibt die beobachtete Beziehung zwi-schen Ischämienachweis und LVEF allerdings auffällig, zumal sie nicht durch einen unterschiedlichen Schweregrad der Koronarstenosen erklärbar ist.

In dieser Untersuchung an Patienten mit chronischer KHK war der Fettsäure–Uptake in hibernierendem Myokard erhalten. Mäki et al. kamen in einer PET–Studie zu ver-gleichbaren Ergebnissen und konnten einen erhaltenen Fettsäure–Uptake in vitalen, chronisch dysfunktionalen Segmenten nachweisen [227]. Auch Sloof et al. [372] fan-den in 74% der minderperfundierten, aber mittels 18F–FDG–PET als vital identifizier-ten Segmente einen im Vergleich mit 201Tl gesteigerten123I–BMIPP–Uptake. Die Er-gebnisse entsprechen den Befunden am isolierten Herz (Kapitel 6). Eine überproportio-nale Steigerung der Fettsäureaufnahme — wie am isolierten Herz mit sehr niedrigem Fluß — konnte in dieser Studie nicht nachgewiesen werden. Es ist allerdings auch fraglich, ob der Blutfluß in den hibernierenden Segmenten ein vergleichsweise niedri-ges Niveau wie im isolierten Herzmodell erreichte. “Hibernation” (erhaltene Fettsäure-extraktion) und stunning (verminderte FettsäureFettsäure-extraktion) unterscheiden sich folglich durch das Muster des Fettsäuremetabolismus.

Obwohl 70 der 99 Patienten nach einem länger zurückliegenden Herzinfarkt untersucht

wurden, waren 77% der Segmente in der201Tl–Myokard–SPECT vital. Der hohe An-teil vitaler Segmente trotz zurückliegenden Infarktes ist in erster Linie als Ausdruck eines effektiven Einsatzes von Lysetherapie und Akut–Revaskularisation zu werten, die im akuten Infarktstadium zur Standardtherapie gehören und die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung kompletter, transmuraler Narben reduzieren.

13.4.3 Nachweis hibernierenden Myokards in der

201