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Interkulturelle mediale Integration

Im Dokument Der Stellenwert der Regional-Medien (Seite 22-26)

II. INTEGRATION UND MEDIEN

2. Integration durch Medien

2.2 Interkulturelle mediale Integration

Tabelle 1 fasst die wichtigsten Thesen zur Integrationsfunktion von Massenmedien zusammen. Dabei werden die in der Kommunikationswissenschaft am häufigsten vertretenen gegensätzlichen Positionen deutlich. Themen-Universum als Basis für die Bildung von öffentlicher Integration in die Kultur des Aufnahmelandes.

Tabelle 1: Unterschiedliche Thesen zur Integration durch Medien (Quelle:

Bonfadelli 2008, S. 22)

2.2 Interkulturelle mediale Integration

Geißler und Pöttker haben für die Integration ethnischer Minderheiten in die medial hergestellte Öffentlichkeit und in das Mediensystem den Begriff der medialen Integration entwickelt (2006, S. 20). Voraussetzung für die erfolgreiche mediale Integration ist die Nutzung der deutschsprachigen Medien-Angebote. Das Modell der medialen Integration baut auf das Konzept der sozialen Integration auf (vgl. Kapitel 2.1). Auch in diesem Modell gibt es zwei Pole: die mediale Segregation und die mediale Assimilation. Mediale Integration erfolgt in allen Bereichen des Mediensystems. Dabei sind drei Bereiche besonders wichtig:

Produktion: Sind Menschen mit Migrationshintergrund als Medienschaffende vorhanden?

Inhalt: Ist die Berichterstattung der Mehrheitsmedien über Migranten, Migration und Integration ausgewogen und neutral

Nutzung: Nutzen Migranten bzw. Menschen mit Migrationshintergrund die deutschsprachigen

Medienangebote?

Mediale Integration ist unter anderem nur dann wirkungsvoll, wenn die deutschsprachigen Medien auch von den ethnischen Minderheiten genutzt werden.

Interkulturelle mediale Integration

Im interkulturellen medialen Integrationsmodell sind weder Mehrheit und Minderheit gegeneinander abgeschottet (mediale Segregation12) noch ist die ethnische Minderheit absorbiert von der Aufnahmegesellschaft (mediale Assimilation13).

Einheimische und Migranten sind miteinander im Alltag verzahnt. Dieser „Bikultur-Typus“ (Hafez 2002, S. 31) nutzt Minoritäts- als auch Majoritätsmedien14. Er ist kritisch gegenüber Kultur und Medien der alten und der neuen Heimat und behält eine reflexive Position zwischen ihnen.

Was interkulturelle mediale Integration in den drei Bereichen Produktion, Inhalt und Nutzung bedeutet, wird im Folgenden erklärt:

Produktion

Diejenigen Menschen, deren Eltern oder sie selbst Migrationserfahrung gesammelt haben, arbeiten in deutschen Medienorganisationen. Sie „vertreten ethnische Gruppen mit teilweise spezifischen Problemen und Interessen“ (vgl.

Geißler/Pöttker 2006, S. 23). Der unmittelbare Zugang zur Lebenswelt einer ethnischen Minderheit erleichtert es, wichtige Themen zu identifizieren (vgl. ebd., S. 27). Auf diesem Weg ist der Austausch zwischen den Kulturen gefördert und sorgt für mehr Verständnis zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft.

Andererseits haben Journalisten mit Migrationshintergrund Vorbildcharakter. Sie gelten als Identifikationsfiguren für ein Publikum nichtdeutscher Herkunft (vgl. Aumüller 2007, S. 25).

Allmählich werden zumindest im Fernsehen Journalisten mit Migrationshintergrund zum alltäglichen Bild. Beispielhaft dafür sind die Nachrichtensprecherin des Heute-Journals, Dunya Hayali (ZDF) oder der Wissenschaftsredakteur Ranga Yogeshwar (Wissen vor 8, ARD). Solche Vorbilder mögen das Fremdheitsgefühl von Migranten mindern und die jüngere Generation anspornen, auch höhere Berufe anzustreben. Auch

12 In dieser Form der Desintegration sind die ethnischen Minderheiten weder in der Produktion tätig noch nutzen sie das deutschsprachige Medien-Angebot. Die Medienberichterstattung stellt sie oft als fremde, nicht zugehörende Personen dar. Migranten werden in der medialen Segregation eher als Problemfall behandelt.

13 Im Gegensatz zur medialen Segregation sind Migranten im Modell der medialen Assimilation institutionell verankert und in den Medien angemessen repräsentiert zum Beispiel als Moderator, Journalist oder Manager (Produktion).

14 Auch Ethnomedien existieren in diesem Modell. Sie werden meist von den Migranten selbst oder unter deren Mitarbeit produziert (mehr dazu unter Inhalt).

könnte so die Akzeptanz der öffentlich-rechtlichen Sender bei den Zuwanderern gesteigert werden.

Inhalte

Die Medienberichterstattung trägt einen erheblichen Teil zur Akzeptanz und Integration von Migranten bei. Daher müssen die Medien „aktive Akzeptanz“ schaffen, indem sie eine ausgewogene Berichterstattung betreiben (vgl. Geißler 2005b, S.

65). Denn negativer wie auch unausgewogener Journalismus in diesem Bereich kann segregativ wirken. Wenn zum Beispiel ethnische Minderheiten nur in Verbindung mit Problemen dargestellt werden, entstehen negative Images und Stereotype in der Mehrheitsgesellschaft (vgl. Piga 2007, S. 209)15. Deshalb ist darauf zu achten, Themen aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Weder das Bild von der ethnischen Minderheit noch das Bild der Mehrheitsgesellschaft darf verzerrt dargestellt werden.

Aber auch Ethnomedien gehören zu dem interkulturell-integrativen Modell. Sie ergänzen das Medienangebot vor allem für die gut integrierten Migranten. Meist werden hier Themen aufgegriffen, die in den Mehrheitsmedien keinen Platz finden.

Denn die deutschen Medien sind der Vielzahl ethnischer Gruppen nicht mehr gewachsen. Es ist nicht mehr möglich alle Bedürfnisse und Interessen nur durch deutschsprachige Medien abzudecken (vgl. Geißler/Pöttker 2006, S. 24). Deshalb kann man Ethnomedien auch als Special-Interest-Medien ansehen, die ähnliche Funktionen bieten wie etwa Frauenzeitschriften oder spezielle Senderformate für Jugendliche.

Nutzung

Über die aktuellen Vorgänge, die sich in einer Aufnahmegesellschaft ereignen, berichten die jeweiligen Mehrheitsmedien. Nutzen Migranten die Medien des Aufnahmelands, nehmen sie die Informationen in gleichen Maßen auf wie die Mehrheitsgesellschaft. Geißler und Pöttker beschreiben diesen Prozess wie folgt:

„Ohne Kenntnisse über die aktuellen Vorgänge in der Aufnahmegesellschaft und über deren Hintergründe ist eine sozialstrukturelle Integration – die angemessene Wahrnehmung von Teilnahmechancen in der Politik, auf dem Arbeitsmarkt, im

15 In Deutschland schreiben Grundgesetz als auch Pressekodex vor, dass niemand aufgrund seiner Abstammung, Sprache, Herkunft, Glaubens usw.

diskriminiert werden darf. Weiter heißt es im Pressekodex, dass die journalistische Berichterstattung über eine Straftat nicht „die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten“ erwähnen sollte. Es sei denn, es besteht „für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug“ (Deutscher Presserat 2001). Werte und Normen geben die Art und Weise vor, wie man mit sensiblen Themen umgeht. Halten sich die Medien in diese Grundsätze, können Vorurteile gemindert und ein Zusammenleben zwischen Einheimischen und Migranten indirekt positiv beeinflusst werden.

Bildungssystem und in den wichtigen Institutionen (…) – nicht möglich.“

(Geißler/Pöttker 2006, S. 25).

Vor allem der Informationssektor gilt in diesem Zusammenhang als integrationsfördernd. Aber auch Unterhaltungsangebote tragen ihren Teil zur Integration bei. So begünstigt eine ähnliche Mediennutzung gemeinsame Gesprächsthemen zwischen Eingewanderten und Einheimischen (vgl. Bonfadelli 2008, S.

21). Sieht beispielsweise ein Jugendlicher mit Migrationshintergrund dieselbe US-amerikanische Serie im Fernsehen wie sein Mitschüler, ist eine gemeinsame Basis geschaffen. Gerade eine international verbreitete „Superkultur“

(Bonfadelli 2008, S. 21) dargestellt durch MTV oder Serien wie Sex and the City oder O.C. California vermittelt Werte und Normen, aber auch Lebensstile einer global geprägten Kultur (vgl. ebd., S. 21).

Kerngedanken

Integrationsfunktion

Die Diskussion um die Integrationsleistung der Massenmedien und ihre empirische Überprüfung haben gezeigt, dass Massenmedien tatsächlich wichtige Aufgaben erfüllen können. In erster Linie ermöglichen sie eine gemeinsame Themen-Agenda was einerseits gemeinsame Gesprächsthemen mit den Mitmenschen zur Folge hat. Andererseits ermöglichen sie dadurch eine gemeinsame Öffentlichkeit. Mit den vermittelten Themen und der Art und Weise, wie man diese präsentiert, wird ein einheitliches Bild der Realität konstruiert. Daran kann sich der Rezipient orientieren, genauso wie an den Normen und Werten, die darüber transportiert werden.

Gerade für Menschen, die in einem Land (noch) nicht zu Hause sind, übernehmen sie wichtige Funktionen: So stellen sie eine wichtige Informationsquelle über das Aufnahmeland und dessen Einwohner dar. Zeitung, Radio, Fernsehen und Internet vermitteln nicht nur gemeinsames Wissen sondern auch soziale Normen und bieten dadurch auch Zuwanderern die Möglichkeit am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (vgl. Piga 2007, S.

209).

Das Modell der interkulturellen medialen Integration hat gezeigt, dass zwar die Nutzung der Mehrheitsmedien ein wichtiger Schritt zur Integration in eine Gesellschaft ist. Dabei soll und darf aber der ethno-kulturelle Hintergrund nicht verdrängt werden. Sogenannte Ethnomedien erweitern das mediale Angebot und versorgen die Menschen mit den Informationen, die in den Mehrheitsmedien keinen Platz finden.

Das Modell führt uns auch vor Augen, dass an dem Prozess der Integration auch die Mehrheitsgesellschaft beteiligt ist. Dabei geht es darum, Menschen mit Migrationshintergrund in der Medienproduktion zu beschäftigen und einen

mehrperspektivischen Journalismus zu betreiben.

Ziel dieser Arbeit ist es, die Rolle der Regional-Medien im Zusammenhang mit ihrer Integrationsleistung zu untersuchen.

Zielgruppe sind junge Erwachsene mit türkischen Wurzeln und Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. Dabei ist zunächst der Stellenwert der regionalen und lokalen Medien bei den beiden Gruppen wichtig. Werden die Regional-Medien überhaupt von dieser Altersgruppe (20-29jährige) genutzt? Und wenn ja, helfen sie dabei, sich in ihrer Umgebung zu orientieren?

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, werden im nächsten Kapitel die Regional-Medien thematisiert. Welche Funktionen nehmen sie ein und was bietet der Markt im regionalen Raum?

Darüber gibt das nächste Kapitel Aufschluss.

Im Dokument Der Stellenwert der Regional-Medien (Seite 22-26)