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Bedürfnisse und Motive der Mediennutzung

Im Dokument Der Stellenwert der Regional-Medien (Seite 39-43)

II. INTEGRATION UND MEDIEN

2. Integration durch Medien

3.1 Bedürfnisse und Motive der Mediennutzung

Zunächst werden die Gründe für Mediennutzung betrachtet, genauer die Bedürfnisse und Motive eines Menschen. Der Uses-and-Gratifications-Ansatz gibt dabei Anhaltspunkte, warum die Befragten überhaupt Regional-Medien nutzen sollten.

Anschließend werde ich den Zusammenhang zwischen Integration und Mediennutzung erläutern.

Kapitel 3 schließt mit den Trends in der Mediennutzung der türkischen Bevölkerung. Eine Skizze des Forschungsstands wird ebenfalls als Grundlage vorliegender Untersuchung hinzugezogen.

Mediennutzung gehört zum Gebiet der Publikumsforschung behandelt und ist ein nicht sehr theoriefundiertes Forschungsgebiet. Es gibt lediglich Ansätze und Befunde, die die Mediennutzung von Menschen erklären können (vgl. Fischer-Wilhelm 2008, S. 39). Deshalb stelle ich nur die Ansätze vor, die zum Verständnis für meine Untersuchung wichtig sind und die mir als Grundlage für die Erstellung des Interview-Leitfadens dienen.

Die Nutzung von Medien wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Dabei greifen verschiedene Ansätze unterschiedliche Aspekte der Mediennutzung auf und versuchen sie zu erklären (vgl. Fischer-Wilhelm 2008, S. 39). In vorliegender Arbeit werden der Uses-and-Gratifications-Ansatz und das Lebensstil-Konzept als theoretische Grundlage hinzugezogen. Beide Ansätze stellen das Individuum in den Mittelpunkt und greifen Aspekte auf, die für die Mediennutzung von Migranten sehr wichtig sind.

3.1 Bedürfnisse und Motive der Mediennutzung

Der Uses-and-Gratifications-Ansatz (U+G-Ansatz) stellt den Menschen in den Mittelpunkt und fragt danach, was der Mensch mit den Medien macht (vgl. Katz/Foulkes 1962, S. 378). In diesem Ansatz wird der Mensch als aktiver Rezipient gesehen, der seine Bedürfnisse mit dem entsprechenden medialen Programm stillen möchte (ebd., S. 375).

Mediennutzung kann also über unsere Bedürfnisse und Motive erklärt werden (Meyen 2001, S. 16). Wie diese miteinander zusammenhängen, erkläre ich im Folgenden.

Bedürfnisse

Der U+G-Ansatz geht davon aus, dass Menschen Medien nutzen, um bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen35 (vgl. Schweiger 2007, S. 61). Der Ansatz setzt einen aktiven Rezipienten voraus, der sich über seine Bedürfnisse im Klaren ist (vgl. Schweiger

35 Diese Bedürfnisse sind auf unsere Biologie, unser soziales Leben und auf unsere Psyche zurückzuführen. In der Bedürfnisforschung werden Bedürfnisse oft unterschieden in grundlegende, dem Überleben dienende Bedürfnisse und den höheren, kulturell geprägten Bedürfnissen. Meist werden die Bedürfnis-Kataloge hierarchisch angeordnet (vgl. Wilhlem-Fischer 2008, S. 23).

2007, S. 70). Wir nehmen also unsere Bedürfnisse bewusst wahr und handeln rational, nutzen die Medien aktiv und erwarten einen Nutzen aus unserem Handeln.

Erich Fromm hat ein Bedürfniskonzept erstellt, indem er verschiedene Bedürfnisse aufzählt, die für den Einzelnen lebensnotwendig sind (vgl. Fischer-Wilhelm 2008, S. 25f). Diese können gleichzeitig Beweggründe sein, Massenmedien zu nutzen: Wunsch zu einer Gruppe zu gehören. Durch die Nutzung

Der Mensch hat das Bedürfnis sich in der Welt zu

orientieren. Er will sein Handeln legitimieren, indem er sich an einem Bezugsystem (der Gesellschaft) orientiert.

Tabelle 4: Menschliche Bedürfnisse nach Erich Fromm (Quelle: Fischer-Wilhelm 2008, S. 25f)

Motive

Aus diesen Bedürfnissen entstehen Motive, die letztendlich den Einzelnen zu einer Handlung bewegen (vgl. Ottenschläger 2004, S. 60). Philip Palmgreen versteht unter einem Motiv eine gesuchte Gratifikation, eine Belohnung37. Die Begriffe Bedürfnisse und Mediennutzungsmotive lassen sich nur schwer voneinander abgrenzen. Eine klare Trennung zwischen ihnen macht gerade in der Praxis keinen Sinn38 (vgl. Schweiger 2007, S. 75).

36 Fischer-Wilhelm spricht hier gezielt von der Integrationsfunktion der Massenmedien (vgl. Wilhlem-Fischer 2008, S. 25).

37 Gratifikationen sind die durch die Mediennutzung erhaltenen Bedürfnisbefriedigungen.

38 In der Literatur werden die Begriffe „Gratifikation“ und „Nutzen“ synonym verwendet genauso wie die Begriffe „Motiv“, „Motivation“, „Bedürfnis“ (vgl.

Schweiger 2007, S. 75). Daher werden auch in dieser Arbeit keine Unterschiede zwischen den Begriffen gezogen.

Abbildung 3 stellt den Zusammenhang zwischen Erwartungen und Bewertungen sowie den Motiven (den gesuchten Gratifikationen), der Mediennutzung und den Belohnungen dar.

Abbildung 3: Nutzen-und-Belohnen-Ansatz nach Palmgreen 1984 (Quelle:

Fischer-Wilhelm 2008, S. 35)

Ausgehend von den unterschiedlichen Bedürfnissen, die ein Mensch hat und die er durch Mediennutzung zu stillen versucht, wurden Motivkataloge entworfen. Am häufigsten in der Literatur ist das Konzept von Denis McQuail genannt (1983, S. 82f).

Danach gibt es vier Kategorien von Bedürfnissen:

Unterhaltungsbedürfnis (1)

Tabelle 5: Funktionen der Massenmedien (Quelle: Meyen 2001, S. 16)

Im Vergleich zu Fromms Bedürfnis-Konzept hat McQuail lediglich das Bedürfnis nach Unterhaltung ergänzt.

Nach dem Motivkatalog von McQuail gilt es, vier Kategorien von Bedürfnissen zu stillen: Das Bedürfnis nach Unterhaltung

Vorstellungen /

verleitet den Menschen dazu, sich vom Alltag abzulenken und sich zu entspannen (1). Das Informationsbedürfnis veranlasst den Menschen, sich in der Welt zurecht zu finden oder um Rat zu suchen (2). Das Bedürfnis nach Identität wird durch die Suche nach Verhaltensmodellen gestillt (3). Und schließlich hat der Mensch ein Bedürfnis nach Integration und sozialer Interaktion (4). Als Voraussetzung dafür, muss er sich einer Gruppe oder Gemeinschaft zugehörig fühlen. Dabei hilft es, eine gemeinsame Gesprächsgrundlage mit seinen Mitmenschen zu finden oder sich in die Lebensumstände anderer versetzen zu können39.

Durch unsere Bedürfnisse und Erwartungen entwickeln wir spezifische Handlungsmuster (vgl. Mehling 2001, S. 114). Denn war eine Verhaltensweise in einer bestimmten Situation erfolgreich, führt das zum Aufbau eines Motivs – man will die erfolgreiche Erfahrung wieder erleben (vgl. Straub 1997, S. 300).

Bezogen auf die Medien entwickeln wir schlussfolgernd auch Nutzungsmuster40. Hat die Rosamunde-Pilcher-Schmonzette am Sonntag-Abend für die nötige Entspannung gesorgt, so wird man sich eine Woche später wahrscheinlich eine weitere Folge anschauen (falls die Familie, Partner, Mitbewohner etc. es zulassen).

Medien können eine ganze Menge an Bedürfnissen befriedigen, wobei ein Angebot für vielerlei Bedürfnisse angewendet werden kann (vgl. Katz/Gurevitch/Haas, S. 169ff). Dabei kann ein Inhalt verschiedene Funktionen für die Individuen erfüllen.

Kritik am U+G-Ansatz

Starke Kritik wird am Ansatz geübt, da die Mediennutzung nicht immer rational durchdacht ist. Meist geschieht sie gerade in Alltagssituationen oft aus Gewohnheit. Die Motive können bewusst aber auch unterbewusster Natur sein. Wir können meist selbst keine Auskunft darüber geben, ob wir ein Bedürfnis spüren und wie stark es ist (vgl. Straub 1997, S. 299). Man kann sich vor allem selbst über seine eigenen Motive täuschen (vgl. Zillmann 1994 S. 42). So kann man wahrscheinlich nicht genau sagen, warum man sich den Tatort an einem Sonntagabend anschaut. Ist es wegen der Spannung oder Entspannung? Oder treffen beide Motive zu?

Motive einer bestimmten Handlung abzufragen, gestaltet sich deshalb meist sehr schwierig. Eine Zusammenfassung der Kritik am U+G-Ansatz befindet sich im Anhang (vgl. Tabelle 6).

Dennoch bietet dieser Ansatz genug Anknüpfungspunkte, um die Mediennutzung eines Menschen zu hinterfragen. Es sei nämlich sinnvoller, dieses Modell heranzuziehen, bevor man einen Sack voll verschiedener, nicht zusammenhängender Nutzer-Theorien

39 Die Bedürfnisse und Motive, die McQuail in seinem Katalog aufführt, sind gleichzeitig Medienfunktionen (vgl. Rosengren 1996, S. 18).

40 Sind die erhaltenen Gratifikationen (Belohnung) sogar größer als die ursprünglich gesuchten, ist von einer hohen Rezipientenzufriedenheit auszugehen und vice versa (vgl. Huber 2006, S. 17).

auf eine Untersuchung anwendet (Wilhelm-Fischer 2008, S. 47).

Rosengren und Windahl gehen übrigens in ihren Arbeiten von einem allgemeinen Bedürfnis nach sozialer Interaktion aus und machen deutlich, dass es nicht Aufgabe des U+G-Ansatzes ist, menschliche Bedürfnis-Strukturen zu erklären (vgl.

Rosengren/Windahl 1972, S. 168).

Der U+G-Ansatz macht deutlich, dass der Mensch unterschiedliche Bedürfnisse hat, die durch die Medien gestillt werden können. Diese Bedürfnisse umfassen das Verlangen nach Zugehörigkeit, Orientierung und sozialer Interaktion – eben all das, was eine gelungene Integration möglich macht.

Mediennutzung wird aber auch von äußeren Faktoren beeinflusst.

Gerade das gesellschaftliche Umfeld vernachlässigt der U+G-Ansatz (vgl. Kritik). Das Lebensstil-Konzept von Karl-Erik Rosengren versucht diese Merkmale zu berücksichtigen.

Faktoren wie Alter, Geschlecht, Bildung, Stellung im Beruf, Industrialisierung und Urbanisierung wirken sich ebenso auf den Medienkonsum eines Menschen aus wie Arbeitsbedingungen, Zeitbudget und Einkommen. Da das Lebensstil-Konzept keine wichtigen Anhaltspunkte liefert, um die Forschungsfragen vorliegender Arbeit beantworten zu können, wird es an dieser Stelle ausgespart.

Ein erweitertes Modell der Mediennutzung von Migranten illustriert sehr anschaulich den Zusammenhang zwischen sozio-strukturellen Merkmalen wie z.B. der Sprachkompetenz oder der Lebenssituation und dem Integrationsstatus:

Abbildung 4: Theoretisches Modell zur Erklärung der Mediennutzung von Migranten (vgl. Weiß/Trebbe 2001, S. 5)

3.2 Zusammenhang zwischen Mediennutzung und

Im Dokument Der Stellenwert der Regional-Medien (Seite 39-43)