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Interdependenzen und Anreize

4 Die Anwendung der Principal-Agent-Theorie auf das

4.3. l Informationsbeziehungen und Anreize

4.3.3 Interdependenzen und Anreize

Die Existenz ergänzender Sachwalter schränkt die Darstellung der Arzt-Patient-Beziehung in einem Zwei-Personen-Modell stark ein. Um die Wirkungsweise der einzelnen Beziehungen abbilden zu können, muß der bisherige Ansatz er-weitert werden. Einen möglichen Ausgangspunkt stellen die drei grundlegenden Beziehungen zwischen Arzt, Patient und Versicherung dar, die das Ergebnis des medizinischen Leistungserstellungsprozesses sowie dessen Finanzierung de-terminieren (siehe hierzu Abbildung 4.7).

In der Beziehung zwischen Patient und Arzt entscheidet der Patient über den Erstkontakt, das heißt über die Frage, ob er einen Arzt aufsuchen soll. Hier

Die Anwendung der Principal-Agent-Theorie auf das Gesundheitswesen 65 spielen vor allem zwei Faktoren eine entscheidende Rolle, der Gesundheitszu-stand und die Kosten eines Arztbesuchs. Zu letzteren zählen die Höhe der Be-handlungskosten, die der Patient selbst zu tragen hat, die Zeit- und Wegekosten sowie die Opportunitätskosten, die durch andere Tätigkeiten entstehen. Je schlechter der Gesundheitszustand, desto dringlicher ist die Entscheidung über den Erstkontakt und desto eher findet ein Erstkontakt statt. Der Arzt trifft die Entscheidung über die Frequenz eines Arztbesuches, d.h. über die Häufigkeit und Intensität einer Behandlung.61 Er stellt die Diagnose und empfiehlt bzw.

verordnet eine Therapie, die u. U auch mit Hilfe des Patienten aus mehreren Vorschlägen ausgewählt wird. Bei der Festlegung der medizinischen Leistung entscheidet der Arzt nach einem Kosten-Nutzen-Kalkül, in das Entloh-nungsaspekte, der entstehende Aufwand und sein Berufsethos einfließen. 62 Die ethische Komponente unterstellt, daß der Arzt an einem hohen Gesundheitszu-stand des Patienten interessiert ist und keine gesundheitsschädigenden Leistun-gen erbringt. Einen ähnlichen Effekt besitzt ein Reputationsmechanismus, der den Arzt anhält, gute Leistungen zu erbringen, damit der Patient ihn im Krank-heitsfall erneut aufsucht und nicht zu einem Kollegen wechselt.

Der Erfolg einer Behandlung hängt jedoch nicht alleine von der ausgewählten medizinischen Leistung und der Intensität der Behandlung ab. Es bestehen auch Effekte, die sowohl der Arzt als auch der Patient nicht beeinflussen können -hierunter fallen insbesondere Umweltzustände und die Selbstheilungskräfte des Patienten. Zum Erfolg einer Behandlung trägt zusätzlich auch das Verhalten des Patienten bei. Dazu gehört beispielsweise das Einhalten von Dosierungsvor-schriften für Medikamente oder die Befolgung der ärztlichen Anweisungen. 63 Die Beziehung zwischen Arzt und Patient determiniert somit die medizinische Leistung, die Intensität der Behandlung, die Höhe der Behandlungsausgaben und letztlich auch den Gesundheitszustand des Patienten. Die Beziehung zwi-schen der Versicherung bzw. Krankenkasse und dem Patienten bestimmt das Versicherungsverhältnis. Hier greift der Staat durch zahlreiche Vorschriften in diese Beziehung ein. Grundsätzlich wird über die Höhe der Prämien- bzw. Bei-tragszahlungen und über die Auszahlung im Schadensfall, d.h. Kostenerstattung oder Sachleistung, entschieden. Hinzu kommen eventuelle Selbstbeteiligungen

61 Zu einer Untersuchung über den Entscheidungsprozeß bei der Nachfrage nach medizini-schen Leistungen siehe Pohlmeier und Ulrich (1995).

62 Siehe hierzu bspw. die Arbeit von Zweifel (1982) oder den Beitrag von McCullough p988).

3 Verhält sich der Patient nicht entsprechend der ärztlichen Anordnungen oder führt sein Verhalten zu einer Verzögerung des Heilungserfolges, entspricht dies dem Fall des ex post Moral Hazard (vgl. Breyer und Zweifel 1999, S. 186 und Pauly 1974, S. 48).

und Selbstbehalte. Diese Regelungen beeinflussen die Kosten für den Patienten, die entweder ständig oder nur im Krankheitsfall auf ihn zukommen. Ebenfalls werden die Entscheidung des Patienten über den Erstkontakt und die möglichen Alternativen eines Arztbesuches, die beispielsweise die Selbstmedikation betref-fen, beeinflußt. Es bleibt also festzuhalten, daß die Versicherungsbedingungen die Inanspruchnahme der medizinischen Leistungen durch den Patienten und die Finanzierung bestimmen, darüber hinaus aber auch das Risikoverhalten und die Vorsorge des Patienten beeinflussen (ex ante Moral Hazard).

Abbildung 4.7: Ein dreiteiliges Modell des Gesundheitsprozesses

Honorierung j

~

' - - - ' ~

medizinische Behandlung

<D

t

Leistungs-erstellungsprozeß und Finanzierung

~ Rückkopplungseffekte

Versicherungs-bedingungen

Ärzte und Versicherung handeln den Leistungskatalog aus und setzten staatlich festgelegte Vergütungsformen der ärztlichen Leistungen um bzw. regeln die Honorierung der erbrachten Leistungen. Der Gesetzgeber hat in dieser Bezie-hung eine Vielzahl von Regulierungen erlassen. So schreibt er bspw. in der

ge-Die Anwendung der Principal-Agent-Theorie auf das Gesundheitswesen 67 setzlichen Krankenversicherung die abrechungsfähigen Leistungen vor und da-mit auch den Anteil, den der Patient direkt zu übernehmen hat. Soda-mit legt er fest, in welche Bereichen des Gesundheitswesens die Ausgaben durch Budgets gedeckelt sind. Bei den Verhandlungen muß die Versicherung aufgrund ihrer Erfahrungswerte die Aufwendungen der Ärzte und die daraus resultierenden Ausgaben abschätzen. Die Art der Vergütung beeinflußt auch das Verhalten des Arztes in bezug auf den Umfang der medizinischen Leistungen. So besteht der bereits beschriebene Anreiz, bei einer Einzelleistungsvergütung die Menge aus-zuweiten, während durch eine Fallpauschale die Anzahl der behandelten Pa-tienten steigt. Bei einer Kostenbeteiligung des Arztes besitzt er dagegen kaum einen Anreiz, unnötige medizinische Leistungen zu erbringen. Der Honorie-rungsform kommen daher mittelbar Auswirkungen auf die Behandlung des Pa-tienten zu. Die daraus resultierenden Behandlungsausgaben determinieren weiterhin auch die Höhe der zukünftigen Prämien und Beiträge.

Es zeigt sich also, daß zwischen den Akteuren des Gesundheitswesens und ihren vertraglichen Beziehungen Interdependenzen bestehen, die bei der formalen Ausgestaltung eines Principal-Agent-Modells mit einbezogen werden müssen.

In einem erweiterten Ansatz sind daher sowohl (1) Aspekte der medizinischen Behandlung, (2) die Versicherungsbedingungen und (3) die Honorierung der erbrachten Leistung zu berücksichtigen. Werden einzelne Bereiche vernachläs-sigt, kann die Beziehung zwischen Arzt, Patient und Versicherung nicht mehr als Ganzes analysiert werden.