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Integrierter Ansatz im deutschen Lauterkeitsrecht

D. Umsetzung der UGP- Richtlinie: „B2C“ und „B2B“ im nationalen

I. Integrierter Ansatz im deutschen Lauterkeitsrecht

Bereits von Anfang an war die UGP-Richtlinie allein auf „B2C“-Verhältnisse beschränkt.132 Trotz der Kritik der österreichischen und deutschen Regierung an einer solchen Beschränkung auf „B2C“-Verhältnisse, fand keine Einbeziehung von „B2B“-Verhältnissen in den Anwendungsbereich der Richtlinie statt.133 Die UGP-Richtlinie gestattet den Mitgliedstaaten jedoch in EGr. 6 S. 3, unlautere Geschäftspraktiken außerhalb ihres Anwendungsbereichs im Rahmen des allgemeinen Europarechts weiterhin zu regeln.134 Dabei steht es den Mitgliedstaaten frei, den „B2B“-Bereich und den „B2C“-Bereich in einem einheitlichen Gesetz durch ein und denselben Rechtsakt zu regeln.135 Ihnen wird kein bestimmter Regelungsansatz vorgeschrieben.136

Infolgedessen stellte sich für den deutschen Gesetzgeber bei der Novellierung des UWG 2008 die Frage, ob an dem bisherigen Regelungsansatz, dem so genannten integrierten Ansatz, festgehalten werden sollte.137 Unter einem solchen integrierten Ansatz ist der gemeinsame und gleichberechtigte Schutz von Mitbewerbern, Verbrauchern und der Allgemeinheit vor unlauterem Wettbewerb in einem einheitlichen Gesetz zu verstehen.138 Alternativ hätte die Möglichkeit bestanden, die Unterscheidung zwischen Verbrauchern und Mitbewerbern auch mit unterschiedlichen Gesetzen im deutschen Recht abzubilden.139 Der Gesetzgeber entschied sich jedoch gegen die Schaffung eines „Sonder-UWG“ für Verbraucher und somit für die Beibehaltung des integrierten Ansatzes.140 Es erfolgte also gerade keine, wie von der Richtlinie vorgenommene, Trennung des „B2C“-Bereichs und des „B2B“- Bereichs.141 Die Vorschriften des Mitbewerberschutzes und des Verbraucherschutzes wurden in einem

129 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238, 241.

130 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238, 241.

131 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238, 241.

132 MüKo-UWG/Sosnitza, § 1 Rn. 19.

133 MüKo-UWG/Sosnitza, § 1 Rn. 19.

134 Glöckner, WRP 2009, 1175, 1177.

135 Harte/Henning/Keller, Einl. A Rn. 55.

136 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238.

137 BT-Drucks. 16/10145, S. 11.

138 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238, 238 f.

139 Timm-Wagner, GRUR 2013, 245.

140 Timm-Wagner, GRUR 2013, 245.

141 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238, 239.

einheitlichen Gesetz zusammengefasst.142 Die Entscheidung für den integrierten Regelungsansatz wird dabei darauf gestützt, dass in unlauterem Verhalten im Regelfall eine gleichermaßen schädigende Wirkung für Verbraucher und Mitbewerber zu sehen sei.143 Darüber hinaus sei das Verhalten von Unternehmen am Markt unteilbar und diesem Umstand trage der integrierte Ansatz Rechnung.144

Diese Überlegungen sind durchaus überzeugend. Verbraucher- und Mitbewerberinteressen sind wesensmäßig miteinander verknüpft.145 Daher lassen sie sich auch nicht klar voneinander trennen, sondern bedingen sich oft gegenseitig.146 So hat Wettbewerbsverhalten gegenüber einem Nicht-Verbraucher Auswirkungen auf den Wettbewerb und damit letztlich auf den Verbraucher.147 Ebenso kann in entgegengesetzter Richtung Wettbewerbsverhalten gegenüber Verbrauchern die Wettbewerber schädigen.148 Durch irreführende Werbung wird vorwiegend der Verbraucher geschädigt; dem wahrheitsgemäß werbenden Mitbewerber werden jedoch Kunden entzogen.149 Wird ein Mitbewerber irreführend angeschwärzt, so wird nicht nur er hierdurch geschädigt, auch der fehlinformierte Verbraucher wird in seiner Entscheidungsgrundlage beeinträchtigt.150 Daher lässt sich Lauterkeitsrecht nicht auf einen bloßen Verbraucherschutz reduzieren.151 Die Beibehaltung eines integrierten Ansatzes im deutschen Lauterkeitsrecht kann daher zunächst überzeugen.

Auf europäischer Ebene gibt es ganz unterschiedliche Regelungsmodelle zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.152 Je nach Regelungsansatz wirkt sich dabei auch die Umsetzung der UGP-Richtlinie unterschiedlich aus.153 Aufgrund der Fokussierung auf das deutsche Recht wird hierauf jedoch nicht eingegangen. Dargestellt werden im Folgenden ausschließlich die Auswirkungen der Umsetzung der UGP-Richtlinie auf den integrierten Ansatz im deutschen Lauterkeitsrecht

II. Auswirkungen der Umsetzung der UGP-Richtlinie auf den integrierten Ansatz im deutschen Lauterkeitsrecht

Durch den Versuch, den integrierten Ansatz beizubehalten und trotzdem der UGP-Richtlinie zu genügen, ist es im deutschen Lauterkeitsrecht zu einigen Schwierigkeiten gekommen.154 Die Beschränkung des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie auf den

„B2C“-Bereich bewirkt eine Rechtsspaltung im deutschen Lauterkeitsrecht.155 Die

142 BT-Drucks. 16/10145, S. 11.

143 BT-Drucks. 16/10145, S. 11.

144 BT-Drucks. 16/10145, S. 11.

145 Gamerith, WRP 2005, 391, 413; Harte/Henning/Glöckner, Einl. B Rn. 239.

146 Haberkamm, WRP 2011, 296, 298.

147 Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht, S. 72 f.

148 Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht, S. 72 f.

149 Henning/Bodewig, FS Tilmann, S. 149, S. 157.

150 Henning/Bodewig, FS Tilmann, S. 149, S. 157.

151 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317, 1324.

152 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238, 240.

153 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238, 241.

154 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238, 241.

155 Harte/Henning/Glöckner, Einl. B Rn. 237.

Umsetzung der UGP-Richtlinie führt zu einem Mangel an Rechtsklarheit und zu einer Verkomplizierung des Regelungsansatzes.156 Das Ziel der UGP-Richtlinie, eine Vereinfachung der Vorschriften über unlautere Geschäftspraktiken herbeizuführen, wird gerade nicht erreicht.157

Dass die Umsetzung der UGP-Richtlinie in das deutsche Recht zu einer Einbuße an Verständlichkeit geführt hat, zeigt insbesondere die Verbrauchergeneralklausel des § 3 Abs. 2 UWG.158 § 3 UWG von 2004 enthielt ehemals eine einheitliche Generalklausel.159 Diese wurde jedoch mit der Reform des UWG 2008 aufgespalten.160 Der Grund dafür ist der unterschiedliche Anwendungsbereich des UWG und der UGP-Richtlinie.161 Wie bereits dargelegt, beschränkt sich der Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie auf Geschäftspraktiken von Unternehmern gegenüber Verbrauchern.

Dagegen umfasst das UWG weiterhin sowohl verbraucherbezogenes als auch mitbewerberbezogenes Verhalten. Daher enthält § 3 Abs. 1 UWG eine „allgemeine“

Generalklausel und § 3 Abs. 2 UWG eine „Verbrauchergeneralklausel“, wobei § 3 Abs. 2 UWG Art. 5 Abs. 2 UGP-RL umsetzen soll.162 Eine derartige Umsetzung der UGP-Richtlinie wirft jedoch eine grundlegende Problematik auf. Da sich beide Regelungen auf Verbraucher beziehen, ist unklar, wie sich § 3 Abs. 1 und Abs. 2 UWG zueinander verhalten.163 So wird teilweise von einer kumulativen Anwendbarkeit von

§ 3 Abs. 1 UWG und § 3 Abs. 2 S. 1 UWG ausgegangen,164 teilweise soll für den

„B2C“-Bereich ausschließlich § 3 Abs. 2 anwendbar sein165 und wiederum andere gehen von einer weitgehenden Subsidiarität von § 3 Abs. 2 UWG gegenüber § 3 Abs. 1 UWG aus.166 Dementsprechend bleibt festzuhalten, dass die Regelung in § 3 UWG zu Auslegungsproblemen führt. Die Generalklauseln in § 3 UWG sind der Verständlichkeit eher abträglich und führen zu Unklarheiten.167

Ebenso bereitet der Begriff der „geschäftlichen Handlung“ in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG Probleme. Bei der Umsetzung der UGP-Richtlinie wurde vom Gesetzgeber der Begriff der „Geschäftspraktik“ in Art. 2 lit. d UGP-RL nicht übernommen.168 Stattdessen hat der Gesetzgeber von seiner Umsetzungsfreiheit Gebrauch gemacht und den Begriff der „geschäftlichen Handlung“ eingeführt.169 Dadurch soll einerseits gewährleistet werden, dass das Verhalten von Unternehmen gegenüber Verbrauchern erfasst wird und somit der UGP-Richtlinie genüge getan wird.170 Andererseits sollen

156 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238, 243.

157 Harte/Henning/Glöckner, Einl. B Rn. 237.

158 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238, 243.

159 MüKo-UWG/Sosnitza, § 3 Rn. 3.

160 MüKo-UWG/Sosnitza, § 3 Rn. 3.

161 Köhler, WRP 2010, 1293, 1295.

162 MüKo-UWG/Sosnitza, § 3 Rn. 3.

163 Köhler, WRP 2010, 1293, 1296.

164 Ohly/Sosnitza/Sosnitza, § 3 Rn. 68.

165 Fezer, WRP 2010, 677, 683.

166 Köhler, WRP 2010, 1293, 1299 f.

167 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238, 243.

168 Harte/Henning/Keller, § 2 Rn. 9.

169 Harte/Henning/Keller, § 2 Rn. 9.

170 BT-Drucks. 16/10145, S. 21.

dadurch aber auch Verhaltensweisen zwischen Unternehmen erfasst werden.171 In der Definition in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG kommt damit auch weiterhin der umfassende Schutzzweck des UWG zum Ausdruck.172 Dies führt zu Problemen bei der Auslegung des Begriffs der „geschäftlichen Handlung“. Teilweise wird vertreten, dass aufgrund der einheitlichen Definition der „geschäftlichen Handlung“ für den gesamten Bereich des UWG die Auslegung im „B2B“-Geschäftverkehr so zu erfolgen hat, wie sie auch richtlinienkonform im „B2C“-Geschäftsverkehr erfolgt.173 Dies sei im Interesse der Rechtssicherheit und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen erforderlich.174 Dagegen wird angeführt, dass es sachwidrig sei, dem verbraucherbezogenen und dem mitbewerberbezogenen Lauterkeitsrecht ein einheitliches Begriffsverständnis der geschäftlichen Handlung zugrunde zu legen.175 Es kann also festgehalten werden, dass auch hier die Umsetzung der UGP-Richtlinie zu Auslegungsproblemen und damit zu Rechtsunsicherheiten führt.

III. Schwierigkeiten im integrierten Ansatz aufgrund des weiten Verständnisses vom Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie

Daneben kommt es im Hinblick auf den integrierten Ansatz zu weiteren Schwierigkeiten. Wie in Abschnitt B.II. ausgeführt, geht der EuGH von einem besonders weiten Verständnis des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie aus. Dies führt für die deutsche Lauterkeitsrechtsordnung, die Mitbewerberschutz und Verbraucherschutz in einem Gesetz vereint, zu Problemen.176 Es gibt kaum noch Vorschriften im UWG, die nicht in den Anwendungsbereich der UWG-Richtlinie fallen können.177 Zielt eine nationale Vorschrift neben dem Mitbewerberschutz gleichfalls auf den Schutz von Verbrauchern, so bleibt die UGP-Richtlinie anwendbar.178 Dies kann zu Überschneidungen zwischen der verbraucherschützenden Richtlinie und einer mitbewerberschützenden nationalen Vorschrift führen.179

Konsequenzen hat dies auch für Vorschriften im UWG, die in erster Linie wirtschaftliche Interessen von Mitbewerbern schützen, wie insbesondere § 4 Nr. 7–10 UWG.180 Obwohl es sich bei der UGP-Richtlinie um ein bloßes Verbraucherschutzgesetz handelt, stellt sich aufgrund ihres weiten Anwendungsbereichs die Frage, ob die Tatbestände des § 4 Nr. 7-10 UWG dennoch in den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie fallen.181 Denn die Tatbestände des § 4 Nr. 7-10 UWG können auch durch unmittelbare Einwirkung auf Verbraucher verwirklicht

171 BT-Drucks. 16/10145, S. 21.

172 BT-Drucks. 16/10145, S. 21.

173 MüKo-UWG/Bähr, § 2 Rn. 103; vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler, § 2 Rn. 9.

174 Köhler/Bornkamm/Köhler, § 2 Rn. 9.

175 Fezer/Fezer, § 2 Nr. 1 Rn B 30.

176 Alexander, WRP 2013, 17, 19.

177 Alexander, WRP 2013, 17, 19.

178 MüKo-UWG/Micklitz, EG D Art. 3 UGP-RL Rn. 16.

179 MüKo-UWG/Micklitz, EG D Art. 3 UGP-RL Rn. 16.

180 MüKo-UWG/Sosnitza, § 1 Rn 23.

181 Köhler, WRP 2012, 638, 644.

werden.182 Beispielsweise kann die Herabsetzung eines Mitbewerbers gegenüber Verbrauchern erfolgen.183 Nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache VTB könnte angenommen werden, dass geschäftliche Handlungen, die zwar gegenüber Verbrauchern vorgenommen werden, aber dennoch in erster Linie wirtschaftliche Interessen der Mitbewerber beeinträchtigen, in den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie fallen.184 Betrachtet man jedoch EGr. 8 S.1 UGP-RL, der bestimmt, dass die UGP-Richtlinie unmittelbar die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher schützt, so erscheint eine derartige Abgrenzung nach der Adressierung der geschäftlichen Handlung nicht sachgerecht.185 Daher muss Art. 3 Abs. 1 UGP-RL anhand des Schutzzwecks der UGP-Richtlinie ausgelegt werden.186 Dementsprechend findet die Richtlinie keine Anwendung, wenn lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern betroffen sind.187 Sie steht also der Anwendung des § 4 Nr. 7 bis 10 UWG grundsätzlich nicht entgegen, wenn durch eine geschäftliche Handlung ausschließlich die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern und nicht auch die von Verbrauchern beeinträchtigt werden.188

Handelt es sich jedoch um geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern, die sowohl die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher als auch der Mitbewerber beeinträchtigen können („sog. doppelrelevante Handlungen“), ist die UGP-Richtlinie zu berücksichtigen.189 Dabei ist allerdings zwischen der Anwendung der UGP-Richtlinie neben den mitbewerberbezogenen Tatbeständen und der Berücksichtigung der Richtlinie bei der Auslegung der mitbewerberbezogenen Tatbestände zu unterscheiden.190

Zunächst stellt sich also die Frage, ob bei doppelrelevanten Handlungen die Unlauterkeitstatbestände der Richtlinie und damit die verbraucherschützenden Tatbestände des UWG neben § 4 Nr. 7 - 8 UWG anwendbar sind.191 Da doppelrelevante Handlungen in den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie fallen192 und innerhalb des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie der nationale Gesetzgeber den Vorrang der Richtlinie nicht ausschließen kann, ist dies zu bejahen.193 Daher können neben § 4 Nr. 7 - 8 UWG auch unmittelbar dem Verbraucherschutz dienende Vorschriften angewandt werden.194 So kann beispielsweise ein Unternehmen, das einen Mitbewerber gegenüber Verbrauchern anschwärzt, sowohl § 4 Nr. 7 und 8 UWG als auch den Irreführungstatbestand des § 5 Abs. 1 UWG verwirklichen.195 Ein weiteres Beispiel

182 Harte/Henning/Glöckner, Einl. B Rn. 451 f.

183 Harte/Henning/Glöckner, Einl. B Rn. 451.

184 Harte/Henning/Glöckner, Einl. B Rn. 451 f.

185 Glöckner, WRP 2014, 1399, 1402.

186 Harte/Henning/Glöckner, Einl. B Rn. 451 f.

187 Harte/Henning/Glöckner, Einl, B Rn. 451 f.

188 BGH, Urt. v. 16.07.2009, I ZR 56/07, GRUR 2009, 1075 Rn. 15.

189 Ohly/Sosnitza/Ohly, § 4 Rn. 10/5; vgl. Köhler, WRP 2012, 638, 644.

190 Köhler, WRP 2012, 638, 644.

191 Köhler, WRP 2012, 638, 644.

192 Ohly/Sosnitza/Ohly, § 4 Rn. 10/5.

193 Köhler, WRP 2012, 638, 644 f.

194 Köhler/Bornkamm/Köhler, § 4 Rn. 10.3a.

195 Köhler, WRP 2012, 638, 645.

hierfür ist das Abwerben von Kunden durch Verleiten zum Vertragsbruch.196 Das abwerbende Unternehmen kann hier § 4 Nr. 10 UWG und gleichzeitig den verbraucherschützenden Tatbestand des § 4 Nr. 1 UWG, des § 5 UWG oder des § 3 Abs. 2 S. 1 UWG erfüllen.197

Weiter stellt sich die Frage, ob bei doppelrelevanten Handlungen bei der Auslegung von § 4 Nr. 7 bis 10 UWG die UGP-Richtlinie zu berücksichtigen ist.198 Der BGH verneint dies.199 Die Tatbestände des § 4 Nr. 7 bis 10 würden außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie liegen und demnach von dieser nicht berührt.200 Dies wird damit begründet, dass die Tatbestände in erster Linie den Schutz der Mitbewerber bezwecken und somit gerade nicht die UGP-Richtlinie umsetzen.201 Für einen solchen Ansatz spricht auch die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Euronics. Diese muss dahingehend ausgelegt werden, dass es dem nationalen Gesetzgeber überlassen bleibt, zu entscheiden, ob eine nationale Vorschrift dem Verbraucherschutz oder dem Mitbewerberschutz dient.202 Dem nationalen Gesetzgeber bleibt folglich ein gewisser Entscheidungsspielraum, inwieweit eine Norm lediglich dem Mitbewerberschutz dient und damit nicht in den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie fällt.203 Eine derartige Interpretation der Rechtsprechung lässt darauf schließen, dass die Richtlinie bei doppelrelevanten Handlungen bei der Auslegung von

§ 4 Nr. 7 - 10 UWG wohl nicht berücksichtigt werden muss, da die Regelungen in § 4 Nr. 7 - 10 UWG in erster Linie dem Schutz der Mitbewerber und nicht der Verbraucher dienen.204

Dennoch erscheint ein solcher Ansatz nicht unproblematisch. Wird die Anregung des EuGH in der Euronics-Entscheidung umgesetzt, sodass künftig bei problematischen Normen ausdrücklich durch den nationalen Gesetzgeber erklärt wird, dass die Norm etwa ausschließlich dem Mitbewerberschutz dient, so kann dies zu Problemen im integrierten Ansatz des deutschen Lauterkeitsrechts führen.205 Diesem liegt nämlich das Verständnis zugrunde, dass Mitbewerber- und Verbraucherinteressen wesensmäßig miteinander verknüpft sind.206 Demzufolge ist es innerhalb des integrierten Ansatzes schwer zu klären, welche Normen lediglich dem Mitbewerberschutz dienen. Unter Hinzuziehung des Schutzzwecks in § 1 UWG - der Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer schützt - muss wohl anerkannt werden, dass selbst die

196 Ohly/Sosnitza/Ohly, § 4 Rn. 10/5.

197 Köhler, WRP 2012, 638, 645;

198 Köhler, WRP 2012, 638, 645.

199 BGH, Urt. v. 28.05.2009, I ZR 124/06, GRUR 2010, 80 Rn. 17; BGH, Urt. v. 16.07.2009, I ZR 56/07, GRUR 2009, 1075 Rn. 15; BGH, Urt. v. 19.05.2011, I ZR 147/09, GRUR 2012, 74 Rn. 24.

200 BGH, Urt. v. 28.05.2009, I ZR 124/06, GRUR 2010, 80 Rn. 17; BGH, Urt. v. 16.07.2009, I ZR 56/07, GRUR 2009, 1075 Rn. 15; BGH, Urt. v. 19.05.2011, I ZR 147/09, GRUR 2012, 74 Rn. 24.

201 BGH, Urt. v. 28.05.2009, I ZR 124/06, GRUR 2010, 80 Rn. 17; BGH, Urt. v. 16.07.2009, I ZR 56/07, GRUR 2009, 1075 Rn. 15; BGH, Urt. v. 19.05.2011, I ZR 147/09, GRUR 2012, 74 Rn. 24.

202 Köhler, WRP 2014, 1410, 1415.

203 Köhler, WRP 2014, 1410, 1415.

204 BGH, Urt. v. 28.05.2009, I ZR 124/06, GRUR 2010, 80 Rn. 17; BGH, Urt. v. 16.07.2009, I ZR 56/07, GRUR 2009, 1075 Rn. 15; BGH, Urt. v. 19.05.2011, I ZR 147/09, GRUR 2012, 74 Rn. 24.

205 Glöckner, WRP 2014 1399, 1402.

206 Siehe Abschnitt D.I.

Tatbestände des § 4 Nr. 7 – 10 UWG zumindest untergeordnet auch dem Schutz der Verbraucher dienen. Unter diesem Aspekt könnte jedoch wiederum darauf geschlossen werden, dass die UGP-Richtlinie auch bei der Auslegung der Tatbestände des § 4 Nr. 7 - 10 UWG hinzuzuziehen wäre. Dies erscheint allerdings aufgrund des vorwiegenden Zwecks der Tatbestände des § 4 Nr. 7 - 10 UWG, dem Schutz der Mitbewerber, nicht sachgemäß. Eine Abgrenzung des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie anhand des Schutzzwecks der mitgliedstaatlichen Vorschrift stellt sich demnach innerhalb des integrierten Ansatzes als nicht geeignet dar.207

Insgesamt bleibt daher festzuhalten, dass das weite Verständnis des EuGH vom Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie im integrierten Ansatz des deutschen Lauterkeitsrechts zu Auslegungsproblemen führt. Durch den einheitlichen Schutz von Mitbewerberinteressen und Verbraucherinteressen ist nicht klar, inwiefern die UGP-Richtlinie auch die mitbewerberschützenden Vorschriften berührt. Weder die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie anhand des Schutzzwecks der mitgliedstaatlichen Vorschrift, noch die Abgrenzung nach der Adressierung der geschäftlichen Handlung ist geeignet, den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie sachgerecht zu bestimmen.208 Vielmehr hat eine Abgrenzung in Abstimmung auf den Schutzzweck der UGP-Richtlinie zu erfolgen, also danach, ob durch die geschäftliche Handlung unmittelbar wirtschaftliche Verbraucherinteressen gefährdet werden.209

IV. Kritische Würdigung der Vereinbarkeit des integrierten Ansatzes mit der UGP-Richtlinie

Durch die von der UGP-Richtlinie bezweckte Rechtsangleichung soll die Rechtssicherheit für Verbraucher und für Unternehmer erhöht werden.210 Unternehmer sollen Gewissheit darüber haben, was sie im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu beachten haben211, wohingegen Verbraucher wissen sollen, was sie von Unternehmen erwarten dürfen.212 Fraglich ist, ob dies durch die Umsetzung der UGP-Richtlinie in das deutsche Recht gewährleistet wird. Dies scheint aufgrund der dargelegten Probleme durchaus zweifelhaft. Durch den Versuch einer richtlinienkonformen Gesetzgebung und zugleich der Bewahrung des integrierten Ansatzes kommt es im deutschen Lauterkeitsrechts zu Auslegungsproblemen und damit zu erheblichen Unklarheiten.

Hierbei kommt es insbesondere bei den Generalklauseln der UGP-Richtlinie und des UWG zu Divergenzen. So enthält das UWG eine allgemeine Generalklausel und eine zweite Generalklausel für an Verbraucher gerichtetes Wettbewerbsverhalten.213 Dies führt zu nicht unerheblichen Auslegungsproblemen.214 Dementsprechend sah auch

207 Glöckner, WRP 2014, 1399, 1402.

208 Glöckner, WRP 2014, 1399, 1402.

209 Glöckner, WRP 2014, 1399, 1402.

210 EGr. 12 S. 1; vgl. Köhler, GRUR 2012, 1073.

211 Köhler, GRUR 2012, 1073.

212 Köhler, GRUR 2012, 1073.

213 Harte/Henning/Glöckner, Einl. B Rn. 334.

214 Siehe Abschnitt D.III.

die Kommission die Umsetzung des Art. 5 UGP-RL in § 3 UWG als unzureichend an.215 Daher stellt sich die Frage, ob hier eine wortgetreue Übernahme der Generalklausel der UGP-Richtlinie zu erfolgen hat.216 Dies scheint zumindest die Europäische Kommission zu befürworten.217 Dann ist allerdings fraglich, ob bei einer derartigen Umsetzung der UGP-Richtlinie der integrierte Ansatz im deutschen Lauterkeitsrecht weiterhin beibehalten werden kann oder ob die Art und Weise, wie die UGP-Richtlinie umgesetzt werden soll, eine Trennung von Mitbewerberschutz und Verbraucherschutz erforderlich macht.218 Denn eine zu enge Anlehnung an die UGP-Richtlinie könnte dazu führen, dass sich das UWG zu einem reinen Verbraucherschutzgesetz entwickelt.219

Trotz dieser Bedenken hat sich im deutschen Lauterkeitsrecht das System eines gemeinsamen Schutzes von Mitbewerbern und Verbrauchern bewährt. Es trägt dem Umstand Rechnung, dass Mitbewerber- und Verbraucherinteressen wesensmäßig verknüpft sind und das Verhalten von Unternehmern am Markt unteilbar ist.220 Insofern sollte von der Möglichkeit, den Schutz der Mitbewerber und den Schutz der Verbraucher gemeinsam zu regeln, Gebrauch gemacht werden und am integrierten Ansatz festgehalten werden. Um dennoch eine richtlinienkonforme Gesetzgebung zu gewährleisten, sollte insbesondere die wenig geglückte Formulierung der Generalklausel in § 3 Abs. 2 UWG überdacht werden.221 Des Weiteren bedarf es, um mehr Rechtssicherheit zu schaffen, einer Klarstellung dahingehend, dass sich die UGP-Richtlinie zumindest dann nicht auf mitbewerberschützende Vorschriften auswirkt, wenn lediglich Mitbewerberinteressen betroffen sind.222

E. Fazit

Den Entscheidungen des EuGH zum Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie kann entnommen werden, dass alle Vorschriften der Mitgliedstaaten, die zumindest teilweise dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher dienen, in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen und damit an ihrem Maßstab zu beurteilen sind.223 Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind nur solche nationalen Rechtsvorschriften, die unlautere Geschäftspraktiken betreffen, die lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern beeinträchtigen.224 Nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache VTB ist für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Richtlinie nicht erforderlich, dass durch die Geschäftspraktik

215 Harte/Henning/Podszun, § 3 Rn. 38.

216 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238, 244.

217 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238, 244.

218 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238.

219 Harte/Henning/Podszun, § 3 Rn. 37.

220 Siehe Abschnitt D.I.; vgl. BT-Drucks. 16/10145, S. 11.

221 Henning-Bodewig, GRUR 2013, 238, 244.

222 Siehe Abschnitt D.IV.

223 Siehe Abschnitt B.II.2 und Abschnitt B.II.3

224 Siehe Abschnitt B.II. 2 und Abschnitt B.II.3

unmittelbar wirtschaftliche Verbraucherinteressen beeinträchtigt werden.225 Maßgeblich ist allein, ob die Geschäftspraktik unmittelbar gegenüber Verbrauchern ausgeführt wird.226 Darüber hinaus kann der Entscheidung Euronics entnommen werden, dass dem nationalen Gesetzgeber ein gewisser Entscheidungsspielraum bleibt, inwieweit eine Norm etwa lediglich dem Mitbewerberschutz dient und damit nicht in den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie fällt.227

Aufgrund der Entscheidung Good News wird jedoch künftig auch ein weiter Bereich des Wettbewerbsrechts außerhalb der Totalharmonisierung der UGP-Richtlinie stehen.228 So fallen Fälle der Förderung fremden Absatzes ab sofort nicht mehr in den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie.229

Die Beschränkung des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie wirkt sich dabei vor allem auf den integrierten Ansatz des deutschen Lauterkeitsrechts aus. Durch den Versuch der richtlinienkonformen Gesetzgebung und zugleich der Bewahrung des integrierten Ansatzes kommt es zu Rechtsunsicherheiten und zu erheblichen Unklarheiten.230 Dies zeigt insbesondere die Verbrauchergeneralklausel in § 3 Abs. 2 UWG, welche immer wieder zu Auslegungsproblemen führt.231 Daneben führt auch das weite Verständnis der EuGH vom Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie im deutschen Lauterkeitsrecht zu Auslegungsproblemen. Innerhalb des integrierten Ansatzes ist nicht klar, inwiefern die UGP-Richtlinie auch die mitbewerberschützenden Vorschriften berührt. Festzuhalten bleibt daher, dass weder die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie anhand des Schutzzwecks der mitgliedstaatlichen Vorschrift, noch die Abgrenzung nach der Adressierung der geschäftlichen Handlung geeignet ist, den Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie sachgerecht zu bestimmen. Sinnvoll erscheint eine Abgrenzung danach, ob durch die geschäftliche Handlung unmittelbar wirtschaftliche Verbraucherinteressen gefährdet werden.232

Trotz der dargelegten Rechtsunsicherheiten und der Probleme, die sich aufgrund der Beschränkung des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie ergeben, hat sich der

Trotz der dargelegten Rechtsunsicherheiten und der Probleme, die sich aufgrund der Beschränkung des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie ergeben, hat sich der